Exklusive Sportberichterstattung und der Programmauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Österreich

Gastbeitrag von Anna Groiß (Studierende der Rechtswissenschaften, Wien)

Der vorliegende Beitrag widmet sich der Diskussion über die Sportberichterstattung in Österreich und insbesondere der Frage, ob der ORF exklusiv über Sportereignisse mit teuren Übertragungsrechten berichten darf oder unter Umständen sogar muss.

Einleitung

Beinahe ein jeder Sport-Fan kennt es: Um möglichst viele Sportwettkämpfe verfolgen zu können, benötigt man mittlerweile mehrere Abonnements bei verschiedensten Anbietern, deren Preise seit Jahren ansteigen (siehe dazu z.B. nachstehenden Beitrag). Bis vor wenigen Jahren konnte man die meisten der „wichtigen“ Sportveranstaltungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk verfolgen, seit einigen Jahren ist dies kaum bis gar nicht mehr möglich.

Das liegt insbesondere an den enorm hohen Preisen, die mittlerweile für Übertragungsrechte ausgegeben werden müssen. Da der Österreichische Rundfunk (ORF) durch öffentliche Gelder finanziert wird, liegt es nahe, dass er mit seinen finanziellen Mitteln wirtschaftlich nachhaltig umzugehen hat. Auch der in § 3 f ORF-Gesetz normierte Kernauftrag des ORF fordert die Wirtschaftlichkeit des Programmes.

In Österreich gilt das Prinzip des „dualen Rundfunksystems“, wonach öffentlich-rechtliche Sender (ORF) neben privaten Sendern (z.B. ATV, ServusTV oder Sky) existieren können. Bei den privaten Sendern kann man zwischen Free-TV und Pay-TV-Sendern unterscheiden. Der größte Unterschied besteht in der Finanzierung. Während private Sender von Sponsoren, Werbung und unter Umständen durch Beiträge ihrer Kunden finanziert werden, ist der ORF auf den Rundfunkbeitrag angewiesen. Diesen haben all jene zu bezahlen, die ein Empfangsgerät besitzen (Achtung: Änderung im Finanzierungssystem ab 2024).

Während private Fernsehsender bezüglich konkreter Programminhalte kaum gesetzlichen Bestimmungen unterliegen, gelten für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk strenge Regeln. Unter anderem normiert das ORF-Gesetz in seinem § 3 einen Versorgungsauftrag und präzisiert diesen in § 4 mit einer Bestimmung zum „öffentlich-rechtlichen Kernauftrag“. Es ist deshalb unter anderem die Pflicht und der gesetzliche Auftrag des ORF, die Allgemeinheit umfassend über „alle wichtigen […] sportlichen Fragen“ zu informieren.

Dabei stellt sich zunächst die Frage, was unter „allen wichtigen sportlichen“ Fragen zu verstehen ist. Man könnte diesbezüglich die Verordnung der Bundesregierung über Ereignisse von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung heranziehen. Wenn man § 1 dieser Verordnung betrachtet, dann würden beispielsweise Spiele der UEFA Champions League keine Stellung als „Ereignisse von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung“ genießen. Die taxative Aufzählung dieser Bestimmung beinhaltet in Bezug auf sportliche Ereignisse etwa die Olympischen Sommer- oder Winterspiele, ausgewählte Partien der FIFA-Weltmeisterschaft und Europameisterschaft der Herren, das Finalspiel des österreichischen Fußballpokals sowie Alpine und Nordische FIS-Skiweltmeisterschafen. § 4 ORF-Gesetz spricht hingegen ganz klar von der „umfassenden Information der Allgemeinheit über alle wichtigen […] sportlichen Fragen“; nicht zuletzt der Passus „alle wichtigen“ lässt die Definition doch deutlich weiter erscheinen als jene der „erheblichen gesellschaftlichen Bedeutung“. Demnach ist zu konstatieren, dass der Anwendungsbereich des § 4 ORF-Gesetz breiter ist als jener der Verordnung. Obwohl der Begriff „wichtig“ selbstverständlich äußerst subjektiv ist, sollte selbstredend klar sein, dass auch Sportbewerbe von Frauen wichtig sind, auch wenn diese nicht notwendigerweise gleichzeitig von „erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung“ sein müssen.

Die wesentlichen Fragen sind nun, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk angesichts der immer weiter steigenden Lizenzgebühren überhaupt noch Exklusivrechte erwerben kann, ob er es darf oder ob er aufgrund seines Versorgungs- bzw. Programmauftrags unter Umständen sogar dazu verpflichtet ist.

Im Folgenden werden die verschiedenen Standpunkte in der Diskussion dargestellt:

Argumente contra Lizenzerwerb

Stimmen in der deutschen Literatur meinen, dass zunächst eine Obergrenze in Bezug auf die zulässige Gebührensumme bei attraktiven Programmen unabdingbar sei (Holznagel im Tagungsbericht der 98. Tagung des Studienkreises für Presserecht und Pressefreiheit e.V. 535 ff). Insbesondere bei der Finanzierung der Sportberichterstattung und den hier exzessiv ansteigenden Kosten könnte es ansonsten passieren, dass der Rundfunkbeitrag seine Legitimation verlieren könnte (Degenhart, Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus nationaler und internationaler Sicht 494 ff).

Wenn der ORF zum Zwecke der Finanzierung von teuren Exklusivrechten für Sportübertragungen seine Gebühren weiter erhöhen würde, könnte dies also dazu führen, dass das Gleichgewicht zwischen der gebotenen Programmleistung und der finanziellen Leistung der Zuseher gestört werde (Erkens, Der öffentlich-rechtliche Rundfunk und exklusive Sportberichterstattung 248). Hierbei muss vor allem beachtet werden, dass – trotz großem medialen Interesse – nicht jeder Gebührenzahler ein Interesse an Sportwettbewerben oder Sportberichterstattung hat.

Im ORF-Gesetz selbst steht außerdem auch nichts von einer Verpflichtung zu einer „exklusiven“ Berichterstattung. Es wird nur auf das Ziel und die Breite der Sportberichterstattung hingewiesen, nicht aber auf die Exklusivität. Es ist auch möglich inhaltlich qualitativ und ausführlich über die jeweiligen sportlichen Wettkämpfe zu berichten, ohne sie exklusiv und live zu übertragen (Erkens, Der öffentlich-rechtliche Rundfunk und exklusive Sportberichterstattung 313).

Argumente pro Lizenzerwerb

Kritiker dieser Auffassung argumentieren hingegen, dass die eingenommenen Rundfunkgebühren eben genau dem Zweck der Berichterstattung dienen und dass durch den Erwerb von Exklusivrechten der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks überhaupt erst erfüllt werden kann. Nur so könne sich der öffentlich-rechtliche Sender als attraktiv erhalten und von den Privaten unterscheiden (Erkens, Der öffentlich-rechtliche Rundfunk und exklusive Sportberichterstattung 250).

Ein Indiz für die Pflicht des ORF, auch teure exklusive Sportbewerbe zu übertragen, könnte auch die rechtliche Verankerung der Sportberichterstattung in Bezug auf den Kernauftrag im ORF-Gesetz sein. In anderen europäischen Ländern, wie beispielsweise Deutschland, wird der Sport nämlich nicht explizit im Rundfunkstaatsvertrag erwähnt.

Andere Ansätze

In der Mitte dieser Diskussion finden sich einige wenige Stimmen, die zwar dem „Gebühr-folgt-Auftrag-Grundsatz“ der Kritiker folgen, jedoch durchaus der Meinung sind, dass sportliche Exklusivrechte nicht unter diesen Grundsatz fallen sollten (Degenhart, Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus nationaler und internationaler Sicht 493). Demnach sei Sport kulturell überhöht und trage nur wenig zur Völkerverständigung bei. Aus diesem Grund sind diese Stimmen in der Literatur der Meinung, dass der Sport zwar eine integrative Funktion habe, seine Kosten allerdings nur mittels Werbeinnahmen gedeckt werden sollten. Gersdorf ist außerdem der Meinung, dass es für den Fall, dass Fußball nicht durch Gebühren finanziert wird, immer noch die Möglichkeit gebe, ihn woanders zu sehen (Gersdorf im Tagungsbericht der 98. Tagung des Studienkreises für Presserecht und Pressefreiheit e.V.  536f).

Dieser Ansatz ist insbesondere valide, wenn man zudem die Auffassung vertritt, dass der Versorgungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch dann erfüllt ist, wenn Free-TV-Sender die Sportbewerbe übertragen.

In der Literatur wird zum Teil auch der Ansatz vertreten, dass es an der Zeit sei, den öffentlich-rechtlichen Sendern eine Zurückhaltungspflicht aufzuerlegen. Das soll bedeuten, dass der ORF nur noch bei Bedarf Lizenzen erwerben dürfte; mit anderen Worten: nur dann, wenn kein privater Sender die betroffenen Sportexklusivrechte erwirbt, der Bewerb aber trotzdem in den Kernauftrag des ORF fällt (Erkens, Der öffentlich-rechtliche Rundfunk und exklusive Sportberichterstattung 123).

Andere vertreten die Ansicht, dass es nicht darum gehe „was die Allgemeinheit nutzt, sondern (darum) was sie braucht“ (vgl dazu Erkens, Der öffentlich-rechtliche Rundfunk und exklusive Sportberichterstattung 299 ff). Auch dieser Standpunkt ist nachvollziehbar, da es die primäre Aufgabe des ORF ist, die Bevölkerung zu informieren. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk kann es sich also grundsätzlich nicht erlauben, nur darauf zu achten, was aktuell im Trend liegt oder die höchsten Einschaltquoten erzielen würde.

Fazit

Es ist deutlich zu sehen, dass sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Zwiespalt zwischen der Erfüllung des Versorgungsauftrages und der Wahrung der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit befindet.

Der Literatur folgend spricht grundsätzlich nichts dagegen, wenn sich der ORF weiterhin bemüht, attraktive Übertragungsrechte zu erwerben. Die Frage, ob der ORF nun teure Exklusivrechte erwerben darf oder unter Umständen sogar muss, ist meines Erachtens anlassfallbezogen zu beurteilen. Man sollte den Versorgungsauftrag des ORF als Minimalangebot für die österreichische Bevölkerung ansehen, um sich bestmöglich über verschiedenste Inhalte informieren zu können.

Wie der Alltag zeigt, endet die Informationsbeschaffung nicht beim ORF. Meiner Meinung könnte es ausreichen, wenn ein anderer österreichischer oder deutschsprachiger Free-TV-Sender die Übertragungsrechte an der Veranstaltung hält; ein Free-TV-Sender insofern, weil man auch für die Nutzung des ORF bezahlen muss und man ihn diesbezüglich ansonsten wohl als „normalen“ Pay-TV-Sender ansehen müsste. Im Vergleich zu Abonnements bei Streaming-Anbietern ist die Gebühr für den ORF jedoch grundsätzlich nicht freiwillig.

Um den ORF nicht in die Lage zu versetzen, dass ihm von Teilen der Bevölkerung, die weniger sportinteressiert sind, die Legitimation abgesprochen wird, wäre nach meinem Dafürhalten eine betragliche Obergrenze für den Erwerb von Exklusivrechten durch öffentlich-rechtliche Sender entweder auf nationaler oder aber auch auf europäischer Ebene wohl sinnvoll und wünschenswert. Nicht zuletzt würde helfen, wenn es eine klare Definition gäbe, welche Sportarten überhaupt unter § 4 ORF-Gesetz fallen.

Zu guter Letzt ist in diesem Zusammenhang auch das Recht auf Kurzberichterstattung wesentlich, welches in Österreich im Fernseh-Exklusivrechtegesetz verankert ist. Der darin enthaltene § 5 gibt dem ORF die Möglichkeit unter bestimmten Voraussetzungen einen Kurzbericht über Sportereignisse senden zu dürfen, welche ein anderer Sender exklusiv gesendet hat. Damit könnte der ORF zumindest versuchen, die Bevölkerung umfassend zu informieren und seinem Auftrag auch ohne Exklusivberichte nachzukommen.

Unabhängig davon, ob man sportinteressiert ist oder nicht, kann man sich wohl doch darauf einigen, dass mit dem Versorgungsauftrag des ORF auch eine große Verantwortung einhergeht und Sport gesellschaftlich eine sehr hohe Relevanz hat. Deshalb wären klare Regeln wünschenswert.

Hinweis: Beim vorliegenden Beitrag handelt es sich um einen Ausschnitt aus der Seminararbeit von Anna Groiß, die im Rahmen des Seminars „Sport im öffentlichen Recht“ bei Prof. Gerhard Muzak vorgelegt wurde.

Formel 1-Saisonstart: Kommt die Meinungsfreiheit unter die Räder?

Für alle Motorsportbegeisterten und jene, die es noch werden wollen: Es ist wieder so weit, das erste Rennwochenende der Formel 1 startet.

Das letzte Jahr hat viele Änderungen im Regulativ mit sich gebracht (siehe dazu unseren Beitrag). In dieser Saison hält sich die Anzahl der Änderungen in Grenzen, doch eine Neuheit wirbelt viel Staub auf. Dazu gleich mehr, starten wir zunächst mit einem kurzen Überblick zum Saisonstart 2023:

3 + 1 neue Fahrer

Zurück in die Boxengasse kommt ein alter Bekannter: Nico Hülkenberg. Der deutsche Fahrer startet nun für das Team Haas und nimmt damit das Cockpit von Mick Schumacher ein. Auch drei (gänzlich) neue Fahrer dürfen sich in dieser Saison beweisen. Der US-Amerikaner Logan Sargrant startet für Williams, Nyck de Vries für AlphaTauri und Oscar Piastri für das Team McLaren.

Mehr ist mehr

In der Saison 2023 scheint das Motto „weniger ist mehr“ nicht zutreffend zu sein. Ganze 23 Rennwochenenden stehen im Kalender. Das sind so viele wie noch nie zuvor. Und auch die „Sprints“ werden verdoppelt, sodass dieses Format in diesem Jahr gleich sechs Mal am Programm steht (unter anderem auch in Österreich). Dieses Jahr wird zudem auch ein Grand-Prix in Las Vegas und einer in Katar ausgetragen.

Stopp dem Chaos

Mit einer Regeländerung hinsichtlich der Startplatzstrafen nach dem Qualifying soll nun etwas mehr Ordnung einkehren. Dabei handelt es sich aber nicht unbedingt um eine Änderung, sondern vielmehr um eine Konkretisierung. Die Strafen sind nun in zwei Kategorien geteilt. Eine Strafe von bis zu 15 Plätzen wird auf das Qualifikationsergebnis angerechnet. Wenn dadurch mehrere Fahrer auf derselben Position starten würden, hat jener ohne Strafe Vorrang; bei mehreren Fahrern mit Strafe, derjenige, der das bessere Ergebnis im Qualifying erzielt hat. Bei einer Strafversetzung von mehr als 15 Plätzen startet dieser Pilot am Ende des Felds. Sollte es auch hier mehrere Piloten geben, gilt für die Reihenfolge wiederum das Ergebnis aus dem Qualifying.

Kommt die Meinungsfreiheit unter die Räder?

Und nun zu der brisanten Änderung im „International Sporting Code“ der FIA. Der neu eingefügte Artikel 12.2.1.n hat es nämlich in sich. Dieser legt nunmehr fest, dass politische, religiöse und persönliche Äußerungen oder Kommentare einen Regelverstoß darstellen. Es sei denn, es ist vorab die Genehmigung eingeholt worden.

Sowohl in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) als auch in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Resolution der UN-Generalversammlung) ist festgeschrieben, dass jede Person das Recht auf freie Meinungsäußerung (Meinungsfreiheit) hat. Die FIA hat ihren Sitz in Europa und in ihren Statuten ist auch zu lesen, dass diese den Konsultativstatus der U.N. genießt. Hier stellt sich dann manch einer gewiss die Frage, ob diese neue Regelung im Einklang mit dem Recht auf Meinungsfreiheit steht und die FIA wirklich diese Gangart wählen möchte.

Den Medienberichten ist die Unmut einer Vielzahl an Fahrern bereits klar zu entnehmen. So hat beispielsweise Lewis Hamilton verkündet, dass ihn Nichts davon abhalten werde, sich zu Dingen zu äußern, die ihm am Herzen liegen. Im Jahr 2023 wohl legitim. Das Team von Law meets Sports ist jedenfalls der Ansicht, dass sich jeder und jede selbst eine Meinung dazu bilden kann.

Es wird also nicht nur auf der Rennstrecke spannend. Wir werden auch die Entwicklungen abseits mit Spannung beobachten. In diesem Sinne: einen schönen Start ins erste Rennwochenende.

Causa Milletich – Ist das (Straf-)Recht die Grenze?

Ein Plädoyer für „Compliance- und Good Governance-Richtlinien im Sport“

von Christina Toth und Patrick Petschinka

(bereits in der LAOLA1-Kolumne „§port und alles was Recht ist“ erschienen)

Gerhard Milletich soll sein Amt als ÖFB-Präsident genutzt haben, um Inserate für das schau-Magazin zu gewinnen. Ein Magazin, dessen Herausgeber Gerhard Milletich ist. Der amtierende ÖFB-Präsident bestreitet den Vorwurf: Er habe seine Funktion niemals missbraucht. Zu allen Unternehmen hätten bereits vor seinem Amtsantritt Geschäftsbeziehungen bestanden. Aussagen von potenziellen Inserenten sollen ein konträres Bild zeichnen.

Vorweg ist festzuhalten, dass wir den Fall Milletich mangels Kenntnis des konkreten Sachverhalts nicht bewerten wollen. Die Causa hat aber viel Staub aufgewirbelt: Mediale Empörung, öffentliche Diskussionen im ÖFB-Präsidium und oberdrein ein Gerichtsverfahren (dazu hier). Der Schaden für den ÖFB ist angerichtet.

Auch der reflexartige Ruf nach Compliance und Good Governance im Sport ließ nicht lange auf sich warten. Worum geht es dabei? Der Begriff „Compliance“ leitet sich aus dem Englischen „to comply with“ ab, worunter wörtlich „befolgen“, „entsprechen“ oder „erfüllen“ zu verstehen ist. Heute wird mit „Compliance“ gemeinhin die Einhaltung von Regeln und Gesetzen beschrieben. Der Begriff „Good Governance“ kommt ebenfalls aus dem Englischen und bedeutet im vorliegenden Kontext „gute Vereinsführung“. Beides Konzepte, die eigentlich selbstverständlich sein sollten, die aber gerade im Spannungsfeld von Ehrenamt und Hauptberuf (gefährlichen) Interpretationsspielraum offenlassen.

Das ÖFB-Präsidium hat inzwischen entschieden, die Causa dem Ethikkomitee der Fußball-Bundesliga zu übergeben. Juristisch wirft der Fall die Frage auf, ob die Verknüpfung von Ehrenamt und Hauptberuf rechtliche Konsequenzen nach sich zieht. Dem wird im Folgenden nachgegangen, wobei die Causa Milletich nur als Aufhänger dient.

Kein strafrechtlich relevantes Verhalten

Der Sport lebt vom Ehrenamt – auf allen Ebenen. Gesellschaftliche Anerkennung und ein interessantes Netzwerk sind oft die Motivation für den unentgeltlichen Einsatz in Sportverbänden und -vereinen. Gerade an die Spitze großer gemeinnütziger Organisationen werden nicht selten einflussreiche Personen gewählt, die ihren Einfluss sodann zugunsten der Organisation geltend machen sollen. So weit, so gut.

Kommen wir zum Juristischen: Das Strafrecht regelt grundsätzlich Fälle, in denen Mittel von Fremden (also auch von Verbänden oder Vereinen) zweckwidrig verwendet werden. Untreue, Betrug und Fördermittelmissbrauch sind nur drei der Tatbestände, die die pflichtwidrige Verwendung von finanziellen Mitteln unter Strafe stellen.

Den medialen Berichten zufolge wurde in der Inseratencausa aber kein strafrechtlich relevantes Verhalten gesetzt. Doch ist das Strafrecht die Grenze?

Nun sag‘, wie hast du’s mit der Moral?

Selbst wenn das staatliche (Straf-)Recht nicht greift, bedeutet das nicht, dass ein Verhalten, mit dem sich jemand einen persönlichen Vorteil verschafft, ohne Konsequenzen bleiben muss. Ganz im Gegenteil: Unsere Gesellschaft hat sich nicht bloß auf Rechtsnormen, sondern auch auf moralische Normen und Werte verständigt. Diesbezüglich sei auf die Aussage des ehemaligen Rechnungshof-Präsidenten Franz Fiedler verwiesen, die dieser im vorliegenden Kontext getroffen hat:

„Korruption beginnt nicht erst mit dem Strafrecht. Das ist eine weltweit anerkannte Tatsache. Sie beginnt im Vorfeld des Strafrechts […].“ Korruption ist freilich ein schwerwiegender Vorwurf. Eine allgemeingültige Begriffsbestimmung von Korruption gibt es nicht. Transparency International arbeitet etwa mit folgender Definition: „Korruption ist der Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil.“ Es ist also nicht jeder persönliche Vorteil, den ein Verbands- oder Vereinsverantwortlicher aus seiner (meist ehrenamtlichen) Funktion zieht, gleich Korruption.

Aber: Der Sport schreibt sich Werte wie Integrität und Fairplay mit freudiger Bereitwilligkeit auf die Fahnen. Dafür sollte er auch abseits des Spielfelds stehen. Doch wie kann das gelingen?

Compliance & Good Governance-Richtlinien

Verbände und Vereine sind nach dem Vereinsgesetz gegründete, demokratische Organisationen, die sich ihre Spielregeln in den Statuten und allfälligen Geschäftsordnungen im Rahmen der Gesetze selbst geben. Die Funktionäre haben ihre Aufgabe im Verein mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Organwalters auszuüben. Dabei haben sie sich an die gesetzlichen Vorschriften, aber auch an die vereinsinternen Regularien und Beschlüsse zu halten. Bei einem schuldhaften Verstoß drohen Schadenersatzforderungen, und/oder andere in den Regularien vorgesehene Konsequenzen.

Dabei ist es Aufgabe der verantwortlichen Organe ebensolche Regularien zu schaffen, um im Falle des Falles auch Konsequenzen ziehen zu können.

Der ÖFB hat eine lange Liste an Bestimmungen, Regulativen und Richtlinien verabschiedet. Regeln für das (persönliche) Verhalten der eigenen Funktionäre und Verantwortlichen gibt es – soweit ersichtlich – nicht. Solche wären aber ein zentrales Vehikel, um imageschädigende Diskussionen wie in der Inseratencausa von vornherein zu verhindern (oder es zumindest zu versuchen). Der ÖFB müsste das Rad auch gar nicht neu erfinden:

Der Österreichische NPO-Governance Kodex (NPO steht für „Non-Profit-Organisation“) macht klare Vorschläge, wie Governance-Regelungen in gemeinnützigen Organisationen im Hinblick auf Interessenkonflikte ausgestaltet sein könnten. Beispielsweise:

  • die Mitglieder des Leitungsorgans haben ihre Aufgaben stets im Interesse der NPO und deren Zweckerreichung auszuüben und dürfen dabei keine Eigeninteressen verfolgen oder Geschäftschancen der NPO für sich selbst nutzen;
  • Mitglieder des Leitungs- oder Aufsichtsorgans haben Interessenkonflikte unverzüglich dem Vorsitzenden des jeweiligen Organs mitzuteilen. Dieser hat Interessenkonflikte den übrigen Organmitgliedern mitzuteilen. Bei einer Beschlussfassung über eine Angelegenheit, in der sie einem Interessenkonflikt unterliegen, sind diese Personen von der Abstimmung ausgeschlossen;
  • bestehen Interessenkonflikte dauerhaft, haben die betroffenen Personen ihr Amt zurückzulegen oder
  • Geschäfte der GeschäftsführerInnen mit der NPO bedürfen der Zustimmung des Leitungsorgans; Geschäfte von Mitgliedern des Leitungsorgans mit der NPO bedürfen der Zustimmung des Aufsichtsorgans; Geschäfte von Mitgliedern des Aufsichtsorgans bedürfen der Beschlussfassung des Aufsichtsgremiums.

Die Vorschläge leuchten ein. Im Wesentlichen geht es darum, mögliche Interessenskonflikte im Vorfeld zu regeln. Damit geht Transparenz in der Verbands- und Vereinsführung einher. Immerhin arbeiten die Verantwortlichen mit Geldern der Mitglieder, mit Sponsorengeldern und nicht zuletzt mit Förder-, also Steuergeldern. Transparenz sollte schon im ureigenen Interesse jedes Sportfunktionärs sein, um nicht einmal den Anschein eines pflichtwidrigen Verhaltens zu erwecken.

Es ist also nicht nur die Aufgabe des einzelnen Funktionärs dem Anstand und der Moral entsprechend zu handeln, sondern der Organisation als Ganzes. Sie hat dafür zu sorgen, dass entsprechende „Spielregeln“ installiert werden. Diese fehlen beim ÖFB offenbar. Doch damit ist er nicht allein – Compliance und Good Governance werden in gemeinnützigen Organisationen in Österreich generell stiefmütterlich behandelt.

Vereinsrechtliche Instrumentarien als Garant für Compliance?

Vereinsfunktionäre können nicht wie Arbeitnehmer „einfach“ gekündigt oder entlassen werden. Die demokratische Struktur von Vereinen ermöglicht es aber, gewählte Organwalter wieder abzuwählen; sei es bei ordentlichen Wahlen oder im Rahmen von außerordentlichen Mitgliederversammlungen. Diese sind laut Vereinsgesetz auf Antrag von zumindest 10 % der Mitglieder einzuberufen. Aus praktischer Erfahrung wissen wir jedoch, dass die Vereinsverantwortlichen (insbesondere jene, die sich mit Kritik konfrontiert sehen) die Einberufung der Gremien, die ihre Abwahl besiegeln sollen, oft verhindern. In manchen Fällen reicht aber bereits die theoretische Möglichkeit zur Abwahl, um selbst den Hut zu ziehen.

Laut den Satzungen des ÖFB kann die Bundeshauptversammlung (die Mitgliederversammlung im Sinne des Vereinsgesetzes) das gesamte Präsidium oder einzelne Mitglieder jederzeit ihres Amtes entheben. Einen ausdrücklichen Verstoß gegen irgendwelche Richtlinien braucht es dafür nicht. Eine Stimmenmehrheit reicht aus. Diese dürfte es, laut Medienberichten, im ÖFB aktuell nicht geben.

Dass sich die Bundeshauptversammlung, die das Präsidium abwählen kann, und das Präsidium selbst aus den gleichen Personen (Landesverbandspräsidenten und Bundesligavertreter) zusammensetzt, ist eine andere (Good Governance-)Geschichte…

Resümee und Ausblick

Die eingangs aufgeworfene Frage lässt sich eindeutig beantworten: Das staatliche (Straf-)Recht bildet selbstverständlich nicht die einzige Grenze für das Handeln von Sportfunktionären. Bei Entscheidungen sind auch das Vereinsgesetz, die Statuten und interne Richtlinien sowie nicht zuletzt moralische Normen zu beachten. Werden diese nicht eingehalten, können Funktionäre unter Einhaltung demokratischer Prozesse ihrer Ämter enthoben und/oder nach den allgemeinen zivilrechtlichen Bestimmungen für ihr Handeln haftbar gemacht werden.

Compliance- und Good Governance-Regeln sollen vor allem die Interessen der Organisation und seiner Mitglieder schützen. Eine medienöffentliche Auseinandersetzung schafft eine „lose-lose-lose-Situation“. Sie schadet nicht nur dem Verband und den einzelnen Beteiligten, sondern auch dem Sport als Ganzes.

Die Inseratencausa sollte seitens der Sportverbände daher zum Anlass genommen werden, um Compliance- und Good Governance-Richtlinien sowie Instrumentarien zu deren Durchsetzung zu implementieren.

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Wenn der vorstehende Beitrag Ihr Interesse am Thema „Compliance und Good Governance im Sport“ geweckt hat, dürfen wir Sie auf folgende Veranstaltung aufmerksam machen:

COMPLIANCE IM SPORT – Know How für Vereine, Veranstalter und Sponsoren

23.2.23, Admiral Arena Prater

Teilnahme kostenlos, Anmeldung hier erforderlich.

Der sportrechtliche Jahresrückblick 2022

Der vorliegende Beitrag lässt das sportrechtliche Jahr 2022 nochmals Revue passieren. Ein Jahr, in dem abermals Krisen ihre Spuren hinterließen. Krisen, die rechtliche Fragestellungen in der Sportwelt zutage förderten. Doch auch abseits davon tat sich sportrechtlich einiges. Die folgenden Ausführungen können keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, sollen den Sportrechtsinteressierten aber einen Überblick bieten.

I. Von den Gerichten

Vor Jahren wurde noch kolportiert, dass Streitigkeiten im Sport außerhalb von Gerichtssälen ausgetragen werden. Diese Aussage kann heute keinesfalls mehr aufrechterhalten werden. Wenngleich für rechtliche Problemstellungen im Sport primär die Sportsgerichtsbarkeit vorgesehen ist, werden im Zuge von sportrechtlichen Streitigkeiten zunehmend die staatlichen Gerichte bemüht:

Den Anfang macht die Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in der Causa Pechstein. Kurz zur Vorgeschichte: Claudia Pechstein wurden im Rahmen der Eisschnelllauf-Mehrkampfweltmeisterschaft 2009 im norwegischen Hamar erhöhte Blutwerte nachgewiesen, woraufhin die International Skating Union (ISU) eine zweijährige Sperre wegen Dopings verhängte. Dagegen zog die Deutsche vor den Internationalen Sportgerichtshof (CAS). Ohne Erfolg. Auch vor dem Schweizerischen Bundesgericht war für die Eisschnellläuferin nichts zu holen. Es folgten ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und ein Zivilprozess in Deutschland. Als wäre diese Liste nicht bereits lange genug, hat sich nun auch noch das BVerfG zu Wort gemeldet:

Mit Beschluss vom 3. Juni 2022 (1 BvR 2103/16) hat das BVerfG der Verfassungsbeschwerde von Pechsteinstattgegeben. Das BVerfG ortete in der Entscheidung des deutschen Bundesgerichthofs (BGH), wonachPechsteins Klage wegen einer zugunsten des CAS vereinbarten Schiedsklausel unzulässig sei, eine Verletzung des Justizgewährungsanspruches (Art 2 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 Grundgesetz). Der BGH habe die Bedeutung des Anspruchs auf Öffentlichkeit des Verfahrens verkannt. Die vorgenommene Abwägung zwischen dem Justizgewährungsanspruch und der Vertragsfreiheit sowie der Verbandsautonomie entspreche nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen (für die Kernaussagen des BVerfG siehe unseren Beitrag).

Weiter geht es mit einer Entscheidung der Ad Hoc Division des CAS bei den Olympischen Winterspielen in Peking. Aufgrund dieser Entscheidung war es einer erst 15-jährigen Eiskunstläuferin namens Kamila Valieva – trotz Vorliegen einer positiven Dopingprobe – möglich, an der Kür des olympischen Einzelwettkampfs der Frauen im Eiskunstlauf teilzunehmen. Die Verhinderung der Teilnahme am Wettkampf würde eine irreversible Schädigung der Athletin bedeuten, sodass das Panel der Ad Hoc Division die Aufhebung der vorläufigen Suspendierung nach Durchführung einer Interessensabwägung bestätigte (siehe dazu unseren Beitrag).

Ferner bestätigte der CAS den Ausschluss von russischen Auswahl- und Klubmannschaften von Bewerben der FIFA und UEFA. Die Richter betonten zunächst die unvorhersehbaren und noch nie dagewesenen Umstände, auf welche die FIFA und die UEFA hätten reagieren müssen. Die Sportverbände hätten sodann im Rahmen des ihnen durch ihre Satzungen eingeräumten Ermessensspielraums gehandelt (2022/A/8708 und 2022/A/8709). Über die Sanktionen der Sportverbände gegen Russland haben wir auch mit Professor Orth gesprochen (höre dazu unsere Podcast-Folge).

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte sich auch im abgelaufenen Jahr mit einem spanischen Fußballverein zu beschäftigen. Den Anlass dazu gaben einmal mehr staatliche Beihilfen Spaniens, diesmal zugunsten des FC Valencia. Der EuGH hat das Rechtsmittel der Kommission, welche die Beihilfen mittels Beschluss vom 4. Juli 2016 als rechtswidrig und mit dem Binnenmarkt unvereinbar im Sinne des Art 107 AEUV qualifiziert hat, zurückgewiesen (C-211/20 P).

Apropos EuGH: Dieser hat sich im neuen Jahr mit zwei äußerst brisanten Fällen zu befassen. Die Rede ist von den Rechtssachen „European Superleague Company“ und „International Skating Union/Kommission“. Die Schlussanträge dazu hat Generalanwalt Rantos am 15.12.2022 erstattet. Nach der rechtlichen Einschätzung des Generalanwalts sind die FIFA/UEFA-Regeln, die jeden neuen Wettbewerb von einer vorherigen Genehmigung abhängig machen, mit dem Wettbewerbsrecht der EU vereinbar (siehe dazu unseren Beitrag). In eine ähnliche Kerbe schlagen die Schlussanträge zur „International Skating Union“, in welchen der Generalanwalt die Aufhebung des die Wettbewerbswidrigkeit der Regeln der International Skating Union bestätigenden Urteils des europäischen Gerichts vorschlägt (siehe dazu die Pressemitteilung).

In Österreich hatte sich der Oberste Gerichtshof (OGH) im vergangenen Jahr beispielsweise mit urheberrechtlichen Exklusivlizenzen für Sportübertragungen auseinanderzusetzen (4 Ob 219/21s). Klarstellend hielt er dazu fest, dass die Aufführung von Live-Übertragungen von Spielen der UEFA Champions League vom Medienkonzern Sky (einem Linzer Gastwirt) untersagt werden kann, weil die UEFA dem Konzern für das Lizenzgebiet Österreich die entsprechenden Exklusivrechte eingeräumt hat (siehe dazu unseren Beitrag).

Weitere Entscheidungen des OGH betrafen die Verkehrssicherungspflichten bei Sportveranstaltungen (9 Ob 85/21x), die Aufklärungspflichten eines Sportveranstalters (2 Ob 105/21m sowie 8 Ob 15/22x), den Unfall bei einer Seilschaft (9 Ob 4/22m) sowie Fragen der Wegehalterhaftung im Sinne des § 1319a ABGB nach einem Mountainbike-Unfall (1 Ob 19/22h).

II. Aus dem Parlament

Mit der Professionalisierung und Kommerzialisierung im Sport geht eine Verrechtlichung einher. So treten neben die allseits bekannten (verbandsrechtlichen) Spiel- und Sportregeln zunehmend allgemein gültige Rechtsregeln, die überwiegend die Rahmenbedingungen des sportlichen Systems regeln sollen. Obgleich die Verrechtlichung des Sports bereits weit fortgeschritten ist, gibt es doch noch einiges zu tun, um tatsächlich Rechtssicherheit für die Sportler, Vereine und Verbände zu schaffen.

Der Nationalrat hat am 13. Dezember 2022 eine Erhöhung der Pauschalen Reiseaufwandsentschädigung (kurz: PRAE) beschlossen. Um die ehrenamtliche Tätigkeit zu fördern und dem Umstand der hohen Inflation Rechnung zu tragen, wird die PRAE ab 1. Jänner 2023 von 540 Euro auf 720 Euro erhöht und der Betrag pro Einsatztag verdoppelt (maximal 120 Euro pro Einsatztag). In Regierungskreisen wird die Erhöhung als „Meilenstein“ bezeichnet (so der Vizekanzler). Auch in den Kreisen des organisierten Sports wird überwiegend laut gejubelt (siehe beispielsweise das Statement der Interessenvertretung Sport Austria). Ob die Erhöhung der PRAE tatsächlich nur Anlass zum Jubeln gibt, steht auf einem anderen Blatt und soll hier beiseitegelassen werden.

Davon abgesehen gibt es aus dem österreichischen Parlament wenig zu berichten. Wiewohl sich die Etablierung eines Berufssportgesetzes auch im aktuellen Regierungsprogramm wiederfindet, heißt es weiter: „Bitte warten!“ Gleiches gilt für den eSport. Wie bereits im Jahresrückblick 2021 berichtet, haben Experten im Sommer 2021 gewisse Empfehlungen zur rechtlichen Einordnung an die Politik herangetragen. Seither liegt der Ball beim Gesetzgeber.

Demgegenüber schickt sich die Europäische Union nun an, geeignete Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Entwicklung der eSport- und Gaming-Industrie zu schaffen. Ausgehend von einer umfassenden Studie von Nothelfer/Scholz (Esports – Background Analysis) verabschiedete das Europäische Parlament am 10. November 2022 eine Resolution zu eSport und Gaming (2022/2027[INI]). Wie sich der Prozess nun entwickelt, bleibt abzuwarten.

Von den „ursprünglichen“ Regelsetzern im Sport, die Sportverbände, gibt es hingegen einiges zu berichten: Die neuen Regelungen der Formel-1 (siehe dazu unseren Beitrag), die neuen FIFA-Bestimmungen zur Spielerleihe (siehe dazu hier) und das UEFA-Reglement zur finanziellen Nachhaltigkeit (siehe dazu unseren Beitrag) seien aus der Fülle exemplarisch herausgegriffen.

III. Kurioses

Mitunter ereignen sich auch kuriose Geschichten im Sport(-recht), die in einem Jahresrückblick ebenfalls nicht fehlen dürfen.

Dazu gehört beispielsweise der Fall des französischen Nationalspielers Antoine Griezmann, der zu Beginn der Spielzeit 2022/23 nicht der Startelf von Atlético Madrid angehörte. Der Offensivspieler wurde vielmehr regelmäßig nach einer Stunde eingewechselt. So weit, so gut, darin liegt noch nicht das Kuriosum (gleichwohl Fans des Franzosen unter Umständen das Gegenteil behaupten würden). Kurios wird es spätestens dann, wenn man sich den Hintergrund vergegenwärtigt: Der Leihvertrag soll eine „Kauf“-Verpflichtung in Höhe von 40 Millionen Euro beinhalten, die von der Bedingung abhängig ist, dass der Spieler in 50 % der Pflichtspiele über mindestens 45 Minuten eingesetzt wird (für eine juristische Bewertung siehe den Gastbeitrag von Fischinger/Kolomiyets).

Vielen bleibt gewiss auch das Wechselchaos im Bundesligaspiel zwischen Freiburg und Bayern München in Erinnerung. Aufgrund der Anzeige einer falschen Rückennummer auf der elektronischen Wechseltafel waren auf Seiten der Bayern für knapp 20 Sekunden zwölf – anstatt der erlaubten elf – Spieler auf dem Feld. Daraufhin beeinspruchte der SC Freiburg die Spielwertung der Partie beim DFB-Sportgericht. Dieses sah die Verantwortung für das Wechselchaos aber nicht beim deutschen Rekordmeister, sondern beim Schiedsrichterteam. Der FC Bayern München behielt also die drei Punkte (ausführlich dazu unser Beitrag).

Bleiben wir gleich in der Deutschen Fußball-Bundesliga: Auch ein Torjubel von Anthony Modeste stellte sich durchaus kurios dar. Nach dem Führungstreffer für den 1. FC Köln gegen Arminia Bielefeld hielt Torschütze Anthony Modeste eine Packung seiner eigenen Kaffeemarke in die Kamera. Obwohl der Stürmer keine Verwarnung durch den Schiedsrichter erhielt, untersuchte der Kontrollausschuss des DFB den Vorfall. Anthony Modeste kam schließlich mit einem blauen Auge davon – der DFB-Kontrollausschuss stellte das Verfahren mit Zustimmung des DFB-Sportgerichts ein. Der Fall macht deutlich, dass ein Torjubel sportrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Die obligatorische Verwarnung für das Ausziehen des Trikots ist allgemein bekannt. Abgesehen davon stellen sich aber weitere Fragen: Wie ausgelassen darf man jubeln? Wann erhält man eine gelbe Karte? Und in welchen Fällen kann man sogar im Nachhinein gesperrt werden? Hierfür lohnt sich zunächst ein Blick auf Regel 12.3. der Spielregeln des International Football Association Board (IFAB), wobei gewisse Jubel dem Regelhüter einiges an Auslegungsgeschick abverlangt.

Hohe Wellen schlug nicht zuletzt ein Streit in der Schachwelt. Anlass dazu gaben zwei Aufeinandertreffen zwischen dem Schachweltmeister Magnus Carlsen und Hans Moke Niemann. In beiden Duellen hatte der Weltmeister das Nachsehen, wobei er in der zweiten bereits nach einem Zug aufgab. Auf Twitter äußerte er anschließend Betrugsvorwürfe gegen seinen Kontrahenten: „Ich glaube, dass Niemann mehr – auch in letzter Zeit – betrogen hat, als er öffentlich zugegeben hat“. Die Antwort von Hans Moke Niemann in Form einer 100-Millionen-Dollar-Verleumdungsklage ließ nicht lange auf sich warten. Der Fall hat nicht zuletzt eine Debatte über Cheating in der Schachwelt losgetreten (für eine juristische Einordnung siehe Rinteln, SpoPrax 2022/488).

IV. Sonstiges

Der Kollektivertrag für Fußballspieler der der Österreichischen Fußball-Bundesliga gilt als Paradebeispiel einer sportspezifischen Sonderregelung. Darüber sind sich alle Beteiligten einig. Abgeschlossen wurde der Kollektivvertrag bislang zwischen der Österreichischen Fußball-Bundesliga und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB), younion _ Die Daseinsgewerkschaft für die Fachgruppe Vereinigung der Fußballer. Es ist hinlänglich bekannt, dass nunmehr sämtliche Berufsfußballer aus dem ÖGB ausgetreten sind und sich einer neu gegründeten „Spielervereinigung“ angeschlossen haben (dazu etwa hier). Damit drängt sich die Frage auf, wer künftig das Recht hat, den Kollektivertrag für Fußballspieler auf Arbeitnehmerseite abzuschließen (für eine ausführliche Auseinandersetzung siehe unseren Beitrag).

Ein weiteres Erfolgsmodell im österreichischen Fußball ist der sogenannte Österreichertopf. Damit soll der Einsatz österreichischer Spieler in der Fußball-Bundesliga finanziell gefördert werden. Ob die Eingangsthese selbst heute noch Gültigkeit beanspruchen kann, ist fraglich. Denn Medienberichten zufolge verzichtet mittlerweile fast die halbe Liga auf die Förderungen aus dem Topf (siehe dazu etwa folgenden Bericht). Die Gemengelage erinnert den Sportinteressierten höchstwahrscheinlich an die Situation im Handballsport, wo im abgelaufenen Jahr ebenfalls über eine Förderregelung zugunsten österreichischer Spieler diskutiert wurde (dazu hier). Rechtlich ist beiden Systemen gemein, dass sie vor dem Hintergrund des Unionsrechts kaum bestehen können (dazu erscheint in Kürze eine umfassende Fachpublikation im Tagungsband „Sport im Öffentlichen Recht“).

Kurz vor Jahreswechsel ließ die Fußball-Bundesliga mit einer Änderung der Lizenzbestimmungen aufhorchen. Demnach wurde die Förderung des Frauenfußballs und Corporate Social Responsibility-Bestimmungen als verpflichtendes B-Kriterium eingeführt. Ersteres kann „entweder durch eine eigene Mannschaft, eine Kooperation oder durch weitere Maßnahmen erfüllt werden, die den Frauenfußball entsprechend fördern“, teilte die Fußball-Bundesliga in einer ersten Stellungnahme mit. Zweiteres umfasst die verpflichtende Nennung einer verantwortlichen Person für den Bereich „Fußball und soziale Verantwortung“ sowie ein Strategiepapier und Maßnahmen in den Bereichen Gleichstellung und Inklusion, Bekämpfung von Rassismus, Kinder- und Jugendschutz, Fußball für alle (Stichwort: Barrierefreiheit) und Umweltschutz.Außerdem wurde bezüglich der finanziellen Nachhaltigkeit und des beständigen Abbaus von negativem Eigenkapital ein neues C-Kriterium implementiert (für eine generelle Übersicht über das Lizenzverfahren siehe unseren Beitrag).

Für Schlagzeilen sorgte auch der Becherwurf im Oberösterreich-Derby zwischen dem LASK und der SV Ried. Der Vorfall gab Anlass, um über die rechtlichen Implikationen von Fehlverhalten der Fans zu diskutieren. Die zentrale verbandsrechtliche Bestimmung in diesem Dunstkreis ist § 116 Abs 3 ÖFB-Rechtspflegeordnung, die besagt, dass ein Verein für bestimmte Fälle von unangemessenem Verhalten seiner Anhänger zu bestrafen ist, selbst wenn der Verein nachweisen kann, dass ihn bei der Organisation des Spiels kein Verschulden trifft (für eine ausführliche Analyse des Vorfalls höre unsere Podcast-Folge).

Last, but not least ist auch einer der vielen „Nebenschauplätze“ der wohl umstrittensten Fußball-Weltmeisterschaft aller Zeiten zu erwähnen: Kurz vor dem Anpfiff stand die Kapitänsbinde im Fokus (Stichwort: „One Love-Armbinde“). Abermals. Bereits bei der Fußball-Europameisterschaft 2020 gab es Diskussionen über die Binde, die der Kapitän einer Mannschaft als Erkennungszeichen am Oberarm trägt (siehe dazu unseren Beitrag). Wer die Debatte als trivial abstempelt, hat das Problem dahinter nicht verstanden: Es handelt sich um eine Diskussion, die weit über die Sportwelt hinausreicht; es geht um Werte sowie das Verhältnis zwischen Sport und Politik. Dass sich die großen Sportverbände damit schwertun, war in den letzten Jahren nur unschwer zu erkennen. Spätestens bei der Pokalübergabe zeigte sich in diesem Punkt die Doppelmoral des Veranstalters.

V. Ausblick

Ein Streifzug durch das sportrechtliche Jahr 2022 stellt die Vielseitigkeit der Materie Sportrecht einmal mehr unter Beweis. Wir bleiben jedenfalls dran und freuen uns bereits auf ein spannendes Jahr 2023: Wie entscheidet der EuGH die Rechtssachen „European Superleague Company“ und „International Skating Union/Kommission“? Kommen wir dem Berufssportgesetz ein Stück weit näher? Werden die Empfehlungen zur rechtlichen Einordnung des eSports endlich umgesetzt?

Mit diesem Ausblick wünschen wir euch ein gesundes und erfolgreiches neues Jahr! Unsere Neujahrsvorsätze: Content und (dieses Mal wirklich) das ein oder andere LAW MEETS SPORTS-Event – Bleibt am Ball!

Präventive Maßnahmen zur Bekämpfung von Hooliganismus und Rassismus bei Sportgroßveranstaltungen

Ein Gastbeitrag von Univ.-Ass. Sophia Lienbacher, LL.M. (WU)

„Hooliganismus“ ist ein weltweit verbreitetes Phänomen, das insbesondere den Fußballsport betrifft. Immer wieder kommt es im Zusammenhang mit Fußballspielen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen unter rivalisierenden Fangruppen und zu Gewalthandlungen einzelner Fans gegenüber der Polizei oder anderen Zuschauern. Jüngstes Beispiel ist das UEFA Nations League-Spiel zwischen Österreich und Kroatien, das am 25. September 2022 im Ernst-Happel-Stadion stattfand: Eine Gruppe kroatischer Risikofans, die während des Fußballspiels begannen, andere Zuseher mit Gegenständen zu bewerfen, pyrotechnische Gegenstände zu zünden und homophobe sowie antisemitische Parolen anzustimmen, lösten damit letztlich einen Einsatz der Polizeisondereinheit WEGA aus.

Um Sportgroßveranstaltungen sicherer zu machen, erfolgte in Vorbereitung auf die Fußball-Europameisterschaft 2008, die vom 7. bis 29. Juni 2008 in Österreich und der Schweiz stattfand, eine grundlegende Umstrukturierung und Erweiterung der für Sportgroßveranstaltungen relevanten Befugnisse im Sicherheitspolizeigesetz (kurz: SPG). Mit Inkrafttreten der Novelle (BGBl I 113/2007) wurde ein neuer „3. Abschnitt“ mit der Bezeichnung „Besondere Befugnisse zur Verhinderung von Gewalt und Rassismus bei Sportgroßveranstaltungen“ geschaffen, der die Bestimmungen § 49a (Sicherheitsbereich), § 49b (Gefährderansprache) und § 49c (Präventive Maßnahmen: Meldeauflage, Belehrung, zwangsweise Vorführung und Anhaltung) umfasst. Zweck dieser Regelungen ist die präventive Gefahrenabwehr.

Begriffsbestimmung: „Sportgroßveranstaltung“

Eine „Sportgroßveranstaltung“ im Sinne des SPG liegt vor, wenn eine Sportveranstaltung an verschiedenen Veranstaltungsorten stattfindet und eine internationale Dimension aufweist (zB Welt- und Europameisterschaften oder Olympische Spiele). In den übrigen Fällen hängt die Qualifikation als Sportgroßveranstaltung von einer Einzelfallprüfung durch die zuständige Sicherheitsbehörde ab. Von Bedeutung ist dabei in erster Linie die erwartete Besucheranzahl. Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) zieht unter Verweis auf die Gesetzesmaterialien (RV 1188 BlgNR, 22. GP) als Referenzgröße eine zu erwartende Zuseheranzahl von zumindest 3.000 heran (vgl VwGH 14.12.2018, Ra 2017/01/0055). Daneben können auch noch andere Faktoren, etwa die Kapazität der Veranstaltungsstätte oder die voraussichtlich erforderliche Anzahl von Sicherheitsorganen, die Qualifikation als Sportgroßveranstaltung begründen. So erfordert beispielsweise die Austragung eines Derbys ein erhöhtes Sicherheitsaufgebot, weil dabei meist stark konkurrierende Mannschaften und rivalisierende Fangruppen aufeinandertreffen. Diese Begleitumstände rechtfertigen die Einordnung als Sportgroßveranstaltung, selbst wenn zu diesem Spiel weniger als 3.000 Zuschauer erwartet werden.

Konkret sieht das SPG zur Verhinderung von Gewalt und Rassismus bei Sportgroßveranstaltungen folgende besondere Befugnisse vor:

Sicherheitsbereich (§ 49a SPG)

Befürchtet die Sicherheitsbehörde aufgrund bestimmter Tatsachen eine allgemeine Gefahr für die Zuschauer – etwa, weil gewaltbereite Fans erwartet werden –, kann sie durch Verordnung eine Fläche im Umkreis von höchstens 500 Meter um den Veranstaltungsort zum „Sicherheitsbereich“ erklären. Aus diesem Sicherheitsbereich können Sicherheitsorgane all jene Personen wegweisen, die sich innerhalb dieses Bereichs befinden und durch die ein gefährlicher Angriff (§ 16 Abs 2 SPG) unter Anwendung von Gewalt droht. Sofern erforderlich, kann im Anschluss zudem ein Betretungsverbot gegen die betroffene Person ausgesprochen werden.

Ein hierfür notwendiger prognostizierter gefährlicher Angriff liegt zB vor, wenn die hinreichend begründete Befürchtung besteht, die Person werde innerhalb des Sicherheitsbereichs eine Körperverletzung (§ 83 StGB) begehen. Im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose ist auf die konkrete Person abzustellen. Eine pauschale Wegweisung mehrerer Personen oder einer größeren Menschengruppe ist rechtswidrig, sofern die Voraussetzungen nicht bei jeder einzelnen Person vorliegen. Mangels einer solchen hinreichend personifizierter Gefahrenprognose waren die zahlreichen Wegweisungen von Teilnehmern eines Rapid-Fanmarsches, die im Dezember 2018 zunächst eingekesselt und nach erfolgter Identitätsfeststellung aus dem Sicherheitsbereich weggewiesen wurden, rechtswidrig.

Exkurs: „Hooligan“-Datei/Gewalttäterdatei (§ 57 Abs 1 Z 11a SPG)

Zur Beurteilung, gegen wen eine Wegweisung oder ein Betretungsverbot erlassen wird, bietet die „Gewalttäterdatei“ (auch „Hooligan“-Datei genannt) Hilfestellung. In dieser Datei werden personenbezogene Daten von jenen Personen gesammelt, die bereits einmal einen gefährlichen Angriff gegen Leben, Gesundheit oder Eigentum unter Anwendung von Gewalt bei einer Sportgroßveranstaltung begangen haben und bei denen befürchtet wird, sie würden dies wiederholen (2018 befanden sich österreichweit 47 Personen in dieser Datei).

Gefährderansprache (§ 49b SPG)

Weiters besteht für die Polizei die Möglichkeit, bestimmte in der Vergangenheit „auffällig“ gewordene Personen präventiv zu belehren: Als Instrument dient hierfür die Gefährderansprache (§ 49b SPG). Diese ermächtigt zur Vorladung und Belehrung von Personen, die in den vergangenen zwei Jahren zumindest zweimal während Sportgroßveranstaltungen bestimmte Verwaltungsübertretungen begangen haben und bei denen eine Wiederholungsgefahr besteht. Zu denken ist an Fans, die während eines Fußballspiels andere mit Gegenständen bewerfen, randalieren oder im Zuge eines sogenannten Platzsturms unerlaubt das Spielfeld betreten. Die Betroffenen werden von der zuständigen Sicherheitsbehörde vorgeladen und über rechtskonformes Verhalten während Sportgroßveranstaltungen belehrt. Die vorgeladene Person trifft die Pflicht, der Vorladung Folge zu leisten und zum vorgeschrieben Termin zu erscheinen. Die Belehrung hat circa zwanzig Minuten zu dauern und ist zeitlich so anzusetzen, dass der jeweiligen Person die Teilnahme an der Sportveranstaltung möglich ist (vgl hierzu die Gesetzesmaterialien).

Meldeauflage (§ 49c SPG)

Hat eine Person hingegen bereits Gewalttaten im Zusammenhang mit Sportgroßveranstaltungen gesetzt oder gegen ein über sie verhängtes Betretungsverbot verstoßen, so ist gegen diese Person eine sogenannte Meldeauflage auszusprechen, sofern Tatsachen die Annahme rechtfertigen, sie werde im Zusammenhang mit der anstehenden Sportgroßveranstaltung einen gefährlichen Angriff setzen. Durch die Meldeauflage wird die betroffene Person verpflichtet, sich in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit einer bestimmten Sportgroßveranstaltung – zB vor oder während eines Fußballspiels – bei der zuständigen Sicherheitsdienststelle zu melden. Dort findet eine Belehrung über rechtskonformes Verhalten und etwaige Rechtsfolgen statt. Den Vorgeladenen trifft die Pflicht, zum Belehrungstermin zu erscheinen und dieser beizuwohnen. Die zeitliche Nähe der Belehrung zur Veranstaltung soll eine Veranstaltungsteilnahme der betroffenen Person verunmöglichen und so eine mögliche Störung unterbinden (vgl hierzu die Gesetzesmaterialien).

Differenziertes Sanktionssystem

Das SPG hält damit ein differenziertes Sanktionssystem für vermeintliche „Störer“ bereit: Wird eine Verwaltungsübertretung begangen, ist eine Gefährderansprache (§ 49b SPG) anzuordnen. Hat eine Person im Zusammenhang mit Sportgroßveranstaltungen bereits gefährliche Angriffe unter Anwendung von Gewalt begangen, ist die eingriffsintensivere – weil gezielt auf den Zeitraum der jeweiligen Sportgroßveranstaltung abstellende – Meldeauflage (§ 49c SPG) vorzuschreiben.

Für eine genauere Betrachtung der Maßnahmen, insbesondere hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit den geltenden Grundrechten und Grundprinzipien verweise ich auf den Tagungsbeitrag „Sicherheits- und veranstaltungsrechtliche Fragestellungen im Rahmen von Sportgroßveranstaltungen“, der Anfang 2023 im Tagungsband „Sport im öffentlichen Recht“, herausgegeben von Alexander Frank, Sebastian Lendl und Georg Lienbacher, erscheinen wird.

Zur Gastautorin: Sophia Lienbacher, LL.M. (WU) ist Universitätsassistentin (prae doc) am Institut für Österreichisches und Europäisches Öffentliches Recht an der Wirtschaftsuniversität Wien. Außerdem ist sie Hobby-Tennisspielerin und begeisterte Läuferin.

Antonie Griezmann – Fester Einwechslungsspieler nach der 60. Minute?

Minute, 62. Minute, 64. Minute, 63. Minute, 61. Minute, 63. Minute und gegen Leverkusen 63. Minute: Das sind die Zeitpunkte, zu denen Antonie Griezmann in der noch jungen Saison 2022/2023 bei Atlético Madrid eingewechselt wurde (Stand: 15.9.2022).[1] Der FC Barcelona möchte deshalb gegen Atlético Madrid vor Gericht ziehen.[2]

Ein Beitrag von Prof. Philipp S. Fischinger und Benjamin Kolomiyets, beide Universität Mannheim

I. Sachverhalt

Der 31-jährige Stürmer, dessen Vertrag beim FC Barcelona noch bis zum Ende der Saison 2023/2024 läuft, ist gegenwärtig bis Ende der Saison 2022/2023 vom FC Barcelona an Atlético Madrid „ausgeliehen“.[3] Laut Medienberichten beinhaltet der „Leihvertrag“[4] eine „Kauf“-Verpflichtung[5] in Höhe von 40 Millionen Euro, die von der Bedingung abhängig ist, dass Griezmann in 50 % der Pflichtspiele über mindestens 45 Minuten zum Einsatz kommt.[6] In seiner ersten Saison bei Atlético Madrid hatte Griezmann diese Bedingung noch unzweifelhaft erfüllt, kam er doch bei nahezu jeder Gelegenheit zum Einsatz.[7] Der FC Barcelona vertritt den Standpunkt, dass die Bedingung bereits deshalb eingetreten ist. Atlético Madrid ist hingegen der Meinung, dass sich die 50 % auf beide Spielzeiten beziehen und daher die Voraussetzungen für die Kaufpflicht noch nicht erfüllt sind.[8] Dies erklärt zumindest das derzeitige Vorgehen des Trainers von Atlético Madrid, Diego Simeone, bezüglich der oben dargelegten Einsatzzeiten des formstarken Griezmann. Unterstellt man für die Zwecke des folgenden Beitrags, dass die Kaufverpflichtung tatsächlich nur eintritt, wenn Griezmann über beide Spielzeiten hinweg in mindestens 50 % der Spiele im obigen Sinne zum Einsatz kommt, scheint Atlético Madrid mit seiner gegenwärtigen „Taktik“ des Einsatzes frühestens ab der 60. Minute auf den ersten Blick das Eingreifen der offenbar nicht gewollten Kaufverpflichtung vermeiden zu können.

Auch wenn der „Fall Griezmann“ aufgrund der Bekanntheit des Spielers und der beiden beteiligten Vereine besonders im Rampenlicht steht, handelt es sich mitnichten um einen einmaligen Vorgang. Es ist nämlich gar kein so unübliches Vorgehen, dass ein Entleiher eine an die Erreichung einer bestimmten Mindesteinsatzzahl gekoppelte Kaufverpflichtung dadurch zu vermeiden sucht, dass er den Spieler ab einem bestimmten Zeitpunkt unabhängig von sportlichen Erwägungen nicht mehr einsetzt.[9] Juristisch wirft das die Frage auf, ob der Entleiher damit gegen seine vertraglichen Pflichten aus dem Leihgeschäft verstößt und, wenn ja, welche Rechtsfolgen dies hat. Dem wird im Folgenden exemplarisch auf Grundlage des deutschen Rechts nachgegangen (womit nicht verkannt werden soll, dass auf den hier als Aufhänger gewählten „Fall Griezmann“ höchstwahrscheinlich spanisches Recht anwendbar ist).

II. Juristische Würdigung

1. Ausgangspunkt

Im Ausgangspunkt ist es allein Sache des Entleihers, ob, wann, wie oft, wie lange und auf welcher Position er den ausgeliehenen Spieler während der Dauer des Leihgeschäfts einsetzt. Im Verhältnis Entleiher – Spieler folgt dies bereits aus § 106 S. 1 GewO, nach welchem der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nach billigem Ermessen näher bestimmen kann, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.[10] Entsprechend hat ein Profimannschaftssportler nach allgemeiner Meinung keinen Anspruch auf tatsächlichen Einsatz in einem Pflichtspiel.[11] Auch gegenüber den Verleiher trifft den Entleiher grundsätzlich keine Pflicht, den Leihspieler derart oft zum Einsatz zu bringen, dass die Kaufverpflichtung eingreift.

Etwas anderes würde nur gelten, wenn sich der Entleiher gegenüber dem Leihspieler und/oder dem Verleiher verpflichtet hat, den Spieler in einer bestimmten Zahl von Pflichtspielen einzusetzen. Das dürfte im Fall von Griezmann – wie auch sonst – nicht der Fall sein, will sich der Entleiher doch typischerweise nicht im Vorfeld und unabhängig von der (sportlichen) Entwicklung des Leihspielers und seiner Mannschaft derart weitreichend binden.

Auf den ersten Blick verletzt Atlético Madrid somit mit seinem derzeitigen Vorgehen keine Pflichten gegenüber dem FC Barcelona, sondern übt allein ein ihm zustehendes Recht aus.

2. Aber: Treuwidrige Verhinderung des Bedingungseintritts?

Jedenfalls dann, wenn der Fall nach deutschem Recht zu behandeln wäre, wäre damit aber noch nicht zwingend das letzte Wort gesprochen. Dogmatisch handelt es sich bei der Konstruktion einer einsatzabhängigen Kaufverpflichtung um ein aufschiebend bedingtes Transfergeschäft. Daher ist § 162 I BGB zu beachten, nach welchem eine Bedingung als eingetreten gilt, wenn der Eintritt der Bedingung von der Partei, zu deren Nachteil er gereichen würde, ihn wider Treu und Glauben verhindert hat.

Im vorliegenden Fall erklärte Diego Simeone auf einer Pressekonferenz auf die Nachfrage eines Reporters, weshalb Griezmann trotz seiner guten Leistung immer erst nach der 60. Minute eingewechselt werde: „Ich bin ein Mann des Vereins und werde es immer sein.“[12]. Und weiter: „Was soll ich machen? Ich bin ein Angestellter des Klubs. Und wo es Kapitäne gibt, entscheiden nicht die Matrosen.“[13] Zeigen diese Aussagen nicht recht deutlich, dass Atlético Madrid den Eintritt der Kaufbedingung absichtlich verhindert, indem Griezmann nun nie mehr als ca. 30 Minuten pro Spiel zum Einsatz kommt? Ist das treuwidrig? Würde man dies bejahen, so würden nach § 162 I BGB die für die Kaufverpflichtung erforderlichen Spieleinsätze Griezmanns fingiert werden, was im Endeffekt zur Folge hätte, dass der FC Barcelona einen wirksamen und fälligen Anspruch auf die vereinbarte Ablösesumme hätte.

Die Antwort darauf hängt maßgeblich davon ab, welches Verhalten der FC Barcelona als Verleiher insbesondere nach dem Inhalt des Leihgeschäfts von Atlético Madrid erwarten konnte. Im Ausgangspunkt wird man dabei sagen können, dass dann, wenn der Leihvertrag die Kaufverpflichtung ausschließlich unter die aufschiebende Bedingung einer bestimmten Einsatzzeit des ausgeliehenen Fußballers stellt, beim Verleiher regelmäßig die schutzwürdige Erwartung erzeugt wird, dass das wirksame Zustandekommen des Rechtsgeschäfts allein von sportlichen Kriterien abhängig ist. Dann gilt: Wird der Spieler den sportlichen Erwartungen des Entleihers nicht gerecht und entscheidet sich dieser deswegen bewusst gegen weitere Einsätze, um den Eintritt der vereinbarten Bedingung zu verhindern, ist sein Verhalten nicht treuwidrig i.S.d. § 162 I BGB.[14] Anders verhält es sich hingegen, wenn der Entleiher in dieser Situation alleine oder ganz überwiegend aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen von weiteren Einsätzen des Spielers absieht. In diesem Fall ist sein Verhalten treuwidrig, weil es dem „Geist“ des Leihgeschäfts mit einsatzabhängiger Kaufverpflichtung widerspricht. Sowohl der Verleiher als auch der Leihspieler können nämlich grundsätzlich davon ausgehen, dass alleine sportliche Erwägungen für die Aufstellungsentscheidung maßgeblich sein sollen. Daraus folgt: Will sich der Entleiher die Möglichkeit offenhalten, das Eingreifen der Kaufverpflichtung (auch) aus wirtschaftlichen Gründen zu verhindern, muss er dies im Leihvertrag hinreichend zum Ausdruck bringen. Das kann z.B. durch eine Klausel geschehen, nach der die Kaufverpflichtung unabhängig von der vom Leihspieler erreichten Einsatzzahl nicht eingreifen solle, wenn der Entleiher die Champions League Qualifikation, den Klassenerhalt, den Aufstieg oder ein anderes sportliches Ziel nicht erreicht. Alternativ kann sich der Entleiher im Leihvertrag auch ganz allgemein das Recht vorbehalten, das Eingreifen der Kaufverpflichtung aus wirtschaftlichen Gründen zu verhindern. Lässt sich der Verleiher auf eine solche Klausel ein, ist er nicht schutzwürdig und kann später nicht geltend machen, das allein ökonomisch motivierte Vorgehen des Entleihers sei treuwidrig.

Im Ausgangsfall unseres „Teilzeitarbeiters“ Griezmann spricht viel dafür, dass die sportlichen Erwartungen nicht der Grund dafür sind, dass dieser nur noch ab der 60. Minute zum Einsatz kommt. Denn er erzielte in der bisherigen Saison bemerkenswerterweise genauso viele Tore in der halben (!) Spielzeit wie der diesjährige Stammspieler auf seiner Position, Àlvaro Morata.[15] Hinzu kommt, dass Griezmann in der letzten Saison in fast jedem Pflichtspiel in der Startaufstellung stand, wenn er einsatzbereit war. Wenig überraschend ist daher der mediale Aufschrei rund um den bevorstehenden juristischen Disput zwischen den Vereinen ähnlich groß wie jener in der fußballerischen Gefolgschaft über die Vorgehensweise Atlético Madrids hinsichtlich der Einsatzzeit Griezmanns.

Ob das Verhalten von Atlético Madrid treuwidrig ist, hängt somit davon ab, ob der Leihvertrag mit dem FC Barcelona Raum für eine ökonomisch motivierte Vereitelung des Bedingungseintritts für die Kaufverpflichtung lässt. Dies kann hier mangels Kenntnis des genauen Vertragsinhalts nicht abschließend bewertet werden. Die Empörung des eine Klage androhenden FC Barcelona spricht aber jedenfalls dagegen.

3. Beweislast

Aus Sicht des Verleihers in solchen Konstellationen problematisch ist aber die Darlegungs- und Beweislast. Denn: Wer sich auf eine unredliche Beeinflussung durch den anderen Teil beruft, muss das treuwidrige Verhalten sowie den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkung und Ausfall des Bedingungseintritts beweisen.[16] Im vorliegenden Fall müsste der FC Barcelona also beweisen, dass Atlético Madrid treuwidrig den Eintritt der Bedingung vereitelt. Einen gewissen Anhaltspunkt mag man hierfür in den oben zitierten Aussagen von Diego Simeone, er sei „ein Mann des Vereins und werde es immer sein“[17] und entscheiden würden die Kapitäne, nicht die Matrosen[18] – zu denen er sich offenbar zählt – erblicken können. Denn diese könnte so verstanden werden, dass er von seinen Vorgesetzten die Weisung erhalten hat, Griezmann fürderhin nur noch so einzusetzen, dass die einsatzabhängige Kaufverpflichtung nicht eingreift. Außerdem könnte der FC Barcelona auf die derzeitigen sportlichen Leistungen Griezmanns verweisen, die es aus Sicht eines objektiven, unbefangenen Beobachters nicht nachvollziehbar machen, warum dieser nun immer nur noch erst ab ca. der 60. Minute zum Einsatz kommt. Ob diese Argumentation jedoch auch vor einem (spanischen) Gericht ausreichen wird, ist fraglich, immerhin ist nicht auszuschließen, dass Atlético Madrid dafür gute Gründe – oder zumindest gut klingende Scheinbegründungen – vorbringen kann.

III. Ausblick

Im Falle von Griezmann spricht vieles dafür, dass sich die erforderlichen Spielzeiten für den Bedingungseintritt über beide Spielzeiten verteilen. Dann wäre maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung, ob die Bedingung eingetreten ist, der Ablauf der Saison 2022/2023. Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Bedingung nicht eingetreten. Sollte Atlético Madrid seine Einsatzpraxis für Griezmann unverändert fortführen, würde die Bedingung auch nicht eintreten und der Spieler müsste nach Ablauf der Saison zum FC Barcelona zurückkehren. Gedient ist damit niemandem, eine Einigung wäre für alle Parteien von Vorteil: Atlético Madrid möchte den formstarken Spieler länger als knapp 30 Minuten pro Spiel auflaufen lassen, der FC Barcelona möchte einen formellen Abschluss der „Causa Griezmann“ und ihn von der Gehaltsliste streichen und der Spieler möchte sich durch möglichst viel Einsatzzeiten für die kommende Weltmeisterschaft in Katar empfehlen. Mit einer festen Einwechslungszeit erst ab ca. der 60. Spielminute wird dies eher schwierig …

Zu den Autoren

Prof. Dr. Philipp S. Fischinger, LL.M. (Harvard) ist Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht, Sportrecht sowie Handelsrecht an der Universität Mannheim. Benjamin Kolomiyets ist dort Wissenschaftliche Hilfskraft. Einer der Hauptforschungsschwerpunkte des Lehrstuhls ist das Sportrecht, insbesondere das Sportarbeitsrecht. Kontakt: lehrstuhl.arbeitsrecht@uni-mannheim.de

 

[1] Vgl. Statistik über detaillierte Leistungsdaten von Antoine Griezmann in der Saison 2022/2023 https://www.transfermarkt.de/antoine-griezmann/leistungsdatendetails/spieler/125781/wettbewerb/ES1/saison/2022.

[2] https://www.mundodeportivo.com/futbol/fc-barcelona/20220908/1001865063/barca-prepara-demanda-atletico-pague-griezmann.html.

[3] Siehe jeweils https://www.transfermarkt.de/antoine-griezmann/profil/spieler/125781.

[4] Juristisch handelt es sich zwar nicht um eine Leihe i.S.v. § 598 BGB, weil sich die Bezeichnung eingebürgert hat, wird sie aber auch im Folgenden verwendet. Zur rechtlichen Einordnung der Spielerleihe vgl. Reiter, in: Fischinger/Reiter, Das Arbeitsrecht des Profisports, 2021, § 11, Rn. 33 ff.

[5] Auch insoweit ist die hier verwendete Wortwahl den Gepflogenheiten der Branche geschuldet. Zur Rechtsnatur von Transfergeschäften vgl. Reiter, in: Fischinger/Reiter, Das Arbeitsrecht des Profisports, 2021, § 11, Rn. 24 ff.

[6] https://www.sport1.de/news/internationaler-fussball/la-liga/2022/09/la-liga-nachste-stufe-im-griezmann-zoff-barcelona-will-atletico-verklagen.

[7] In der Saison 2020/2021 hatte Griezmann zwölf Spiele aufgrund von Verletzungen und Sperren verpasst, bei den restlichen 38 Pflichtspielen war er bei 30 Partien über mehr als 45 Minuten auf dem Platz. Das entspricht etwas weniger als 80 Prozent aller ihm möglichen Partien in der letzten Saison (s. näher https://www.sueddeutsche.de/sport/la-liga-griezmann-atletico-barcelona-kaufoption-1.5643960).

[8] https://www.transfermarkt.de/bericht-barca-will-festen-griezmann-transfer-zu-atletico-erzwingen-ndash-kaufpflicht-schon-erfullt-/view/news/411067.

[9] So z.B. auch im Fall von Kevin Wimmer, der von Hannover 96 zu Beginn der Spielzeit 2019/2020 vom englischen Zweitligisten FC Stoke City ausgeliehen wurde. Auch in diesem Leihvertrag war wohl eine Kaufverpflichtung geregelt, die eingreifen sollte, wenn Wimmer in mehr als 24 Spielen über 45 Minuten zum Einsatz kam (vgl. http://www.spox.com/at/sport/fussball/bundesliga/1904/Artikel/kevin-wimmer-bei-hannover-96-kuriose-klausel-im-stoke-leihvertrag.html).

[10] Intern ist im Grundsatz der Cheftrainer alleinentscheidungsbefugt (vgl. § 2 II 2, 3 Mustervertrag des Bundes Deutscher Fußball-Lehrer). Etwas anderes gilt allerdings, wenn – wie im vorliegenden Zusammenhang – mit der Festlegung der Aufstellung des Leihspielers zugleich über das Eingreifen der „Kaufverpflichtung“ entschieden wird; in einem solchen Fall kann die Vereinsführung mittels Weisungen an den Trainer vorgeben, ob der Leihspieler zum Einsatz kommt oder nicht (s. näher Fischinger/Unger, SpuRt 2019, 202, 203 f.).

[11] BAG 22.8.1984 – 5 AZR 539/81, NJW 1986, 2904, 2905; 16.1.2018 – 7 AZR 312/16, NJW 2018, 1992, 1995; Wüterich/Breucker, Arbeitsrecht, Rn. 298; Reiter, in: Fischinger/Reiter, Das Arbeitsrecht des Profisports, § 7, Rn. 123; s. aber auch Fischinger, SpoPrax 2022 (demnächst, Heft 12).

[12] https://www.spox.com/de/sport/fussball/international/spanien/2209/Artikel/atletico-antoine-griezmann-fc-barcelona-klausel-vertrag.html.

[13] Zitiert nach Kicker v. 29.9.2022, S. 45.

[14] Fischinger/Unger, SpuRt 2019, 202, 210; vgl. im Zusammenhang mit einsatzabhängigen Verlängerungsoptionen bei Spielern auch BAG 16.1.2018 – 7 AZR 312/16, NJW 2018, 1992, 1995.

[15] Vgl. Statistik über detaillierte Leistungsdaten von Antoine Griezmann  und Àlvaro Morata in der Saison 22/23 über alle Wettbewerbe hinweg: https://www.transfermarkt.de/antoine-griezmann/leistungsdatendetails/spieler/125781/wettbewerb/ES1/saison/2022 und https://www.transfermarkt.de/alvaro-morata/leistungsdatendetails/spieler/128223/wettbewerb/ES1/saison/2022 (abgerufen am 17.9.2022).

[16] MüKo-BGB/Westermann, § 162, Rn. 2 f.; BeckOGK-BGB/Reymann, 1.3.2021, § 162, Rn. 44;
Erman/Armbrüster, BGB, § 162, Rn. 2.

[17] https://www.spox.com/de/sport/fussball/international/spanien/2209/Artikel/atletico-antoine-griezmann-fc-barcelona-klausel-vertrag.html.

[18] Zitiert nach Kicker vom 29.9.2022, S. 45.

LMS goes Wissenschaft

LAW MEETS SPORTS kooperiert mit der Universität Mannheim in Person von Prof. Dr. Philipp S. Fischinger, LL.M. (Harvard)

Vor mehr als fünf Jahren wurde die Plattform LAW MEETS SPORTS von Christina Toth ins Leben gerufen, um die Brücke zwischen sportinteressierten Rechtsexperten und Vertretern der Sportbranche zu schlagen. Heute sorgt LAW MEETS SPORTS für einen regelmäßigen Austausch zwischen Rechtsexperten und der Sportbranche. Wir liefern rechtliche Hintergrundinformationen zum aktuellen Sportgeschehen in Form von Blogbeiträgen, Podcast-Episoden und Events.

Nun ist es an der Zeit, den nächsten Schritt zu machen…

In diesem Sinne freut es uns mitteilen zu dürfen, dass wir mit der deutschen Universität Mannheim, in Person von Prof. Dr. Philipp S. Fischinger, LL.M. (Harvard), ab sofort einen wissenschaftlichen Kooperationspartner on Board haben. Prof. Dr. Fischinger ist Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht, Sportrecht sowie Handelsrecht an der Universität Mannheim. Dem Sportrecht, insbesondere dem Sportarbeitsrecht, widmet er sich in zahlreichen Aufsätzen, Zeitungsartikeln, Urteilsanmerkungen und Vorträgen. Zudem wird Prof. Dr. Fischinger gutachterlich für Sportverbände, Sportvereine und Sportclubs tätig und ist in intensivem Austausch mit Sportrechts­anwältInnen, SpielerberaterInnen, Sportlerinnen und Sportlern.

Im Rahmen der Kooperation nimmt Prof. Dr. Fischinger die Funktion eines wissenschaftlichen Beirats ein. Er wird aber freilich auch den einen oder anderen Beitrag als Autor verfassen. „Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit mit dem phantastischen Team von LAW MEET SPORTS. Gemeinsam werden wir viele interessante Projekte angehen“, so Prof. Dr. Fischinger. Auch unsere Initiatorin Christina Toth ist sich sicher, dass „wir mit der deutschen Universität Mannheim und Philipp S. Fischinger einen starken Kooperationspartner für uns gewinnen konnten und LAW MEETS SPORTS damit auf ein neues Level heben werden“.

Weitere (wissenschaftliche) Kooperationen werden folgen – stay tuned!

Die Causa Pechstein als never ending story?

Claudia Pechstein, der Name ist wohl jedem am Sportrecht Interessierten ein Begriff. Mit fünf Olympiasiegen ging die deutsche Eisschnellläuferin in die Geschichtsbücher ein. Daneben steht jedoch ein negativer Eintrag: Im Jahr 2009 wurde Pechstein wegen Dopings für zwei Jahre gesperrt. Dagegen wehrt sie sich nun seit über zehn Jahren juristisch. In der Causa liegt indessen auch eine Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vor.

Kurz zur Vorgeschichte: Pechstein wurden im Rahmen der Eisschnelllauf-Mehrkampfweltmeisterschaft 2009 im norwegischen Hamar erhöhte Blutwerte nachgewiesen, woraufhin die International Skating Union (ISU) eine zweijährige Sperre wegen Dopings verhängte. Dagegen zog die Deutsche vor den Internationalen Sportgerichtshof (CAS). Ohne Erfolg. Auch vor dem Schweizerischen Bundesgericht war für die Eisschnellläuferin nichts zu holen. Es folgten ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und ein Zivilprozess in Deutschland. Als wäre diese Liste nicht bereits lange genug, hat sich nun auch noch des BVerfG zu Wort gemeldet.

Pechstein vor BVerfG erfolgreich

Pechstein wandte sich mit einer Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH), wonach ihre Klage wegen einer zugunsten des CAS vereinbarten Schiedsklausel unzulässig sei (KZR 6/15).

Mit Beschluss vom 3. Juni 2022 (1 BvR 2103/16) hat das BVerfG der Verfassungsbeschwerde von Pechstein stattgegeben. Das BVerfG ortete in der Entscheidung des BGH eine Verletzung des Justizgewährungsanspruches (Art 2 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 Grundgesetz). Der BGH habe die Bedeutung des Anspruchs auf Öffentlichkeit des Verfahrens verkannt. Die vorgenommene Abwägung zwischen dem Justizgewährungsanspruch und der Vertragsfreiheit sowie der Verbandsautonomie entspreche nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen.

Das Urteil des BGH wird damit aufgehoben und die Sache zur Fortsetzung des Verfahrens an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Kernaussagen des BVerfG

Zunächst hielt das BVerfG fest, dass ein „Schiedszwang“ im Sport grundsätzlich zulässig sei. Denn Schiedsvereinbarungen seien zur Gewährleistung einer international einheitlichen Sportgerichtsbarkeit und zur Bekämpfung des Dopings im internationalen Sportwettbewerb, auch in Ansehung der sich aus Art 13.2.1 des World-Anti-Doping-Codes (WADC) ergebenden völkerrechtlichen Bindungen erforderlich und als solches verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (Rz 40).

Ein Verzicht auf den Zugang zu den staatlichen Gerichten durch Abschluss einer Schiedsvereinbarung im Bereich des Sports sei aber nicht uneingeschränkt möglich: Das Verfassungsrecht setze dem vielmehr Grenzen. Damit der Staat schiedsrichterliche Entscheidungen anerkennen und in Ausübung seiner Hoheitsgewalt vollstrecken kann, müsse er dafür Sorge tragen, dass das schiedsgerichtliche Verfahren effektiven Rechtsschutz gewährleistet und rechtsstaatlichen Mindeststandards entspricht (Rz 40).

Hierzu gehört auch der Grundsatz der Öffentlichkeit mündlicher Verhandlungen. Die auf den Streitfall anwendbare Fassung der Statuten des CAS, auf welche die Schiedsgerichtsvereinbarung Bezug genommen hat, sahen aber keinen Anspruch der Parteien auf eine öffentliche mündliche Verhandlung vor. Da ein solcher selbst für solche Fälle, in denen eine öffentliche Verhandlung nach Maßgabe des Art 6 Abs 1 EMRK zwingend geboten ist, nicht besteht, genüge die Ausgestaltung des schiedsgerichtlichen Verfahrens insgesamt weder den Garantien des Art 6 Abs 1 EMRK noch den insoweit korrespondierenden Anforderungen des Justizgewährungsanspruches (Rz 49).

BVerfG folgt EGMR

Das BVerfG schloss sich damit der Entscheidung des EGMR in der Causa Pechstein (Nr. 40575/10 und 67474/10) an. Die Richter in Strasbourg entschieden aufgrund einer Beschwerde von Pechstein gegen den Schiedsspruch des CAS und die Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts bereits im Jahr 2018, dass das Verfahren vor dem CAS mangels öffentlicher Verhandlung die Sportlerin in Art 6 Abs 1 EMRK verletze. Eine „Zwangsschiedsgerichtsbarkeit“ müsse alle Garantien des Art 6 Abs 1 EMRK gewähren (Rz 115).

Dass der CAS seine Verfahrensordnung indessen geändert hat, sei der Vollständigkeit halber angemerkt. Nunmehr haben Sportler grundsätzlich einen Anspruch auf eine öffentliche mündliche Verhandlung.

Conclusio

Die Causa Pechstein ist damit um eine weitere Episode reicher. Das BVerfG hat darin unter anderem zwei Pflöcke eingeschlagen: Demnach sind Sportlern „aufgezwungene“ Schiedsvereinbarungen grundsätzlich zulässig. Das schiedsgerichtliche Verfahren hat jedoch den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu genügen. Das ist nicht nur richtig, es sollte mit Adolphsen vielmehr selbstverständlich sein. Die Autonomie des Sports endet dort, wo das Verfassungsrecht Grenzen normiert.

Nun ist erneut das Oberlandesgericht München am Zug. Ob die Geschichte damit ein Ende findet, bleibt mit Spannung abzuwarten.

Der Fall Marcel Lotka – blau-weiß oder schwarz-gelb?

Gastbeitrag von Patrick Pirker

Bis vor kurzem war der Name Marcel Lotka wohl den wenigsten Fußballfans in Deutschland ein Begriff – aktuell ist sein Name in aller Munde. Nicht nur, weil er seit Februar von der etatmäßigen Nummer drei im Tor von Hertha BSC Berlin zum Stammkeeper avancierte und dabei einen sicheren Rückhalt während der Rückrunde darstellte, sondern vielmehr, da Borussia Dortmund und Hertha BSC Berlin nun womöglich wegen seinen Diensten vor Gericht ziehen.

Was ist passiert?

Hertha BSC Berlin und Borussia Dortmund vermeldeten am 1. März 2022, dass die Berliner Nummer drei im Tor, Marcel Lotka, nach Saisonende ablösefrei zu Borussia Dortmund II wechseln wird. Kurz vor Verkündigung des Sommertransfers gab der Tormann im Spiel gegen den SC Freiburg aufgrund der Verletzungen des Einser- und Zweier-Tormanns sein Debüt zwischen den Pfosten der Hertha. Dem Debüt folgten weitere Spiele in der Deutschen Fußball-Bundesliga. Da er seinen Job hervorragend erledigte, gab die Hertha bekannt, kurz vor dem 30. April 2022 eine Option auf Vertragsverlängerung bis 2023 gezogen zu haben, obwohl bereits eine Einigung mit Borussia Dortmund erzielt wurde. Möglich gemacht werden soll dies durch eine „spezielle Klausel“ in Lotkas Vertrag mit der Hertha.

Rechtliche Einschätzung der „speziellen Klausel“

Bei dieser „speziellen Klausel“ handelt es sich um eine einseitige Option auf Vertragsverlängerung des befristeten Arbeitsverhältnisses. Diese einseitigen Vertragsverlängerungsoptionen sind im Profifußball keine Seltenheit (siehe dazu den LAW MEETS SPORTS-Beitrag). Mit diesen Klauseln wird das Ziel verfolgt, je nach Entwicklung des Spielers, das Arbeitsverhältnis zu verlängern, um eine höhere Ablösesumme zu lukrieren, oder dieses aufgrund unbefriedigender Leistungen zu beenden.

Im Transfer Hick-Hack rund um Marcel Lotka könnten nun verschiedene Szenarien einzutreten:

Nichtigkeit der einseitigen Vertragsverlängerungsoption

Wie der deutsche Arbeitsrechtler Prof. Philipp S. Fischinger in einem Interview mit der Fußballzeitschrift „Kicker“ ausführt, sind einseitige Vertragsverlängerungsoptionen nach überwiegender Auffassung deutscher Juristen unwirksam, da sie Profifußballer benachteiligen würden. Eine höchstgerichtliche Entscheidung des deutschen Bundesarbeitsgerichts zu diesen Vertragsoptionen fehlt bisher jedoch.

Verlängerungsoption ist rechtskonform ­­– was nun?

Im Wechselchaos rund um Lotka würde es nach Ansicht Fischingers dann kompliziert werden, wenn das Bundesarbeitsgericht diese einseitige Vertragsklausel als rechtskonform qualifizieren würde, da der Spieler dann ab 1. Juli 2022 bei Borussia Dortmund und Hertha BSC Berlin unter Vertrag stehen würde. Dies wäre in weiterer Folge einerseits aufgrund der Tatsache, dass Hertha BSC Berlin und Borussia Dortmund in der Deutschen Fußball Bundesliga direkte Konkurrenten sind (insofern der Hertha der Klassenerhalt gelingt – ein Aufeinandertreffen im DFB Pokal ist jedenfalls realistisch) und andererseits aufgrund eines Verstoßes gegen das deutsche Arbeitszeitgesetz problematisch (siehe dazu Fischinger im Kicker-Interview). Sollte der Spieler Arbeitspflichten für beide Vereine nachkommen müssen, würde er die gesetzliche Arbeitszeit überschreiten. Das deutsche Bundesarbeitsgericht sieht in einem solchen Fall das zweite Arbeitsverhältnis als nichtig an. Hier könnten laut Fischinger ebenfalls Probleme auftreten, denn die Hertha könnte den Standpunkt vertreten, dass der Vertrag mit Lotka schon länger besteht und fortgesetzt wird, wohingegen Dortmund argumentieren könnte, dass sie einen ab dem 1. Juli 2022 gültigen Vertrag abgeschlossen haben.

Was sagt das Verbandsrecht der Deutschen Fußball Liga (DFL)?

Nach der Bestimmung des § 4 Nr 5 DFL Lizenzordnung Spieler kann ein Spieler bei der DFL für einen neuen Verein nur dann registriert werden, wenn er mit keinem anderen Verein in einem Vertragsverhältnis steht. Sollte nun der Fall eintreten, dass sich weder Lotka noch die beiden Vereine auf eine Lösung einigen, so würde § 9 Nr 2 DFL Lizenzordnung Spieler vorsehen, dass bei einer Streitigkeit zwischen Club und Spieler über die Wirksamkeit eines Arbeitsvertrages die Spielerlaubnis so lange besteht, bis eine Einigung zwischen Club und Spieler erzielt wird oder eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung vorliegt. Somit wäre Lotka aufgrund der weiterhin bestehenden Registrierung bei der Hertha auch kommende Saison Spieler von Hertha BSC Berlin, da eine Registrierung bei Borussia Dortmund nicht möglich wäre (siehe dazu auch Fischinger im Kicker-Interview).

Um eine genaue rechtliche Beurteilung vornehmen zu können, wäre ein Einblick in das Arbeitspapier mit Hertha BSC Berlin und eine genauere Kenntnis über die mündliche Vereinbarung mit Borussia Dortmund interessant. Nachdem Verträge auch mündlich abgeschlossen werden können und die gleichen Wirkungen wie eine schriftliche Vereinbarung entfalten, sehe ich persönlich Borussia Dortmund in der besseren Position. Auch, weil der Transfer bereits von beiden Vereinen offiziell verkündet wurde.

Entscheidung des OGH zu einseitigen Vertragsverlängerungsoptionen in Österreich

Ein solches rechtliches Problem, wie es der Fall Lotka veranschaulicht, kann in Österreich nicht (mehr) eintreten. Denn: Der Oberste Gerichtshof (OGH) war mit dieser Thematik bereits im Jahr 2016 befasst (siehe dazu den LAW MEETS SPORTS-Beitrag). In der Causa „Onisiwo“ ging es darum, dass der Fußballer Karim Onisiwo einen Profivertrag mit dem Fußballclub SV Mattersburg abgeschlossen hat, der dem damaligen Bundesligisten eine Option einräumte, den Spielervertrag nach Ablauf eines Jahres, um weitere zwei Jahre zu verlängern. Nach Vertragsabschluss erhielt der Profi einen „Sideletter“ zum Spielervertrag nach Hause geschickt, wonach dieser bei Ziehung der Verlängerungsoption durch den Fußballclub eine Erhöhung seines Entgelts um 15 % erhalten wird. Das Dienstverhältnis hätte somit nach einem Jahr durch den Verein beendet werden können, wohingegen der Spieler bei Ziehung der Option zwei weitere Jahre an den Verein gebunden gewesen wäre. Ausdrücklich vereinbart wurde im Spielervertrag die Bestimmung des damaligen § 6 Abs 4 KV-ÖFB idF vom 1. Juli 2014, wonach einseitige Verlängerungsoptionen nur zulässig sind, wenn beiden Vertragsteilen die gleichen Ansprüche eingeräumt werden und die Ausübung des Optionsrechts für beide an gleiche Bedingungen geknüpft ist (siehe dazu den LAW MEETS SPORTS-Beitrag). Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn eine Gehaltserhöhung explizit im Arbeitsvertrag festgehalten, oder eine Ausstiegsklausel verankert wird. Die Bestimmung des § 6 Abs 4 KV-ÖFB wurde mit dem KV-ÖFB idF vom 1. Juli 2018 konkretisiert. Nunmehr darf der Optionszeitraum z.B. nicht länger als jener des Grundvertrages sein. Des Weiteren beträgt dieser nunmehr maximal eine Saison (dazu bereits der LAW MEETS SPORTS-Beitrag).

Nachdem Karim Onisiwo bei einer Nichtziehung der Verlängerungsoption durch den Fußballverein nach einem Jahr vertragslos gewesen wäre bzw. bei Ziehung der Klausel weitere zwei Jahre in Diensten der Mattersburger gestanden wäre und die Gehaltserhöhung nicht explizit im Vertrag geregelt wurde, waren vereinfacht gesagt die Voraussetzungen des KV-ÖFB („gleichwertige Ansprüche“ und „für beide Teile an gleichwertige Bedingungen geknüpft“) nicht erfüllt. Der OGH hielt in seiner rechtlichen Beurteilung explizit fest, dass es nicht zweifelhaft sei, dass eine einseitige Vertragsverlängerungsoption um weitere zwei Jahre bei einem Grundvertragszeitraum von einem Jahr ohne jegliche Verbesserung des Spielervertrags, den Anforderungen des damaligen KV-ÖFB nicht entspreche.

Fazit

Während in Österreich die Bedingungen für einseitige Vertragsverlängerungsoptionen durch die Entscheidung des OGH bzw. der Neufassung des KV-ÖFB klar festgelegt wurden, ist in Deutschland noch vieles offen. Es kann durchaus davon ausgegangen werden, dass sich das deutsche Bundesarbeitsgericht bald mit dieser Thematik beschäftigen wird. Nachdem sich die österreichische Rechtsprechung hin und wieder an der deutschen orientiert, kann davon ausgegangen werden, dass die Entscheidung des OGH in Deutschland Berücksichtigung findet und, dass das deutsche Bundesarbeitsgericht zu einer ähnlichen Beurteilung kommt.

Übrigens: Nach Ende seiner Zeit in Mattersburg wechselte Onisiwo in die deutsche Bundesliga zum FSV Mainz 05 und wurde dort zu einem der Leistungsträger des Bundesligisten. Vielleicht etabliert sich Marcel Lotka auch als Bundesliga-Spieler; ob in Berlin oder Dortmund wird die Zukunft zeigen – zu wünschen wäre es ihm jedenfalls.

Zum Autor

Patrick Pirker absolviert derzeit seine Gerichtspraxis im Sprengel des OLG Graz. Nebenbei ist er in der Rechtsanwaltskanzlei Stipanitz-Schreiner und Partner als juristischer Mitarbeiter tätig. Während seines Auslandssemsters an der ESADE Law School in Barcelona hat ihn das Interesse am Sportrecht gepackt. Als Begeisterter Tennis- und Fußballfan möchte er Hobby und Beruf miteinander verbinden. Kontakt: patrick.pirker97@gmail.com

Aufführung von Spielen der UEFA Champions League – Unionsrechtliche Fragen bei urheberrechtlichen Exklusivlizenzen

Der Medienkonzern Sky klagte einen Linzer Gastwirt, der in seinem Gasthaus ein Spiel der UEFA Champions League über einen bosnischen Drittanbieter übertrug. In seiner Entscheidung vom 25.01.2022, 4 Ob 219/21s stellt der OGH klar, dass die Aufführung von Live-Übertragungen von Spielen der UEFA Champions League von Sky untersagt werden kann, da die UEFA für das Lizenzgebiet Österreich Sky entsprechende Exklusivrechte eingeräumt hat.

Sachverhalt

Für das Lizenzgebiet Österreich hat Sky von der UEFA für die Spielsaison 2018/19 bis inklusive 2020/21 das exklusive Recht der Übertragung und auch der Aufführung für Spiele der UEFA Champions League in öffentlichen Lokalen (Bars, Restaurants, etc) erworben.

Der Beklagte betreibt ein Gasthaus in Linz, das nahezu ausschließlich von Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien frequentiert wird und in dem hauptsächlich die Muttersprache der Gäste gesprochen wird. In der Spielsaison 2020/21 der UEFA Champions League führte der Gastwirt die Übertragung eines Fußballspiels, welches in das Exklusivrecht von Sky fällt, ohne Bewilligung durch, wobei die Übertragung in einer serbokroatischen Sprache, aber mit dem identen Bildmaterial erfolgte. Der Beklagte bediente sich eines als „Balkan TV“ bezeichneten Senders über das Internet. Dieser Drittanbieter schloss mit der UEFA einen Vertrag ab, wonach er aber nur berechtigt ist, die Spiele der UEFA-Champions-League in Bosnien-Herzegowina auszustrahlen. Eine Zulassung durch die UEFA zur öffentlichen Aufführung in Österreich besteht nicht. Der Drittanbieter bietet sein sonstiges Programm für die Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens an. Vom Drittanbieter ist keine Ausstrahlung in Österreich vorgesehen.

Sky erhob daraufhin eine Unterlassungsklage und begründete diese im Wesentlichen damit, dass sie als Lizenznehmerin der UEFA für Österreich exklusiv zur Verwertung aller Spiele der UEFA Champions League berechtigt sei.

Der Gastwirt wandte ein, dass er aufgrund seines Vertragsverhältnisses mit dem Drittanbieter berechtigt gewesen sei, das Spiel zu empfangen und auszustrahlen. Der Drittanbieter sei ein Sportsender, der ausschließlich in serbokroatischen Sprachen berichte und ausschließlich am Balkan erhältlich sei. Aus diesem Grund bestehe zwischen dem Drittanbieter und Sky (welcher nur in deutscher Sprache sende) kein Wettbewerbsverhältnis. Mangels Sprachidentität liege keine Urheberrechtsverletzung vor. Die legale Übertragung von Bildern eines anderen Anbieters ohne deutsche Sprache sei unionsrechtskonform.

Entscheidung des OGH

Entgegen den Entscheidungen der Vorinstanzen, die das Unterlassungsbegehren von Sky aufgrund unionsrechtlicher Gründe abwiesen, gab der OGH der Unterlassungsklage statt. Dem Unterlassungsanspruch können keine unionsrechtlichen Einwände entgegengehalten werden:

Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union sind für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, nach Maßgabe des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verboten. Die Dienstleistungsfreiheit gilt sowohl zugunsten des Dienstleisters als auch des Dienstleistungsempfängers. Sowohl die Ausstrahlung von Fernsehsendungen als auch deren Übertragung fällt in den Anwendungsbereich der unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit nach Art 56 AEUV.

Weiters sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken (Art 101 AEUV). Vereinbarungen, mit denen das Recht zur Nutzung gewerblicher Schutzrechte an Dritte weitergegeben wird (Lizenzverträge), können auch darunterfallen. Das kann u.a. dann der Fall sein, wenn eine vertragliche Regelung in einem Lizenzvertrag nicht erforderlich ist, um den spezifischen Gegenstand des jeweiligen Immaterialgüterrechts zu schützen.

Nach der Rechtsprechung des EuGH (C-429/08, Murphy) ist die Erteilung von territorialen Exklusivlizenzen im Urheberrecht grundsätzlich nicht unzulässig. Die Beschränkungen im Binnenmarkt dürfen aber keine absolute gebietsabhängige Exklusivität vorsehen, wenn damit jeglicher Wettbewerb zwischen verschiedenen Rundfunkunternehmern ausgeschaltet und nationale Märkte abgeschottet werden. Eine Verletzung des unionsrechtlichen Primärrechts hängt dabei entscheidend vom Inhalt der entsprechenden Lizenzvereinbarungen ab.

Ob sich eine nationale Regelung mit dem Unionsrecht vereinbaren lässt, ist grundsätzlich als Rechtsfrage von Amts wegen zu prüfen. Ist die Zulässigkeit aber von tatsächlichen Umständen (insbesondere zur Ausgestaltung der Lizenzvereinbarungen) abhängig, so hat sich diese Prüfung an den diesbezüglichen Behauptungen der Parteien zu orientieren. Dabei trifft gegenständlich den Gastwirt die Behauptungspflicht der entsprechenden Tatsachen. Das Vorbringen des Gastwirts beschränkte sich allerdings auf den Umstand, dass sie die Übertragung des Drittanbieters, der zur Austragung der Spiele der UEFA Champions League (nur) in einem Drittstaat berechtigt war, in Österreich aufgeführt hätten. Aus diesem Vorbringen, das nichts zum Inhalt der entsprechenden Lizenzverträge enthält, lässt sich nicht ableiten, inwieweit damit im Sinne der EuGH-Rechtsprechung die nationalen Märkte nach den nationalen Grenzen abgeschottet werden sollen.

Mit der Bezugnahme auf die dem Drittanbieter in Bosnien-Herzegowina (also in einem Drittstaat) eingeräumten Lizenzrechte, die dieser in Österreich nach dem entsprechenden Lizenzvertrag nicht ausüben darf (und auch nicht ausübt), hat der Beklagte weder eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb des Binnenmarkts noch einen Verstoß gegen Art 101 AEUV aufgezeigt. Daran ändert auch der Umstand nichts, wonach der Drittanbieter seine Dienste auch in Kroatien anbietet.

Fazit

Wie die aktuelle Rechtsprechung des OGH zeigt, ist die Rechtslage nicht immer eindeutig: Bekam der Gastwirt in den Vorinstanzen noch Recht, beurteilte der OGH den Fall anders. Die Dienstleistungsfreiheit (worunter auch die Übertragung von Fernsehsendungen fällt) darf innerhalb der europäischen Union zwar nicht beschränkt werden, Exklusivrechte für bestimmte Länder seien jedoch nach der Rechtsprechung des EuGH erlaubt. Dabei muss aber darauf geachtet werden, dass der Wettbewerb zwischen verschiedenen Anbietern nicht ausgeschaltet und keine Abschottung des nationalen Marktes vollzogen wird. Ein dementsprechend fundiertes Vorbringen wurde durch den Gastwirt allerdings nicht erstattet.

 

16-sekündiges Wechselchaos versetzt die deutsche Fußballwelt in Unruhe

Für viel Aufregung sorgte der allseits viel diskutierte Wechselfehler des FC Bayern München beim Gastspiel in Freiburg letzten Samstag (2. April). Etwa fünf Minuten vor Ende der regulären Spielzeit sollten Niklas Süle und Marcel Sabitzer für Corentin Tolisso und Kingsley Coman ins Spiel kommen. Aufgrund eines Fauxpas der Teammanagerin des FC Bayern, die die falsche Rückennummer von Coman über die elektronische Wechseltafel hochhielt, verblieb der Franzose auf dem Feld anstatt sich nach seinem Tor zum 3:1 einen verdienten Applaus abzuholen. Kurzum: Tolisso verließ den Platz, Süle und Sabitzer kamen, Coman blieb. Bis der Wechselfehler dem Freiburgakteur Nico Schlotterbeck auffiel und dieser den Schiedsrichter Christian Dingert umgehend informierte, vergingen knapp 20 Sekunden, in denen der Rekordmeister aus München mit 12 – anstatt der 11 erlaubten – Spielern am Platz stand. Nach einer langen und chaotischen Spielunterbrechung, dem Verlassen des Spielfelds von Coman und einem sog Schiriball ging das Spiel mit 4:1 zu Ende, wobei der Österreicher Sabitzer in der sechsten Minute der Nachspielzeit sogar noch ein Tor schoss. Nach dem Einspruch des SC Freiburg liegt bereits die Entscheidung des DFB-Sportgerichts vor.

Vorgaben der Fußball-Regeln für die Saison 2021/2022 des Deutschen Fußball-Bundes (DFB)

Regel 3.1. erster Satz und Regel 3.3. stellen hinsichtlich der Spieleranzahl und dem Auswechselvorgang Folgendes klar:

Das Spiel wird von zwei Teams mit jeweils höchstens elf Spielern bestritten, von denen einer der Torhüter ist“.

Bei der Auswechslung eines Spielers sind folgende Bedingungen zu beachten:

Der Schiedsrichter ist vor der Auswechslung zu informieren.

Der Spieler, der ausgewechselt wird, muss vom Schiedsrichter die Erlaubnis zum Verlassen des Spielfelds erhalten, sofern er dieses nicht bereits verlassen hat, und das Spielfeld über die nächste Begrenzungslinie verlassen, es sei denn, der Schiedsrichter zeigt an, dass der Spieler das Spielfeld direkt und sofort an der Mittellinie oder an einer anderen Stelle verlassen darf (z. B. aus Sicherheitsgründen oder wegen einer Verletzung) sowie sich sofort in die technische Zone oder die Umkleidekabine begeben und darf nicht mehr am Spiel teilnehmen, es sei denn, Rückwechsel sind zulässig.

Weigert sich ein Spieler, der ausgewechselt werden soll, das Spielfeld zu verlassen, wird das Spiel fortgesetzt.

Ein Auswechselspieler betritt das Spielfeld ausschließlich während einer Spielunterbrechung, an der Mittellinie, nachdem der ausgewechselte Spieler das Spielfeld verlassen hat und nach einem Zeichen des Schiedsrichters.

Die Auswechslung ist vollzogen, wenn der Auswechselspieler das Spielfeld betritt. Damit wird der Spieler, der ausgewechselt wurde, zum ausgewechselten Spieler, und der Auswechselspieler zu einem Spieler, der jede Spielfortsetzung vornehmen darf.

Moralische und rechtliche Einschätzungen

Auch wenn viele die Entscheidung des Sportclubs, Einspruch einzulegen, als lächerlich und überzogen ansehen, kann dieser Fall allerdings einen Präzedenzfall schaffen. ZB für den kicker-Reporter Schröter-Lorenz stellen sich verständlicherweise die Fragen nach Schuld (Schiedsrichter-Team? Münchner Verantwortlichen? Beide?) und Sanktion bzw wie viele Sekunden zu zwölft akzeptiert werden, oder was der „überflüssige“ Spieler denn eigentlich (nicht) machen darf, damit (keine) Sanktionen auftreten?

Nach dem deutschen Sportrechtsexperten Lambertz beinhalten die Spielregeln des DFB eine Regelung für die Situation, in der eine Mannschaft mit zu vielen Spielern auf dem Platz ein Tor schießt. Da die Spielregeln des DFB es also vorsehen, dass es zu viele Spieler auf dem Spielfeld geben könne, gehe er sohin nicht von einem Wiederholungsspiel oder einer Wertung am sog grünen Tisch zugunsten des SC Freiburg aus. Lambertz entgegnet zudem dem Paragraf 17, Absatz 4 der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB, der eine 0:2-Wertung gegen eine Mannschaft vorsieht, wenn diese einen „nicht spiel- oder einsatzberechtigten“ Spieler einsetzt und zu Beginn der Thematik immer wieder ins Treffen geführt wurde, dass „[d]ie Voraussetzungen [dafür] auch nicht vor[liegen], weil Sabitzer spielberechtigt war.“

Bezüglich den vom SC behaupteten „bestehenden Treuepflichten des Vorstands gegenüber dem Verein“ und den damit in Zusammenhang stehenden Haftungsfragen, also möglicher Klagen von Mitgliedern, Sponsoren oder sonstigen dem Verein verbundenen Personen gegen den Vereinsvorstand, meint der Experte letztlich, dass die Verantwortlichen des Sportclubs seiner Meinung nach auch nichts zu befürchten gehabt hätten, wobei er den Weg zum Sportgericht als richtig ansehe.

Der Meinung von Lambertz ist beizupflichten, denn das Motiv des SC Freiburg hinter dem Einspruch lag offensichtlich darin, Klarheit für zukünftige gleichartige Fälle zu generieren und nicht, nachträglich drei Punkte zu ergattern. Mit letzterem war ohnehin – nicht nur aber auch insbesondere aufgrund des Endstands von 1:4 für den FCB – nicht zu rechnen.

Die Entscheidung des DFB-Sportgerichts

Nach dem Einspruch des SC Freiburg gegen die Spielwertung der Partie, der für sich allein schon für (moralische) Diskussionen sorgte – Bayern-Trainer Julian Nagelsmann meinte etwa: „Ich weiß nicht, ob du dir auf die Schulter klopfen kannst, solltest du (Anm: der SC Freiburg) international spielen aufgrund von drei Punkten, die du sportlich de facto nicht gewonnen hast.“ – lag der Ball zunächst beim zuständigen DFB-Sportgericht, der ersten verbandsinternen Instanz des DFB. Das Gremium um Stephan Oberholz, dem Vorsitzenden des DFB-Sportgerichts, entschied nach der Auswertung der Stellungnahmen aller Verfahrensbeteiligten (FC Bayern, Schiedsrichter Christian Dingert und 4. Offizielle Arne Blos) über den Einspruch unlängst wie folgt:

Laut Oberholz ging man zunächst davon aus, dass alle Spieler der Münchner spielberechtigt waren (Anm zu Paragraf 17, Absatz 4 der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB). Der schuldhafte Einsatz eines nicht einsatzberechtigten Spielers kann aber nicht dem FC Bayern angelastet werden. Mit Blick auf Regel 3 der Fußballregeln, die unter anderem die Pflichten des Schiedsrichterteams bei Auswechslungen regelt (siehe oben), ist der Wechselfehler auf ein „schuldhaftes Fehlverhalten“ des Schiedsrichters zurückzuführen. Die gravierende Rechtsfolge einer Spielumwertung wäre zudem nicht verhältnismäßig, da der geringfügige, hinter dem Fehlverhalten der Schiedsrichter zurücktretende, Verschuldungsbeitrag der Bayern dafür nicht genügt. Vielmehr haben die Schiedsrichter ihre Prüfpflichten hinsichtlich Spieleranzahl und Mannschaftsstärke verletzt. Denn der Schiedsrichter ließ das Match weiterlaufen, ohne sich über die korrekte Anzahl der (ein- und ausgewechselten) Spieler zu vergewissern.

Sollte sich der SC Freiburg ungerecht behandelt fühlen und dagegen vorgehen wollen, so müssen die Breisgauer innerhalb eines Werktages Einspruch einlegen. In zweiter Instanz würde das DFB-Bundesgericht die Sache endgültig verbandsintern beenden. Laut Medienberichten verzichtete der SC aber darauf, was wohl mit dem Motiv der Rechtssicherheit im Einklang steht.

Fazit

Die Erhebung des Einspruchs aufgrund der Geschehnisse am vergangenen Wochenende war wie die Entscheidung darüber durchaus nachvollziehbar. Somit darf der FC Bayern seine Punkte behalten, der SC Freiburg leistete aber in Sachen Verantwortlichkeit des Schiedsrichterteams einen großen Beitrag für die Zukunft.

Alles neu macht die Formel 1?

Endlich ist es soweit! An diesem Wochenende startet die Formel 1 Saison 2022 in Sakhir beim Großen Preis von Bahrain. Die Saison 2021 hat fulminant geendet, umso gespannter sind die Motorsport-Fans auf den Auftakt in Bahrein. Das hat aber wohl auch damit zu tun, dass es eine ganze Menge neuer Regeln gibt. Was man zum Start des ersten Formel 1 Wochenendes wissen sollte, fassen wir euch kurz zusammen.

Der Rennkalender

Auf eine neue Strecke dürfen sich die Fans schon einmal freuen. Am neu errichteten Miami International Autodrome in Miami Gardens in Florida (USA) soll der erste Große Preis von Miami dieses Jahr ausgetragen werden. Geplant ist das Rennen am 8. Mai 2022. Aufgrund der Ereignisse in der Ukraine wurde von der Fédération Internationale de l’Automobile, besser bekannt als FIA, der Große Preis von Russland offiziell aus dem Rennkalender gestrichen. Wo das Rennen ersatzweise stattfindet, ist noch nicht bekannt. Es soll aber bei den 23 Rennen und damit der größten Anzahl an Rennen in der Formel 1 – nach derzeitigem Stand – bleiben. Das heimische Rennen in Spielberg wird dann am 10. Juli 2022 ausgetragen und auch eines der drei Sprintrennen dieses Jahr wird in Österreich stattfinden.

So wichtig kann ein einziges Wort sein

Zurückrunden – vielleicht ist es das Wort der Formel 1 Saison 2021. Wie wohl bekannt ist, entschied der Rennleiter Michael Masi im Rennen in Abu Dhabi,  nicht alle überrundeten Fahrer hinter dem Safety Car zurückrunden zu lassen, sondern nur einzelne und zwar jene zwischen Max Verstappen und Lewis Hamilton. Die Auslegung des Reglements ließ  ein solche Vorgehensweise bislang zu. Auch wenn das Prozedere rund um das Zurückrunden generell hitzige Diskussionen aufkommen ließ, eine generelle Änderung wurde nicht geschaffen. Geändert wird aber das sportliche Reglement insofern als, dass das Wort „any“ durch „all“ ersetzt wird.

Gekappter Austausch und Videobeweis

Das Saisonfinale hatte aber nicht nur den Austausch dieses Wortes zur Folge, sondern auch einen neuen Rennleiter. Der Posten von Michael Masi wird künftig abwechselnd von einem deutschen und einem portugiesischen Rennleiter ausgeübt.

Gut erinnern wir uns wohl auch noch an die Funksprüche zwischen Rennleitung und Teams im Saisonfinale. Diese werden im TV ab sofort nicht mehr ausgestrahlt und sollen auch generell eingeschränkt werden. Die Boxenfunks werden aber weiterhin für die Zuschauer vor den Fernsehern zu hören sein. Als wäre das nicht schon genug, kommt noch eine Neuerung hinzu: der Videobeweis. Der „Virtual Race Control Room“ unterstützt künftig bei strittigen Entscheidungen die Rennleitung. 

Eine Chance für die „Jungen Wilden“

Mindestens zwei der Freitagstrainings müssen nun von einem „Young Driver“ gefahren werden. Das gilt selbstverständlich für jedes Team und bedeutet, dass ein Stammfahrer für das Training von einem „Young Driver“ ersetzt wird. So muss aber jeder Stammfahrer mindestens einmal ersetzt werden. Nach dem sportlichen Regulativ muss der „Young Driver“ eine internationale A-Lizenz der FIA besitzen und darf in seiner Karriere nicht an mehr als zwei Formel 1 Rennen teilgenommen haben. Das ist definitiv eine Chance für den Nachwuchs und ein erstes Schnuppern der Formel-1 Luft.

Was sagt die Technik?

Vor allem eins will man durch das neue technische Reglement erreichen: mehr Action! Das bedeutet das Überholen zu erleichtern, das Renn-geschehen enger aneinander zu bringen und die Unterschiede der Performance zu verringern. Dazu beitragen soll eine größere Anzahl an Einheitsteilen, die jedes Team verwenden muss. So können die Vorteile von den größeren Teams minimiert werden und da auch eine Kostendeckelung vorgesehen ist, ist die Kalkulation und Entwicklung in den Rennställen mit Sicherheit gefordert. Bei den technischen Änderungen geht es insbesondere um Frontflügel, Seitenkästen, Unterboden, Heckflügel und Räder.

Die Räder sind in der Formel-1 ohnedies ein heikles Thema. Ab dieser Saison wird nun mit größeren Rädern gefahren, was eine Umstellung für die Fahrer bedeutet. Statt 13-Zoll-Rädern wird nun mit 18-Zoll-Rädern gefahren. Die größeren Räder führen dazu, dass sich die Felgen vergrößern. Durch diese Vergrößerung erhöht sich das Gewicht, und zwar gleich um circa elf Kilo. Auch in Punkto Umwelt tut sich etwas: der Anteil an Biosprit wird erhöht und die Formel-1 tankt nun mit E-10 Benzin. In den nächsten Jahren sind in diesem Bereich aber noch weitere klimaneutrale Änderungen geplant. 

Ausblick

Ein spektakuläres Überholmanöver in letzter Sekunde führte unter anderem zum Sieg der Weltmeisterschaft von Max Verstappen. Sein erster Sieg und ein verpasster achter Titel für Lewis Hamilton. Durch die angekündigten neuen Regelungen könnten die Karten aber neu gemischt werden – oder doch nicht? Und auf einen in der Motorwelt sehr bekannten Namen – Mick Schumacher – ist man weiterhin gespannt. Könnten ihm im Haas die Regeländerungen ein paar Punkte für diese Saison verschaffen? Aber auch auf viele andere Formel-1 Fahrer sind wir gespannt. Und damit für das Qualifying und das Rennen alles klar ist, Max Verstappen legte seine Startnummer 33 ab und startet als Weltmeister nun mit der Nummer 1.

 Nun steht dem Motorsportwochenende nichts mehr im Weg. Der Trainingsfreitag war schon einmal vielversprechend, also lasset die Spiele beginnen und freuen wir uns auf eine – hoffentlich – spannende Saison 2022.

 

Die Auswirkungen der Sanktionen gegen den russischen Eigentümer Roman Abramowitsch für den FC Chelsea

Die Zukunft des Champions-League Siegers FC Chelsea ist ungewiss, nachdem letzte Woche Sanktionen gegen den russischen Eigentümer Roman Abramowitsch verhängt wurden. Aufgrund der Entscheidung sein Vermögen einzufrieren, kann der FC Chelsea nur mit einer Sondergenehmigung der britischen Regierung und unter besonderen Bedingungen weiterspielen.

Die Versuche des Milliardärs, der seit 2003 an der Spitze des Vereins steht, den Verein zu verkaufen, wurden von der britischen Regierung gestoppt. Doch was bedeutet das für die Fans, Spieler und Mitarbeiter des FC Chelsea?

Der „schwarze“ Donnerstag und die Sonderlizenz

Letzten Donnerstag wurde Roman Abramowitsch von der britischen Regierung als Teil ihrer Reaktion auf den völkerrechtswidrigen Einmarsch Russlands in der Ukraine mit Sanktionen belegt. Der Grund dafür soll eine seit Jahrzenten bestehende enge Beziehung zwischen Roman Abramowitsch und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin sein. Der Investor soll über Evraz, ein Stahl- und Bergbauunternehmen, das er faktisch kontrolliert, an der Destabilisierung der Ukraine beteiligt sein und habe darüber hinaus potenziell das russische Militär beliefert, so die britische Regierung.

Wie der Rest seines Vermögens sind auch seine Anteile am Klub FC Chelsea eingefroren worden. Die Lizenzbedingungen der EPL verbieten eine Beteiligung von Personen an einem Klub, wenn ihnen nach dem Recht des Vereinigten Königreichs keine Gelder oder wirtschaftlichen Ressourcen direkt oder indirekt zu ihren Gunsten zur Verfügung gestellt werden dürfen. Die Folge war, dass Abramowitsch die Leitung des Vereins entzogen wurde.

Lediglich durch eine von der Regierung erteilte Sonderlizenz wird es dem Klub erlaubt, weiterzumachen. Diese von der Regierung ausgestellte Sondergenehmigung erlaubt es den Herren- und Frauenteams, ihre Spiele für den Rest der Saison wie gewohnt zu bestreiten. Die Regierung hat jedoch eine Obergrenze von 20.000 Pfund pro Mannschaft und Spiel für die An- und Abreise festgelegt. Angesichts des anstehenden Auswärtsspiels in der Champions League nach Lille (Frankreich) ein schwieriges Unterfangen. Für jedes Spiel an der Stamford Bridge dürfen nur 500.000 Pfund ausgegeben werden, auch für Sicherheit und Catering.

Der FC Chelsea hat übrigens am Sonntag in der Premier League zuhause gegen Newcastle gewonnen. Fans mit Dauerkarten konnten das Match besuchen, neue Tickets durften nicht mehr verkauft werden. Auch der offizielle Verkauf von Fanartikeln ist nicht mehr möglich.

Als sportliche Sanktion droht im Fall der Insolvenz des Klubs oder seines Investors ein Punkteabzug von 9 Punkten. Angesichts der engen Tabellensituation um den Kampf der Champions-League Plätze wäre dies ein fataler und vor allem finanzieller Nackenschlag.

Transfer in – Transfer out?

Die Sonderlizenz der Regierung erlaubt es Chelsea, die Gehälter aller Angestellten, einschließlich der Spieler und des Trainerstabs, zu zahlen. Die Lizenz gilt bis zum 31. Mai 2022, also für den Rest der Saison, die Regierung hat jedoch das Recht, sie jederzeit zu ändern, zu widerrufen oder auszusetzen.

Solange die Sanktionen in Kraft sind, hat Chelsea ein Transferverbot und kann keine Spieler kaufen oder verkaufen. Außerdem können sie aufgrund der eingefrorenen Gelder de facto keine neuen Verträge für die Spieler aushandeln, deren Verträge im Sommer auslaufen, so dass deren Zukunft ungewiss ist.

Dies gilt insbesondere für Stammspieler wie Antonio Rüdiger, Cesar Azpilicueta und Andreas Christensen. Die beiden Letztgenannten werden mit einem Wechsel nach Barcelona in Verbindung gebracht. Das wäre dann ein Einfaches, selbst für das angeschlagene Barcelona.

Eine Sonderlizenz zum Verkauf?

Am 2. März wurde der FC Chelsea zum Verkauf ausgeschrieben. Innerhalb kürzester Zeit meldeten sich, trotz der Sanktionen gegen Investor Abramowitsch, zahlreiche Interessenten. Aktuell ist ein Verkauf jedoch nicht möglich, die britische Regierung ist jedoch bereit, eine weitere Ergänzung der Sonderlizenz zu erlassen, um einen Verkauf zu ermöglichen. Dies jedoch nur unter der Voraussetzung, dass das 1,5-Milliarden-Pfund-Darlehen von Abramowitsch nicht vom Preis abgezogen wird.

Wie schnell der Klub verkauft werden kann, hängt somit davon ab, ob die Regierung die Zusicherung erhält, dass der Erlös nicht an Abramowitsch geht, was jedoch einige Zeit dauern könnte.

UEFA?

Die UEFA als Veranstalter der Champions League, in der Chelsea mittlerweile das Viertelfinale erreichte, hat übrigens noch keine Sanktionen verhängt. Es wurde lediglich ein kurzes Statement abgegeben, dass die neuesten Entwicklungen genauestens beobachtet werden. Interessant wird die Frage, ob im Viertelfinal-Heimspiel der Blues Zuschauer erlaubt sein werden. In der Vergangenheit wurden nationale Maßnahmen nicht eins zu eins von den internationalen Verbänden übernommen.

Fazit

Der Spielbetrieb des FC Chelsea ist durch die von der britischen Regierung ausgestellte Sonderlizenz – wenn auch nur in einer abgespeckten Version – gesichert. Dennoch steht dem Klub an der Stamford Bridge ein schwieriger Sommer bevor. Die Verträge von wichtigen Spielern laufen aus und können aufgrund der eingefrorenen Gelder aktuell nicht verlängert werden. Zudem ist es nicht möglich, neue Spieler zu verpflichten. Viel wird davon abhängen, wie schnell der Verein verkauft werden kann/darf. Eine Bedingung der Regierung wird sein, dass Abramowitsch an einem etwaigen Verkauf nicht mitverdient. Wie sich das rechtlich umsetzen lässt bleibt mehr als fraglich.

Nicht zu unterschätzen sind auch die Folgewirkungen: So setzten die wichtigsten Trikotsponsoren bereits ihren 40-Millionen-Pfund-Vertrag aus. Darunter fällt auch der Trikotsponsor und Mobilfunkanbieter Drei. Es ist unklar, ob auch andere Sponsoringverträge gefährdet sind. Bald stehen die nächsten Gehaltszahlungen an. Derzeit bekommt der FC Chelsea nur noch Geld aus dem TV-Vertrag der Premier League sowie den Preisgeldern von UEFA. Bei einer Insolvenz während der Saison droht sogar ein Abzug von 9 Punkten. Aktuell liegt Chelsea noch auf Champions League-Kurs. Sollte dieser verlassen werden, könnte eine Abwärtsspirale drohen, die in einem finanziellen Desaster endet.

 

Der Fall Valieva und die Ad Hoc Kammer des Internationalen Sportgerichtshofes

Für großes Aufsehen sorgt in diesen Tagen eine Entscheidung der Ad Hoc Kammer des Internationalen Sportgerichtshofes (Court of Arbitration for Sport – kurz: CAS) bei den Olympischen Winterspielen in Peking.

Kurzum: Die erst 15-jährige Eiskunstläuferin Kamila Valieva (Athletin des Russischen Olympisches Komitee – kurz: ROC) durfte trotz einer positiven Dopingprobe an weiteren Wettkämpfen teilnehmen. Dabei hielt die Ad Hoc Kammer des CAS allerdings fest, dass damit nur der vorläufige Ausschluss der Athletin von den Olympischen Spielen vom Tisch gewesen sei. Ob sie durch die positive A-Probe aber gegen den Welt-Anti-Doping-Code (Details dazu hier) verstoßen hat oder nicht, wird noch ermittelt. Kurios dabei: Einerseits wurde die A-Probe am 25.12.2021 abgegeben, das Ergebnis lag jedoch erst am 8.2.2022, und damit nach dem Sieg des ROC im Mannschaftswettbewerb im Eiskunstlauf, vor. Andererseits wird die Siegerehrung für diesen Bewerb nicht während der Olympischen Winterspiele stattfinden, sondern erst, wenn die Ermittlungen in dieser Causa abgeschlossen sind. Die internationale Presse und die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) kritisierten die Entscheidung des Panels um den Vorsitzenden Fabio Iudica und den Schiedsrichtern Jeffrey Benz und Dr. Vesna Bergant Rakočeviċ. Eine kleine Zusatzinfo: Valieva verpasste am letzten Donnerstag (17.2.2022) den Sprung aufs Podest beim Einzelwettbewerb der Damen und holte nur Blech. So kann diese Siegerehrung wenigstens noch in Peking stattfinden. Wäre Valieva auf dem „Stockerl“ gelandet, hätte auch diese Medaillenvergabe verschoben werden müssen.

Vor diesem Hintergrund stellen sich einige Fragen, darunter etwa: Was ist überhaupt ein Ad Hoc Schiedsgericht des CAS? Wann werden sie eingesetzt? Hier ein kurzer Überblick.

Die Ad Hoc Divisions des CAS

Der International Council of Arbitration for Sport (ICAS), das oberste Organ der CAS-Struktur und hauptsächlich zuständig für die Sicherstellung der Unabhängigkeit der Struktur und der Parteienrechte in den Schiedsverfahren, installierte im Zuge der Vorbereitung für die Olympischen Sommerspiele in Atlanta im Jahr 1996 die erste sog Ad Hoc Division. Deren Aufgabe war es, rechtliche Streitfälle während der Sportveranstaltung in maximal 24 Stunden endgültig zu entscheiden. Um dies zu gewährleisten, waren zwei Co-Präsidenten und 12 Schiedsrichter vor Ort, um im Falle des Falles Schiedspanels einzurichten und rasch (=ad hoc) Entscheidungen zu treffen. Dieses erstmalig eingesetzte (einfache, flexible und kostenlose) Sonderverfahren wurde von Teilnehmern in Atlanta sechs Mal in Anspruch genommen. Da sich der Einsatz der Ad Hoc Division bewährte, kam bei jeder Sommer- und Winterolympiade seit 1996, den Commonwealth Games seit 1998, den Europäischen Meisterschaften der UEFA seit 2000 und dem FIFA World Cup seit 2006 jeweils eine Ad Hoc Kammer zum Einsatz.

Rechtliche Grundlage

In der Schiedsordnung für die Ad-hoc-Abteilung des CAS für die Olympischen Spiele finden sich 23 Artikel, wobei die ersten beiden Artikel dabei die Anwendung der Bestimmungen, die Zuständigkeit des CAS und die Ad Hoc Kammer behandeln.

Artikel 1 – Anwendung der vorliegenden Regeln und Zuständigkeit des CAS

Zweck dieser Regeln ist es, im Interesse der Athleten und des Sports die schiedsrichterliche Beilegung von Streitigkeiten […] zu ermöglichen, soweit sie während der Olympischen Spiele oder während eines Zeitraums von zehn Tagen vor der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele entstanden sind. Wird ein Schiedsverfahren gegen eine Entscheidung des IOC, eines NOC, eines Internationalen Verbandes oder eines Organisationskomitees für die Olympischen Spiele beantragt, so muss der Antragsteller vor Einreichung eines solchen Antrags alle internen Rechtsbehelfe ausgeschöpft haben, die ihm nach den Statuten oder Vorschriften der betreffenden Sportorganisation zur Verfügung stehen, es sei denn, die zur Ausschöpfung der internen Rechtsbehelfe erforderliche Zeit würde die Berufung bei der Ad-hoc-Kammer des CAS rechtfertigen.“

Artikel 2 – Ad Hoc Kammer

Für den in Artikel 1 festgelegten Zeitraum errichtet der ICAS eine Ad-hoc-Kammer des CAS […], deren Aufgabe es ist, die von Artikel 1 erfassten Streitigkeiten durch ein Schiedsverfahren vor Panels beizulegen, die in Übereinstimmung mit den vorliegenden Regeln eingerichtet wurden. Die Ad-hoc-Kammer besteht aus Schiedsrichtern, die auf einer Sonderliste stehen, einem Präsidenten, einem Co-Präsidenten und einem Gerichtsbüro.“

Daneben werden unter anderem explizite Vorgaben über die Liste der Schiedsrichter, die Verfahrenssprache, die Inhaltserfordernisse eines Antrags einer natürlichen oder juristischen Person, die Bildung des jeweiligen Panels, die Unabhängigkeit und Qualifikation sowie die Disqualifikation und Abberufung von Schiedsrichtern, den Verfahrensablauf vor dem eingesetzten Panel, das Zeitlimit für das Panel hinsichtlich der zu treffenden Entscheidung, die sofortige Vollstreckbarkeit und den (grundsätzlichen) Rechtsmittelausschluss getroffen.

Fazit

Die Erfindung der Ad Hoc Kammern bei sportlichen Großereignissen bringt einerseits den Vorteil, dass in rechtlichen Streitigkeiten umgehend eine Entscheidung vorliegt und somit Verzögerungen vermieden werden. Andererseits kann dadurch bei den Schiedsrichtern großer Druck entstehen, dem sie sich aber wohl bereits vorher bewusst waren. Gerade der Fall der Eiskunstläuferin Valieva rückte bei der laufenden Winterolympiade in Peking in das Spotlight der Öffentlichkeit. Die dabei ergangene Entscheidung des zuständigen Panels war für viele unverständlich. ME ist sie aber in Anbetracht des Alters der Athletin, der notwendigen (!) Ermittlungen bezüglich der positiven A-Probe und den Auswirkungen bei einer möglichen (im Nachhinein) falschen Entscheidung durchaus vertretbar. Man stelle sich nur vor, man müsse dem russischen Toptalent im Eiskunstlauf nach Ende der olympischen Spiele erklären, sie wurde zu Unrecht von ihren Wettbewerben ausgeschlossen und sie müsse nun vier Jahre auf die nächste Olympiade warten. Da erscheint das gegenwärtige Ergebnis zwar unorthodox, doch muss ja nur eine Siegerehrung nachgeholt werden…

Auswirkungen des Brexits auf den Profifußball

Die Folgen des Austritts des Vereinigten Königreiches aus der Europäischen Union wurden vielfach diskutiert. Im Dezember 2021 trafen sie auch den Interimstrainer von Manchester United, Ralf Rangnick, hart. Aufgrund einer nicht rechtzeitig erteilten Arbeitserlaubnis, die seit dem Brexit notwendig ist, war es diesem nicht möglich bei seinem geplanten Debüt beim Heimspiel seines neuen Clubs am 2. Dezember 2021 gegen den FC Arsenal an der Seitenlinie zu stehen.

Manchester United musste auf Dienstantritt von Ralf Rangnick warten

Ralf Rangnick wurde mit Ende November 2021 offiziell als Interimstrainer von Manchester United eingesetzt. Er soll bis Saisonende als Chef-Trainer agieren und dem Club danach für zwei weitere Jahre als sportlicher Berater zur Seite stehen. Bei seinem geplanten Debüt-Spiel als Trainer durfte er allerdings noch nicht an der Seitenlinie stehen. Grund dafür war, dass die seit dem Brexit notwendige „Arbeitserlaubnis“ noch nicht erteilt wurde. Dies hat einen komplexen Hintergrund:

Innerhalb der Europäischen Union gilt die Personenfreizügigkeit als eine der vier Grundfreiheiten. Zur Personenfreizügigkeit gehört die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art 45 ff AEUV) und die Niederlassungsfreiheit (Art 49 ff AEUV). Die Arbeitnehmerfreizügigkeit bezieht sich auf die Mobilität von unselbständig Erwerbstätigen, also den klassischen Arbeitnehmer. Sie umfasst dabei insbesondere die Abschaffung jeglicher auf Staatsangehörigkeit beruhender unterschiedlicher Behandlung von Arbeitnehmern in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung oder sonstiger Arbeitsbedingungen.

Der Austritt des Vereinigten Königreiches aus der Europäischen Union erfolgte am 31. Jänner 2020. Durch das Austrittsabkommen wurde bis zum 31. Dezember 2020 eine Übergangsphase geschaffen, in welcher die Arbeitnehmerfreizügigkeit für EU-Bürger im Vereinigten Königreich (und umgekehrt) gewährleistet wurde. Seit dem 1. Jänner 2021 gilt das Vereinigte Königreich gegenüber den restlichen EU-Mitgliedstaaten als Drittstaat, was auch den Verlust der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach sich zieht. Dies führt dazu, dass vor allem Spieler, Trainer, Manager sowie überhaupt Bürger aus einem EU-Mitgliedstaat nicht mehr die Freiheit haben, im Vereinigten Königreich eine Beschäftigung aufzunehmen und dass umgekehrt solche Personen aus dem Vereinigten Königreich nicht mehr ohne Weiteres in der EU arbeiten dürfen.

Im britischen Recht befinden sich die Rechtsvorschriften für die Einwanderung vor allem in den Immigration Rules. Für Spieler und Trainer ist insbesondere das Visum für internationale Sportler („International Sportsperson Visa“) einschlägig. Dieses Visum ist für jene Spitzensportler und qualifizierte Sporttrainer vorgesehen, die international etabliert sind und einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung ihres Sports auf höchstem Niveau im Vereinigten Königreich leisten können.

Für das Visum ist Voraussetzung, dass der Sportverband bestätigt, dass der Trainer international auf höchster Ebene tätig ist und dass seine Beschäftigung einen erheblichen Beitrag zur Qualitätssteigerung der betreffenden Sportart auf höchster Ebene bilden wird („Governing Body Endorsement“). Zuständig für die Ausstellung des Governing Body Endorsements für Sportler ist der jeweilige Sportfachverband, für den Fußball in England also die Football Association. Die Anforderungen an die Erteilung eines Governing Body Endorsements werden im Premier League Handbook in der jeweils gültigen Fassung von der Football Association veröffentlicht.

Im Fall von Rangnick ist man davon ausgegangen, dass er die Kriterien der Football Association für eine automatische Erteilung des Governing Body Endorsements nicht erfüllt. Es wurde argumentiert, dass er in den letzten fünf Jahren vor seinem Antritt als Chef-Trainer bei Manchester United insgesamt nicht genug Erfahrung als Trainer in einem europäischen Spitzenklub gesammelt hat (entweder zwei Jahre hintereinander oder drei Jahre zusammengerechnet in den letzten fünf Jahren). Rangnick war in den Spielzeiten 2015/16 und 2018/19 zweimal als Cheftrainer bei RB Leipzig und gleichzeitig als Sportdirektor des FC Red Bull Salzburg tätig. Zuletzt stand er als Geschäftsführer bei Lokomotive Moskau unter Vertrag.

Da er die Anforderungen für die Erteilung des Governing Body Endorsements nicht erfüllt hatte, musste letztendlich – auf Antrag des Clubs – ein von der Football Association bestimmtes dreiköpfiges Exceptions Panel über die Eignung und den sportlichen Wert des Trainers und damit darüber, ob dennoch ein Governing Body Endorsements erteilt werden sollte, entscheiden.

Exkurs Rechtslage in Österreich

Für britische Staatsbürger, die sich zum Zeitpunkt des EU Austritts rechtmäßig in Österreich aufgehalten haben, bestand bis zum 31. Dezember 2021 die Möglichkeit einen Aufenthaltstitel („Art 50 EUV“) zu beantragen. Diese Möglichkeit ist nun ausgelaufen. Britische Staatsbürger – die fortan wie andere Drittstaatsangehörige gelten – müssen nun aus den vorhandenen Aufenthaltstiteln, den für sie zutreffendsten auswählen. Für Sportler und Trainer ist hier insbesondere an die „Rot-Weiß-Rot Karte“ für sonstige Schlüsselkräfte zu denken.

Fazit

Vor dem Brexit war es für den Einzelnen angesichts der Arbeitnehmerfreizügigkeit sehr einfach einer Beschäftigung im Vereinigten Königreich nachzugehen. Jedenfalls mussten keine aufwändigen Verfahren zur Erlangung eines Aufenthaltstitels, einer Beschäftigungsbewilligung etc durchlaufen werden.

Welche Auswirkungen der Brexit auf die Sportwelt hat, zeigt der Fall Rangnick klar auf. Nunmehr ist die Rechtslage noch wesentlich komplexer geworden. Seit 1. Jänner 2021 ist bei einem Wechsel der sportlichen Erwerbstätigkeit in das Vereinigte Königreich die britische Rechtslage zu berücksichtigen. Eine Besonderheit ergibt sich hierbei vor allem im Profifußball: Die Football Association legt dabei (unter anderem gemeinsam mit dem britischen Innenministerium) nähere Regelungen fest, die determinieren, wann die geforderte Erklärung über die sportliche Qualifikation eines Spielers bzw Trainers abgeben werden darf („Governing Body Endorsement“) und sichert sich somit eine weitgehende Mitbestimmung in Immigrationsfragen.

Dass die berufliche Ausübung von Sport und die entsprechende Erteilung von Visa bzw Arbeitserlaubnissen in der Praxis immer wieder zu Schwierigkeiten führt, zeigt nicht zuletzt der brandaktuelle Fall von Novak Djokovic. Hier kommen zusätzlich auch noch Erschwerungen aufgrund der Corona-Krisensituation zu tragen, die grundsätzlich die Einreise- bzw Aufenthaltsbedingungen in Drittstaaten verkomplizieren.

Disclaimer: Wir haben die Recherchen nach unserem besten Wissen und Gewissen durchgeführt, möchten aber klarstellen, dass es sich hierbei um keine Rechtsberatung handelt und wir deshalb auch keine Haftung übernehmen können.

Der sportrechtliche Jahresrückblick 2021

Das Jahr 2021 war ein besonders herausforderndes Jahr – schon wieder. Die Pandemie war entgegen Aussagen heimischer Politiker noch nicht gemeistert. Und damit prägten leere Sportstätten abermals das österreichische Landschaftsbild. Während der professionelle Bereich weitgehend mit Präventionskonzepten durchkam, hieß es im Amateurbereich oftmals: Bitte warten! Worauf? Auf das Licht am Ende des Tunnels und damit im Wesentlichen auf bessere – für die Sportwelt insbesondere gewöhnliche – Zeiten…

Der vorliegende Beitrag lässt das sportrechtliche Jahr 2021 nochmals Revue passieren. Ein Jahr, in dem die Pandemie abermals ihre Spuren hinterließ. Eine Pandemie, die abermals rechtliche Fragestellungen in der Sportwelt zutage förderte. Doch auch abseits davon blicken wir auf ein sportrechtlich turbulentes Jahr zurück. Die folgenden Ausführungen können keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, sollen den Sportrechtsinteressierten aber einen Überblick bieten.

I. Sportrecht im Schlaglicht der Krise

Auch 2021 zeitigte die Pandemie weitreichende Auswirkungen auf den Sport und stellte diesen vor Herausforderungen. Die Verordnungen des Gesundheitsministers hielten stets Regelungen für den Sport bereit. In aller Regel wurde hierbei zwischen Breiten- und Profisport unterschieden. Während Zusammenkünfte im Spitzensport selbst in Zeiten des Lockdowns unter bestimmten Auflagen (Stichwort: „Geisterspiele“) erlaubt waren, wurde das allgemeine Betreten von Sportstätten zum Zweck der Sportausübung (für den Breitensport) phasenweise nicht gestattet; so vor allem zu Jahresbeginn und gegen Jahresende (siehe dazu unser Update Sport und Recht #1).

Es verwundert daher nicht, dass zwischenzeitlich erneut sämtliche Wettbewerbe in ganz Österreichabgebrochen werden mussten. Also wieder eine Spielzeit ohne Auf- und Absteiger. Zermürbend, vor allem für Vereine, die vor dem Abbruch zwei Mal in Folge von der Tabellenspitze lachten. Sportliche Erfolge und finanzielle Aufwendungen wurden dadurch in gleichem Maße entwertet. Abermals standen Klagen im Raum. Die Verbände haben aber die Lehren aus dem Vorjahr gezogen und die Regularien dementsprechend angepasst (siehe dazu unsere Podcast-Folge).

Auch die Veranstalter von Laufevents oder Radrennen sahen sich mit Auswirkungen der Pandemie konfrontiert und suchten nach alternativen Formaten. Damit traten „hybride Sportwettkämpfe“ (Terminologie geprägt von Paul Karner und Patrick Petschinka) zunehmend in Erscheinung. So wurde beispielsweise der beliebte Wings for Life World Run als reiner „App-Run“ abgehalten. Diesbezüglich drängt sich die Frage auf, ob derartige Wettkämpfe als Veranstaltungen zu qualifizieren sind und damit dem klassischen Veranstaltungsrecht unterliegen (siehe dazu unseren Beitrag).

Nicht zuletzt wird angesichts der geplanten Einführung einer allgemeinen Impfpflicht in Österreich auch vermehrt über eine Impfpflicht für Profisportler diskutiert. Unlängst befeuerte die Causa „Kimmich“ die Diskussion. Die Österreichische Basketball-Bundesliga hat bereits eine „Impfpflicht“ etabliert. Rechtlich werden in diesem Dunstkreis einige Fragen aktuell: Ist ein Sportler arbeitsrechtlich verpflichtet, sich impfen zu lassen? Könnte eine entsprechende Pflicht verbandsrechtlich begründet werden? Hat ein ungeimpfter Spieler, der sich in Quarantäne begeben muss oder an COVID-19 arbeitsunfähig erkrankt, Anspruch auf Entgeltfortzahlung? (siehe dazu zB das Interview mit dem deutschen Prof. Philipp Fischinger).

Zum Sportrecht im Schlaglicht der Krise siehe auch die Ausführungen in unserem Jahresrückblick 2020.

II. Von den Gerichten

Vor Jahren wurde noch kolportiert, dass Streitigkeiten im Sport außerhalb von Gerichtssälen ausgetragen werden. Diese Aussage kann heute keinesfalls mehr aufrechterhalten werden. Wenngleich für rechtliche Problemstellungen im Sport primär die Sportsgerichtsbarkeit vorgesehen ist, werden im Zuge von sportrechtlichen Streitigkeiten zunehmend die staatlichen Gerichte bemüht. So gab es auch im Jahr 2021 die eine oder andere spannende Gerichtsentscheidung.

Im März stellte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) fest, dass das Betretungsverbot für Sportbetriebe im Frühjahr 2020 gesetzwidrig war (vgl VfGH 9.3.2021, V 530/2020-11). Den Ausgangspunkt dieser Entscheidung bildete eine Strafe der BH Hartberg-Fürstenfeld gegen den Inhaber eines Fischteichs, der nicht dafür gesorgt hatte, dass das Gelände nicht von fremden Personen betreten werden kann. Grundlage für die Strafe war die COVID-19-Maßnahmenverordnung (BGBl II 2020/96), wonach das Betreten von Sport- und Freizeitbetrieben untersagt war. Dagegen beschwerte sich der Inhaber schließlich beim Landesverwaltungsgericht Steiermark, welches daraufhin beim VfGH den Antrag auf Feststellung der Gesetzwidrigkeit des Betretungsverbots stellte. Der VfGH bestätigte die Gesetzwidrigkeit der Wortfolgen „sowie von Freizeit- und Sportbetrieben“ und „oder der Benützung von Freizeit- und Sportbetrieben“ in § 1 der damals geltenden COVID-19-Maßnahmenverordnung. Denn nach Ansicht des VfGH lassen die vorgelegten Verordnungsakten nicht erkennen, welche Umstände dafür ausschlaggebend waren, das Betreten von Sportbetrieben zu untersagen. Eine entsprechende gründliche Dokumentation ist aber Voraussetzung für die Beurteilung, ob die Verordnung den gesetzlichen Grundlagen entspricht (siehe die Presseaussendung des VfGH).

Nahezu zeitgleich hatte sich ein weiteres Höchstgericht, der Verwaltungsgerichtshof (VwGH), mit der Verantwortung eines Fußballvereins für Fans auseinanderzusetzen (vgl VwGH 15.3.2021, Ra 2021/01/0049). Konkret ging es um ein Spiel der Österreichischen 2. Liga zwischen SKU Amstetten und SK Vorwärts Steyr. Im Vorfeld der Begegnung ordnete die BH Amstetten mit Mandatsbescheid eine besondere Überwachung des Fußballspiels gemäß § 48a Sicherheitspolizeigesetz (SPG) an. Anlass dazu gaben die bisherigen Erfahrungen mit den Gästefans. Daraufhin schöpfte der Gastverein den rechtlichen Instanzenzug bis zum VwGH aus. Dieser hielt dazu Folgendes fest: Ob eine Überwachung eines Fußballspiels notwendig ist, sei eine Prognoseentscheidung, welche die Behörde aufgrund bisheriger Erfahrungen zu treffen hat. Im Rahmen dessen könne auch wegen eines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens von Fans eines Gastvereins auf die Notwendigkeit einer besonderen Überwachung geschlossen werden. Ein allfälliges Verschulden des Gastvereins sei erst im Rahmen des Gebührenvorschreibungsverfahrens nach § 5b SPG zu prüfen. Die Frage, wer schlussendlich die Kosten für den Einsatz zu tragen hat, ließ der VwGH damit offen.

Ebenfalls mit der Verantwortung für Fußballfans hatte sich der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) zu beschäftigen (vgl BGH 4.11.2021, Az I ZB 54/20). Er bestätigt die Rechtmäßigkeit des Vorgehens des DFB, der Vereine (im konkreten Fall: den FC Carl Zeiss Jena) wegen des Fanverhaltens mit Geldstrafen belegt. Die Strafe sei als reine Präventivmaßnahme zu qualifizieren, die auch ohne Verschulden verhängt werden könne. Das verstoße nach Ansicht des BGH nicht gegen die elementaren Grundsätze der Rechtsordnung. Der Ausgang der Entscheidung wurde nicht nur vom betroffenen FC Carl Zeiss Jena und diversen Fanvertretern, sondern vielmehr auch von Sportrechtlern mit großer Spannung erwartet (siehe dazu unseren Beitrag).

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied in diesem Jahr, dass Körperschaftsvorteile für Fußballklubs als juristische Person ohne Gewinnerzielungsabsicht als unzulässige staatliche Beihilfe zu qualifizieren sind (vgl EuGH 4.3.2021, C‑362/19 P). Beteiligt war unter anderem der FC Barcelona, auf den nun erhebliche Steuernachforderungen zukommen könnten (siehe dazu folgenden Bericht). In einem weiteren Verfahren wurde dem EuGH die Frage vorgelegt, ob der italienische Fußball-Dachverband als öffentlicher Auftraggeber im Sinne der RL 2014/4/EU qualifiziert werden könnte (vgl EuGH 3.2.2021, C-155/19). Wenngleich der EuGH die Fragestellung nicht abschließend beantwortet hat (die konkrete Prüfung obliege dem vorliegenden nationalen Gericht), liefert die Entscheidung zumindest einige Anhaltspunkte. Diese könnten weit über den gegenständlichen Fall hinaus von Bedeutung sein.

Der Oberste Gerichtshof (OGH) traf in zwei Entscheidungen wichtige Aussagen zum Doping im Sport (vgl OGH 8.1.2021, 11 Os 49/20w; 27.4.2021, 14 Os 119/20m). Demnach sei die Täuschung über in § 147 Abs 1a StGB („Dopingbetrug“) genannte Umstände, mithin über die Anwendung eines verbotenen Wirkstoffs oder einer verbotenen Methode, jedenfalls sozialinadäquat. Auch die weiteren Tatbestandsmerkmale werden in den Urteilen umfassend behandelt. Im Rahmen der zweiten Entscheidung würdigt der Gerichtshof auch einige Literaturmeinungen zum Doping.

Apropos Doping: Vielen bleibt gewiss auch die dreimonatige Doping-Sperre der FC Red Bull Salzburg-Legionäre Mohamed Camara und Sékou Koïta in Erinnerung. Im Rahmen eines rund zehntägigen Lehrgangs beim malischen Nationalteam erhielten die beiden Akteure ein Mittel gegen Höhenkrankheit, das offenbar einen Wirkstoff enthielt, der auf der Dopingliste steht. Grund für die Einnahme war aller Voraussicht nach das Afrika-Cup-Qualifikationsspiel gegen Namibia, welches in Windhoek auf einer Meereshöhe von rund 1.700 Metern stattfand. Die UEFA eröffnete daraufhin ein Disziplinarverfahren, das unter Anwendung des UEFA-Dopingreglement mit einer dreimonatigen Sperre endete (siehe dazu unseren Beitrag).

III. Aus dem Parlament

Mit der Professionalisierung und Kommerzialisierung im Sport geht eine Verrechtlichung einher. So treten neben die allseits bekannten (verbandsrechtlichen) Spiel- und Sportregeln zunehmend allgemein gültige Rechtsregeln, die überwiegend die Rahmenbedingungen des sportlichen Systems regeln sollen. Obgleich die Verrechtlichung des Sports bereits weit fortgeschritten ist, gibt es doch noch einiges zu tun, um tatsächlich Rechtssicherheit für die Sportler, Vereine und Verbände zu schaffen.

Diesem Ziel versuchte der österreichische Normsetzer auch im abgelaufenen Jahr ein Stück weit näherzukommen. Mit dem Anti-Doping-Bundesgesetz 2021 schuf der Gesetzgeber eine neue Grundlage für das Anti-Doping-Recht in Österreich, welches am 1. 1. 2021 in Kraft trat und das bislang geltende Anti-Doping-Bundesgesetz 2007 ablöste. Im neuen Regime wurden unter anderem Regelungen zum Schutz von Whistleblowern sowie verfahrensökonomische Erleichterungen vorgesehen. Außerdem wurde nun die Möglichkeit geschaffen, mit Freizeitsportlern alternativ umzugehen. Im Zentrum der Reform stand nicht zuletzt die Dopingprävention (siehe dazu auch unsere Podcast-Folge).

Wie bereits im Jahresrückblick 2020 berichtet, wollte der Gesetzgeber im abgelaufenen Jahr auch die rechtlichen Rahmenbedingungen im eSport klären. Diesbezüglich setzte der Sportminister eine Arbeitsgruppe bestehend aus diversen Experten und Stakeholdern ein. In der Arbeitsgruppe sollten die aktuell bestehenden rechtlichen Möglichkeiten erörtert und Überlegungen über die Zukunft angestellt werden. Zu diesem Zweck wurden sieben Untergruppen eingerichtet: Von Arbeitsrecht über Jugendschutz bis hin zum Veranstaltungsrecht. Daneben wurden aber auch Themen wie Gesundheit, Glücksspiel, Integrität und Prävention behandelt. Zu den einzelnen Bereichen tauschten sich jeweils einschlägige Fachexperten aus. Die dabei formulierten Empfehlungen wurden im Sommer an die Politik herangetragen. Der Ball liegt nun in der Spielhälfte des Gesetzgebers.

IV. Kurioses

Mitunter ereignen sich auch kuriose Geschichte im Sport(-recht), die in einem Jahresrückblick ebenfalls nicht fehlen dürfen. Dazu gehört gewiss auch die Erzählung über die Gründung einer europäischen Super League. Es waren zwei Tage im April, die wohl jedem Fußballfan in Erinnerung bleiben werden. Die Ereignisse überschlugen sich praktisch stündlich (siehe dazu unseren Beitrag). Aber nochmals der Reihe nach: In der Nacht vom 18. auf den 19. April 2021 verlautbarten die „Big Six“ aus England (Arsenal FC, Chelsea FC, Liverpool FC, Manchester City, Manchester United und Tottenham Hotspur) sowie drei Spitzenvereine aus Spanien (Atlético de Madrid, FC Barcelona und Real Madrid CF) und aus Italien (AC Milan, FC Internazionale Milano und Juventus FC) die Gründung einer Super League. Was darauf folgte, ist hinlänglich bekannt: Mediale Empörung, Fanproteste und ein Rückzug nach dem anderen. Und nach nicht einmal 48 Stunden schien das Projekt auch schon wieder der Geschichte anzugehören. So zogen sich zuerst die sechs englischen Vereine zurück, ehe ihnen zeitnah nahezu alle anderen Vereine folgten – Ausnahme: FC Barcelona, Real Madrid CF und Juventus FC (gegen die „Abtrünnigen“ wurde ein Disziplinarverfahren eröffnet). Viel Lärm um nichts?

Unabhängig der persönlichen Einstellung zum sportlichen Mehrwert eines solchen Wettbewerbs, machen spannende Rechtsfragen die Befassung mit dem Thema durchaus lohnend. Für die Sportrechtswissenschaft könnte die Causa also ihren Nutzen haben. Die Vereinbarkeit der Monopolstellung von Spitzenverbänden (zB FIFA oder UEFA) mit dem Wettbewerbsrecht der EU war bereits Gegenstand einiger juristischer Abhandlungen. Eine klare Antwort des EuGH ist noch ausständig. Eine solche könnte jedoch demnächst vorliegen. Denn: Das Juzgado de lo Mercantil n.o 17 de Madrid, ein spanisches Gericht, hat den EuGH in Sachen Super League um eine Vorabentscheidung ersucht (siehe die konkreten Vorlagefragen). Die Entscheidung des EuGH bleibt mit Spannung abzuwarten. Sie könnte an den sportrechtlichen Grundstrukturen rütteln (siehe dazu unseren Beitrag).

Nicht weniger spannend war die Entscheidung der F1-Weltmeisterschaft. Bis zum letzten Grand Prix der Saison in Abu Dhabi lieferten sich Max Verstappen und Lewis Hamilton ein heißes Rennen um den Titel. Und selbst in diesem sollte die Entscheidung erst in der letzten Runde fallen. Der Rest ist Geschichte (nachzulesen beispielsweise hier). Angesichts der Dramatik verwundert es nicht, dass das unterlegene Team von Mercedes juristische Schritte in die Wege leitete. Die beiden Einsprüche wurden allerdings abgelehnt (siehe dazu beispielsweise folgenden Beitrag).

Auch das Pokal-Aus des deutschen Bundesligisten VfL Wolfsburg stellte sich durchaus kurios dar. Was ist passiert? In der ersten Runde des DFB-Pokal trafen die „Wölfe“ auswärts auf den Regionallisten Preußen Münster. Der Favorit setzte sich mit 3:1 nach Verlängerung durch. Aufgestiegen ist dennoch der Underdog, da der Sieg den „Wölfen“ am grünen Tisch nachträglich aberkannt wurde. Grund hierfür war ein Wechselfehler des damaligen VfL-Coach Mark Van Bommel, der sechs anstatt der erlaubten fünf Spieler eingewechselt hatte. Nach einem Einspruch von Preußen Münster wurde das Spiel vom DFB-Sportgericht schließlich mit 2:0 für den Regionallisten gewertet (siehe dazu auch die Stellungnahmen der Beteiligten).

Die Fußballsimulation „FIFA“ ist allseits bekannt. Dagegen wird „EA SPORTS FC“ wohl nur den wenigsten ein Begriff sein. Das könnte sich demnächst aber ändern. Denn ausweislich diverser Medienberichte steht die erfolgreiche „FIFA“-Reihe des Publishers EA Sports vor einer Namensänderung (siehe dazu die Pressemitteilung von EA). Heißt die beliebte Fußballsimulation also bald „EA SPORTS FC“? Dokumenten zufolge soll sich der Publisher diesen Namen bereits als Marke gesichert haben. Die unter Umständen anstehende Namensänderung soll den stockenden Verhandlungen mit dem Weltverband, Fédération Internationale de Football Association (FIFA), geschuldet sein (siehe dazu beispielsweise folgenden Beitrag).

V. Sonstiges

Ein sportrechtlicher „Dauerbrenner“ war im Jahr 2021 auch die „50+1“-Regel. Darunter versteht man vereinfach gesagt, dass der Fußballverein zumindest 50 % der Stimmrechte + 1 Stimme, mithin die Stimmenmehrheit, in der (ausgelagerten) Kapitalgesellschaft innehaben muss. Diese Grundregel gilt sowohl in Österreich als auch in Deutschland (siehe dazu unseren Beitrag).

Aufs Tapet wurde das Thema in Österreich unter anderem ob der wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie sowie der Causa „LASK“ gebracht. Ersterenfalls wurde angesichts der finanziellen Schwierigkeiten vieler Fußballvereine in Krisenzeiten laut über das Kippen oder zumindest über eine Modifizierung der Regelung nachgedacht. Letzterenfalls wurde dem oberösterreichischen Fußballklub LASK medial vorgeworfen, sich nicht an die „50+1“-Regel zu halten (siehe dazu unseren Beitrag). Der Senat 5 (Lizenzausschuss) teilte diese Bedenken allerdings nicht.

In Deutschland teilte das Bundeskartellamt Ende Mai seine vorläufige Einschätzung zur „50+1“-Regel der DFL mit. Es geht davon aus, dass die Grundregel von den kartellrechtlichen Verbotstatbeständen ausgenommen sein kann. Als problematisch erachtet es hingegen, dass die einheitliche Anwendung und Durchsetzung der „50+1“-Regel insbesondere in Kombination mit der „Förderausnahme“ nicht sichergestellt ist. Nach der „Förderausnahme“ kann das Präsidium der DFL nämlich eine Ausnahme von der Grundregel bewilligen, wenn ein Investor den Fußballsport des Muttervereins seit mehr als 20 Jahren ununterbrochen und erheblich gefördert hat. Gegenwärtig haben Bayer 04 Leverkusen, TSG Hoffenheim und VfL Wolfsburg eine Ausnahme erhalten. Anderen Vereinen wurde dies verweigert. Das hat vor allem mit dem unsachlich erscheinenden Zeitraum von 20 Jahren zu tun. Wie es mit der „50+1“-Regel weitergeht, wird die Zukunft weisen (siehe dazu und zu weiteren sportrechtlichen Themen im Profifußball unsere Podcast-Folge).

Anfang des Jahres sorgten Ausschlüsse und lebenslange Sperren im Österreichischen Boxverband (ÖBV) für Aufsehen. Nach der Suspendierung des gesamten A-Kaders im Herbst 2020 wurden Ende Jänner 2021 drei Boxer vom ÖBV ausgeschlossen und lebenslang gesperrt (siehe dazu unseren Beitrag). Die lebenslangen Sperren wurden indessen aufgehoben. Gerichtliche Auseinandersetzungen gab es dennoch (siehe dazu beispielsweise folgenden Beitrag).

Einen juristisch ebenfalls nicht unbedenklichen „Ausschluss“ gab es auch in der deutschen Fußball-Bundesliga. Mit Ablauf der Saison 2020/21 musste der beliebte Schiedsrichter Manuel Gräfe seinen Hut nehmen. Denn nach einer Richtlinie des DFB ertönt für Schiedsrichter mit 47 Jahren der „Schlusspfiff“ (in Österreich gab es bis vor wenigen Jahren auch eine solche Altersgrenze für Unparteiische). Im vorliegenden Fall hätte der Betroffene aber „gerne weitergemacht“ und könne sicherlich noch „bis 50 oder länger pfeifen“. Vor diesem Hintergrund bemühte er die Gerichte wegen Altersdiskriminierung (siehe dazu unseren Beitrag).

Rund um die Fußball-Europameisterschaft förderten Regenbogenfarben Debatten zutage: Zuerst die Kapitänsbinde der deutschen Fußballnationalmannschaft, dann die Fassade der Allianz Arena in München. Demnach leitete die UEFA Disziplinarermittlungen gegen die deutsche Nationalmannschaft ein, da deren Kapitän Manuel Neuer in den Spielen gegen Frankreich und Portugal eine Schleife mit Regenbogenfarben anstatt der gelb leuchtenden Binde mit dem UEFA-Logo und der Aufschrift „Respect“ trug. Damit habe der DFB gegen Artikel 58.01 UEFA-EM-Regulativ verstoßen. Die Ermittlungen wurden schließlich eingestellt, zumal die UEFA die Regenbogenschleife als Zeichen der Mannschaft für Vielfalt und damit für einen „good cause“ befand. Anders sah die UEFA den Plan des Münchner Oberbürgermeisters, die Allianz Arena beim letzten Gruppenspiel der Europameisterschaft zwischen Deutschland und Ungarn in Regenbogenfarben zu beleuchten. Grund des Antrags sei eine politische Entscheidung, die vom ungarischen Parlament getroffen wurde (umstrittenes LGBTQ-Gesetz). Die Absage der UEFA zog heftige Kritik nach sich und löste zugleich eine Welle der Solidaritätsbekundungen mit den Münchner Plänen aus. Es handelte sich um Diskussionen, die weit über die Sportwelt hinausreichen. Es ging um Werte sowie das Verhältnis von Sport und Politik (siehe dazu unseren Beitrag).

Auch über das Verbot des Dritteigentums an Spielerrechten (Third Party Ownership – kurz TPO) wurde im abgelaufenen Jahr in Österreich diskutiert. Anlass dazu gab der damlige LASK-Vizepräsident Jürgen Werner, der laut dem Wochenmagazin „News“ an verbotenen Geschäften mit Transferrechten von Spielern beteiligt gewesen sein soll (siehe dazu auch das Interview mit Johannes Mitterecker). Der Senat 5 befasste sich daraufhin intensiv mit den erhobenen Vorwürfen und leitete daraufhin sowohl ein Verfahren gegen Jürgen Werner als auch gegen den LASK ein. Während das Verfahren gegen den LASK in Ermangelung an Beweisen und wegen formalen Erwägungen eingestellt wurde (siehe dazu die Stellungnahme des Senats 5), zog die Angelegenheit für Jürgen Werner schlussendlich eine Sperre von 18 Monaten für sämtliche offizielle Funktionen im österreichischen Fußball nach sich. Diese Sperre wurde indessen vom Senat 2 bestätigt (siehe dazu die Stellungnahme des Senats 2).

Ende des Jahres wurde außerdem publik, dass die österreichische Fußball-Regionalliga Ost von einem Wettskandal betroffen ist. Die Staatsanwaltschaft Graz bestätigte, dass gegen neun bekannte, darunter auch sieben Spieler, und weitere unbekannte Verdächtige ermittelt wird. Sie sollen den Ausgang von Spielen der Regionalliga Ost manipuliert haben, etwa durch „mäßige Leistungen oder spielverzerrende Aktionen“. Auf diese Spiele sei zugleich gewettet worden. Neben strafrechtlichen Konsequenzen (insbesondere §§ 146 f StGB) haben die Beteiligten mit verbandsrechtlichen Sanktionen (bis hin zu einer lebenslangen Sperre – ob eine solche einer Verhältnismäßigkeitsprüfung standhält, sei dahingestellt) zu rechnen (siehe dazu unser Update Sport und Recht #1).

Abschließend noch ein Hinweis für alle Sportsrechtsinteressierten: Seit 2021 gibt es zwei neue sportrechtliche Medien. Mit der SpoPrax (Zeitschrift für Sportrecht und E-Sportrecht in der Praxis) existiert seit April eine dritte sportrechtliche Fachzeitschrift in der D-A-CH-Region. Sie verfolgt den Ansatz, sich in gleichem Maße mit den rechtlichen Implikationen im traditionellen Sport wie auch im eSport auseinanderzusetzen. Im Mai haben wir den LAW MEETS SPORTS-Sportrechtspodcast „Sportrechtscorner“ aus der Taufe gehoben. In unserem neuen Format diskutieren Christina Toth, Sebastian Reifeltshammer und meine Wenigkeit (Patrick Petschinka) mit spannenden Gästen aus der Praxis über Themen an der Schnittstelle zwischen Sport und Recht (siehe zum Konzept unsere Podcast-Folge).

VI. Ausblick

Der Streifzug durch das sportrechtliche Jahr 2021 hat die Vielseitigkeit der Materie Sportrecht einmal mehr unter Beweis gestellt. Selbst wenn die Sportwelt phasenweise stillsteht, sind sportrechtliche Fragestellungen zu klären. Wir bleiben dran und freuen uns bereits auf ein spannendes Jahr 2022! Welche Auswirkungen zeitigt die geplante Impfpflicht auf die Sportwelt? Wie geht der Gesetzgeber mit den eSport-rechtlichen Empfehlungen der Arbeitsgruppe um? Und last, but not least: Wie entscheidet der EuGH in der Causa „Super League“? Mit diesem Ausblick wünschen wir euch ein gesundes und erfolgreiches neues Jahr! Unsere Neujahrsvorsätze: mehr Content (Beiträge und Podcast-Folgen) und hoffentlich das ein oder andere LAW MEETS SPORTS-Event – Bleibt am Ball!

Update Sport und Recht #1

Vor dem Hintergrund der Professionalisierung, Kommerzialisierung und Medialisierung des Sports und der damit einhergehenden Verrechtlichung ist es kaum möglich, alle sportrechtlich relevanten Themen im Blick zu behalten. Dem möchte das „Update Sport und Recht“ ein Stück weit vorbeugen – Bleibt am Ball!

5. COVID-19-Notmaßnahmenverordnung

Österreich ist im Lockdown. Wieder mal. Zu Beginn der Woche trat die 5. COVID-19-Notmaßnahmenverordnung (BGBl II 2021/475) in Kraft. Diese zeitigt auch weitreichende Auswirkungen auf den Sport. Unter den Überschriften „Sportstätten“ (§ 11) und „Zusammenkünfte im Spitzensport“ (§ 15) hält das Regime Regelungen für den Sport bereit: Erstens wird damit das Betreten von Sportstätten zum Zweck der Ausübung von Sport grundsätzlich untersagt. Zweitens werden Ausnahmen für „Spitzensportler“ sowie „Hobbysportler“ im Freien statuiert. Drittens werden im Spitzensport „Geisterspiele“ angeordnet.

So weit also nichts Neues. Wir kennen die Situation indessen gut: Fußball- und Handballtrainings im Unterhaus sind verboten, Joggen allein oder mit bestimmten Personen bleibt dagegen erlaubt und der Spitzensport darf (ohne Zuschauer) weitermachen. Was sich seit 2020 allerdings geändert hat, ist die sprachliche Fassung der Ausnahme für Spitzensportler (kritisch dazu unser Beitrag). Nunmehr sind vom Betretungsverbot „Spitzensportler gemäß § 3 Z 6 BSFG 2017, auch aus dem Bereich des Behindertensportes, oder Sportler, die ihre sportliche Tätigkeit beruflich ausüben und daraus Einkünfte erzielen oder bereits an internationalen Wettkämpfen gemäß § 3 Z 5 BSFG 2017 teilgenommen haben“ ausgenommen. Wenngleich auch diese Formulierung die eine oder andere Frage zutage fördert, wird nun nicht mehr nur auf den Begriff des Spitzensportlers gemäß § 3 Z 6 BSFG 2017 abgestellt.

Für Hobbysportler dennoch ein paar Worte zum Trost: Skifahren ist erlaubt. Denn nach der 5. COVID-19-Notmaßnahmenverordnung dürfen Seil- und Zahnradbahnen mit einem 2G-Nachweis benützt werden. Dabei ist in geschlossenen oder abdeckbaren Fahrbetriebsmitteln (Gondeln, Kabinen, abdeckbaren Sesseln) sowie in geschlossenen Räumen der dazugehören Stationen eine FFP2-Maske zu tragen.

Impfpflicht für Profisportler

Ab 1. Februar 2022 soll in Österreich eine allgemeine Impfpflicht gelten. Daneben wird auch eine Impfpflicht für Profisportler diskutiert. Jüngst befeuerte die Causa Kimmich die Diskussion. Die Österreichische Basketball-Bundesliga hat bereits eine Impfpflicht eingeführt. Rechtlich drängen sich in diesem Dunstkreis einige Fragen auf: Ist ein Sportler arbeitsrechtlich verpflichtet, sich impfen zu lassen? Könnte eine entsprechende Pflicht verbandsrechtlich begründet werden? Hat ein ungeimpfter Spieler, der sich in Quarantäne begeben muss oder an COVID-19 arbeitsunfähig erkrankt, Anspruch auf Entgeltfortzahlung?

Diesen und weiteren spannenden Fragen widmet sich das Webinar der Reihe „90 Minuten Sportrecht“ am kommenden Montag (29.11.2021). Infos zur Veranstaltung hier.

Play Fair Code als Behörde?

Der Play Fair Code ist ein österreichischer Verein, welcher sich der Wahrung der Integrität im Sport verschrieben hat. Sein Ziel ist es, gemeinsam mit dem Mitgliedernetzwerk, den Athleten, Trainern sowie Vereins- und Verbandsverantwortlichen saubere und manipulationsfreie Wettbewerbe zu erreichen und zu gewährleisten. Zu diesem Zweck ist die Arbeit des Vereins auf drei Säulen aufgebaut: Prävention (Schulungen, Aufklärung und Bewusstseinsbildung), Monitoring (Beobachtung und Analyse) und Einrichtung einer Ombudsstelle für Betroffene.

Wenn es nach den Verantwortlichen geht, ist es nun Zeit für den nächsten Schritt. Sie wollen den Play Fair Code in eine behördenähnliche Funktion (ähnlich der NADA) hieven. Begründend führt Präsident Günter Kaltenbrunner unter anderem an, dass man sodann behördenähnliche Tätigkeiten aufnehmen und in entsprechende internationale Gremien (konkret: Group of Copenhagen) aufrücken könnte.

Aber was ist überhaupt eine Behörde, und weshalb ist eine „behördenähnliche Funktion“ erstrebenswert? Als Behörde wird nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch eine staatliche Dienststelle bzw ein Verwaltungsorgan bezeichnet. Im Juristischen ist eine Behörde ein Organ, dem hoheitliche Aufgaben übertragen sind. Dazu können sie unter anderem Verordnungen und Bescheide erlassen oder Zwangsakte setzen. Aber auch Private oder juristische Personen des Privatrechts können dazu berechtigt werden. Eine solche Konstruktion wird „Beleihung“ genannt. Sie ist jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen verfassungsrechtlich zulässig.

Wettskandal in der Regionalliga Ost

Apropos Integrität im Sport: Medienberichten zufolge ist die österreichische Fußball-Regionalliga Ost von einem Wettskandal betroffen. Die Staatsanwaltschaft Graz bestätigte unterdessen, dass derzeit gegen neun bekannte, darunter auch sieben Spieler, und weitere unbekannte Verdächtige ermittelt wird. Sie sollen den Ausgang von Spielen der Regionalliga Ost manipuliert haben, etwa durch „mäßige Leistungen oder spielverzerrende Aktionen“. Auf diese Spiele sei zugleich gewettet worden.

Es verwundert nicht, dass diese Machenschaften rechtliche Implikationen aufweisen. Neben strafrechtlichen Konsequenzen (insbesondere §§ 146 f StGB) haben die Beteiligten mit verbandsrechtlichen Sanktionen (bis hin zu einer lebenslangen Sperre – ob eine solche einer Verhältnismäßigkeitsprüfung standhält, sei dahingestellt) zu rechnen. Da die Spiele beglaubigt wurden, ist fraglich, ob es eine nachträgliche Annullierung oder Strafbeglaubigung geben kann. Von Seiten des NÖFV heißt es dazu: „[…] wen sollen wir bestrafen? Den Verein, der ohnehin verloren hat?“ Im Augenblick ist die Staatsanwaltschaft am Zug, deren Ermittlungen vorerst abgewartet werden.

Gehaltskürzungen beim FC Bayern München

Zuletzt ein Blick über die Grenze nach Deutschland: In den letzten Tagen machte die Schlagzeile die Runde, dass der Rekordmeister FC Bayern München Gehaltskürzungen für ungeimpfte Spieler, die in Quarantäne mussten und deswegen Spiele verpassten, in Erwägung ziehe. Der Hintergrund ist hinreichend bekannt. Ob dieses Vorgehen rechtlich zulässig wäre, ist fraglich.

Der deutsche Arbeits- und Sportrechtler Christopher Wiencke merkt an, dass die Rechtlage nicht eindeutig sei: „Die Arbeitsleistung eines Fußballers besteht nicht nur aus dem Spiel, sondern auch aus Training. Demnach dürfte, wenn überhaupt, nur eine Teilkürzung des Gehalts möglich sein.“ Explizit angesprochen auf Joshua Kimmich führt er weiter aus: „Rein rechtlich – das soll angesichts seiner Krankheit nicht zynisch klingen – verbessert sich für Kimmich dadurch [Anmerkung: durch die Infektion] die Lage. […] Relevant für eine potentielle Gehaltskürzung kann nur der Zeitraum sein, in dem er nichtinfiziert in Quarantäne war.“

Christoph Schickhardt, ebenfalls ein deutscher Sportrechtler, beurteilt die Situation folgendermaßen: „Es gibt zwei Fälle zu unterscheiden: Wenn ich Covid-19 habe, dann bin ich krank. Dann bekomme ich Lohnfortzahlung. Wenn ich aber in Quarantäne komme, da ich nicht geimpft bin, dann kann ich auch nicht arbeiten. Dann bekomme ich aber kein Geld, weil ich nicht krank bin. Das gilt für jeden Arbeitnehmer.“

Bleibt am Ball!

DFB darf Fußballvereine (verschuldensunabhängig) zur Kasse bitten

Die jüngst ergangene Entscheidung des deutschen Bundesgerichthofes (Beschluss vom 04.11.2021, Az. I ZB 54/20) in der Causa um den Fußballverein FC Carl Zeiss Jena bzw. eine an ihn vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) verhängte Strafzahlung iHv. 25.000 Euro sorgt momentan für viel Aufsehen. Grund war das „Zündeln“ einiger Jenaer Fans bei drei Spielen ihrer Mannschaft. Während der DFB die Zurückweisung der Klage begrüßt, kritisieren Vereine, Fans und auch Sportrechtler die Entscheidung. Aber alles der Reihe nach: 

Die Vorgeschichte

Im Jahr 2018 wurde gegen den FC Carl Zeiss Jena (FCC) für das Fehlverhalten einiger Fans bei insgesamt drei Spielen (2x Heim, 1x Auswärts) vom DFB-Sportgericht eine Geldstrafe iHv rund 25.000 Euro ausgesprochen. Die Anhänger des damals in der 3. Liga spielenden Vereins „zündelten“ mehrfach in den Fanblöcken. Sowohl vor dem DFB-Bundesgericht als auch vor dem Ständigen Schiedsgericht für die 3. Liga waren die Rechtsmittel des Vereins erfolglos. Auch das OLG Frankfurt, das den Schiedsspruch überprüfte, nachdem der Verein die Aufhebung dessen gefordert hatte, entschied nicht im Sinne des Traditionsclubs. Insbesondere hob das OLG in seinem Beschluss (vom 23.6.2020, Az. 26 Sch 1/20) hervor, dass der Schiedsspruch nicht gegen die Grundsätze der öffentlichen Ordnung (vgl. § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO) verstoße und die Teilnahme an der 3. Liga und die damit einhergehenden finanziellen Vorteile die daraus entstehenden Gefahren, wie die verschuldensunabhängige Haftung für das Verhalten der Fans, rechtfertige (sog. Institut der Gefährdungshaftung). Sohin könne ein Fußballverein für das Abbrennen von Pyrotechnik durch seine Anhänger zur Rechenschaft (Haftung) herangezogen werden. Daraufhin wandten sich der FCC mittels Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof (BGH).

Die maßgeblichen Vorschriften

In § 9a der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB (DFB-RuVO) wird die Verantwortung der deutschen Fußballvereine geregelt:

1. Vereine und Tochtergesellschaften sind für das Verhalten ihrer Spieler, Offiziellen, Mitarbeiter, Erfüllungsgehilfen, Mitglieder, Anhänger, Zuschauer und weiterer Personen, die im Auftrag des Vereins eine Funktion während des Spiels ausüben, verantwortlich.

2. Der gastgebende Verein und der Gastverein bzw. ihre Tochtergesellschaften haften im Stadionbereich vor, während und nach dem Spiel für Zwischenfälle jeglicher Art.“

Weiters schreibt Punkt 1 der Richtlinie für die Arbeit des DFB-Kontrollausschusses in sportgerichtlichen Verfahren gegen Vereine und Kapitalgesellschaften (Anhang der Rechts- und Verfahrensordnung) hinsichtlich Pyrotechnik Folgendes vor:

Gewalt, rassistische oder diskriminierende Äußerungen oder grob unsportliche Verunglimpfungen stellen ebenso wie der Einsatz von Pyrotechnik schwerwiegende Verstöße gegen die Verbands-Statuten dar […]. Kommt es in den Zuschauerbereichen trotz aller Präventionsarbeit und Sicherungsmaßnahmen im Vorfeld der Spiele zu entsprechendem Zuschauerfehlverhalten, ist dieses gemäß den verbandsrechtlichen Bestimmungen sportgerichtlich zu sanktionieren.“

In Punkt 9 der Richtlinie ist der sog. Strafzumessungsleitfaden zu finden, der für das Abbrennen und Abschießen/Werfen von pyrotechnischen Gegenständen je nach Ligazugehörigkeit (Bundesliga, 2. Bundesliga, 3. Liga oder Junioren-Bundesliga) sowie je Gegenstand verschiedene Sanktionshöhen vorgibt. Diese hat der DFB-Kontrollausschuss bei der Verhängung von Strafen in sportgerichtlichen Verfahren gegen Vereine grundsätzlich zu berücksichtigen. Bspw. kostet das Abbrennen eines pyrotechnischen Gegenstandes in der Bundesliga 1.000 Euro, das Abschießen/Werfen hingegen bereits 3.000 Euro.

Hinsichtlich des Aufhebungsantrags eines Schiedsspruchs (zur Relevanz im konkreten Fall siehe gleich) ist § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. B ZPO zu beachten:

(2) Ein Schiedsspruch kann nur aufgehoben werden, […]

2. wenn das Gericht feststellt, dass […]

b) die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führt, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht.“

Die Entscheidung des BGH

Vorab: Der deutsche BGH bestätigte die Entscheidung des OLG Frankfurt und wies die Rechtsbeschwerde zurück. Doch was war eigentlich zu klären? Im Grunde ging es um die Frage, ob die in § 9a DFB-RuVO geregelte Verbandsstrafenhaftung bzw. der darauf erlassene Schiedsspruch des Ständigen Schiedsgerichts für die 3. Liga gegen die öffentliche Ordnung (ordre public) verstoßen oder nicht. Denn grundsätzlich gilt der im Verfassungsrang stehende Schuldgrundsatz: „Keine Strafe ohne Schuld.“ Schuld trifft die Vereine – sofern sie konkret alles Mögliche gemacht haben, um das Abbrennen von Pyrotechnik zu verhindern – nämlich keine.

Der BGH sieht im Schiedsspruch aber keine Verletzung des Schuldgrundsatzes und somit auch nicht des ordre public. Die verhängten „Geldstrafen“ hätten keinen strafähnlichen Sanktionscharakter, da damit kein vorangegangenes Fehlverhalten geahndet würde. Vielmehr solle der (künftige) ordnungsgemäße Spielbetrieb gewährleistet werden. Die vom DFB vorgegebenen Sicherheitsmaßnahmen wurden zwar vom FCC eingehalten, doch wären sie nicht ausreichend gewesen, um Ausschreitungen der Zuschauer zu verhindern.

Die Strafzahlung solle einerseits bezwecken, dass in Zukunft alle zur Verfügung stehenden Mittel eingesetzt werden, um auf die Anhänger derartig einzuwirken, sodass keine Ausschreitungen mehr passieren. Andererseits solle durch ständigen Kontakt mit und zu den Fans befriedend auf diese eingewirkt werden. Erforderlichenfalls sollen notwendige präventive Maßnahmen ergriffen werden, um dadurch die von den Fans ausgehenden Gefahren hinsichtlich des Wettkampfbetriebes unterbinden zu können.

Zudem entspreche die Einordnung der „Geldstrafe“ als Präventivmaßnahme der Rechtsprechung des Internationalen Sportgerichtshofs (CAS). Dieser sehe in der verschuldensunabhängigen Haftung keine Bestrafung der Vereine, da der Zweck in der Prävention und Abschreckung liege.

Stimmen zum Beschluss des BGH

Der DFB sieht sich dadurch in seiner Auffassung bestätigt. Es ginge immer „um präventive Maßnahmen zur Verhinderung zukünftiger Zuschauerausschreitungen und damit um die Sicherung eines ordnungsgemäßen Spielbetriebs“, meint etwa Rainer Koch, der für Recht zuständige 1. DFB-Vizepräsident (nachzulesen in der Reaktion des DFB vom 4.11.2021).

FCC-Geschäftsfüher, Chris Förster, hingegen sieht sich und seinen Verein übergangen. Denn der Verein habe alle Sicherheitsvorkehrungen (bei Risikospielen etwa Einsatz von Hundestaffeln, verschärfte Überwachung des Stadions und Ausweitung des Veranstaltungsgeländes) getroffen, um das „Reinschmuggeln“ verbotener Gegenstände in das Stadion zu verhindern. Vollständig ausschließen könne man dies nie. Man wüsste nicht, was man an zusätzlichen Maßnahmen ergreifen hätte sollen, um Ausschreitungen zu verhindern. Auch sehe er keinen präventiven Charakter derartiger Sanktionen, da Pyrotechnik ja weiterhin abgebrannt würde. Zudem sei es dem DFB sogar selbst bei seinen Veranstaltungen nicht möglich, Pyrotechnik gänzlich zu verhindern. Man denke hierbei an Spiele der Nationalmannschaft oder die DFB-Cup-Finalspiele in Berlin. Nach diesen Spielen wurde der DFB auch noch nie – von sich selbst – mit Sanktionen belegt. Zuletzt entstehe dadurch bei kleineren Vereinen ein großer wirtschaftlicher Schaden, der sich nicht wie eine Präventivmaßnahme, sondern vielmehr wie eine Strafe anfühle.

Neben Fanvertretern wie der Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte und der Dachverband der Fanhilfenkritisieren auch namhafte deutsche Sportrechtler die Entscheidung. Vor allem die vom BGH vorgenommene Qualifizierung der Sanktion als „präventive Maßnahme“ sorgt für Unverständnis und widerspricht der herrschenden Meinung im Sportrecht. (Hier die Kommentare der Sportrechtler Stephan Dittl und Jan F. Orth)

Die Einschätzung von Jens Gerlach (Bucerius Law School) ist dabei spannend. Er meint, dass die Geldzahlungspflicht nicht danach aussehe, als würde es um Prävention gehen. Denn in den Statuten des DFB sei immer von der „Strafe“ die Rede; die Sanktion knüpfe an einen in der Vergangenheit liegenden Zwischenfall und die Schwere des Vorfalls bestimme auch die Höhe der Sanktion an. Im (vom DFB an den FCC) gewährten Nachlass iHv 8.000 Euro, um sicherheitstechnische, infrastrukturelle und gewaltpräventive Maßnahmen in der Zukunft zu garantieren, sieht Gerlach einen Widerspruch bzw. eine klare „Strafe“: Es ist nicht der gänzliche Betrag für zukünftige Sicherheitsvorkehrungen zu verwenden, sondern nur rund 1/3 der Gesamtsanktion. Die restlichen 2/3 fließen direkt (ohne ersichtlichen Grund) an den DFB (Hier das Interview mit Gerlach bei MDR)

Daneben fordert René Lau (Strafverteidiger und Mitglied der AG Fananwälte) vom BGH generell, dass dieser Klarheit in die Sportgerichtsbarkeit des DFB bringen solle. Im vorliegenden Fall werde vollkommen übersehen, dass ein Verfahren, in dem ein Verein letztendlich zur Kasse gebeten wird, nicht aus dem luftleeren Raum eingeleitet würde und eben eine Reaktion auf Vergangenes darstelle. Daraus ergäbe sich eine „Strafe“, die sich für die Vereine auch faktisch so anfühle. Darüber hinaus fehle ihm eine klare Vorgabe, was der FCC überhaupt machen hätte müssen, um das Abbrennen von Pyrotechnik zu verhindern. (Hier das Interview mit Lau bei Sky Deutschland)

Fazit

Die Entscheidung des BGH steht fest: Fußballvereine haften für das Fehlverhalten ihrer Fans verschuldensunabhängig, da verhängte Strafzahlungen rein präventiven Charakter haben. Interessant wird sein, ob der FCC noch das Bundesverfassungsgericht anruft, um das Ruder noch einmal herumzureißen. Laut Förster wird dies der Verein zumindest prüfen. LMS bleibt dran!

(Sport-)Schiedsgerichte, Bindung an Art 6 EMRK und Bindungsumfang (5/6)

Im letzten Beitrag wurden die Voraussetzungen vorgestellt, unter denen man wirksam auf die Garantien von Art 6 EMRK verzichten kann. Dieser Beitrag behandelt in weiterer Folge die Frage, ob und, wenn ja, inwiefern Schiedsgerichte an die Teilgarantien von Art 6 EMRK gebunden sind. Für das „Ob“ muss man zunächst zwischen privatautonom eingerichteten Schiedsgerichten und „Zwangsschiedsgerichten“ unterscheiden.

Die Bindung von Zwangsschiedsgerichten

Zwangsschiedsgerichte haben sich vollumfänglich an die in Art 6 Abs 1 EMRK gewährleisteten Grundrechte zu halten, da sie Gerichte iSd Art 6 EMRK sind (unter anderem EGMR 2.10.2018, 40575/10 und 67474/10, Mutu und Pechstein/Schweiz Rz 95). Sie zählen nämlich aufgrund ihrer gesetzlichen Anordnung zur staatlichen Gerichtsbarkeit und werden auch staatliche Sondergerichte bzw Sondertribunale genannt. Fehlt also einer Schiedsvereinbarung die Freiwilligkeit und/oder die Eindeutigkeit, wird das Schiedsgericht als Zwangsschiedsgericht behandelt. Damit gibt es keine Rechtfertigung für eine Einschränkung der durch Art 6 EMRK garantierten Rechte. Dies war bspw bei den Sportlern Claudia Pechstein (fehlende Freiwilligkeit) und Adrian Mutu (fehlende Eindeutigkeit) der Fall; hier wurde der internationale Sportgerichtshof (CAS = Court of Arbitration for Sport) als Zwangsschiedsgericht qualifiziert.

Die Bindung privat vereinbarter Schiedsgerichte

Inwieweit privat vereinbarte (und somit freiwillig sowie eindeutig eingerichtete) Schiedsgerichte sich an Art 6 EMRK halten müssen, wird in der Literatur nicht einheitlich beantwortet. Auch EKMR und EGMR haben darüber noch keine ausdrückliche Auskunft gegeben. Freilich ist es weitgehend unstrittig, dass es sich bei freiwilligen Schiedsgerichten um keine staatlichen, sondern um private nichtstaatliche Einrichtungen handelt. Sollten sie also gegen die EMRK verstoßen, kann dies nicht dem jeweiligen Mitgliedstaat zugerechnet werden. Denn der Anwendungsbereich der EMRK richtet sich lediglich an die Mitgliedstaaten und somit an staatliche Gerichte bzw staatliche Organe. Daher sind freiwillige Schiedsgerichte nicht unmittelbar oder unter analoger Anwendung an die Verpflichtungen der EMRK gebunden.

Private werden durch die EMRK grundsätzlich nicht unmittelbar verpflichtet bzw können Private einander grundsätzlich nicht die Rechte der EMRK entgegenhalten. Doch aus der sog mittelbaren Drittwirkung ergibt sich, dass die Grundrechte der EMRK für private Parteien (bspw Sportler oder Verbände) durchaus beachtlich sind und eine gewisse Bedeutung haben. In der Literatur wird hierbei von einer verfassungsrechtlichen Grundentscheidung gesprochen.

In der mittelbaren Wirkung der Grund- und Menschenrechte der EMRK liegt die Basis für die Bindung der Schiedsgerichte an Art 6 EMRK. Die EMRK kommt dann ins Spiel, wenn eine Verbindung zwischen dem konkreten Schiedsverfahren zu den staatlichen Gerichten hergestellt wird. Zu denken ist hierbei an den Antrag auf Aufhebung eines Schiedsspruchs gemäß § 611 ZPO. Die staatlichen Gerichte verlieren nämlich ihre kontrollierende und unterstützende Funktion durch die Einrichtung eines Schiedsgerichts nicht. Der Kreis wird dadurch geschlossen, dass die staatlichen Gerichte bei der Überprüfung eines Schiedsverfahrens sich ohnehin an die EMRK und ihre Grund- und Menschenrechte halten müssen. So üben sie eine Überwachungsfunktion aus, wobei unter anderem die Grundrechtskonformität des Schiedsverfahrens zu prüfen ist.

Dazu zwei Zitate aus der Literatur: i.) „Durch diese Verknüpfungen von privater und staatlicher Gerichtsbarkeit ergibt sich immerhin eine mittelbare Verpflichtung für Schiedsgerichte. Sie sind gehalten einen Schiedsspruch zu erlassen, dessen Wirksamkeit nicht von einer staatlichen Maßnahme bedroht ist.“ (Ebner/Schneider) und ii.) die dem ordre public zugehörenden Mindestgarantien des Art 6 EMRK seien „„gemeinsamer Nenner“ der Anforderungen an ein faires Verfahren vor einem Spruchkörper mit Streitentscheidungsfunktion, wie dies in den jeweiligen internationalen und nationalen Grundrechten und in einfachgesetzlichen Verfahrensordnungen seinen Ausdruck gefunden hat. Die EMRK hat also für die Tätigkeit des Schiedsgerichts selbst wohl nur – gewissermaßen mittelbar – insofern Bedeutung, als sie zur Konkretisierung dieser Grundsätze herangezogen werden kann.“ (Kodek)

Schiedsgerichte und der Umfang ihrer Bindung an Art 6 EMRK – Grundlagen

Bisher steht fest: i.) ein wirksamer Verzicht auf das Zugangsrecht zu einem staatlichen Gericht ist nur mittels freier, eindeutiger und rechtmäßiger Schiedsvereinbarung möglich, ii.) privat eingerichtete Schiedsgerichte haben (mittelbar bzw durch den ordre public) die Pflicht, sich an die sog Mindestgarantien des Art 6 EMRK zu halten und iii.) Zwangsschiedsgerichte müssen die Garantien des Art 6 EMRK vollends gewährleisten. Nun ist bzgl privatenSchiedsgerichten die Thematik zu klären, ob auf alle Organisations- und Verfahrensgarantien oder etwa bloß auf einzelne Teilgarantien verzichtet werden kann bzw welche im Schiedsverfahren verpflichtend einzuhalten sind.

Die Reichweite des Grundrechtsverzichts

Der Bindungsumfang geht mit der Reichweite des Grundrechtsverzichts einher. Doch ist die Reichweite des Rechtsschutzverzichts nicht eindeutig geklärt. Ein „blanket waiver“ (Pauschalverzicht, Totalverzicht) könne es aber nicht sein. Demnach ist man sich in der Literatur einig, dass die Parteien eines wirksam begründeten Schiedsverfahrens nicht zur Gänze auf die Garantien des Art 6 EMRK verzichten können. Aus der Rsp (EKMR 5.3.1962, 1197/61, X/Deutschland) ergeht, dass der sog partielle Verzicht (= Teilverzicht) jedoch zulässig ist. Einer Schiedsvereinbarung folgt nicht zwingend der Verzicht auf alle Garantien, die Art 6 EMRK gewährleistet. Daraus ergibt sich, dass bestimmte Verfahrensrechte im Schiedsverfahren nicht zwingend zu beachten, andere hingegen von verpflichtender Natur sind. Sowohl EKMR als auch EGMR haben die Unterscheidung zwischen obligatorischen und verzichtsfähigen Garantien bisher noch nicht geklärt. Es geht jedoch um die Frage, inwiefern die Rechte von Art 6 EMRK auf das Schiedsverfahren und dessen Rechtsschutzqualität ausstrahlen bzw, ob bei Mangelhaftigkeit sogar ein unwirksamer Verzicht vorliegen könnte.

In der Literatur wird die Meinung vertreten, dass die Grenzen des Grundrechtsverzichts jedenfalls nur im Einzelfall geprüft werden können. Dennoch seien dabei die Aufhebungsgründe des § 611 Abs 2 ZPO zu beachten, die auf den ersten Blick die Tätigkeit des Schiedsgerichts unter die Lupe nehmen. Im Umkehrschluss seien die Aufhebungsgründe aber die Grenze der Privatautonomie und bilden insofern den Rahmen für den zulässigen Inhalt der Schiedsvereinbarung und den Ablauf des Schiedsverfahrens. Der Aufhebungsantrag stelle das öffentliche Interesse der staatlichen Aufsicht über die Schiedsgerichtsbarkeit durch die ordentlichen Gerichte sicher und die Aufhebungsgründe seien sohin nicht verzichtbar. Das bedeute, dass private Parteien selbst im Zuge der Ausübung ihrer Privatautonomie keine materiell- oder verfahrensrechtliche Vereinbarung wirksam treffen können, die einen der Aufhebungstatbestände des § 611 Abs 2 ZPO realisiert.

Fazit und Ausblick

Zwangsschiedsgerichte sind verpflichtet, sich an Art 6 EMRK (zur Gänze) zu halten; privat vereinbarte Schiedsgerichte sind zumindest mittelbar daran gebunden, wobei hierfür verschiedene Begründungsansätze in der Literatur bestehen. Einen Totalverzicht auf die Organisations- und Verfahrensgarantien des Art 6 EMRK kann man nicht abgeben, doch ist ein Teilverzicht in Hinblick auf die Aufhebungsgründe des § 611 Abs 2 ZPO möglich.

Im letzten Beitrag werden die einzelnen Teilgarantien abgearbeitet und der Umfang des (sinnvollen) Verzichts in der (Sport-)Schiedsgerichtsbarkeit erläutert.

Olympia: Haben Athleten einen Anspruch auf Teilnahme?

Nominierung einer Athletin oder eines Athleten für die olympischen Spiele

Der gesamte (Breiten-)Sport organisiert sich sowohl national als auch international in der Rechtsform eines Vereins und folgt dem Aufbau einer Pyramide. Während sich auf regionaler Ebene die Athleten einer Sportart meist in einzelnen Vereinen zusammenschließen, agieren auf überregionaler Ebene die Landesfachsportverbände, die wiederum in nationale Spitzenfachsportverbände münden. An der Spitze der Pyramide befindet sich für jede Sportart der jeweilige internationale Spitzenverband, wie zum Beispiel die FIFA, UCI oder die FIBA. Daneben steht das International Olympic Committee (IOC) als das höchste und allein entscheidende Gremium für die Olympischen Spiele. Die nichtstaatliche Organisation vereint alle nationalen Verbände und ist für die Ausrichtung und Betreuung der Olympischen Spiele zuständig. Anerkannt werden lediglich die Nationalen Olympischen Komitees (NOK), die sich auf Landesebene befinden. In Österreich wurde bereits 1908 das Österreichisches Olympische Komitee (ÖOC) als Vereinigung der größten österreichischen Sportorganisationen gegründet.
Das alleinige Recht eine Athletin bzw. einen Athleten für die Olympischen Spiele zu nominieren, steht demnach dem ÖOC bzw. dessen Vorstand zu. Die internationalen Spitzenverbände der jeweiligen Sportart geben dabei die maßgeblichen Richtlinien für eine Qualifikation zur Teilnahme an den Olympischen Spielen vor (Regel 40 der „Olympic Charter vom 2. August 2015“). Diese enthalten unter anderem die Voraussetzungen für eine Nominierung sowie Limits für eine Teilnahme.
Als Beispiel dient die vom Deutschen Schwimm-Verband (DSV) vorgegebenen Normzeiten für eine Qualifizierung im Schwimmen für Olympia 2020. Diese betragen im 100 m Brustschwimmen 0:59,80 für Männer und für Frauen 1:07,00.
Diese Richtlinien bedürfen allerdings der Genehmigung durch das IOC. Die nationalen Fachverbände haben die Möglichkeit diese Qualifikationskriterien zu konkretisieren und nehmen diese meist auch in Anspruch. Der ÖOC erteilt eine Nominierung somit auf Vorschlag der einzelnen Sportfachverbände, dessen Entscheidung wiederum auf den einschlägigen Qualifikationskriterien basiert.

Teilnahmeanspruch rechtlich durchsetzbar?
Es stellt sich nun die Frage, ob bei Erreichen der Nominierungsvorrausetzungen ein rechtlich durchsetzbarer Anspruch auf Teilnahme besteht, wenn der ÖOC einer Athletin bzw. einem Athleten die Teilnahme versagt. Für Rechtsstreitigkeiten jeglicher Art rund um internationale Wettkämpfe, wurde der Internationale Sportgerichtshof (CAS) vom IOC eingerichtet, der als unabhängiges internationales Schiedsgericht dient und seinen Sitz im schweizerischen Lausanne hat. Der CAS ist unter anderem für die Klärung von Dopingfragen, Disziplinarfragen (bei Unklarheiten über Regelverstöße) oder sportbezogene Vertragsfragen (Fernsehrechte, Sponsoring, etc.) zuständig. Für die Dauer der Ausrichtung der Olympischen Spiele werden vom CAS seit 1996 nichtpermanente Tribunale eingerichtet. Diese dienen einer raschen und vorläufigen Schlichtung von Streitfragen, sollten diese während eines Wettkampfes auftreten. Meistens handelt es sich um die Zulässigkeit von Individualbeschwerden oder Beschwerden nationaler Verbände, bei Verstößen gegen geltende Wettkampfregeln durch Athletinnen bzw. Athleten anderer Nationen.

In einem sehr aktuellen Fall trat Markus Rehm an den CAS heran, da ihm das IOC die Teilnahme an den Olympischen Spielen verweigerte. Rehm, der seit einem Unfall eine Prothese am rechten Unterschenkel trägt, hat bereits dreimal die Paralympics im Weitsprung gewonnen. Heuer hat er sich laut den vorgeschriebenen Qualifikationsnormen mit einem Sprung von 8,62 m für die Olympischen Spiele qualifiziert. Rehm wurde daher vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) dem IOC für eine Teilnahme an den Sommerspielen in Tokio vorgeschlagen. Ohne Erfolg. Die Begründung für die Versagung der Teilnahme wurde auf die Regel 6.3.4. gestützt, wonach eine Prothese ein mechanisches Hilfsmittel sei und Rehm beweisen müsse, dass ihm diese gegenüber den anderen Teilnehmern keinen Vorteil verschaffe. Der CAS hob diese Regelung jedoch wegen „Rechtswidrigkeit und Ungültigkeit“ bereits im Herbst des Vorjahres auf. Nicht dem Athleten, sondern dem Verband müsse die Beweisführung auferlegt werden, dass es sich bei der Verwendung einer Prothese um einen Wettbewerbsvorteil handelt. Basierend auf die aktuelle CAS-Entscheidung fordert Rehm nun vom DOSB und vom Deutschen Leichtathletik-Verbund seine Nominierung zu bestätigen, da er die, für alle Athletinnen und Athleten geltenden Qualifikationsnormen erreicht hat. Er beruft sich außerdem auf eine Studie, an der er selbst teilnahm, wonach die Carbon-Prothese gegenüber Athleten ohne Behinderung sogar nachteilig sei, weil es dadurch zu einer verlangsamten Startbewegung kommt.
In seiner Klage forderte Rehm nun vor einigen Tagen das uneingeschränkte Teilnahmerecht für den Weitsprung-Wettbewerb und damit die Bestätigung der Nominierung vom DOSB und DLV.

Schadenersatz bei Nichtnominierung
Hat ein Athlet nunmehr alle Voraussetzungen für eine Nominierung zur Teilnahme an einem internationalen Wettkampf erfüllt und erhält vom nationalen Verband trotzdem keine Berechtigung, stellt sich unter anderem die Frage, ob ein Anspruch auf Schadenersatz besteht.
Diese Frage beschäftigte bereits den deutschen Bundesgerichtshof (BGH), nachdem sich das deutsche Nationale Olympische Komitee (NOK) weigerte, den Dreispringer Charles Friedek – trotz formeller Erfüllung aller Kriterien – eine Nominierung für eine Teilnahme an den Olympischen Spielen von 2008 auszusprechen. Zunächst gilt es festzuhalten, dass bereits die Nominierung ein Vertragsverhältnis zwischen Sportler und Verband begründet und sich folglich beide Parteien bereits während der Nominierungsphase in einem vorvertraglichen Schuldverhältnis befinden. Daraus lassen sich per se noch keine gegenseitigen Ansprüche auf Erfüllung ableiten, allerdings bestehen Schutz- und Sorgfaltspflichten. Hinzu kommt die Verpflichtung zur Gleichbehandlung auch bloß potenzieller Vertragspartner. Demnach wäre der DOSB – dem in seiner Funktion auch eine Monopolstellung zukommt – verpflichtet gewesen, den Athleten, bei Erfüllung der vom Verband selbst aufgestellten Kriterien, tatsächlich zu nominieren. Laut Verband hätte Friedek die Normanforderungen jedoch nicht erfüllt und die Debatte führte letztendlich zum Ergebnis, dass eine fehlerhafte Auslegung der Nominierungsrichtlinien vorlag. Aufgrund ihrer mangelnden Transparenz, Verständnis und Sicherheit hätten die Athleten keine Möglichkeit gehabt, ihre Trainings- und Wettkampfplanungen entsprechend organisieren zu können. Friedek forderte in seiner Klage gegen den DOSB einen Ersatz des Schadens in Höhe von mindestens 133.500 Euro ein. Die endgültige Höhe wurde vom Landgericht Frankfurt entschieden. Erst in dritter und letzter Instanz vor dem BGH gewann Friedek den Prozess, allerdings sieben Jahre nach den Olympischen Spielen.
Ein vergleichbarer Anspruch wäre auch in Österreich denkbar. Aufgrund der Monopolstellung des ÖOC hat eine Sportlerin bzw. ein Sportler keine andere Möglichkeit für die Olympischen Spielen nominiert zu werden und ist somit auf das Komitee angewiesen. Der ÖOC unterliegt damit dem Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung gemäß § 5 Kartellgesetz (KartG). Ein Schadenersatzanspruch wäre daher für jene finanziellen Einbußen denkbar, welche der Sportler durch die Einschränkung seiner Berufsausübung erleidet. Darunter fallen insbesondere Werbeverträge, Sponsorengelder und entgangenes Preisgeld.

Fazit
Vor allem der vor dem deutschen BGH geführte Rechtsstreit Friedek kann man getrost als Grundsatzurteil im Sportbereich beurteilen. Demnach liegt bei erfolgter Nominierung bereits ein vorvertragliches Schuldverhältnis vor und wäre auch aufgrund der Monopolstellung des NOK im Fall Friedek ein rechtlich durchsetzbarer Anspruch auf eine Nominierung vorgelegen. Darüber hinaus führten die intransparenten Regelungen in den Nominierungsrichtlinien dazu, dass sich die Athletin oder der Athlet nicht entsprechend auf die Qualifikationsrunde vorbereiten konnten. Da der Rechtsstreit vor den gerichtlichen Instanzen mehrere Jahre dauerte, war Friedek letzten Endes auf Ersatz des erlittenen Schadens verwiesen.
Grundsätzlich handelt es sich jedoch um eine einzelfallbezogene Beurteilung, ob tatsächlich ein durchsetzbarer Anspruch auf Teilnahme bei Olympia besteht. Wie auch im Fall Rehm, der derzeit beim Internationalen Sportgerichtshof (CAS) anhängig ist und eine Entscheidung bald erwartet wird.

Die „50+1“-Regel, ein Dauerbrenner

Die sogenannte 50+1-Regelung des organisierten Fußballsports in Österreich und Deutschland wurde bereits vor der Coronakrise heftigst diskutiert. Doch gerade die Pandemie brachte viele Fußballvereine an ihre finanziellen Grenzen. Unter anderem fehlen den Vereinen aufgrund der leeren Stadien die Einnahmen aus Ticketverkäufen. In Zeiten des „harten Lockdowns“ konnten gar keine Spiele stattfinden und somit fielen auch die essentiell wichtigen Fernsehgelder aus. Die Folge: Viele (vor allem kleine und wirtschaftlich schwache) Vereine haben große finanzielle Sorgen und die Gefahr der Insolvenz war wohl noch nie größer. Dazu wird die monetäre Schere zwischen den „reichen“ und „armen“ Vereinen nach und nach größer. Eine mögliche Lösung: das Kippen oder die Modifizierung der „50+1“-Regel.

Doch wo ist die „50+1“-Regelung eigentlich genau geregelt? Wo liegen ihre Ursprünge? Welchen Zweck verfolgt sie und wie sieht ihre Zukunft aus?

Rechtsgrundlagen

Österreich:

Gemäß den Lizenzbestimmungen der Österreichischen Fußball-Bundesliga (folgend: BL-Lizenzbestimmungen) müssen die Fußballvereine der höchsten Spielklasse neben der sportlichen Qualifikation über eine Lizenz verfügen, um am Ligabetrieb der österreichischen Bundesliga teilnehmen zu können (siehe Punkt 4.3.1.1 der BL-Lizenzbestimmungen). Lizenzträger kann zwar nur ein gemeinnütziger Verein sein, doch zwingt ein Erlass des Bundesministeriums für Finanzen vom 27.2.2015 die Fußballklubs seit dem 1.1.2017, ihre Profibetriebe in selbstständige Kapitalgesellschaften auszugliedern. Dies stellt eine Möglichkeit dar, die Gemeinnützigkeit der Vereine und die damit einhergehenden abgabenrechtlichen Begünstigungen zu erhalten (Details in §§ 34 ff Bundesabgabenordnung). Die Ausgliederung soll zudem ein kontrolliertes Wirtschaften des Profibetriebes gewährleisten.

Demnach ist Voraussetzung für die Behandlung des Lizenzantrags eines lizenzwerbenden Vereins, dass der Profispielbetrieb, also die Kampfmannschaft, in eine Kapitalgesellschaft ausgegliedert wird. Diese Ausgliederung muss bis zum 1.1., der dem Abgabetermin der Lizenzunterlagen unmittelbar vorausgeht, erfolgt sein. Wirksam ist sie außerdem nur bei Vorliegen einer Genehmigung durch den Lizenzgeber (siehe Punkt 4.3.2.2 der BL-Lizenzbestimmungen). Lizenzgeber ist der Lizenzausschuss (Senat 5 genannt), der für das Lizenzierungsverfahren und die jeweilige Lizenzvergabe bzw -verweigerung in erster Instanz zuständig ist (siehe Punkt 3.2.2.1 und 3.2.3 der BL-Lizenzbestimmungen bzw § 22 Abs 9 der Satzungen der Österreichischen Fußball-Bundesliga).

Die Ausgliederung selbst ist an bestimmte Bedingungen geknüpft, welche erfüllt sein müssen, um die Genehmigung zu bekommen. Hierbei kommt die (österreichische) 50+1-Regelung aus Punkt 4.4.2.5 der BL-Lizenzbestimmungen ins Spiel:

Der Lizenzbewerber/-nehmer muss beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft haben und über die Mehrheit der Stimmrechte an der Gesellschaft unmittelbar verfügen.“

Einfach erklärt: Der Fußballverein muss zumindest 50 % der Stimmrechte + 1 Stimme, also die Stimmenmehrheit, in der (ausgelagerten) Kapitalgesellschaft innehaben.

Deutschland:

In Deutschland sind dementsprechende Regelungen in § 8 Abs 2 der Satzung des Ligaverbandes und in § 16c Abs 2 und Abs 3 der Satzung des Deutschen Fußballbundes (DFB) zu finden. Erstere Bestimmung lautet: „Eine Kapitalgesellschaft kann nur eine Lizenz für die Lizenzligen und damit die Mitgliedschaft im Ligaverband erwerben, wenn ein Verein mehrheitlich an ihr beteiligt ist, der über eine eigene Fußballabteilung verfügt, und der im Zeitpunkt, in dem sie sich erstmals für eine Lizenz bewirbt, sportlich für die Teilnahme an einer Lizenzliga qualifiziert ist. Der Verein („Mutterverein“) ist an der Gesellschaft mehrheitlich beteiligt („Kapitalgesellschaft“), wenn er über 50 % der Stimmenanteile zuzüglich mindestens eines weiteren Stimmenanteils in der Versammlung der Anteilseigner verfügt. […]

Die Regelungen beider Länder sagen im Endeffekt dasselbe aus. Jedoch gibt es bezüglich der Lizenzvergabe zwei Unterschiede zwischen der österreichischen und der deutschen Rechtslage. Erstens ist es in Deutschland möglich, dass eine Kapitalgesellschaft autonom eine Lizenz erwerben kann. Lizenzwerber bzw -nehmer muss nicht notwendigerweise ein Verein sein, wie es hingegen in Österreich der Fall ist. Zweitens werden in Deutschland explizite Ausnahmen von der „50+1“-Regel vorgesehen, bei uns hingegen nicht. Dazu unten mehr…

Hintergrund und Zweck der Regelung

Der Ursprung der deutschen „50+1“-Regel liegt im Jahr 1998. Ein Beschluss des DFB-Bundestages eröffnete die Möglichkeit, dass Kapitalgesellschaften am Spielbetrieb der Lizenzligen teilnehmen können bzw gab man den Vereinen die Chance, ihre Lizenzspielerabteilungen (Profibetriebe) in eine Kapitalgesellschaft quasi umzuwandeln. Hintergrund dafür waren die Entwicklungen im Zuge der Professionalisierung des Fußballs. Wesentlicher Zweck war also die Schaffung von Finanzierungsmöglichkeiten am Kapitalmarkt. Um die Unabhängigkeit der Vereine zu gewährleisten, also diese vor der Willkür von Investoren zu schützen, wurde gleichzeitig der Abschnitt mit der „50+1“-Regel beschlossen. Dessen Ziel wiederum war/ist zunächst ganz klar die Vermeidung der Fremdbestimmung der Clubs durch Investoren von außen. Die Sicherung des Fußballsports an sich steht nämlich im Mittelpunkt, und nicht etwaige finanzielle Interessen von nach Gewinn lechzenden Investoren. Daneben soll die Verbindung zwischen Leistungs- und Breitensport aufrechterhalten bleiben. Auch soll gewährleistet sein, dass die Wettbewerbssituation der Ligen und der verbandlichen Strukturen nicht durch die Ausgliederung der Profibetriebe in Kapitalgesellschaften verzerrt wird sondern möglichst neutral bleibt. Die zwischen den Vereinen bereits bestehenden Unterschiede finanzieller Natur sollen nicht noch weiter auseinandergehen. Nicht zuletzt geht es um das Ansehen einer Fußballliga, die ja von einem fairen und ehrlichen Wettkampf gekennzeichnet ist (nachzulesen unter anderem in Fragen und Antworten zur 50+1-Regel der Deutschen Fußball Liga).

Die „50+1“-Regel wirkt sohin als Limitierung der Macht von externen Investoren. Kapital dürfen diese ja einbringen und damit Beteiligungen an den ausgegliederten Profibetrieben generieren. Nur dürfen sie nicht mehr als 50 % der Stimmrechtsanteile besitzen. Kapitalanteile demgegenüber könnten theoretisch alle übernommen werden. ME gelten die Überlegungen bezüglich des Zwecks auch für die österreichische Variante, da die Intention hinter der Regel bestimmt die gleiche war und allgemein Parallelen im deutschen und österreichischen Fußballwesen zu erkennen sind (Stichwort Fankultur etc).

(Deutsche) Ausnahmen

Zuerst ist festzuhalten, dass die österreichischen BL-Lizenzbestimmungen keine Ausnahmen von der „50+1“-Regelung vorsehen. Im Gegensatz dazu gibt es in Deutschland sogar zwei Ausnahmen: die Ausnahme für Förderer des Fußballsports und die Ausnahme für die Kommanditgesellschaft auf Aktie, wobei hier nur erstere behandelt wird.

Die sog „Lex Leverkusen“ ist ebenfalls in § 8 Abs 2 der Satzung des Ligaverbandes geregelt: „[…] Über Ausnahmen vom Erfordernis einer mehrheitlichen Beteiligung des Muttervereins nur in Fällen, in denen ein Wirtschaftsunternehmen seit mehr als 20 Jahren vor dem 1.1.1999 den Fußballsport des Muttervereins ununterbrochen und erheblich gefördert hat, entscheidet der Vorstand des Ligaverbandes. Dies setzt voraus, dass das Wirtschaftsunternehmen in Zukunft den Amateurfußballsport in bisherigem Ausmaß weiter fördert sowie die Anteile an der Kapitalgesellschaft nicht weiterveräußert bzw. nur an den Mutterverein kostenlos rückübereignet. Im Falle einer Weiterveräußerung entgegen dem satzungsrechtlichen Verbot bzw. der Weigerung zur kostenlosen Rückübereignung hat dies Lizenzentzug für die Kapitalgesellschaft zur Folge. Mutterverein und Kapitalgesellschaft können nicht gleichzeitig eine Lizenz besitzen.“

Momentan gibt es mit den beiden „Werksclubs“ Bayer Leverkusen – der erste Verein, der im Jahre 1999 seinen Profispielbetrieb in eine Kapitalgesellschaft ausgliederte – und VfL Wolfsburg sowie der TSG Hoffenheim drei von der „50+1“-Regel zugelassene Ausnahmen. Sowohl bei Leverkusen als auch bei der VfL Wolfsburg-GmbH (ausgegliederter Profibetrieb) handelt es sich um Tochtergesellschaften, die zu 100 % in Besitz ihrer Mutterunternehmen (Volkwagen und Bayer) sind. Dietmar Hopp, seinerseits die erste natürliche Person mit Stimmenmehrheit an einem Bundesligaverein (TSG Hoffenheim), wurde 2015 die Ausnahme genehmigt.

Kurz sei noch auf die wettbewerbsrechtliche Problematik hingewiesen, die sich im Rahmen der „50+1“-Regel ergibt. So wird der Regelung vorgeworfen, sie verstoße gegen europäisches Kartellrecht, da sie den Zugang zum Markt für Beteiligungen an Sportkapitalgesellschaften unverhältnismäßig beschränke und nicht sachlich gerechtfertigt werden könne. Das deutsche Bundeskartellamt überprüft gerade, ob ein etwaiger Verstoß gegen deutsches und europäisches Kartellrecht vorliegt.

Diskussion und Ausblick

In der deutschen Fanszene spricht man sich klar gegen eine Abschaffung der „50+1“-Regel aus. Der Unmut wurde von den Zuschauern auch bereits häufig bspw durch Plakate in den Stadien – selbstverständlich vor Pandemiezeiten – kundgemacht. Die größte deutsche Faninitiative für die Regelung dürfte „50+1 bleibt!“ sein.

Doch wird man sehen, ob die Regelung (in dieser Art) bestehen bleibt oder nicht. Wie gesagt, die finanziellen Auswirkungen der Coronapandemie sind für viele Vereine extrem. Daher wird man auch über eine Modifizierung der Regel nachdenken müssen, um den Vereinen wirtschaftliche Opportunitäten zu ermöglichen. Interessant sind hierbei die Überlegungen von Kay Dammholz, einem deutschen Medienmanager, der im Falle einer Änderung der Regel von Seiten des DFB und der DFL klare Kriterien fordert. Diese müssten mit den Fußballklubs in einem offenen Diskurs erarbeitet werden. Zu denken ist etwa an das Verbot des Weiterverkaufs der Anteile oder an keine Ticketpreiserhöhung ohne Zustimmung des Muttervereins (genauer hier nachzulesen). „Tradition bewahren, aber Fortschritt zulassen!“ Das ist das Motto von Henning Zülch (Wirtschaftsprofessor und -experte). Er sieht in der Krise die Chance zur Modifikation der „50+1“-Regel. Damit der deutsche Fußball in eine wirtschaftlich stabile Zukunft gehen könne, brauche es Investoren mit positiven Intentionen, die es mit den Vereinen ernst meinen und sie konstruktiv stärken und fördern möchten.

In Österreich stellt sich bei einer Abschaffung/Modifizierung der Regel zuerst die Frage, ob große Investoren wie zB ein Roman Abramovich (Besitzer des englischen Chelsea FC) überhaupt an der „kleinen“ österreichischen Bundesliga bzw der Übernahme eines Verein Interesse hätten? Der Stellenwert unserer heimischen Liga ist im internationalen Vergleich wohl ehrlicherweise nicht besonders hoch. Die genannte Größenordnung ist deswegen mE eher zu verneinen. Doch um auch das „Geldtascherl“ einzelner österreichischer Fußballvereine durch kleinere Finanzspritzen zu füllen und so die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie abzufedern, wäre ohnehin eine Abschaffung/Modifikation „unserer“ Regelung vonnöten. Denn etwaige Investoren werden nur bei entsprechender Stimmbeteiligung Finanzmittel zur Verfügung stellen. Ansonsten wird man sich in anderen Ländern nach geeigneten Kandidaten umsehen. Man darf sich trauen zu behaupten, dass in Österreich eine Anpassung nicht lange dauern würde, sollte es in Deutschland zu einer Veränderung bezüglich der „50+1“-Regel kommen. Fakt ist letztlich, Österreich und Deutschland sind zwei der wenigen (wenn nicht sogar die letzten) Länder, die eine solche Regelung haben. Auf jeden Fall wird spannend zu beobachten sein, wie sich diese Angelegenheit entwickelt…