Warum die EuGH-Entscheidung noch keine Zusage zur Super League ist

(bereits in der LAOLA1-Kolumne „§port und alles was Recht ist“ erschienen)

Die gesamte Fußballbranche blickte heute Vormittag gespannt nach Luxemburg, wo der Europäische Gerichtshof (EuGH) seine Entscheidung in der Causa „Super League“ verkündete: Die Richter erteilen der Super League keine Absage. Das bedeutet aber nicht, dass ein Wettbewerb wie die Super League unbedingt genehmigt werden muss. Sicher ist hingegen, dass die FIFA und die UEFA ihre Regeln reformieren müssen.

Vorauszuschicken ist, dass die Entscheidung im Zeitpunkt der Beitragserstellung nur mündlich verkündet wurde und lediglich eine kurze Pressemitteilung des Gerichtshofs in englischer Sprache vorliegt. Erst nach Vorliegen der ausgefertigten Entscheidung können die tatsächlichen Auswirkungen eingeschätzt werden. Auf den ersten Blick birgt die Entscheidung jedoch reichlich Zündstoff.

Nochmals zur Vorgeschichte

Fußballfans erinnern sich noch gut an die Ereignisse nach der Ankündigung der Gründung einer Super League im April 2021: Mediale Empörung und Fanproteste vor den „Kathedralen“ des europäischen Fußballs ließen nicht lange auf sich warten. Und nach nicht einmal 48 Stunden schien die Super League auch schon wieder der Geschichte anzugehören. Denn neun der zwölf Gründungsmitglieder nahmen von den Plänen Abstand. Der FC Barcelona, Real Madrid und Juventus Turin ließen sich davon nicht beirren.

Die UEFA reagierte prompt und drohte den Protagonisten mit Disziplinarmaßnahmen. Diese Disziplinarmaßnahmen würden unter anderem den Ausschluss der an der Super League teilnehmenden Klubs und deren Spieler von bestimmten großen europäischen und weltweiten Wettbewerben bedingen.

Es folgte eine Feststellungsklage der European Superleague Company SL vor einem Madrider Gericht. Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die UEFA und die FIFA „als ein Kartell handeln und ihre beherrschende Stellung auf dem Markt der Veranstaltung internationaler Wettbewerbe für Fußballvereine in Europa und auf dem Markt der Kommerzialisierung der mit diesen Wettbewerben verbunden Rechte missbrauchen“, wenn sie sich der Gründung der Super League widersetzen (zur Vorgeschichte siehe bereits unseren Beitrag mit weiteren Nachweisen).

Da es in dieser Rechtssache vor allem um die Auslegung von Unionsrecht geht, hat das spanische Gericht den EuGH um eine Vorabentscheidung ersucht. Diese wurde mit Hochspannung erwartet und heute verkündet:

Vorschriften der FIFA und der UEFA stehen im Widerspruch zum Unionsrecht

Nach Ansicht des EuGH stehen die Vorschriften der FIFA und der UEFA über die vorherige Genehmigung von Fußballwettbewerben im Widerspruch zum Unionsrecht, konkret zum Wettbewerbsrecht und zur Dienstleistungsfreiheit.

Aber der Reihe nach: Der Gerichtshof stellt zunächst fest, dass bei der Veranstaltung von Fußballwettbewerben das Wettbewerbsrecht eingehalten und die Dienstleistungsfreiheit respektiert werden muss. Das gilt selbst dann, wenn die Ausübung des Sports bestimmte Besonderheiten aufweist, wie beispielsweise das Bestehen von Verbänden, die über bestimmte Regelungs- und Kontrollbefugnisse sowie über die Befugnis zur Verhängung von Sanktionen verfügen.

Im Anschluss legt der EuGH dar, dass Monopolisten, welche die Bedingungen für den Zugang potenzieller Konkurrenten am Markt festlegen, Kriterien unterliegen müssen, die transparent, objektiv, nicht diskriminierend und verhältnismäßig sein müssen. Die Befugnisse der FIFA und der UEFA unterliegen nach Ansicht des Gerichtshof (derzeit) keinen solchen Kriterien.

Die Genehmigungs-, Kontroll- und Sanktionsvorschriften der FIFA und der UEFA sind wegen ihres willkürlichen Charakters darüber hinaus als ungerechtfertigte Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs zu qualifizieren.

Besonders interessant sind ferner die Ausführungen des EuGH zur Verwertung von Medienrechten:  Die entsprechenden Vorschriften der FIFA und der UEFA sind so beschaffen, dass sie den europäischen Fußballklubs, allen auf den Medienmärkten tätigen Unternehmen und letztlich auch den (Fußball-)Konsumenten schaden, indem sie diese daran hindern, neue und potenziell innovative oder interessante Wettbewerbe zu erleben. Es sei jedoch Sache des spanischen Gerichts, zu prüfen, ob diese Regeln nicht dennoch den verschiedenen Akteuren des Sports zugutekommen würden, indem sie beispielsweise eine solidarische Umverteilung der mit diesen Rechten erzielten Gewinne gewährleisten.

Aber keine ausdrückliche Zusage zur Super League

Auch wenn die vorstehenden Ausführungen einen herben Rückschlag für die FIFA und die UEFA bedeuten (nicht zuletzt vor dem Hintergrund der konträren Einschätzung des Generalanwalts Rantos – siehe dazu hier), kann der Entscheidung des EuGH kein ausdrücklicher Startschuss für die Gründung und für die Durchführung einer Super League entnommen werden. In der Pressemitteilung wird vielmehr explizit festgehalten, dass die Ausführungen nicht bedeuten, die FIFA bzw. die UEFA müsse einen Wettbewerb wie die Super League unbedingt genehmigen. Der EuGH hat lediglich die Regelungen der FIFA und der UEFA auf ihre Unionrechtskonformität geprüft, nicht hingegen die Zulässigkeit des konkreten Vorhabens der Super League.

Um die Auswirkungen der Entscheidung tatsächlich einschätzen zu können, gilt es die Ausfertigung abzuwarten und sorgfältig zu studieren.

Sicher ist, dass die FIFA und die UEFA ihre Regeln reformieren müssen. Sie werden versuchen ein transparentes, objektives, nicht diskriminierendes und verhältnismäßiges System zu entwickeln. Ob ihnen das gelingt und ob die neuen Pläne der Super League die zu entwickelnden Genehmigungskriterien in weiterer Folge erfüllen, steht auf einem anderen Blatt. Der heutige Tag ist damit weder als Absage noch als Startschuss für die Super League in der derzeit geplanten Form zu werten. Gleichwohl werden die Initiatoren der Super League, nicht zuletzt im Lichte der konträren Einschätzung des Generalanwalts vom 15.12.2022, den heutigen Tag als (Teil-)Erfolg verbuchen.

Wir bleiben am Ball!

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