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Der sportrechtliche Jahresrückblick 2024

Der vorliegende Beitrag lässt das sportrechtliche Jahr 2024 nochmals Revue passieren. Ein Jahr, in dem vor allem innerhalb der Landesgrenzen der ein oder andere rechtliche Vorfall für Aufregung gesorgt hat. Aber auch auf europäischer Ebene stand allen voran das Diarra-Urteil unter genauer Beobachtung der ExpertInnen. Die folgenden Ausführungen können keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, sollen den Sportrechtsinteressierten aber einen Überblick bieten.

I. Internationales

Vor Jahren wurde noch kolportiert, dass Streitigkeiten im Sport außerhalb von Gerichtssälen ausgetragen werden. Diese Aussage kann heute nicht mehr aufrechterhalten werden. Obwohl für die Streitschlichtung im Sport primär die Sportgerichtsbarkeit vorgesehen ist, werden zunehmend die ordentlichen Gerichte bemüht, so gab es auch in diesem Jahr Gerichtsentscheidungen mit sportrechtlichem Bezug, die mit Spannung verfolgt werden konnten:

An der Spitze der diesjährigen EuGH-Entscheidungen steht wohl die brisante Causa rund um den ehemaligen Fußballprofi Lassana Diarra, dessen Folgen sich erst kürzlich am 23.12.2024 durch eine interimistische Anpassung der Regulations on the Status and Transfer of Players (RSTP oder auch franz. RSTJ), insbesondere hinsichtlich des Art. 17 FIFA-RSTP, äußerten. Dieser vorläufigen Änderung ging das Urteil C-650/22 vom 04.10.2024 voraus, welches sich mit einer Transferproblematik aus dem Jahr 2014 beschäftigte. Diarra stand damals bei Lokomotive Moskau unter Vertrag, nach internen Streitigkeiten kam es zu einer einseitigen Vertragsauflösung ohne wichtigen Grund, woraufhin vom Verein eine Entschädigungsleistung in Höhe von 10,5 Mio. Euro vor der FIFA-Streitschlichtungskammer (CRL) gefordert und zugesprochen wurde. Bestätigt wurde diese Entscheidung im Jahr 2016 durch den Internationalen Sportgerichtshof (CAS).

Aufgrund des Art. 17 FIFA-RSTP gestaltete sich hingegen die Suche nach einem neuen Verein unverhältnismäßig schwer, wodurch Diarra selbst eine Entschädigung in Höhe von 6 Mio. Euro verlangte. Konkret besagte Art. 17 FIFA-RSTP, dass bei einer Vertragsauflösung ohne wichtigen Grund vom neuen Verein eine Entschädigung an den alten Verein zu leisten ist und zudem neben dem Berufsspieler ein neuer Verein gesamtschuldnerisch für die Zahlung haftet. In Art. 17 Abs 4 FIFA-RSTP wurde dies mit der Vermutungsregelung erweitert, dass der neue Verein, sofern nicht das Gegenteil bewiesen werden konnte, den Berufsspieler zur einseitigen Vertragsauflösung angestiftet hat. Sanktioniert wurde dies neben finanziellen Einbußen mit einem zweijährigen Registrierungsverbot für neue Spieler.

Folglich wurde in einem Vorabentscheidungsverfahren durch den EuGH (C-650/22) bestätigt, dass die Transferregelungen der FIFA gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 AEUV und das Kartellverbot nach Art. 101 AEUV auf unionsrechtlicher Ebene verstoßen (mehr dazu in unserem Beitrag). Die FIFA zeigte sich daraufhin bereit, die RSTP entsprechend zu adaptieren und umzugestalten, sodass diese mit dem Unionsrecht vereinbar sind. Dazu gab es vorab einen öffentlichen Aufruf, wodurch Verbesserungsvorschläge an die FIFA herangetragen werden konnten und daraus resultierend ein zwischenzeitliches Regelwerk zu den RSTP kurz vor Weihnachten veröffentlicht wurde.

Darin sind Anpassungen der Berechnung der Entschädigungen bei Vertragsbrüchen, genauso wie Änderungen zur Beweislast bezüglich der gesamtschuldnerischen Haftung für derartige Entschädigungsleistungen bei Vertragsbruch und der Verleitung zu diesem, wie im Fall Diarra dargestellt, enthalten. Zudem gehen aus dem Regelwerk angepasste Bestimmungen zu internationalen Transferzertifikaten hervor (mehr dazu in den FIFA Explanatory Notes). An einer finalen Lösung wird seitens der FIFA aktuell gearbeitet. Die Wogen rund um das Bosman-Urteil 2.0 sind daher noch lange nicht geglättet.

Mittlerweile ein wiederkehrendes Thema in der internationalen Fußballbranche und in den Jahresrückblicken sind die FIFA Football Agents Regulations (FFAR), mit denen der Weltverband gewisse Mindeststandards für Football Agents (Spielervermittler) gewährleisten und die Vereinbarkeit von deren Verhalten mit den Zielen des Transfersystems prüfen wollte. Zu diesem Zweck wurden unter anderem eine Lizenz- und Fortbildungspflicht, ein Bestellerprinzip, ein Verbot von Mehrfachvertretungen sowie Provisionsobergrenzen festgelegt. Nachdem bereits das LG Dortmund und das OLG Düsseldorf den FFAR einen Riegel vorgeschoben haben und diese Rechtssache auch an den EuGH in zwei Vorabentscheidungsersuchen herangetragen wurde, hat unter diversen Landesverbänden beispielsweise auch der ÖFB die Regelungen vorerst ausgesetzt. Daraufhin hat es ihnen die FIFA gleichgemacht und begründet, man werde die Entscheidung des EuGH abwarten.

Nun gibt es aus österreichischer Sicht insofern Neuigkeiten zu den Spielervermittlerregelungen, als dass seit 02.12.2024 ein neues nationales Reglement des ÖFB für Football Agents in Kraft ist. Berücksichtigt wurde hierfür die rechtskräftige einstweilige Verfügung des LG Dortmund (8 O 1/23 (Kart)). Das neu geschaffene ÖFB-Regelwerk soll nun also die international anwendbaren FFAR ergänzen und den österreichischen Markt für Spielervermittler regulieren. Klargestellt wurde unter anderem, dass es für die Tätigkeit eines Spielerberaters in Österreich einer FIFA-Lizenz und der Absolvierung einer Prüfung bedarf. Die Bestimmungen stehen für mehr Transparenz zugunsten der vertretenen Spieler, sehen auch einen Verhaltenskodex für Agenten vor, zudem werden exklusive Vertretungsvereinbarungen als zulässig erachtet und sind diese von anderen Spielerberatern zu berücksichtigen. Nach der weiteren Niederlage der FIFA im Instanzenzug (1. Instanz: LG Dortmund, siehe oben) vor dem OLG Düsseldorf im März 2024 (U (Kart) 2/23) stehen die zwei Entscheidungen des EuGH zu den FFAR-Vorschriften und dem DFB-Reglement für Spielervermittler allerdings noch aus und dürfen im neuen Jahr 2025 erwartet werden.

Eine EuGH-Entscheidung mit Österreich-Bezug ging hingegen bereits am 07.05.2024 über die Bühne. In jenem Rechtsfall (Rs C-115/22) wurde entschieden, dass die österreichische Unabhängige Schiedskommission (USK), welche für die Überprüfung der Entscheidungen der Österreichischen Anti-Doping Rechtskommission (ÖADR) in Anti-Doping-Verfahren zuständig ist, nicht als „Gericht“ im Sinne des Art 267 AEUV einzustufen sei (siehe unser Beitrag). Ausschlaggebend war der Faktor der fehlenden notwendigen Unabhängigkeit, da der Bundesminister für Sport eine Abbestellung der Mitglieder der USK „aus wichtigen Gründen“ erwirken kann, jedoch ohne eine gesetzliche nationale Verankerung dieser Gründe. Es besteht sohin kein Schutz vor äußerlichen Druckmitteln für die Mitglieder (mehr zum Thema Doping unter III).

Vor kurzem war aus europäischer Sicht zudem ein neues „Schmankerl“ zum Thema Super League medial im Umlauf. Wie in unserem Beitrag zu lesen war, wurde der Super League vom EuGH noch keine Zu- bzw. Absage erteilt und ist der Streit um die neue Liga der Giganten noch nicht besiegelt. Umso interessanter ist der Umstand, dass kürzlich von den Befürwortern, rund um die Agentur A22 Sports Management, ein neuer Anlauf mit einem neuen Namen gestartet wurde und bereits ein Anerkennungsvorschlag bei FIFA und UEFA eingelangt ist. Der neue paneuropäische Klubfußballwettbewerb soll unter der Bezeichnung „Unify League“ veranstaltet werden und mit den Bestimmungen der UEFA im Einklang stehen. Benannt ist sie nach einer Streaming-Plattform, die alle Spiele live zeigen soll.

Der offiziellen Gründung solle nichts im Wege stehen, da die Teilnahme offen und meritokratisch (leistungsabhängig) geregelt ist und mit dem Gesamtspielplan im Einklang steht. Neu hinter der Idee ist also ein „überarbeitetes jährliches Qualifikationssystem“. Auch hierzu wird es im Laufe des neuen Jahres Neuigkeiten geben.

II. Nationales

Gerade auf nationaler Ebene gab es außerordentlich viel sportrechtlichen Betrieb im vergangenen Jahr. Auch wenn es für den SK Rapid aktuell einen sportlichen Höhenflug zu verzeichnen gibt, blickt man schmerzlich auf die Derby-Vorfälle im Frühjahr und jüngst auf die schwere Verletzung von Guido Burgstaller als rechtlich relevante Vorkommnisse zurück.

Das Aufeinandertreffen der Wiener Vereine aus Penzing und Favoriten am 25.02.2024 bleibt wohl den meisten österreichischen Fußballfans ein Begriff. Während der SK Rapid nach über 10 Jahren wieder einen Derby-Sieg vor heimischer Kulisse feiert, werfen die Sprechgesänge in den Katakomben des Block West Fragezeichen auf. In einem veröffentlichten Video ist ersichtlich, wie einzelne Vereinsfunktionäre, Spieler und Fans beleidigende Fangesänge sowie homophobe Fangesänge in Richtung der Veilchen von sich geben (mehr dazu in unserem Beitrag).

Auf eine offizielle Entschuldigung an den FK Austria Wien folgte ein Verfahren vor dem Senat 1 der Österreichischen Fußball-Bundesliga. Zu sanktionieren waren dabei nach § 111 der ÖFB-Rechtspflegeordnung die Ehrverletzung durch die Äußerungen von SK Rapid-Geschäftsführer Sport Steffen Hofmann, die Verletzung des Fairplay-Gedankens durch Maximilian Hofmann und Niklas Hedl gemäß § 111a Abs 1 der ÖFB-Rechtspflegeordnung und der Tatbestand der Diskriminierung (herabwürdigende Äußerungen in Bezug auf die sexuelle Orientierung) durch Stefan Kulovits, Guido Burgstaller, Marco Grüll und Thorsten Schick nach § 112 Abs 1 der ÖFB-Rechtspflegeordnung.

Nach Protesterhebung gegen die Entscheidung des Senat 1 in erster Instanz wurden die verhängten Strafen in zweiter Instanz wie folgt abgeändert bzw. bestätigt: Drei-Punkte-Abzug (allesamt bedingt), Funktionssperre für zwei (Steffen Hofmann) bzw. drei (Stefan Kulovits) Monate (davon jeweils ein Monat bedingt), Sperre für sechs Pflichtspiele (Guido Burgstaller, drei davon bedingt), Sperre für fünf Pflichtspiele (Marco Grüll und Thorsten Schick, davon drei bedingt), sowie eine Sperre für drei Pflichtspiele (Maximilian Hofmann, davon zwei bedingt; Niklas Hedl, allesamt bedingt).

Nach einem weiteren Vergehen hinsichtlich sicherheitsrelevanter Aspekte war von Seiten des Strafsenats der Österreichischen Fußball-Bundesliga sogar ein unbedingter Zwei-Punkte-Abzug für die, aktuell bereits laufende, Spielzeit 2024/25 vorgesehen, der jedoch im Juli 2024 vom Ständig Neutralen Schiedsgericht zur Gänze aufgehoben wurde. Der SK Rapid hat somit seine Lehren und Konsequenzen aus den Vorfällen gezogen, wurde aber im Dezember 2024 erneut mit einem ungewöhnlichen Verletzungsschock konfrontiert.

In den frühen Morgenstunden des 14.12.2024 wurde der Rapid-Kapitän Guido Burgstaller nach einem Faustschlag durch einen 23-Jährigen dermaßen schwer verletzt, dass dieser beim Sturz auf den Boden einen Schädelbasisbruch erlitt. Die Ausfallszeit nach der Attacke in der Wiener Innenstadt wurde auf mehrere Monate geschätzt. Zum Motiv des Täters hat sich die Annahme nicht bestätigt, dass fußballbezogene Umstände relevant waren, sondern ein Streitgespräch rund um Burgstallers Begleitung der Auslöser war. Der zunächst unbekannte Täter stellte sich reumütig wenige Tage später der Exekutive und wurde in U-Haft genommen.

Aufgrund der Schwere der Verletzung wurde auch von einem möglichen verfrühten Karriereende gesprochen, kurz vor dem Jahreswechsel durfte Burgstaller das Krankenhaus verlassen und befindet sich weiterhin auf dem Genesungsweg. Der Täter wurde inzwischen aus der U-Haft entlassen, diesem steht ein Gerichtsprozess vor dem Landesgericht für Strafsachen wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB bevor. Zudem geben die Ankündigungen der gewaltbereiten grünen Fangemeinde Grund zur Sorge. Eine Entscheidung in dieser Rechtssache ist also im Jahr 2025 ausständig.

Ein mediales Update gab es auch zum Antrag auf Zuerkennung der Kollektivvertragsfähigkeit beim Bundeseinigungsamt durch die Vereinigung der Fußballer (VdF) zu verzeichnen. Nachdem der Antrag in erster Instanz abgelehnt wurde, kündigte die VdF rund um ihren Vorsitzenden Gernot Baumgartner den Schritt in die zweite Instanz an, der in weiterer Folge auch vollzogen wurde. Die Causa um die Fußballer-Gewerkschaften Younion und VdF bleibt also auch über den Jahreswechsel hinweg beim Bundesverwaltungsgericht aufrecht.

Kurios war indes ein strafrechtlicher Vorfall in Vorarlberg, der sich in der Frauen-Bundesliga ereignet hat und die Unterstützung der VdF notwendig machte. So kam es bei der Spielgemeinschaft Ladies FC Lustenau/FC Dornbirn dazu, dass ein Vereinsfunktionär im Zuge einer Besprechung Spielerinnen mit einer Schusswaffe bedrohte. Dieser wurde folglich von all seinen Aufgaben entbunden, die Aufklärung ist dabei noch im Gange. Nach dem Vorfall wurden bereits fünf Vertragsauflösungen bestätigt, auch der ÖFB wurde informiert, verzichtete allerdings aufgrund des laufenden Verfahrens auf eine Stellungnahme.

Wie einst nach dem Crash im Wiener Derby zwischen Axel Lawaree und Joey Didulica wurde 2024 auf ein Foul im Amateurfußball aufmerksam gemacht, das in Verbindung mit dem Sporthaftungsprivileg steht. Jenes besagt, dass bei der Ausübung des Sports ein gewisses Maß an sportartspezifischen Risiken, besonders im Hinblick auf Verletzungen, von allen Beteiligten in Kauf zu nehmen ist. Somit können erst ab erheblichen Regelverstößen und bei über dieses Risiko hinausgehenden Verletzungen zivilrechtliche Haftungsfälle relevant werden. Das gegenständliche Vergehen reicht bis ins Jahr 2020 zurück und beschreibt einen Zusammenprall zwischen dem Unterliga-Stürmer Amir Abdel-Hamid und dem Torhüter der gegnerischen Mannschaft. Bei diesem erlitt der Tormann eine Nasenbeinfraktur, Verletzungen an den Lippen und eine Zahnverletzung, welcher daraufhin mit einer Klage auf Schmerzengeld und Ersatz der Behandlungskosten reagierte.

Nach einem vierjährigen Hin und Her zwischen den Instanzen wurde der Stürmer von der höchsten Instanz am LG St. Pölten zu einer Schadenersatzleistung von insgesamt 22.000 Euro verpflichtet. Der Aufschrei war groß, zumal nun weitere derartige Schadenersatzklagen befürchtet wurden. Jedoch sei darauf hingewiesen, dass es sich bei derartigen Rechtsfällen um Einzelfallentscheidungen handelt und Beweiswürdigungsfragen den Ausschlag geben. Der gegenständliche Schuldspruch basierte auf den Aussagen einer Linienrichterin, die bei der Foulsituation nach ihrer Wahrnehmung Absicht des Stürmers erkannte. Durch die Beweiswürdigung zugunsten dieser Zeugenaussage griff das Sporthaftungsprivileg nicht mehr und der Stürmer hat nun zivilrechtlich zu haften.

III. Sonstiges

Abgerundet wird der vorliegende Jahresrückblick mit einer Palette an sonstigen Geschehnissen, die sich im Jahr 2024 ereignet haben:

Das vergangene Jahr hatte für Sportinteressierte ein besonderes und breit gefächertes Programm mit der Austragung der Fußball-Europameisterschaft 2024 (EM 2024) in Deutschland und den Olympischen Spielen 2024 in Paris zu bieten. Die Bezeichnung als „Super-Sportjahr“ kommt nicht von ungefähr und wurde aus heutiger Sicht verdientermaßen schon vorab vergeben.

Mit der rot-weiß-roten Brille lässt sich auf eine sehr erfolgreiche EM 2024 beim Nachbar zurückblicken, bei welcher sich die ÖFB-Elf unter der Dirigentschaft von Ralf Rangnick in der vermeintlichen „Todesgruppe“ mit Frankreich, der Niederlande und Polen zum Gruppensieger krönte und die Herzen der österreichischen Fußballfans höher schlagen ließ. Umso schmerzhafter war daraufhin das plötzliche Aus im Achtelfinale (mehr dazu unten), schien doch im Turnierbaum nach dem Gruppensieg alles möglich zu sein. Die Zeit heilte auch diese Wunde und bleibt den Sportbegeisterten eine euphorische Euro in Erinnerung.

Die Bilanz der österreichischen VertreterInnen bei den Olympischen Spielen 2024 kann sich mit zwei Gold-Medaillen und drei Bronze-Medaillen ebenfalls sehen lassen. Das vorhandene Talent konnte dabei vor allem im Wasser- und, wie erwartet, im Klettersport unter Beweis gestellt werden. Wie es auch sein sollte, stand bei beiden Großereignissen der Sport im Vordergrund, wobei folglich rechtliche Zwischenfälle beleuchtet werden sollen.

Auf der Suche nach einer sportrechtlichen Thematik bei der EM 2024 wird man ausgerechnet beim Österreich-Bezwinger Merih Demiral fündig, der mit seinem Doppelpack den Viertelfinal-Einzug der türkischen Nationalmannschaft besiegelte. Der Innenverteidiger sorgte im genannten Spiel mit dem „Wolfsgruß-Jubel“ für Kritik und wurde seitens der UEFA nach den Vorkommnissen ein Untersuchungsverfahren eingeleitet. Dieses basierte auf der verbandsrechtlichen Grundlage, dass die UEFA, vergleichbar mit der FIA im Motorsport oder höherrangig mit der FIFA hinsichtlich der Regenbogen-Debatte bei der WM 2022 in Katar, keine politischen Gesten duldet und für Neutralität einsteht (Art. 1 Abs 1 der UEFA-Statuten). Im Zuge des internen Verfahrens wurde Demiral im laufenden Wettbewerb für zwei Spiele gesperrt und verpasste in weiterer Folge das Viertelfinalspiel gegen die Niederlande.

Begründet wurde dies von der UEFA damit, dass sein Verhalten die grundlegenden Regeln des guten Benehmens verletzte und der Spieler das Sportereignis für eine Kundgebung nicht-sportlicher Art genutzt und somit den Fußballsport in Verruf gebracht habe (siehe Art. 11 Abs 1 lit. a, b, c der UEFA-Rechtspflegeordnung). Eine geplante Beantragung eines Eilverfahrens durch den türkischen Fußballverband beim Internationalen Sportgerichtshof (CAS) wurde bereits vorab durch Art. 63 Abs 1 lit. b der UEFA-Statuten ausgeschlossen, worin festgehalten wird, dass für eine Sperre von zwei Spielen keine Zuständigkeit des CAS gegeben ist.

Bei den Olympischen Spielen 2024 machte aus juristischer Sicht der Boxwettkampf bei den Damen auf sich aufmerksam. Für so manche ergab sich aus den Vorwürfen an die algerische Athletin Imane Khelif ein Deja-vu im Hinblick auf die Causa rund um Caster Semenya. Die Genderproblematik war nämlich insofern gleich geartet, dass bei Semenya der erhobene Testosteronwert deutlich über dem Durchschnitt bei den Damen lag und deshalb Wettbewerbsvorteile unterstellt wurden und bei Khelif ebenfalls ein Geschlechtertest durch die IBA im Jahr 2023 zur Disqualifikation der Sportlerin bei der Box-WM 2023 führte. Da das Internationale Olympische Komitee (IOC) nicht mehr mit der International Boxing Association (IBA) kooperiert und bei den diesjährigen Spielen selbst als Veranstalter auftrat, wurde eine Teilnahme Khelifs möglich, da ausschließlich das im Pass festgestellte Geschlecht als Voraussetzung herangezogen wurde.

Die Kritik um Khelif wurde so weit gespannt, dass sogar Gerüchte verbreitet wurden, bei der Boxerin würde es sich um eine „Transfrau“ handeln, was jedoch auch anhand ihrer Geburtsurkunde keine Bestätigung erfahren hat. Imane Khelif ließ sich trotz der heftigen Diskussionen nicht von ihrem sportlichen Höhenflug abbringen und holte schlussendlich ihre Gold-Medaille im Damen-Boxen ab.

Hinsichtlich des juristischen Erfolgs von Semenya vor dem EGMR, welcher in ihrer Rechtssache (siehe dazu unseren Beitrag aus 2019) beispielsweise Verstöße gegen das Diskriminierungsverbot feststellte, wird das Geschlechterthema, die Kategorisierung von Geschlechterzugehörigkeiten sowie die Balance zwischen dem wettkampfspezifischen Fairnessgedanken und der Diskriminierung wohl auch in Zukunft weiterhin unter Beobachtung bleiben.

In diesem Jahr blieb leider die Tenniswelt nicht von klassischen sportrechtlichen Negativzeilen, die zu diversen Dopingfällen zu lesen waren, verschont. Während sich der diesjährige australische US-Open Sieger im Doppel Max Purcell freiwillig aufgrund eines Dopingvergehens durch eine erhöhte Vitamininfusion im Spital sperren ließ, geht der Dopingfall rund um die aktuelle Nummer 1 der ATP-Weltrangliste Jannik Sinner im neuen Jahr 2025 in die nächste Runde.

Sinner wurde im März zweifach positiv auf das Steroid Clostebol getestet und gab zu seiner Verteidigung ein fehlendes Verschulden sowie die unwissentliche Substanzaufnahme über die Hände seines Physiotherapeuten bei einer Behandlung an. Zunächst wurde der Weltranglistenführende von der International Tennis Integrity Agency (ITIA) freigesprochen, die World Anti Doping Agency (WADA) erhob jedoch Einspruch, womit der Dopingfall 2025 vor dem Internationalen Sportgerichtshof (CAS) in Lausanne entschieden werden soll. Im Raum steht eine Sperre von bis zu zwei Jahren, was dies für das aufstrebende italienische Talent und dessen Karriere bedeuten würde, ist wohl allen Beteiligten bewusst. Es bleibt daher gespannt abzuwarten, wie der CAS diesen Dopingfall einordnen wird.

Bei den Damen wurde hingegen inzwischen die aktuelle Nummer 2 der ATP-Weltrangliste Iga Swiatek nach einem Dopingvorfall, bei dem bei der Athletin ein verbotenes Herzmittel nachgewiesen werden konnte, für ein Monat gesperrt. Das vergleichbar geringe Strafausmaß wurde von der ITIA damit begründet, dass es sich um kein schweres Vergehen handelte. Die polnische Tennisspielerin verbüßte die Dopingsperre im Spätsommer, hatte einen Teil ihrer Preisgelder zurückzuzahlen und ist brandaktuell schon wieder beim United Cup im Einsatz.

IV. Ausblick

Der Streifzug durch das sportrechtliche Jahr 2024 hat die Vielseitigkeit der Materie Sportrecht einmal mehr unter Beweis gestellt. Wir bleiben jedenfalls dran und freuen uns auf ein spannendes Jahr 2025: Welche Änderungen bringt das Diarra-Urteil noch mit sich? Welche Auswirkungen werden die EuGH-Entscheidungen in den Rechtssachen zu den Bestimmungen der FFAR haben? Wird es zu mehr Schadenersatzklagen nach Foulspielen kommen? Wie wird sich die Genderthematik zukünftig weiterentwickeln? Welche Entscheidung trifft der CAS im Dopingfall um Jannik Sinner?

Mit diesem Ausblick wünsche ich euch ein gesundes und erfolgreiches neues Jahr – um es in Hommage an den Autor der bisherigen Jahresrückblick-Reihe Patrick Petschinka zu formulieren – bleibt am Ball!

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Der Fall Diarra: Mücke oder Elefant?

Seit zwei Wochen macht der Name eines Ex-Profifußballers in der Medienwelt die Runde, dessen Causa durch ein EuGH-Urteil vom 04.10.2024 (C-650/22) die Transferregelungen der FIFA auf den Kopf stellen könnte. Die Rede ist natürlich von Lassana Diarra, dessen Transferproblematik aus dem Jahr 2014 nun ein ganzes Jahrzehnt später für Furore sorgt und die Vereinbarkeit des FIFA-Reglements bezüglich Status und Transfer von Spielern (franz. RSTJ) mit dem Unionsrecht auf den Prüfstand stellt. Aber wagen wir zunächst einen Schritt zurück zum Ausgangsfall…

Im Hinblick auf das bevorstehende LIVE-Webinar zum EuGH-Urteil Diarra am 21.10.2024 um 18 Uhr, möchte LAW MEETS SPORTS hiermit einen Problemaufriss vermitteln und vorab auf die mit Spannung erwarteten Meinungen des Experten-Trios rund um MMag. Christina Toth, MSc, Dr. Frank Rybak und Prof. Dr. Philipp S. Fischinger, LL.M. (Harvard) verweisen! (Anmeldung siehe unten)

Die Vorgeschichte

Der ehemalige französische Profifußballer Lassana Diarra (39) war in seiner Karrierelaufbahn unter anderem für Top-Klubs wie den FC Chelsea, Real Madrid CF und den FC Paris Saint-Germain aktiv und hing vor fünf Jahren seine Fußballschuhe an den Nagel. Das nunmehr heiß diskutierte Transferdilemma setzt im Jahr 2014 an, als Diarra in Russland bei Lokomotive Moskau unter Vertrag stand. Zu jener Zeit krachte es zwischen dem Spieler und seinem damaligen Trainer Leonid Kuchuk derart, dass der Verein mit Gehaltskürzungen aus disziplinären Gründen reagierte. Dies schmeckte Diarra natürlich nicht, weshalb dieser einseitig das Vertragsverhältnis für beendet ansah. Daraufhin wurde er im Jahr 2015 von der FIFA-Streitschlichtungskammer (CRL) nach Klage von Lokomotive Moskau zu einer satten Entschädigungsleistung in Höhe von 10,5 Millionen Euro verurteilt. Grund dafür war die Vertragsauflösung ohne wichtigen Grund. Diese Entscheidung wurde in weiterer Folge im Jahr 2016 durch den internationalen Sportgerichtshof (CAS) bestätigt.

Diarra forderte daraufhin im Jahr 2015 seinerseits eine Entschädigungsleistung in Höhe von 6 Millionen Euro von der FIFA und dem belgischen Fußballverband (URBSFA) aufgrund deren Fehlverhalten in der Transfercausa, die ihm einen Schaden verursachten (siehe sogleich). Vom belgischen Handelsgericht wanderte der Fall Diarra im Instanzenzug weiter zur Cour d’appel de Mons (belgisches Berufungsgericht) und landete schlussendlich in einem Vorabentscheidungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Auf den Spuren des Bosman-Urteils

Konkret ging es im Vorabentscheidungsersuchen um die Frage, ob die Transferregelungen der FIFA gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 AEUV und das Kartellverbot nach Art. 101 AEUV auf unionsrechtlicher Ebene verstoßen. Schon nach den gegenständlichen Äußerungen des Generalanwalts war in Erwartung des Urteils für Sportrechtsinteressierte ersichtlich, dass die einschränkenden Bestimmungen Konsequenzen für den Weltfußballverband bedeuten könnten.

Hierbei ist besonders erwähnenswert, dass erstmals seit dem Bosman-Urteil (C-415/93) aus dem Jahr 1995 wieder Bewegung in die Transfergegebenheiten der FIFA kommen könnte. Damals wurden die Ablösesummen nach Vertragsende und die Beschränkung auf eine bestimmte Anzahl an ausländischen Spielern innerhalb eines Vereins für unzulässig erachtet. Die aktuelle Causa ist dahingehend ähnlich gewichtet, als sie wiederum auf das FIFA-Reglement bezüglich Status und Transfer von Spielern (franz. RSTJ) Bezug und dabei insbesondere Art. 17 RSTJ unter die Lupe nimmt. Diese Bestimmung regelt die Folgen einer Vertragsauflösung ohne wichtigen Grund, wie dies bei Lassana Diarra geschehen ist.

Es wird darin festgehalten, dass eine Entschädigung an den alten Verein zu leisten ist und zudem neben dem Berufsspieler ein neuer Verein gesamtschuldnerisch für die Zahlung zu haften hat. Zusätzlich wird nach Art. 17 Abs 4 RSTJ vermutet, dass der neue Verein, sofern nicht das Gegenteil bewiesen wird, den Berufsspieler zur einseitigen Vertragsauflösung angestiftet hat. Dies zieht vor allem neben der finanziellen Belastung eines neuen Vereins auch sportliche Sanktionen mit sich, die sich in einem zweijährigen Registrierungsverbot für neue Spieler beim Verein äußern, der nach der verankerten Vermutungsregel den Vertragsbruch angestiftet haben soll.

Anhand dieser schwerwiegenden Folgen wird klar, inwiefern Diarras Suche nach einem neuen Verein, der ihn nach dem Transferdilemma mit Lokomotive Moskau unter Vertrag nimmt, erheblich erschwert wurde und jene problematisch hinsichtlich der unionsrechtlichen Vorschriften sind. Das EuGH-Urteil vom 04.10.2024 (C-650/22) bestätigte diese mögliche Unvereinbarkeit der FIFA-Transferregeln mit dem Unionsrecht. Er verlautbarte im Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV, dass die Bestimmungen gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit verstoßen und eine Wettbewerbsbeschränkung erzielen könnten. Doch was bedeutet dies nun für die FIFA und den Transfermarkt?

Ein erster Blick in die Glaskugel

Hinsichtlich der Schadenersatzleistung in Höhe von 6 Millionen Euro an Lassana Diarra wird der Ball nun nach Beantwortung der Vorabentscheidungsfrage wiederum an das belgische Gericht zurückgespielt, das darüber entscheiden wird. Interessanter ist aus einem fußballspezifischen Blickwinkel eher, welchen Einfluss dieses EuGH-Urteil nun auf die FIFA und deren Transferbestimmungen nehmen wird.

Einem Medienbericht zufolge zeigt sich die FIFA nun bereit, die Regelungen in den RSTJ entsprechend anzupassen und derart zu gestalten, dass diese mit dem Unionsrecht vereinbar sind. Ob die EuGH-Entscheidung ähnlich große Wellen schlägt wie einst bei Bosman, stellt sich zum aktuellen Zeitpunkt als eher unwahrscheinlich dar. Es bleibt demnach abzuwarten, ob hier aus einer Mücke ein Elefant gemacht wird. Auswirkungen werden sich aber definitiv hinsichtlich der unverhältnismäßigen Strafzahlungen, der benachteiligenden Vermutungsregel und auch der verhängten Registrierungsverbote zeigen, wo es seitens der FIFA nun jedenfalls Handlungsbedarf gibt, um nicht ein weiteres Gegentor durch den EuGH zu kassieren.


Wer nun mehr über mögliche Entwicklungen nach dem EuGH-Urteil rund um Lassana Diarra erfahren möchte, darf hiermit auf das LIVE-Webinar am kommenden Montag, den 21.10.2024 um 18 Uhr hingewiesen werden!

Mehr Infos:

LIVE-Webinar zum EuGH-Urteil Diarra

Revolution des Transferrechts oder Sturm im Wasserglas?

Wann: 21.10.2024 – 18 Uhr

Wo: Online via Zoom

Die Experten:
MMag. Christina Toth, MSc, Rechtsanwältin, Wien
Dr. Frank Rybak, Fachanwalt für Sportrecht, Northeim
Prof. Dr. Philipp S. Fischinger, LL.M. (Harvard), Universität Mannheim

Für die Teilnahme ist eine Registrierung erforderlich!


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Europäische Sportgerichtsbarkeit im Fokus

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) setzte sich in seinem Urteil vom 21. Dezember 2023, Rs C-124/21 P (International Skating Union/Kommission), einerseits mit von der ISU erlassenen Regeln für die vorherige Genehmigung und die Zulassung von (Konkurrenz-)Wettbewerben und andererseits mit der „exklusiven Schiedsvereinbarung“ zugunsten des Internationalen Sportgerichtshofs (Court of Arbitration for Sport – CAS) mit Sitz in Lausanne (Schweiz) auseinander. Er betonte, dass Vorschriften wie die Regeln für die vorherige Genehmigung und die Zulassung einer wirksamen, gerichtlichen Kontrolle unterliegen müssen.

Der vorliegende Beitrag befasst sich mit der Frage, inwieweit diese EuGH-Entscheidung Auswirkungen auf die europäische Sportgerichtsbarkeit haben kann.

I. Zum Anlassfall: International Skating Union/Kommission

Die ISU ist ein Verein mit Sitz in Lausanne (Schweiz). Der ISU gehören nationale Eiskunstlauf- und Eisschnelllaufverbände an, denen ihrerseits Verbände und Vereine angeschlossen sind, zu deren Mitgliedern vor allem professionelle Sportler:innen gehören. Die ISU ist insbesondere Veranstalterin von internationalen Eislauf-Wettbewerben. Im Jahr 2015 veröffentlichte die ISU u.a. Vorschriften über die vorherige Genehmigung von Eislaufwettbewerben, die von Dritten (als Alternativwettbewerben zu denen der ISU) veranstaltet werden.

Zudem befasste sich der EuGH mit der exklusiven Schiedsvereinbarung der ISU. Nach dieser sind Sportler:innen verpflichtet, Streitigkeiten mit der ISU vor dem CAS auszutragen. Exemplarisch soll hier ein Ausschnitt der Schiedsklausel der ISU angeführt werden (Constitution and General Regulations 2022, V. Arbitration, Article 26, 1. Appeals):

„Appeals against decisions of the DC, and of the Council when allowed by explicit provision of this Constitution, may be filed with the Appeals Arbitration Division of the Court of Arbitration for Sport (CAS), Lausanne, Switzerland.”

Wie allseits bekannt ist, nimmt der Sport in vielerlei Hinsicht (sowohl national als auch international) eine besondere Stellung ein – nicht zuletzt im Bereich der Gerichtsbarkeit. Für gewöhnlich unterwerfen sich Sportler:innen durch exklusive Schiedsvereinbarungen der Zuständigkeit des CAS. Vereine und Verbände zwingen Sportler:innen diese Exklusivität de facto auf, weil Sportler:innen die Vereinbarungen in den Verbandsregularien akzeptieren müssen, um an Wettbewerben teilnehmen zu können. Im Anlassfall bestätigte der EuGH erneut, dass die (exklusive) Schiedsgerichtsbarkeit zur Streitbeilegung an sich geeignet ist.

Zur Erinnerung: Gegen Entscheidungen des CAS kann beim Schweizerischen Bundesgericht berufen werden. Dessen Entscheidungen unterliegen allerdings keinem weiteren Rechtsweg. Das Schweizerische Bundesgericht fungiert „in der Sportgerichtsbarkeit“ demnach als letztinstanzliches Gericht. Auch für diese Regelung findet sich eine Bestimmung in den Statuten der ISU (Constitution and General Regulations 2022, V. Arbitration, Article 26, 5. Finality of Decisions):

„Decisions of the CAS shall be final and binding to the exclusion of jurisdiction of any civil court. This is without prejudice to the right of appeal before the Swiss Federal Tribunal in accordance with Swiss law and the right to challenge the enforcement or recognition of an award on grounds of public policy in accordance with any applicable national procedural laws.”

Doch wie lässt sich dieses System mit den Rechtsschutzmechanismen der Europäischen Union in Einklang bringen?

II. Einschub: Rechtsschutz der Europäischen Union

Durch die Zusammenarbeit zwischen den nationalen „Gerichten“ und dem EuGH kann die Wahrung der Einheitlichkeit des Unionsrechts gewährleistet werden. Als wesentliches Instrument fungiert das Vorabentscheidungsverfahren (Art 267 AEUV). Vereinfacht gesagt, sollen dadurch nationale Richter:innen (der Mitgliedstaaten) die Möglichkeit (in manchen Fällen auch die Pflicht) haben, bei entscheidungserheblichen Fragen des Unionsrechts den EuGH, um Hilfe zu bitten. Damit soll einerseits verhindert werden, dass Unionsrecht in den Mitgliedstaaten unterschiedlich ausgelegt wird und andererseits wird damit ein wirksamer gerichtlicher Rechtsschutz gewährleistet. Das Auslegungsmonopol in unionsrechtlichen Fragen bleibt insofern dem EuGH vorbehalten.

Im vorliegenden Kontext ist insbesondere die Auslegung des Begriffes des „Gerichts“ im Sinne des Unionsrechts, welches berechtigt (oder verpflichtet) sein kann, den EuGH anzurufen, von Bedeutung. Es handelt sich um einen autonomen „Gerichts“-Begriff, der sich von dem uns – nach innerstaatlichem Recht – bekannten Begriff des B-VG unterscheidet. Der Begriff des Art 267 AEUV beinhaltet sowohl organisatorische (gesetzliche Grundlage der Einrichtung, ständiger Charakter, obligatorische Zuständigkeit, streitiges Verfahren, Anwendung von Rechtsnormen und Unabhängigkeit der Richter:innen) als auch funktionelle Komponenten (Anhängigkeit eines Rechtsstreits und Entscheidung im Rahmen eines Verfahrens, das in einer Entscheidung mit Rechtsprechungscharakter mündet).

In Österreich erfüllen die obersten Gerichte (VfGH, VwGH und OGH), die ordentlichen Gerichte, die Verwaltungsgerichte und diverse Verwaltungsbehörden, wenn sie Rechtsprechungstätigkeiten ausüben, diese Voraussetzungen. Sie können (bzw müssen) bei unionsrechtlichen Fragen den EuGH anrufen.

Am 7. Mai 2024 entschied der EuGH in einer weiteren Causa (Rs C-115/22), dass die österreichische Unabhängige Schiedskommission (USK), welche für die Überprüfung der Entscheidungen der Österreichischen Anti-Doping Rechtskommission (ÖADR) in Anti-Doping-Verfahren zuständig ist, nicht als „Gericht“ im Sinne des Art 267 AEUV einzustufen sei. Es fehle ihr am notwendigen Unabhängigkeitskriterium, so der EuGH. Die Mitglieder der USK können vom Bundesminister für Sport „aus wichtigen Gründen“ vorzeitig abbestellt werden, ohne dass diese Gründe im nationalen Recht definiert sind. Deshalb kann nicht gewährleistet werden, dass die Mitglieder der USK vor unmittelbarem oder mittelbarem Druck von außen, der Zweifel an ihrer Unabhängigkeit aufkommen lassen könnte, geschützt sind. Daraus folgt, dass die USK nicht als „Gericht“ im unionsrechtlichen Sinne angesehen werden kann (mehr dazu in einem zukünftigen Beitrag).

III. Bewertung des Anlassfalls

Das Konstrukt des Vorabentscheidungsverfahrens soll einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz und die Einheitlichkeit des Unionsrechts gewähren. Fraglich ist jedoch, wie eine Entscheidung eines Schiedsgerichts (CAS) aus einem Drittstaat (Schweiz), welche nur von einem Gericht eines Drittstaates (Schweizerisches Bundesgericht) überprüft werden kann, einzuordnen ist, wenn Unionsrecht betroffen ist.

Wie bereits erläutert, sind weder der CAS noch das Schweizerische Bundesgericht dem EuGH zur Vorlage verpflichtet, weil sie in der Schweiz liegen. So der EuGH in der diskutierten Entscheidung (Rz 223):

Außerdem sei das Bundesgericht kein Gericht eines Mitgliedstaats, sondern ein Gericht außerhalb des Gerichtssystems der Union, das nicht befugt sei, dem Gerichtshof hierzu eine Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen.”

Darüber hinaus sprach der EuGH bereits in älteren Entscheidungen (Rs 102/81, Rs C-125/04) aus, dass Schiedsgerichte, die auf Grundlage einer privatrechtlichen Vereinbarung eingerichtet sind, nicht das Kriterium der obligatorischen Zuständigkeit erfüllen. Deshalb sind Schiedsgerichte wie der CAS nicht als „Gerichte“ im Sinne des Unionsrechts anzusehen. Sie erfüllen nicht die Voraussetzungen des Art 267 AEUV.

Zusätzlich äußerte der EuGH Bedenken bezüglich der Exklusivität der Sportgerichtsbarkeit. Sportler:innen kann durch das „Nicht-Erreichen“ des EuGH der gerichtlich wirksame Rechtsschutz, welcher durch ein Vorabentscheidungsverfahren (Art 267 AEUV) gewährleistet werden soll, genommen werden. Auch diesbezüglich ist auf den genauen Wortlaut des EuGH (Rz 223) zu verweisen:

Schließlich hätten die Sportler nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts praktisch keine andere Wahl, als zu akzeptieren, dass die Streitigkeiten zwischen ihnen und der ISU dem CAS unterbreitet würden, es sei denn, sie verzichten auf die Teilnahme an allen Wettbewerben, die von der ISU oder den ihr angehörenden nationalen Eislaufverbänden veranstaltet würden, mithin letztlich auf die Ausübung ihres Berufs.

IV. Ausblick

Der Anlassfall zeigt, dass der Instanzenzug zum EuGH in sportrechtlichen Fällen – trotz eröffnetem Anwendungsbereich des Unionsrechts – nicht immer möglich ist. Das ist für Sportler:innen freilich unbefriedigend. Ob die (europäische) Sportgerichtsbarkeit zukünftig anders ausgestaltet wird, lässt sich zum aktuellen Zeitpunkt aber noch nicht sagen.

Es scheint eher unrealistisch, dass sich die Institution des CAS in einen EU-Mitgliedstaat verlegen lassen wird. Als wahrscheinlicher ist mE eine Änderung des Instanzenzuges einzustufen. Es könnte zu einer „Kompromisslösung“ zwischen dem CAS, dem Schweizerischen Bundesgericht und dem EuGH kommen. Demnach wäre etwa eine Sonderregel, welche die Überprüfung von Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgericht in sportrechtlichen Fällen mit unionsrechtlichem Bezug betrifft, denkbar. Feststeht jedenfalls, dass der organisierte Sport eine zukunftsorientiere Lösung, die den Leitplanken des EuGH entspricht, finden muss.

Es bleibt demnach mit Spannung abzuwarten, ob und wie sich die (europäische) Sportgerichtsbarkeit entwickeln wird.

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Warum die EuGH-Entscheidung noch keine Zusage zur Super League ist

(bereits in der LAOLA1-Kolumne „§port und alles was Recht ist“ erschienen)

Die gesamte Fußballbranche blickte heute Vormittag gespannt nach Luxemburg, wo der Europäische Gerichtshof (EuGH) seine Entscheidung in der Causa „Super League“ verkündete: Die Richter erteilen der Super League keine Absage. Das bedeutet aber nicht, dass ein Wettbewerb wie die Super League unbedingt genehmigt werden muss. Sicher ist hingegen, dass die FIFA und die UEFA ihre Regeln reformieren müssen.

Vorauszuschicken ist, dass die Entscheidung im Zeitpunkt der Beitragserstellung nur mündlich verkündet wurde und lediglich eine kurze Pressemitteilung des Gerichtshofs in englischer Sprache vorliegt. Erst nach Vorliegen der ausgefertigten Entscheidung können die tatsächlichen Auswirkungen eingeschätzt werden. Auf den ersten Blick birgt die Entscheidung jedoch reichlich Zündstoff.

Nochmals zur Vorgeschichte

Fußballfans erinnern sich noch gut an die Ereignisse nach der Ankündigung der Gründung einer Super League im April 2021: Mediale Empörung und Fanproteste vor den „Kathedralen“ des europäischen Fußballs ließen nicht lange auf sich warten. Und nach nicht einmal 48 Stunden schien die Super League auch schon wieder der Geschichte anzugehören. Denn neun der zwölf Gründungsmitglieder nahmen von den Plänen Abstand. Der FC Barcelona, Real Madrid und Juventus Turin ließen sich davon nicht beirren.

Die UEFA reagierte prompt und drohte den Protagonisten mit Disziplinarmaßnahmen. Diese Disziplinarmaßnahmen würden unter anderem den Ausschluss der an der Super League teilnehmenden Klubs und deren Spieler von bestimmten großen europäischen und weltweiten Wettbewerben bedingen.

Es folgte eine Feststellungsklage der European Superleague Company SL vor einem Madrider Gericht. Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die UEFA und die FIFA „als ein Kartell handeln und ihre beherrschende Stellung auf dem Markt der Veranstaltung internationaler Wettbewerbe für Fußballvereine in Europa und auf dem Markt der Kommerzialisierung der mit diesen Wettbewerben verbunden Rechte missbrauchen“, wenn sie sich der Gründung der Super League widersetzen (zur Vorgeschichte siehe bereits unseren Beitrag mit weiteren Nachweisen).

Da es in dieser Rechtssache vor allem um die Auslegung von Unionsrecht geht, hat das spanische Gericht den EuGH um eine Vorabentscheidung ersucht. Diese wurde mit Hochspannung erwartet und heute verkündet:

Vorschriften der FIFA und der UEFA stehen im Widerspruch zum Unionsrecht

Nach Ansicht des EuGH stehen die Vorschriften der FIFA und der UEFA über die vorherige Genehmigung von Fußballwettbewerben im Widerspruch zum Unionsrecht, konkret zum Wettbewerbsrecht und zur Dienstleistungsfreiheit.

Aber der Reihe nach: Der Gerichtshof stellt zunächst fest, dass bei der Veranstaltung von Fußballwettbewerben das Wettbewerbsrecht eingehalten und die Dienstleistungsfreiheit respektiert werden muss. Das gilt selbst dann, wenn die Ausübung des Sports bestimmte Besonderheiten aufweist, wie beispielsweise das Bestehen von Verbänden, die über bestimmte Regelungs- und Kontrollbefugnisse sowie über die Befugnis zur Verhängung von Sanktionen verfügen.

Im Anschluss legt der EuGH dar, dass Monopolisten, welche die Bedingungen für den Zugang potenzieller Konkurrenten am Markt festlegen, Kriterien unterliegen müssen, die transparent, objektiv, nicht diskriminierend und verhältnismäßig sein müssen. Die Befugnisse der FIFA und der UEFA unterliegen nach Ansicht des Gerichtshof (derzeit) keinen solchen Kriterien.

Die Genehmigungs-, Kontroll- und Sanktionsvorschriften der FIFA und der UEFA sind wegen ihres willkürlichen Charakters darüber hinaus als ungerechtfertigte Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs zu qualifizieren.

Besonders interessant sind ferner die Ausführungen des EuGH zur Verwertung von Medienrechten:  Die entsprechenden Vorschriften der FIFA und der UEFA sind so beschaffen, dass sie den europäischen Fußballklubs, allen auf den Medienmärkten tätigen Unternehmen und letztlich auch den (Fußball-)Konsumenten schaden, indem sie diese daran hindern, neue und potenziell innovative oder interessante Wettbewerbe zu erleben. Es sei jedoch Sache des spanischen Gerichts, zu prüfen, ob diese Regeln nicht dennoch den verschiedenen Akteuren des Sports zugutekommen würden, indem sie beispielsweise eine solidarische Umverteilung der mit diesen Rechten erzielten Gewinne gewährleisten.

Aber keine ausdrückliche Zusage zur Super League

Auch wenn die vorstehenden Ausführungen einen herben Rückschlag für die FIFA und die UEFA bedeuten (nicht zuletzt vor dem Hintergrund der konträren Einschätzung des Generalanwalts Rantos – siehe dazu hier), kann der Entscheidung des EuGH kein ausdrücklicher Startschuss für die Gründung und für die Durchführung einer Super League entnommen werden. In der Pressemitteilung wird vielmehr explizit festgehalten, dass die Ausführungen nicht bedeuten, die FIFA bzw. die UEFA müsse einen Wettbewerb wie die Super League unbedingt genehmigen. Der EuGH hat lediglich die Regelungen der FIFA und der UEFA auf ihre Unionrechtskonformität geprüft, nicht hingegen die Zulässigkeit des konkreten Vorhabens der Super League.

Um die Auswirkungen der Entscheidung tatsächlich einschätzen zu können, gilt es die Ausfertigung abzuwarten und sorgfältig zu studieren.

Sicher ist, dass die FIFA und die UEFA ihre Regeln reformieren müssen. Sie werden versuchen ein transparentes, objektives, nicht diskriminierendes und verhältnismäßiges System zu entwickeln. Ob ihnen das gelingt und ob die neuen Pläne der Super League die zu entwickelnden Genehmigungskriterien in weiterer Folge erfüllen, steht auf einem anderen Blatt. Der heutige Tag ist damit weder als Absage noch als Startschuss für die Super League in der derzeit geplanten Form zu werten. Gleichwohl werden die Initiatoren der Super League, nicht zuletzt im Lichte der konträren Einschätzung des Generalanwalts vom 15.12.2022, den heutigen Tag als (Teil-)Erfolg verbuchen.

Wir bleiben am Ball!

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