Der Fall Diarra: Mücke oder Elefant?

Seit zwei Wochen macht der Name eines Ex-Profifußballers in der Medienwelt die Runde, dessen Causa durch ein EuGH-Urteil vom 04.10.2024 (C-650/22) die Transferregelungen der FIFA auf den Kopf stellen könnte. Die Rede ist natürlich von Lassana Diarra, dessen Transferproblematik aus dem Jahr 2014 nun ein ganzes Jahrzehnt später für Furore sorgt und die Vereinbarkeit des FIFA-Reglements bezüglich Status und Transfer von Spielern (franz. RSTJ) mit dem Unionsrecht auf den Prüfstand stellt. Aber wagen wir zunächst einen Schritt zurück zum Ausgangsfall…

Im Hinblick auf das bevorstehende LIVE-Webinar zum EuGH-Urteil Diarra am 21.10.2024 um 18 Uhr, möchte LAW MEETS SPORTS hiermit einen Problemaufriss vermitteln und vorab auf die mit Spannung erwarteten Meinungen des Experten-Trios rund um MMag. Christina Toth, MSc, Dr. Frank Rybak und Prof. Dr. Philipp S. Fischinger, LL.M. (Harvard) verweisen! (Anmeldung siehe unten)

Die Vorgeschichte

Der ehemalige französische Profifußballer Lassana Diarra (39) war in seiner Karrierelaufbahn unter anderem für Top-Klubs wie den FC Chelsea, Real Madrid CF und den FC Paris Saint-Germain aktiv und hing vor fünf Jahren seine Fußballschuhe an den Nagel. Das nunmehr heiß diskutierte Transferdilemma setzt im Jahr 2014 an, als Diarra in Russland bei Lokomotive Moskau unter Vertrag stand. Zu jener Zeit krachte es zwischen dem Spieler und seinem damaligen Trainer Leonid Kuchuk derart, dass der Verein mit Gehaltskürzungen aus disziplinären Gründen reagierte. Dies schmeckte Diarra natürlich nicht, weshalb dieser einseitig das Vertragsverhältnis für beendet ansah. Daraufhin wurde er im Jahr 2015 von der FIFA-Streitschlichtungskammer (CRL) nach Klage von Lokomotive Moskau zu einer satten Entschädigungsleistung in Höhe von 10,5 Millionen Euro verurteilt. Grund dafür war die Vertragsauflösung ohne wichtigen Grund. Diese Entscheidung wurde in weiterer Folge im Jahr 2016 durch den internationalen Sportgerichtshof (CAS) bestätigt.

Diarra forderte daraufhin im Jahr 2015 seinerseits eine Entschädigungsleistung in Höhe von 6 Millionen Euro von der FIFA und dem belgischen Fußballverband (URBSFA) aufgrund deren Fehlverhalten in der Transfercausa, die ihm einen Schaden verursachten (siehe sogleich). Vom belgischen Handelsgericht wanderte der Fall Diarra im Instanzenzug weiter zur Cour d’appel de Mons (belgisches Berufungsgericht) und landete schlussendlich in einem Vorabentscheidungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Auf den Spuren des Bosman-Urteils

Konkret ging es im Vorabentscheidungsersuchen um die Frage, ob die Transferregelungen der FIFA gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 AEUV und das Kartellverbot nach Art. 101 AEUV auf unionsrechtlicher Ebene verstoßen. Schon nach den gegenständlichen Äußerungen des Generalanwalts war in Erwartung des Urteils für Sportrechtsinteressierte ersichtlich, dass die einschränkenden Bestimmungen Konsequenzen für den Weltfußballverband bedeuten könnten.

Hierbei ist besonders erwähnenswert, dass erstmals seit dem Bosman-Urteil (C-415/93) aus dem Jahr 1995 wieder Bewegung in die Transfergegebenheiten der FIFA kommen könnte. Damals wurden die Ablösesummen nach Vertragsende und die Beschränkung auf eine bestimmte Anzahl an ausländischen Spielern innerhalb eines Vereins für unzulässig erachtet. Die aktuelle Causa ist dahingehend ähnlich gewichtet, als sie wiederum auf das FIFA-Reglement bezüglich Status und Transfer von Spielern (franz. RSTJ) Bezug und dabei insbesondere Art. 17 RSTJ unter die Lupe nimmt. Diese Bestimmung regelt die Folgen einer Vertragsauflösung ohne wichtigen Grund, wie dies bei Lassana Diarra geschehen ist.

Es wird darin festgehalten, dass eine Entschädigung an den alten Verein zu leisten ist und zudem neben dem Berufsspieler ein neuer Verein gesamtschuldnerisch für die Zahlung zu haften hat. Zusätzlich wird nach Art. 17 Abs 4 RSTJ vermutet, dass der neue Verein, sofern nicht das Gegenteil bewiesen wird, den Berufsspieler zur einseitigen Vertragsauflösung angestiftet hat. Dies zieht vor allem neben der finanziellen Belastung eines neuen Vereins auch sportliche Sanktionen mit sich, die sich in einem zweijährigen Registrierungsverbot für neue Spieler beim Verein äußern, der nach der verankerten Vermutungsregel den Vertragsbruch angestiftet haben soll.

Anhand dieser schwerwiegenden Folgen wird klar, inwiefern Diarras Suche nach einem neuen Verein, der ihn nach dem Transferdilemma mit Lokomotive Moskau unter Vertrag nimmt, erheblich erschwert wurde und jene problematisch hinsichtlich der unionsrechtlichen Vorschriften sind. Das EuGH-Urteil vom 04.10.2024 (C-650/22) bestätigte diese mögliche Unvereinbarkeit der FIFA-Transferregeln mit dem Unionsrecht. Er verlautbarte im Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV, dass die Bestimmungen gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit verstoßen und eine Wettbewerbsbeschränkung erzielen könnten. Doch was bedeutet dies nun für die FIFA und den Transfermarkt?

Ein erster Blick in die Glaskugel

Hinsichtlich der Schadenersatzleistung in Höhe von 6 Millionen Euro an Lassana Diarra wird der Ball nun nach Beantwortung der Vorabentscheidungsfrage wiederum an das belgische Gericht zurückgespielt, das darüber entscheiden wird. Interessanter ist aus einem fußballspezifischen Blickwinkel eher, welchen Einfluss dieses EuGH-Urteil nun auf die FIFA und deren Transferbestimmungen nehmen wird.

Einem Medienbericht zufolge zeigt sich die FIFA nun bereit, die Regelungen in den RSTJ entsprechend anzupassen und derart zu gestalten, dass diese mit dem Unionsrecht vereinbar sind. Ob die EuGH-Entscheidung ähnlich große Wellen schlägt wie einst bei Bosman, stellt sich zum aktuellen Zeitpunkt als eher unwahrscheinlich dar. Es bleibt demnach abzuwarten, ob hier aus einer Mücke ein Elefant gemacht wird. Auswirkungen werden sich aber definitiv hinsichtlich der unverhältnismäßigen Strafzahlungen, der benachteiligenden Vermutungsregel und auch der verhängten Registrierungsverbote zeigen, wo es seitens der FIFA nun jedenfalls Handlungsbedarf gibt, um nicht ein weiteres Gegentor durch den EuGH zu kassieren.


Wer nun mehr über mögliche Entwicklungen nach dem EuGH-Urteil rund um Lassana Diarra erfahren möchte, darf hiermit auf das LIVE-Webinar am kommenden Montag, den 21.10.2024 um 18 Uhr hingewiesen werden!

Mehr Infos:

LIVE-Webinar zum EuGH-Urteil Diarra

Revolution des Transferrechts oder Sturm im Wasserglas?

Wann: 21.10.2024 – 18 Uhr

Wo: Online via Zoom

Die Experten:
MMag. Christina Toth, MSc, Rechtsanwältin, Wien
Dr. Frank Rybak, Fachanwalt für Sportrecht, Northeim
Prof. Dr. Philipp S. Fischinger, LL.M. (Harvard), Universität Mannheim

Für die Teilnahme ist eine Registrierung erforderlich!


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Mehr als Grün oder Violett – Eine Rivalität am Ende des Regenbogens

Vom Platzsturm bis Pyroshows – das ewige Duell zwischen dem SK Rapid Wien und dem FK Austria Wien schreibt schon seit einiger Zeit seine sonderbaren Geschichten, die beim neutralen Publikum nicht immer auf Verständnis stoßen. Nach einer langen Durststrecke gegen die Veilchen gelang dem SK Rapid am 25.02.2024 seit über 10 Jahren endlich wieder ein voller Erfolg in Hütteldorf und damit auch der erste Derbysieg im „neuen“ Allianz Stadion. Umso bedauerlicher ist es, dass diese sportliche Leistung des SK Rapid angesichts der Vorfälle im Anschluss an das 342. Wiener Derby nur nebensächlich in Erinnerung bleibt. Denn nach Veröffentlichung von brisanten Videos von den Feierlichkeiten der Rapid-Fans mit Funktionären und Spielern, welche beleidigende Äußerungen und homophobe Fangesänge in Richtung der Erzrivalen beinhalteten, war schnell klar, dass Konsequenzen folgen werden. Diese wurden eine Woche später, begleitet von reichlich medialem Interesse, verkündet und stießen bei der Vereinsführung des SK Rapid auf Gegenwehr.

Wie lässt sich das Ausmaß der verhängten Strafen durch den Senat 1 der Österreichischen Fußball-Bundesliga beurteilen? Und wie gelingt es nun, ein glaubwürdiges Zeichen für Vielfalt und Toleranz vom Gerhard-Hanappi-Platz aus in die österreichische Sportwelt zu senden? Pünktlich zum Ende des Grunddurchgangs und kurz nach der Entscheidung des Protestkomitees der Österreichischen Fußball-Bundesliga am vergangenen Freitag lässt LAW MEETS SPORTS die Geschehnisse nochmals Revue passieren.

Erste Frühlingsgefühle in Wien Penzing

Es sollte ein erfolgreiches Heimspiel für die Rapid-Anhänger werden, welches dem „Derby-Fluch“ im eigenen Stadion endlich ein Ende bereiten sollte. Diese Überzeugung war der Rapid-Mannschaft von Trainer Robert Klauß vor ausverkauftem Haus ab der ersten Minute anzusehen. Mit fulminantem Auftreten stellten die Grünen bereits vor der Halbzeit auf 3:0 und ließen auch in der zweiten Hälfte nichts mehr anbrennen, womit der verdiente Premierensieg eingefahren werden konnte. Der Heimerfolg gelang bei herrlichen Frühlingstemperaturen, bei welchen die Veilchen sportlich jedoch nicht aufblühen konnten. Der Nachmittag war geprägt von einer einzigartigen Atmosphäre beider Fanlager, die sowohl im Gästesektor als auch im Block West mit Choreografien und Bengalos ihre Mannschaften auf dem Rasen vorantrieben. Nach dem Schlusspfiff feierten die Rapid-Fans gemeinsam mit dem Team den Sieg – doch damit nicht genug.

Ein Video kommt selten allein

Bereits einen Tag nach dem Wiener Derby kursierte im Laufe des Vormittags auf Social Media ein Video von SK Rapid-Geschäftsführer Steffen Hofmann, welches diesen mit einem Megafon vor versammelter Fangemeinde in den Katakomben des Block West neben Verteidiger Maximilian Hofmann stehend zeigte. Unter dem Jubel der Fans sprach der Funktionär Folgendes ins Megafon: „Ich bin sehr froh, dass wir alle da sind. Leider Gottes, haben wir es nicht geschafft in der zweiten Halbzeit, die ‚Oaschlecha‘ so richtig abzuschießen!“. Dieser verbale Angriff galt als Grußbotschaft an die Mannschaft vom Verteilerkreis aus Favoriten, die sich im Derby geschlagen geben musste. Diese Äußerung blieb aber nicht die einzige, die für Schlagzeilen sorgte. Denn kurze Zeit später wurde ein weiteres Video geleaked, in welchem neben Co-Trainer Stefan Kulovits auch Kapitän Guido Burgstaller, Marco Grüll, Thorsten Schick und Niklas Hedl zu sehen waren. Einem Fangesang folgend, brüllte Stefan Kulovits mehrmals Folgendes in ein Megafon: „Wir sind keine ‚oaschwormen‘ Veilchen!“. Diese homophoben Zeilen an den Erzrivalen wurden von den anwesenden Spielern des SK Rapid ebenfalls lauthals in die Menge geschrien und von der Anhängerschaft der Hütteldorfer frenetisch gefeiert.

Die Reaktionen auf die verbalen Entgleisungen ließen nicht lange auf sich warten und der SK Rapid brachte sich damit um seine eigenen sportlichen Lorbeeren, zumal der Heimsieg abrupt in den Hintergrund gerückt ist. Steffen Hofmann bezog in einem holprig formulierten Statement Stellung, wonach die Worte nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, aber unabhängig davon unpassend gewesen seien. Außerdem nahm er auch bereits am Montag nach den Vorfällen Kontakt zum FK Austria Wien in Person von Sportdirektor Manuel Ortlechner auf. Dabei entschuldigte er sich für seine Wortwahl und zeigte sich einsichtig, dass diese Wortmeldung bei aller Rivalität unangebracht gewesen sei. Die besungenen Veilchen nahmen dies zur Kenntnis. Jene reumütige Ansicht des Geschäftsführers vertraten auch weitere Beteiligte, die sich ebenfalls in den sozialen Netzwerken für ihr Verhalten entschuldigten. Am Dienstag folgte ein offizielles Statement des Vereins, in welchem sich zusätzlich der Präsident Alexander Wrabetz und die Vizepräsidentin Edeltraud Hanappi-Egger zu Wort meldeten. Darin wurden die homophoben Äußerungen aufs Schärfste verurteilt und auf die Werte sowie das Leitbild des Klubs aufmerksam gemacht.

Das Gesagte konnte damit jedoch nicht rückgängig gemacht werden und die mediale Aufmerksamkeit nahm rasant zu. Während ÖFB-Präsident Klaus Mitterndorfer und Sportminister Werner Kogler mit berechtigter Kritik aufhorchen ließen, eröffnete die Österreichische Fußball-Bundesliga am Dienstag das Verfahren gegen Steffen Hofmann sowie den SK Rapid und dessen beteiligte Spieler und Co-Trainer. Es wurde beim Senat 1 Anzeige gegen sämtliche Beteiligte erstattet und den Beteiligten die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt.

Was sieht der Regulator in solchen Situationen vor?

Aus juristischer Sicht verstößt das Verhalten der Funktionäre und Spieler des SK Rapid gegen die ÖFB-Rechtspflegeordnung. Im Speziellen werden dabei die in Teil 6 unter den besonderen Bestimmungen für die Strafausschüsse in Kapitel II angeführten Tatbestände bezüglich „Ehrverletzung, Fairnessgebot und Diskriminierung“ herangezogen.

Für die Beleidigung des SK Rapid-Geschäftsführers Steffen Hofmann wird die Ehrverletzung iSd § 111 der ÖFB-Rechtspflegeordnung tragend, für welchen als „Offiziellen“ Abs 2 Anwendung findet:

  • (1) Wer insbesondere durch beleidigende Gesten oder Äußerungen eine andere Person in ihrer Ehre verletzt, wird mit einer Sperre von 2 bis 12 Pflichtspielen bestraft. Zusätzlich kann eine Geldstrafe von € 50,– bis € 2.000,– verhängt werden.
  • (2) Offizielle, die ein Vergehen nach Abs. 1 begehen, werden mit einer Funktionssperre von 1 bis 6 Monaten und/oder einer Geldstrafe von € 100,– bis € 2.000,– bestraft.

Eine Verletzung des Fairplay-Gedankens kommt für die Spieler Maximilian Hofmann und Niklas Hedl in Frage, welche in den veröffentlichten Videos zu sehen sind, hinsichtlich ihrer Teilnahme am Geschehen aber zurückhaltender agierten als ihre Mitspieler. Ihnen kann daher § 111a Abs 1 der ÖFB-Rechtspflegeordnung zur Last gelegt werden:

  • (1) Wer gegen die Prinzipien des Fairplay bzw. der Sportlichkeit verstößt, kann, sofern dieses Vergehen nicht einen anderen Tatbestand erfüllt, mit folgenden Sanktionen bestraft werden:
  • a) Ermahnung;
  • b) Sperre von 1 bis 12 Pflichtspielen;
  • c) Funktionssperre von einem Monat bis einem Jahr;
  • d) Geldstrafe von € 50,- bis zu € 15.000,-;
  • e) Austragung eines oder mehrerer Spiele unter Ausschluss eines Teiles oder der gesamten Öffentlichkeit;
  • f) Abzug von Punkten;
  • g) Wettbewerbsausschluss;
  • h) Zwangsabstieg;
  • i) Ausschluss aus dem Verband.

Zu guter Letzt ist auf den Tatbestand der Diskriminierung hinzuweisen, welcher durch die homophoben Sprechchöre hinsichtlich herabwürdigender Äußerungen in Bezug auf sexuelle Orientierung von Co-Trainer Stefan Kulovits und den Spielern Guido Burgstaller, Marco Grüll und Thorsten Schick sowie den SK Rapid als Klub verwirklicht wurde. Während für die Spieler und den Co-Trainer § 112 Abs 1 gilt, ist auf den Klub § 112 Abs 2 der ÖFB-Rechtspflegeordnung anwendbar:

  • (1) Wer eine Person oder eine Gruppe von Personen durch herabwürdigende, diskriminierende oder verunglimpfende Äußerungen oder Handlungen (in welcher Form auch immer) in Bezug auf Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, Geschlecht, Behinderung, sexuelle Orientierung, ethnische, nationale oder soziale Herkunft, politische Meinung oder aus sonstigen Gründen in seiner bzw. ihrer Würde oder Integrität verletzt, wird für mindestens 5 Pflichtspiele gesperrt bzw. erhält eine entsprechende Funktionssperre. Zusätzlich können ein Stadionverbot und/oder eine Geldstrafe in der Höhe von mindestens € 1.000,– verhängt werden. Bei einem Offiziellen, der sich dieses Vergehens schuldig macht, beträgt die Geldstrafe mindestens € 1.500,-.
  • (2) Verletzen mehrere Personen (Offizielle und/oder Spieler) desselben Vereines Abs. 1 oder liegen anderweitige gravierende Umstände vor, können der betreffenden Mannschaft bei einem ersten Vergehen drei Punkte und bei einem zweiten Vergehen sechs Punkte abgezogen werden; bei einem weiteren Vergehen kann ein Zwangsabstieg ausgesprochen werden. In Spielen ohne Punktevergabe wird die entsprechende Mannschaft, sofern zuordenbar, vom Bewerb ausgeschlossen.

Aus dieser Bestimmung könnte zudem auch Abs 5 von Bedeutung sein (mehr dazu unten), wo es heißt:

  • (5) Die genannten Sanktionen können im Bedarfsfall mit spezifischen Maßnahmen verbunden werden, die geeignet sind, diskriminierendem Verhalten entgegenzuwirken.

Die Zahlen & Fakten zur Entscheidung

Nach einer ausführlichen Stellungnahme des Klubs und der Präsentation eines Maßnahmenkatalogs des SK Rapid folgte am 04.03.2024, also etwas mehr als eine Woche nach den Vorfällen, die Entscheidung des Senat 1 der Österreichischen Fußball-Bundesliga, welcher in erster Instanz folgende Strafen verhängte:

SK Rapid                           Abzug von drei Punkten (allesamt bedingt)

Steffen Hofmann               Funktionssperre für zwei Monate (davon ein Monat bedingt)

Stefan Kulovits                  Funktionssperre für drei Monate (davon ein Monat bedingt)

Guido Burgstaller              Sperre für sechs Pflichtspiele (davon drei Spiele bedingt)

Marco Grüll                       Sperre für sechs Pflichtspiele (davon drei Spiele bedingt)

Thorsten Schick                Sperre für fünf Pflichtspiele (davon drei Spiele bedingt)

Maximilian Hofmann         Sperre für drei Pflichtspiele (davon zwei Spiele bedingt)

Niklas Hedl                       Sperre für drei Pflichtspiele (davon zwei Spiele bedingt)

Alle Spieler sowie der Co-Trainer sind zusätzlich dazu verpflichtet worden, an weiterbildenden Workshops zum Thema Diskriminierung teilzunehmen (drei Workshops zu jeweils 60 Minuten in den nächsten 12 Monaten).

Aus der Entscheidung des Senat 1 folgt, dass die Spieler Maximilian Hofmann und Niklas Hedl zunächst jeweils für ein Spiel, Thorsten Schick für zwei Spiele sowie Marco Grüll und Guido Burgstaller für jeweils drei Spiele nicht im Kader des SK Rapid aufscheinen und ihrer Mannschaft allesamt im wichtigen Kampf um die Meistergruppe im letzten Spiel gegen den SK Austria Klagenfurt nicht zur Verfügung stehen sollten. Diese Strafen wurden nämlich unbedingt ausgesprochen und sind sofort ohne aufschiebende Wirkung zu verbüßen. Die bedingten Anteile der Strafen werden ihnen nachgesehen und kommen erst bei einem weiteren Vergehen zu tragen, wenn die Akteure bis März 2026 (24 Monate) abermals gegen die ÖFB-Rechtspflegeordnung verstoßen.

Zur Funktionssperre ist Folgendes festzuhalten: Steffen Hofmann und Stefan Kulovits sind durch ihre Strafen ab 30 Minuten vor Spielbeginn bis zum Schlusspfiff vom Spielbetrieb ausgeschlossen und dürfen folglich beispielsweise nicht an Aktivitäten am Spielfeldrand, im Spielertunnel, auf der Ersatzbank oder auch in der Mannschaftskabine teilhaben.

In der Begründung zur Entscheidung wurde zusammenfassend festgehalten, dass die Videoinhalte in keinerlei Einklang mit den Werten der Österreichischen Fußball-Bundesliga stehen. Die glaubhafte Darlegung, dass den Akteuren und dem Klub die Vorkommnisse sehr leidtun, wurde bei der Entscheidung jedenfalls berücksichtigt. Zudem wurde auch der vorgelegte Maßnahmenkatalog des SK Rapid und die Bereitschaft für die Workshopteilnahme als positiv beurteilt.

Die „schon sehr harten“ Strafen im Überblick

Der SK Rapid fasste das Strafausmaß bei einer außerordentlichen Pressekonferenz am Tag nach der Entscheidung in Person von Präsident Alexander Wrabetz als „schon sehr hart“ auf, vor allem hinsichtlich der Strafen für die Spieler, und verkündete zugleich, dass man Protest beim Protestkomitee einlegen werde.

Mit Blick auf die zuvor genannten §§ 111a und 112 der ÖFB-Rechtspflegeordnung kann abgewogen werden, ob es sich dabei tatsächlich um „schon sehr harte“ Strafen für die Spieler handelt oder der Senat 1 den Bestimmungen entsprechend angemessen agierte. Hinsichtlich der Spielsperren ist eben zwischen der Verletzung des Fairplay-Gedankens in § 111a und dem Tatbestand der Diskriminierung in § 112 Abs 1 zu unterscheiden. Die Vergehen der Spieler Maximilian Hofmann und Niklas Hedl wurden iSd Verletzung des Fairplay-Gedankens mit Spielsperren von jeweils 3 Partien (zwei davon bedingt) geahndet, wobei sich der Strafrahmen von 1 bis 12 Pflichtspiele bewegt und die Sperre daher noch im unteren Bereich angesiedelt ist. Für die strengere Beurteilung der Diskriminierung haben die Spieler Guido Burgstaller und Marco Grüll eine Sperre von 6 Partien und der Spieler Thorsten Schick eine Sperre von 5 Partien ausgefasst, denen allen jeweils drei Spiele bedingt nachgesehen wurden. Wenn hier die Bestimmung genau unter die Lupe genommen wird, liegt das Mindeststrafausmaß bei 5 Spielen und bewegt sich dahingehend eindeutig im untersten Bereich. Inwiefern die Sperren also „schon sehr hart“ sind, darf demnach jede/r Leser/in für sich beantworten.

Die Strafen für den Klub, Geschäftsführer Steffen Hofmann und Co-Trainer Stefan Kulovits wurden vom Präsidenten nicht explizit als unangemessen beurteilt. Hierbei orientierte sich der Senat 1 ebenso am Mindestmaß, indem er für das erste Vergehen einen bedingten Drei-Punkte-Abzug nach § 112 Abs 2 aussprach und sich die Funktionssperren ebenso am unteren Limit des Strafrahmens (laut § 111 Abs 2 von 1 bis 6 Monate) bei Hofmanns zweimonatiger Abwesenheit (davon ein Monat bedingt) und Kulovits dreimonatiger Sperre (davon ein Monat bedingt), im Vergleichsmaßstab zu einer Mindestsperre eines vergleichbaren Spielers von 5 Pflichtspielen, bewegen. Die Absolvierung der Workshops für Spieler und Co-Trainer gründen auf § 112 Abs 5 der ÖFB-Rechtspflegeordnung und wurden nach freiem Ermessen als spezifische Maßnahmen angeordnet.

Einen ähnlichen Diskriminierungsvorfall im September 2023 in Frankreich, bei welchem die Spieler Dembele, Hakimi, Kolo Muani und Kurzawa von Paris Saint-Germain nach homophoben Fangesängen auf dem Spielfeld für jeweils ein Spiel bedingt gesperrt wurden, zog Präsident Alexander Wrabetz zwar in der Pressekonferenz zur Gegenüberstellung heran, ist aber aufgrund der unterschiedlichen Rechtslage in Österreich und Frankreich nur bedingt vergleichbar. In diesem Sinne könnte laut Aussage vom Vorstandsvorsitzenden der Österreichischen Fußball-Bundesliga Christian Ebenbauer genauso argumentiert werden, dass in den FIFA-Regularien für derartige Tatbestände, beispielsweise bei einer Fußball-WM, Sperren im Ausmaß von 10 Spielen in Betracht kommen. Wir bleiben bezüglich der Vorfälle nach dem Wiener Derby aber bei den Bestimmungen des österreichischen Regulators und in diesem Bereich gibt es bislang keine Vergleichsfälle zu verzeichnen.

Abmilderung in der Verlängerung

Nun folgte nach Protesterhebung die Entscheidung des Protestkomitees am vergangenen Freitag, wodurch die Strafen in zweiter Instanz wie folgt abgeändert wurden:

Marco Grüll                    Sperre für fünf Pflichtspiele (davon drei bedingt)

Niklas Hedl                     Sperre für drei Pflichtspiele (allesamt bedingt)

Die Strafen der restlichen Beteiligten wurden vollumfänglich bestätigt. Durch die Abmilderung der beiden Strafen ergibt sich daraus nun der Umstand, dass Stammtorhüter Niklas Hedl beim abschließenden Entscheidungsspiel um die Meistergruppe spielberechtigt war und Marco Grüll nur zwei anstatt drei Spiele nicht bestreiten darf.

Begründet wurde diese Entscheidung in zweierlei Hinsicht: Erstens kam dem Spieler Marco Grüll der Vergleich mit seinem Kapitän zugute, weil dessen besondere Rolle und Vorbildwirkung strengere Maßnahmen erfordern. Andererseits wurde bei Torhüter Niklas Hedl sein „junges Alter“ berücksichtigt, genauso wie die Tatsache, dass dieser in den veröffentlichten Videos am wenigsten aktiv beteiligt war.

Somit profitierte der SK Rapid durchaus von der Protesterhebung, eine Fortsetzung in dritter Instanz vor dem Rechtsmittelsenat zeichnet sich als eher unwahrscheinlich ab.

Letzten Sonntag gastierte der SK Rapid sodann ohne die Leistungsträger Kapitän Guido Burgstaller und Marco Grüll in Klagenfurt. Demgegenüber konnte Stammtorhüter Niklas Hedl durch die Abänderung seiner Strafe zwischen den Pfosten stehen und hielt gegen den SK Austria Klagenfurt mit wichtigen Paraden das Unentschieden fest. Dieses Ergebnis sicherte beiden Teams die Teilnahme an der Meistergruppe und ließ den FK Austria Wien trotz Heimerfolgs in der Qualifikationsgruppe zurück. Fürs Erste konnte also die Meistergruppenqualifikation von einer sehr jungen Mannschaft über die Ziellinie gerettet werden. Wie sich die Strafen für den SK Rapid nach der Punkteteilung und Neuauslosung bei den kommenden Begegnungen mit dem LASK und dem TSV Hartberg auswirken, wird sich erst zeigen. Aber spätestens beim schwierigen Auswärtsspiel am 07.04.2024 gegen Spitzenreiter Red Bull Salzburg stehen den Hütteldorfern wieder alle Kräfte auf Spielerseite zur Verfügung.

Zeit für ein Umdenken

Abseits des juristischen Blickwinkels hat sich anhand dieser Vorfälle gezeigt, welche Problemzonen der österreichische Fußball generell zu bewältigen hat und welche Grenzen der Fankultur zu setzen sind. Denn neben den diskriminierenden Fangesängen macht dem Klub neuerdings auch ein unbedingter Zwei-Punkte-Abzug für die Spielzeit 2024/25 zu schaffen, welcher auf sicherheitsrelevante Aspekte und die missbräuchliche Verwendung von Pyrotechnik in der Fanszene zurückgeht. Der SK Rapid hat folglich mit einem Imageschaden zu kämpfen und musste sich bereits von seinem Premiumpartner MVC Motors verabschieden, welcher die Zusammenarbeit nach den Vorkommnissen beim Derby mit sofortiger Wirkung beendete. Zudem gab es viel Gegenwind für den beteiligten Marco Grüll, welcher im Sommer zum SV Werder Bremen wechseln wird und dort bereits vorab den Unmut der Fans abbekommt.

Für Marco Grüll, Guido Burgstaller und Niklas Hedl hat der Auftritt ein weiteres Nachspiel: Sie wurden von ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick nicht im Kaderaufgebot für die kommenden Länderspiele berücksichtigt, sodass auch der Traum von der EM 2024 für diese Spieler zu platzen droht. Ein neu aufgetauchtes Video aus dem grünen VIP-Klub mit anderen Beleidigungen wird laut Senat 1 für die Spieler keine weiteren Wellen schlagen, da die Vergehen von Grüll, Hedl und Schick bereits abgeurteilt wurden.

Das Bild, welches alle Beteiligten durch diesen Vorfall abgeben, hat enormen Einfluss auf deren Vorbildwirkung. Dass sich Vereinsverantwortliche in den höchsten Positionen dazu verleiten lassen, solche Bemerkungen von sich zu geben, hat es in dieser Form im österreichischen Fußball noch nicht gegeben und stellt nicht zuletzt berechtigte Fragen bezüglich Professionalität und Gesamteindruck eines Klubs. Zudem orientieren sich viele Fans, vor allem in jungen Jahren, an den Idolen, denen sie im Stadion zujubeln. Genau diese werden mit solchen Aktionen bitter enttäuscht, wenn die Profisportler ihre Vorbildfunktion derart missachten. Da ist der Frauenfußball dem Männerfußball um einiges voraus, wo sexuelle Orientierung als Tabuthema schon lange der Vergangenheit angehört und stets für Toleranz eingestanden wird.

Ja, der Fußball lebt von seinen Emotionen. Ja, der Fußball braucht seine traditionsreichen Duelle. Und ja, der Fußball zeichnet sich durch seine Vielfalt und seine besondere Fähigkeit, Menschen zu verbinden, aus. Genau deshalb sind diskriminierende Äußerungen, wie sie nach dem Wiener Derby gefallen sind, absolut fehl am Platz. Natürlich gab es Entschuldigungen und in denen wurde darauf verwiesen, dass die wahre Intention hinter den Sprechgesängen nicht tatsächlich auf homophobe Einstellungen hinweist. Dadurch eine Verharmlosung der Situation zu bewirken, kann aber nicht die logische Konsequenz sein. Vielleicht kann die Österreichische Fußball-Bundesliga die Derby-Causa als Präzedenzfall für die Zukunft nutzen und als klares Zeichen für ein Umdenken heranziehen. Dann kann es gelingen, dass in den gegenüberstehenden Fanlagern nicht mehr alles nur mit grüner oder violetter Brille gesehen wird, sondern auch weitere Farben des Regenbogens sichtbar gemacht werden.

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Stock-Foto ID: 171801584

Investorenbeteiligung vs. deutsche Fanszene – Hintergründe, Probleme und Ergebnis

Gastbeitrag von Benedikt Winkler (Universitätsassistent am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien)

Tennisbälle, Schokomünzen, ferngesteuerte Autos und Flugzeuge: Was verbindet diese Dinge? Auf den ersten Blick nicht viel, außer, dass sie höchstwahrscheinlich viele Kinderaugen zum Leuchten bringen würden. Einen Vorteil bei der Beantwortung dieser Frage haben aufmerksame Zuschauer der Deutschen Fußball Bundesliga. So wurden bereits sämtliche dieser Dinge als Protestmittel gegen eine Investorenbeteiligung im Zusammenhang mit der Deutschen Fußballiga (DFL) eingesetzt, um ihrem Anliegen Aufmerksamkeit zu verschaffen. Doch worum geht es hier eigentlich genau und warum wirft all dies ein neues Licht auf die 50+1 Regel?

Investor als Heilsbringer für die DFL?

Es ist nichts Neues, dass Geld und die Steigerung des Umsatzes einen bedeutenden Platz in der Fußballwelt einnehmen; ebenso wenig neu ist die Ablehnung, die einige Fans dem entgegenbringen. Ein Großteil des an die Vereine fließenden Geldes wird durch die Vermarktung von Übertragungsrechten erwirtschaftet. In Deutschland obliegt die Vermarktung der Rechte an Bundesliga und 2. Bundesliga der DFL GmbH, welche wiederum die operativen Geschäfte ihres Alleingesellschafters – dem DFL e.V. – ausübt. Mitglieder im DFL e.V. sind all jene 36 Fußballvereine, die einer der beiden obersten deutschen Spielklassen angehören.

Auslöser der gegenständlichen Problematik ist das Bestreben der DFL, neue internationale Märkte zu erschließen und eine neue digitale Plattform aufzubauen, um dadurch die erwirtschafteten Umsätze der DFL zu stärken. Das dafür benötigte Geld soll durch einen Investor akquiriert werden, konkret soll es um eine Milliarde Euro gehen. Als Gegenzug wird dieser „strategische Partner“ an bis zu 8 % der Erlöse der neu zu gründenden DFL MediaCo GmbH & Co. KGaA beteiligt, deren Kernaufgabe die Vermarktung der Medienrechte und zentraler Sponsoring und Lizenzrechte der Bundesliga sowie der 2. Bundesliga sein soll. Präventiv wurden dafür einige unverhandelbare Punkte für die DFL festgelegt, darunter etwa: kein Verkauf von Anteilen am DFL e.V. oder der DFL GmbH, sondern eine zeitlich beschränkte Beteiligung an Lizenzerlösen; dem Investor kommt auch kein Mitspracherecht bei der Festlegung der Spielplanung (Stichwort: Ansetzung von Pflichtspielen im Ausland) und Anstoßzeiten zu. Die Frage, ob der Geschäftsführung des DFL e.V. das Mandat zum Abschluss dieses Geschäftes erteilt wird, wurde am 11.12.2023 einer Abstimmung durch alle Mitgliedervereine unterzogen.

Die Kritikpunkte

Der Unmut der Fans stützt sich auf eine Vielzahl an Gründen, die sich grob in drei Themengebiete unterscheiden lassen: Erstens werden generell das Konzept des Einstiegs eines Investors sowie die dahinter liegenden Gründen abgelehnt (Stichwort: Kommerzialisierung des Fußballs). So wird generell die Notwendigkeit einer Digitalisierung und Internationalisierung der deutschen Fußballigen in Frage gestellt und die Befürchtung geäußert, dass ein Investor – trotz der oben angeführten unverhandelbaren Punkte – dennoch großen Einfluss auf die zukünftige Gestaltung der Ligen nehmen kann. Zweitens richtet sich die Kritik gegen die potenziellen Investoren selbst und dabei vor allem gegen die Herkunft des dahinterstehenden Geldes (einzig verbleibender Verhandlungspartner war nunmehr das Private-Equity-Unternehmen CVC, nachdem sich Blackstone zurückgezogen hat). Hinter CVC steht unter anderem der Staatsfond Saudi-Arabiens und somit das Kapital eines Landes, welches immer wieder in starker Kritik wegen Verstößen gegen die Menschenrechte steht. Drittens besteht große Missbilligung an der Durchführung der Abstimmung des DFL e.V. selbst. So wird insbesondere die Durchführung einer geheimen Abstimmung an sich sowie die Stimme von Martin Kind als Aushöhlung der 50+1-Regel bemängelt. Im Ergebnis mündeten all diese Punkte in die Protestaktionen vieler Fanszenen.

Eine „geheime“ Abstimmung mit Nachspiel

Auf Antrag eines Präsidiumsmitgliedes wurde – obwohl dies grundsätzlich gemäß § 28 Abs 1 Satzung DFL e.V. (alle weiteren § beziehen sich auf dieses Satzung) nur für Wahlen vorgesehen ist – geheim abgestimmt. Nichtsdestotrotz konnte durch nachgehende Äußerungen von Vereinen deren Stimmverhalten mit großer Wahrscheinlichkeit eruiert werden, wodurch sich folgendes Ergebnis abzeichnete: 24 zu 10 Stimmen für einen Investor bei zwei Enthaltungen. Damit galt das Mandat als erteilt. Für das Zustandekommen eines Beschlusses gemäß § 27 Abs 2 genügt nämlich grundsätzlich die einfache Mehrheit der gültig abgegebenen Stimmen bei Anwesenheit von zumindest der Hälfte der Mitgliedervereine. Für den Erfolg der hier interessierenden Abstimmung bedarf es in Abkehr davon jedoch nach § 25 Abs 2 lit g explizit einer Zweidrittelmehrheit der gültig abgegebenen Stimmen.

Bereits auf einem ersten Blick in die DFL-Statuten offenbart sich folgende Unstimmigkeit: Im Widerspruch zum Erfordernis, dass die Stimmen „gültig abgegeben“ sein müssen, hält § 27 Abs 6 generell für Beschlussfassungen mit qualifizierter Mehrheit fest: „[…] ungültige Stimmzettel [gelten] als abgegebene Stimmen“. Dieser Konstruktion ist eine semantische Eigentümlichkeit immanent, welche sich bei genauerer Betrachtung verdeutlicht. So normiert § 27 Abs 6 zwar die Fiktion einer abgegebenen Stimme; ob diese aber als „gültig“ iSd § 25 Abs 2 lit g zu sehen ist, kann bezweifelt werden. Im Endeffekt kann die Lösung dieses Problems nur mittels Interpretation erfolgen. Aus systematischen Gründen sprechen gute Punkte dafür, das Wort „gültig“ in § 25 Abs 2 lit g iVm § 27 Abs 6 zu lesen und somit auch eigentlich ungültig abgegebene Stimmen als Votum gegen den Beschluss zu zählen.

Ein wichtiger Puzzlestein für das Verständnis des Unmutes der Fans ist die abgegebene Stimme des Hannover 96 Geschäftsführers Martin Kind. Freilich wurden diese geheim abgegeben, dennoch kann aus dem offengelegten Stimmverhalten anderer Clubs geschlussfolgert werden, dass er aller Voraussicht nach für die Erteilung des Mandates gestimmt hat. Aus zweierlei Gründen hat die Stimme Brisanz: Erstens war – den deutschen Medien zufolge – die Stimme das Zündleien an der Waage, um die notwendige Stimmenmehrheit (24 von 36) zu erlangen. Zweitens votierte er gegen die ausdrückliche Weisung des Hannover 96 e.V. mit „Nein“ zu stimmen, was möglicherweise einer Verletzung der 50+1-Regel gleichkommt.

Warum das Gros der deutschen Medien, wie etwa die Sportschau, davon ausgeht, dass 24 positive Stimmen für das Zustandekommen des Beschlusses erforderlich sind, ist nicht vollends verständlich. Eine detaillierte Analyse des Wahlvorganges kann an dieser Stelle aufgrund der Intransparenz der Wahl nicht durchgeführt werden. Dennoch offenbart sich eine spannende Konstellation im Zusammenhang mit der nach außen getragenen Stimmenthaltung zweier Vereine, die zumindest Fragen aufwirft. Folgt man den obigen Ausführungen, werden sämtliche abgegebenen Stimmen (egal ob gültig oder ungültig) zusammengerechnet und innerhalb dieser müssen zwei Drittel dem Beschluss zustimmen; wenn sämtliche Vereine von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen folglich 24 von 36 Zustimmungen. Für die konkrete Beschlussfassung enthielten sich jedoch zwei Vereine ihrer Stimme. Dies als „ungültigen Stimmzettel“ iSd § 27 Abs 6 zu sehen, überschreitet wohl den äußerst möglichen Wortsinn und somit verringert sich die absolute Zahl der abgegebenen Stimmen. Für die geforderte Mehrheit bedarf es demnach „nur“ 23 von 34 Stimmen, was im Ergebnis bedeutet, dass die Stimme von Martin Kind kein ausschlaggebender Faktor war, ganz anders als in vielen deutschen Medien berichtet wird. Aus Mangel der Veröffentlichung der offiziellen Ergebnisse handelt es sich hierbei freilich nur um Mutmaßungen, möglich wäre auch, dass die beiden Vereine einen leeren Stimmzettel abgegeben haben, sodass dies einer Gegenstimme gleichkommen würde. In einem solchen Fall von einer „Enthaltung“ zu sprechen, scheint jedoch widersprüchlich. Am Ergebnis ändert diese jedenfalls nichts und somit wurde die Tür für eine Investorenbeteiligung geöffnet.

50+1 erneut auf dem Prüfstand

Das potenziell weisungswidrige Stimmverhalten von Martin Kind könnte zudem weitreichende Folgen für die Organisation des deutschen Profifußballs nach sich ziehen. So gilt in Deutschland – als einzige der europäische Top 5 Ligen – die 50+1 Regel (siehe dazu bereits folgenden LMS-Beitrag): Gemäß § 8 Abs 3 muss der Mutterverein in der Regel die Mehrheit der Stimmrechte an jener Kapitalgesellschaft halten, in welche die Profi-Fußballabteilung ausgegliedert wird. Das Präsidium der DFL hat jedoch die Befugnis, von dieser Regel abzuweichen, insbesondere wenn ein Investor den Fußballsport des Muttervereins über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren kontinuierlich und signifikant unterstützt hat. Derartige Ausnahmen wurden für Bayer Leverkusen, VfL Wolfsburg und die TSG Hoffenheim erteilt (wobei letztere mittlerweile wieder die Vorgaben der 50+1 Regel erfüllt, nachdem der ehemalige Mehrheitseigentümer Dietmar Hopp die Stimmrechtsmehrheit an den Verein rückübertragen hat).

Die Vereinbarkeit dieser Regelung mit dem Kartellrecht ist Gegenstand eines langandauernden Verfahrens vor dem Bundeskartellamt. Als kartellrechtlich problematisch wurde dabei bislang nicht die 50+1 Regel per se, sondern die Möglichkeit der Gewährung von Ausnahmen gesehen. Die DFL sagte in diesem Zusammenhang die Streichung dieses Satzungsteiles zu; der Abschluss des kartellrechtlichen Verfahrens galt nur mehr als Formsache. Die aktuellen Entwicklungen bringen jedoch frischen Wind in die Angelegenheit und das Bundeskartellamt möchte die Bestimmung einer Revaluation unterziehen. Dabei führt es die erst kürzlich ergangenen Urteile des EuGH (C-333/21, „European Superleague Company u.a.“; C-124/21, „ISU“; C-680/21, „Royal Antwerp Football Club“) an, welche die Rahmenbedingungen für das Verhältnis zwischen Verbandsregeln und Wettbewerbsrecht verdeutlichen. Demnach haben Verbandsregeln transparent, objektiv, präzise und nicht diskriminierend gestaltet zu sein, was sich auch in ihrer praktischen Anwendung zeigen muss (siehe dazu folgenden LMS-Beitrag). So war die Gefahr der weisungswidrigen Stimmabgabe dem DFL-Präsidium zwar bekannt, Präventivmaßnahmen wurde jedoch keine gesetzt; eher wurde dies sogar durch die geheime Abstimmung begünstigt. Die 50+1 Regel könnte vor diesem Hintergrund als reine „pro forma“-Reglung und damit als wettbewerbswidrig eingestuft werden.

Die Macht der Fans

Die Rückendeckung der Vereine dürfte der DFL mittlerweile fehlen. So räumt Hans-Joachim Watzke (Sprecher des DFL-Präsidiums) nach Durchführung einer außerordentlichen Präsidiumssitzung am 21.2.2024 ein, dass „eine erfolgreiche Fortführung des Prozesses in Anbetracht der aktuellen Entwicklungen nicht mehr möglich scheint.“ Der Investorendeal liegt damit auf Eis. Die Aufhebung des formal noch bestehenden Mandats durch die Mitgliedervereine gilt als nächster logischer Schritt. Ein weiteres Mal – nach Abschaffung der Montagsspiele – zeigt sich eindrucksvoll die Macht der deutschen Fanszene: Der Deal ist vom Tisch. Welche Schlussfolgerungen das Bundeskartellamt aus dem Geschehenen zieht, wird sich zeigen.

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Ausbildungsentschädigung – auf wackeligen Beinen

Gastbeitrag von Lukas Bono Berger (Universitätsassistent am Institut für Verwaltungsrecht und Verwaltungslehre der JKU Linz)

Hinweis: Der Beitrag ist bereits im Fußballmagazin "ballesterer" erschienen.

Wechselt ein Spieler ohne Zustimmung des abgebenden Vereins, wird meist eine Ausbildungsentschädigung fällig. Die Regelung des ÖFB sorgt nicht nur für Interessenskonflikte, sondern ist rechtlich umstritten. Eine juristische Annäherung.

Training oder Ausbildung?

Die Ausbildungsentschädigung ist für uns eine wichtige Einnahmequelle“, sagt Rainer Schütz, Obmann des ASKÖ Donau Linz. 5.160 Euro bekommt der Klub dank der Regelung etwa für einen Spieler, der seit dem neunten Lebensjahr beim Verein gespielt hat und mit 18 in die Regionalliga wechselt. Geht ein 14-Jähriger, der ebenfalls seit dem neunten Lebensjahr dem Verein angehört, zu einem Bezirksligisten, werden nur 900 Euro fällig. Die Höhe der Ausbildungsentschädigungen ist vom ÖFB pauschal geregelt, sie schwankt zwischen 40 und 10.880 Euro. Wie viel sie ausmacht, hängt vom Alter des Spielers und der Spielklasse des aufnehmenden Vereins ab. Bis zum 23. Lebensjahr erhöht sich die Summe, ab dem 28. Lebensjahr ist bei einem Wechsel keine Ausbildungsentschädigung mehr zu entrichten. Grundsätzlich dient die Regelung dazu, auch dann Wechsel zu ermöglichen, wenn sich die beteiligten Vereine nicht über die Modalitäten einigen können. Nachzulesen sind alle Details in § 9 ÖFB-Regulativ mit dem Titel „Nationaler Vereinswechsel ohne Freigabeverfahren für Amateure oder Zwangserwerb“.

So genau die Eventualitäten vorgegeben sind, so unbefriedigend ist die Regelung für viele Beteiligte. So mancher Verein mit einer guten Jugendarbeit ist mit der Höhe der finanziellen Entschädigung unzufrieden, gleichzeitig profitieren Vereine, bei denen Spieler nur stehen oder verliehen werden. Neben Interessenskonflikten über die Ausgestaltung der Regel gibt es eine Reihe juristischer Probleme. Denn die Ausbildungsentschädigung des ÖFB hat den Anforderungen des Zivil- und Arbeitsrechts zu entsprechen. Aufgrund der monopolistischen Organisation des Sportverbands wird auch eine Grundrechtsbindung desselben diskutiert, relevant könnten hier die Vereinsfreiheit, die Erwerbsfreiheit und das Recht auf freie Gestaltung der Lebensführung gemäß Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention sein.

Qualität und Quantität

Die Ausbildungsentschädigung beschäftigt immer wieder Gerichte. 2012 traf der Oberste Gerichtshof eine Grundsatzentscheidung, als er sie nicht per se als sittenwidrig einstufte. Er betonte aber auch, dass Ausbildungsleistungen von erheblicher Relevanz erbracht werden müssen, die in einem angemessenen Verhältnis zur Entschädigung stehen. Zudem dürfen die Rechte der Spieler nicht maßgeblich beschränkt werden.

Daraus lässt sich ableiten, dass Qualität und Quantität der Ausbildung berücksichtigt werden müssen. Das fordert auch der auf Sportrecht spezialisierte Anwalt Wolfgang Rebernig: „Die Trainingshäufigkeit und die absolvierten Spiele müssen die Höhe der Ausbildungsentschädigung beeinflussen“, sagt er. „Sonst besteht die Gefahr der ungerechtfertigten Bereicherung.“ Auch Rainer Schütz befürwortet die Einbeziehung von Qualität und Quantität der Ausbildung in die Berechnung. In die Kriterien des ÖFB fließt das bislang allerdings nicht ein. Der Verband stützt seine Regelung auf das Bosman-Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 1995, das vom Eventualitäts- und Zufallscharakter der Entschädigung spricht. Vereinfacht gesagt, bedeutet das, dass zwischen der Qualität der Ausbildung und einem künftigen Vereinswechsel kein Zusammenhang angenommen wird. Demgegenüber könnte man argumentieren, dass besseres und häufigeres Training die Qualität der Fußballer verbessert und Wechsel wahrscheinlicher macht.

Auch der Verbleib beim ausbildenden Verein müsste in die Berechnung der Entschädigung einfließen. Ab einem gewissen Zeitpunkt überwiegen nämlich die Erträge, die der Verein durch den Spieler lukriert, die Kosten, die dieser verursacht. Während im Nachwuchsfußball der Aufwand mutmaßlich höher als der Ertrag ist, hilft der Spieler im Erwachsenenfußball, höhere Einnahmen durch Eintrittsgelder und Sponsoren zu erwirtschaften. Einem ähnlichen Effekt trägt der Ausbildungskostenrückersatz im Arbeitsrecht Rechnung, wonach sich dieser in der Zeit, die der Arbeitnehmer nach der Ausbildung im Unternehmen verbleibt, verringert. Im Fußball steigt die Höhe der Ausbildungsentschädigung jedoch bis zum 23. Lebensjahr. Laut Rebernig ist das zu lange, ab dem 21. Lebensjahr überwiege der Nutzen des Spielers für den Verein gegenüber den Kosten: „Die Ausbildung ist zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen.“

Ausbildungspauschale

Um die Ausbildungsentschädigung nicht zum Geschäft werden zu lassen, müsste sich ihre Höhe zudem an den angefallenen Kosten orientieren. Grundsätzlich sind Pauschalierungen zulässig, jedoch wird die unterschiedliche Qualität der Ausbildung – abgesehen von den Akademien – in den ÖFB-Berechnungen nicht berücksichtigt. Das indiziert einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz, wonach Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln ist, und wäre demnach verfassungswidrig. „Wir wünschen uns eine faire Berechnung der Ausbildungsentschädigung“, sagt Schütz. Er sieht sich als Verlierer der pauschalierten Berechnung, da Donau Linz eine überdurchschnittlich gute Ausbildung anbiete.

Problematisch ist auch die Nichteinbeziehung der Ausbildungsbeiträge der Eltern. Sollten diese über Vereinsmitgliedsbeiträge hinausgehen, da beispielsweise Trainer oder Materialen finanziert werden, würde der Erhalt der Ausbildungsentschädigung dem Entschädigungsgedanken der Vorschrift zuwiderlaufen. Jurist Rebernig erkennt auch hier eine Bereicherungsmöglichkeit des abgebenden Vereins. Die Gelder, die ein Klub aus der Ausbildungsentschädigung erhält, würden zur Finanzierung des Erwachsenenfußballs herangezogen. Dem widerspricht Donau-Linz-Obmann Schütz nicht: „Die Ausbildungsentschädigung wird nicht zweckgebunden für den Nachwuchs verwendet, sondern dort, wo sie gebraucht wird.“

Auch hinsichtlich der vom Obersten Gerichtshof gestellten Anforderung, dass die Rechte des Spielers nicht maßgeblich beschränkt werden dürfen, gibt es Schwierigkeiten. Man stelle sich einen 23-jährigen vereinslosen Profi vor, für den ein potenzieller Arbeitgeber in der zweithöchsten Spielklasse knapp 10.000 Euro an Ausbildungsentschädigung zu zahlen hätte. Diese Hürde stellt einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Erwerbsfreiheit dar.

Falsche Konkurrenz

Während die bisher dargestellten Punkte juristisch unterschiedlich bewertet werden können, stellen die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen zwingendes Recht dar, sie können also durch Einzelverträge nicht umgangen werden. Das Arbeitsrecht regelt unter anderem den Ausbildungskostenrückersatz sowie die Konkurrenzklausel, die über eine Zusatzvereinbarung im Arbeitsvertrag einen direkten Wechsel innerhalb derselben Branche untersagt. Die Ausbildungsentschädigung ist vor diesem Hintergrund problematisch. Schließlich verunmöglicht sie, dass Spieler ohne Weiteres von einem Verein zum anderen wechseln, damit gleicht sie der Konkurrenzklausel mit Vertragsstrafe. Doch diese arbeitsrechtliche Bestimmung hat eindeutige Voraussetzungen, denen bei der Ausbildungsentschädigung nicht entsprochen wird. Eine Konkurrenzklausel darf nämlich nicht mit Minderjährigen vereinbart werden, sie darf den Zeitraum von einem Jahr nicht übersteigen, das Fortkommen des Arbeitnehmers nicht unbillig erschweren und nur bei einem Bruttogehalt von über 3.900 Euro abgeschlossen werden. Für viele Spieler der zweiten Liga dürften diese Kriterien nicht zutreffen, die Ausbildungsentschädigung wäre in diesen Fällen also rechtswidrig.

Das ist aber nicht das einzige arbeitsrechtliche Problem. Der Ausbildungskostenrückersatz, der das Aufkommen des Arbeitsnehmers für die Kosten der Ausbildung vorsieht, kann auch bei Fußballern angenommen werden, sofern man das Training als Ausbildung wertet. Das wird in der Literatur jedoch überwiegend verneint, da die Aneignung von sportlichen Fertigkeiten nicht als Ausbildung gewertet wird. Dabei wird verkannt, dass durch das Training Spezialkenntnisse vermittelt werden, die zu einer Marktwertsteigerung führen und bei anderen Arbeitgebern verwertet werden können. Auch Anwalt Rebernig sieht im Training eine nicht geregelte Ausbildung, er spricht sich daher für die Anwendung der Ausbildungsrückersatzklausel aus. Sollte das Training als Ausbildung gewertet werden, ergibt sich daraus die Pflicht zur pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bei Minderjährigen. Wenn diese einen Jungprofivertrag vorgelegt bekommen, müsste also ein Richter zustimmen. Außerdem wäre die Ausbildungsentschädigung nicht anzuwenden, wenn das Arbeitsverhältnis, also der Vertrag, durch zeitliche Befristung endet. Die im Ausbildungskostenrückersatz festgesetzte Aliquotierung der Ausbildungskosten würde bedeuten, dass bei der vorzeitigen Beendigung durch den Arbeitnehmer nur eine anteilige Aufwandsentschädigung zu leisten wäre.

Der ÖFB hat mit der Novellierung der Ausbildungsentschädigung 2017 zwar für ein beweglicheres System gesorgt, indem er die bis dahin geltenden pauschalen Entschädigungssätze durch altersbedingte Abstufungen näher aufschlüsselte. Alter und Ausbildungsdauer haben seither mehr Einfluss auf die Höhe der Entschädigung. Rechtlich sicher ist das Konstrukt aber immer noch nicht, die Ausbildungsentschädigung steht auf wackeligen Beinen. Sollten Spieler oder Vereine gegen die Regelung klagen, würde wohl erst ein höchstgerichtliches Urteil Klarheit in der Thematik bringen.

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Die Causa Fredi Bobic: Ein verhängnisvolles Interview

Wie so oft in den vergangenen Jahren war die Hertha wieder das bestimmende Thema in den Sportgazetten. Der Grund: Geschäftsführer Fredi Bobic war nach seinen wutgeladenen Äußerungen gegenüber einem Reporter des Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) nach der 0:2 Derby-Niederlage gegen Union mutmaßlich fristlos entlassen worden. Bobic wehrt sich nun wohl vor Gericht gegen seine Entlassung. Mit Recht?

Die Alte Dame und die Negativschlagzeilen: In der jüngeren Vergangenheit eine im Boulevard gern gesehene Liaison. Von „HaHoHe, euer Jürgen“ bis zu Salomon Kalou, der die Missachtung der Corona-Auflagen per Instagram-Livestream abfilmte. Fredi Bobic, der nach seiner erfolgreichen Zeit als Frankfurt-Manager eigentlich als Hoffnungsträger für die Kehrtwende geholt wurde, reiht sich nun in diese Chronik ein.

Unmittelbar nach der Derby-Niederlage gegen den Stadtrivalen Union Berlin war Bobic (wohl nicht zum ersten Mal) auf die Tragbarkeit von Trainer Sandro Schwarz angesprochen worden. Seine Antwort: „Wenn du nochmal fragst, kriegst du eine gescheuert.“ Noch am selben Abend gab der Klub auf seiner Homepage bekannt, Bobic „mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben zu entbinden.“ Bobic entschuldigte sich indessen kurz nach dem Vorfall: „Es tut mir sehr leid, da habe ich zu emotional reagiert.“

Die deutsche BILD-Zeitungvermeldet nun, dass der Klub gut zwei Wochen später eine fristlose Kündigung zugeschickt hatte. Als Begründung stützt man sich wohl auf „vereinsschädigendes Verhalten“. Im gleichen Artikel berichtet das Medium, dass sich Bobic hiergegen beim Arbeitsgericht Berlin mit einer Kündigungsschutzklage zur Wehr setzt. Bühne frei für den rechtlichen Schlagabtausch!

Die Kündigung: Befristungsfeindlich

Bobic ist als Geschäftsführer wohl als leitender Angestellter von Hertha BSC zu qualifizieren. Dort besitzt er laut übereinstimmenden Medienberichten einen bis zum 30. Juni 2024 befristeten Arbeitsvertrag. Im Mikrokosmos-Profifußball ist es weitgängige Praxis und für Spieler sogar verbandsgesetztes Recht (implizit zB Art 13 FIFA Regulations on the Status and Transfer of Players), zwingend eine zeitliche Befristung des Arbeitsverhältnisses zu vereinbaren.

In Österreich fließt aus den Grundwertungen des Arbeitsrechts, dass eine ordentliche Kündigung innerhalb der Befristung nur unter äußerst strengen Voraussetzungen möglich ist (sogenannte Höchstbefristungen). In Deutschland schließt § 15 Abs 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) eine ordentliche Kündigung ohne einzel- oder tarifvertragliche Bestimmung gänzlich aus. Der Grund hierfür ist, dass einem befristeten Arbeitsverhältnis innerhalb der Befristung eine höhere Bestandskraft zukommen soll als einem auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Arbeitsvertrag.

Bobics Arbeitsverhältnis endet somit mit Ablauf der vereinbarten Zeit zum 30. Juni 2024. Oder eben durch außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund. Über diese entzündet sich nun ein spannender Rechtsstreit.

Anforderungen an die außerordentliche Kündigung

Auch bei befristeten Arbeitsverhältnissen ist eine Kündigung durch den Arbeitgeber zulässig, sofern der Arbeitnehmer einen wichtigen Grund setzt, der die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber schlicht unzumutbar macht. Zudem gilt (im österreichischen Recht) grundsätzlich der Unverzüglichkeitsgrundsatz: Die vorzeitige Auflösung muss ohne schuldhafte Verzögerung vorgenommen werden. Andernfalls signalisiert der Arbeitgeber durch das zu langfristige Untätigbleiben, dass die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung wohl nicht im erforderlichen Ausmaß besteht. Dies judiziert der österreichische Oberste Gerichtshof (OGH) in ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0029249).

Die BILD vermeldet, dass Hertha BSC die „fristlose Kündigung“ rund zwei Wochen später zugestellt hat. Im österreichischen Recht wäre der Grundsatz der Unverzüglichkeit hiermit möglicherweise verletzt und die Auflösung des Vertragsverhältnisses ungültig. Das deutsche Recht schreibt jedoch in § 626 Abs 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) eine zweiwöchige Erklärungsfrist vor.

Somit stellt sich die Frage, ob die wutentbrannten Äußerungen von Fredi Bobic gegenüber dem Reporter des rbb einen wichtigen Grund für die vorzeitige Entlassung darstellen. Pascal Croset, Fachanwalt für Arbeitsrecht, stuft die Erfolgschancen aus Sicht des Klubs im BILD-Interview als gering ein: „Der Spruch ist nicht ausreichend, um große Irritationen auszulösen. Direkt nach dem Spiel sind immer Emotionen im Spiel, da kann eine Aussage schon mal etwas schnodderig ausfallen. (…) Fußball ist ein Sport, bei dem es auch mal rauer zugeht.“

Sicher kratzen diese Aussagen am Kern der Tatsachen und ein rauerer Ton in Interviews (vor allem On-Field direkt nach dem Spiel) „passiert“ im Adrenalinrausch schneller als anderswo. Allerdings ist nicht zu verkennen, dass sich Fredi Bobic in seiner Funktion als Geschäftsführer des Klubs wohl an anderen Maßstäben messen lassen muss als Spieler oder auch Mitglieder des Trainerstabs. Zwar kommt allen genannten Funktionen eine hohe Repräsentationskraft im Hinblick auf die Reputation des Klubs zu, allerdings ist Bobic in seiner Funktion als Geschäftsführer-Sport eine größere Contenance im Umgang mit Medienvertretern zuzumuten.

Für den österreichischen Entlassungstatbestand, dass sich der Arbeitnehmer „einer Handlung schuldig macht, die ihn des Vertrauens des Dienstgebers unwürdig erscheinen lässt“ (§ 27 Z 1 Angestelltengesetz [AngG]) judiziert der OGH einen strengeren Maßstab für Angestellte mit einer gehobenen Vertrauensstellung im Vergleich zu „herkömmlichen“ Angestellten (RIS-Justiz RS 0029341). Es scheint sachgerecht, diese Wertung auf die Entlassungstatbestände im Allgemeinen umzumünzen, da leitenden Angestellten üblicherweise ein größerer Einfluss auf die Reputation des Arbeitgebers zukommt.

Gemessen an diesem Maßstab könnte Hertha BSC durch die Aussagen Bobics gegenüber dem Reporter also durchaus ein massiver Imageschaden entstanden sein, der einen wichtigen Grund zur vorzeitigen Entlassung rechtfertigt. Es bleibt abzuwarten, ob die Causa Bobic durch das Arbeitsgericht Berlin entschieden wird oder doch, wie im Sport oft üblich, eine Einigung am grünen Tisch erfolgt.

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Causa Milletich – Ist das (Straf-)Recht die Grenze?

Ein Plädoyer für „Compliance- und Good Governance-Richtlinien im Sport“

von Christina Toth und Patrick Petschinka

(bereits in der LAOLA1-Kolumne „§port und alles was Recht ist“ erschienen)

Gerhard Milletich soll sein Amt als ÖFB-Präsident genutzt haben, um Inserate für das schau-Magazin zu gewinnen. Ein Magazin, dessen Herausgeber Gerhard Milletich ist. Der amtierende ÖFB-Präsident bestreitet den Vorwurf: Er habe seine Funktion niemals missbraucht. Zu allen Unternehmen hätten bereits vor seinem Amtsantritt Geschäftsbeziehungen bestanden. Aussagen von potenziellen Inserenten sollen ein konträres Bild zeichnen.

Vorweg ist festzuhalten, dass wir den Fall Milletich mangels Kenntnis des konkreten Sachverhalts nicht bewerten wollen. Die Causa hat aber viel Staub aufgewirbelt: Mediale Empörung, öffentliche Diskussionen im ÖFB-Präsidium und oberdrein ein Gerichtsverfahren (dazu hier). Der Schaden für den ÖFB ist angerichtet.

Auch der reflexartige Ruf nach Compliance und Good Governance im Sport ließ nicht lange auf sich warten. Worum geht es dabei? Der Begriff „Compliance“ leitet sich aus dem Englischen „to comply with“ ab, worunter wörtlich „befolgen“, „entsprechen“ oder „erfüllen“ zu verstehen ist. Heute wird mit „Compliance“ gemeinhin die Einhaltung von Regeln und Gesetzen beschrieben. Der Begriff „Good Governance“ kommt ebenfalls aus dem Englischen und bedeutet im vorliegenden Kontext „gute Vereinsführung“. Beides Konzepte, die eigentlich selbstverständlich sein sollten, die aber gerade im Spannungsfeld von Ehrenamt und Hauptberuf (gefährlichen) Interpretationsspielraum offenlassen.

Das ÖFB-Präsidium hat inzwischen entschieden, die Causa dem Ethikkomitee der Fußball-Bundesliga zu übergeben. Juristisch wirft der Fall die Frage auf, ob die Verknüpfung von Ehrenamt und Hauptberuf rechtliche Konsequenzen nach sich zieht. Dem wird im Folgenden nachgegangen, wobei die Causa Milletich nur als Aufhänger dient.

Kein strafrechtlich relevantes Verhalten

Der Sport lebt vom Ehrenamt – auf allen Ebenen. Gesellschaftliche Anerkennung und ein interessantes Netzwerk sind oft die Motivation für den unentgeltlichen Einsatz in Sportverbänden und -vereinen. Gerade an die Spitze großer gemeinnütziger Organisationen werden nicht selten einflussreiche Personen gewählt, die ihren Einfluss sodann zugunsten der Organisation geltend machen sollen. So weit, so gut.

Kommen wir zum Juristischen: Das Strafrecht regelt grundsätzlich Fälle, in denen Mittel von Fremden (also auch von Verbänden oder Vereinen) zweckwidrig verwendet werden. Untreue, Betrug und Fördermittelmissbrauch sind nur drei der Tatbestände, die die pflichtwidrige Verwendung von finanziellen Mitteln unter Strafe stellen.

Den medialen Berichten zufolge wurde in der Inseratencausa aber kein strafrechtlich relevantes Verhalten gesetzt. Doch ist das Strafrecht die Grenze?

Nun sag‘, wie hast du’s mit der Moral?

Selbst wenn das staatliche (Straf-)Recht nicht greift, bedeutet das nicht, dass ein Verhalten, mit dem sich jemand einen persönlichen Vorteil verschafft, ohne Konsequenzen bleiben muss. Ganz im Gegenteil: Unsere Gesellschaft hat sich nicht bloß auf Rechtsnormen, sondern auch auf moralische Normen und Werte verständigt. Diesbezüglich sei auf die Aussage des ehemaligen Rechnungshof-Präsidenten Franz Fiedler verwiesen, die dieser im vorliegenden Kontext getroffen hat:

„Korruption beginnt nicht erst mit dem Strafrecht. Das ist eine weltweit anerkannte Tatsache. Sie beginnt im Vorfeld des Strafrechts […].“ Korruption ist freilich ein schwerwiegender Vorwurf. Eine allgemeingültige Begriffsbestimmung von Korruption gibt es nicht. Transparency International arbeitet etwa mit folgender Definition: „Korruption ist der Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil.“ Es ist also nicht jeder persönliche Vorteil, den ein Verbands- oder Vereinsverantwortlicher aus seiner (meist ehrenamtlichen) Funktion zieht, gleich Korruption.

Aber: Der Sport schreibt sich Werte wie Integrität und Fairplay mit freudiger Bereitwilligkeit auf die Fahnen. Dafür sollte er auch abseits des Spielfelds stehen. Doch wie kann das gelingen?

Compliance & Good Governance-Richtlinien

Verbände und Vereine sind nach dem Vereinsgesetz gegründete, demokratische Organisationen, die sich ihre Spielregeln in den Statuten und allfälligen Geschäftsordnungen im Rahmen der Gesetze selbst geben. Die Funktionäre haben ihre Aufgabe im Verein mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Organwalters auszuüben. Dabei haben sie sich an die gesetzlichen Vorschriften, aber auch an die vereinsinternen Regularien und Beschlüsse zu halten. Bei einem schuldhaften Verstoß drohen Schadenersatzforderungen, und/oder andere in den Regularien vorgesehene Konsequenzen.

Dabei ist es Aufgabe der verantwortlichen Organe ebensolche Regularien zu schaffen, um im Falle des Falles auch Konsequenzen ziehen zu können.

Der ÖFB hat eine lange Liste an Bestimmungen, Regulativen und Richtlinien verabschiedet. Regeln für das (persönliche) Verhalten der eigenen Funktionäre und Verantwortlichen gibt es – soweit ersichtlich – nicht. Solche wären aber ein zentrales Vehikel, um imageschädigende Diskussionen wie in der Inseratencausa von vornherein zu verhindern (oder es zumindest zu versuchen). Der ÖFB müsste das Rad auch gar nicht neu erfinden:

Der Österreichische NPO-Governance Kodex (NPO steht für „Non-Profit-Organisation“) macht klare Vorschläge, wie Governance-Regelungen in gemeinnützigen Organisationen im Hinblick auf Interessenkonflikte ausgestaltet sein könnten. Beispielsweise:

  • die Mitglieder des Leitungsorgans haben ihre Aufgaben stets im Interesse der NPO und deren Zweckerreichung auszuüben und dürfen dabei keine Eigeninteressen verfolgen oder Geschäftschancen der NPO für sich selbst nutzen;
  • Mitglieder des Leitungs- oder Aufsichtsorgans haben Interessenkonflikte unverzüglich dem Vorsitzenden des jeweiligen Organs mitzuteilen. Dieser hat Interessenkonflikte den übrigen Organmitgliedern mitzuteilen. Bei einer Beschlussfassung über eine Angelegenheit, in der sie einem Interessenkonflikt unterliegen, sind diese Personen von der Abstimmung ausgeschlossen;
  • bestehen Interessenkonflikte dauerhaft, haben die betroffenen Personen ihr Amt zurückzulegen oder
  • Geschäfte der GeschäftsführerInnen mit der NPO bedürfen der Zustimmung des Leitungsorgans; Geschäfte von Mitgliedern des Leitungsorgans mit der NPO bedürfen der Zustimmung des Aufsichtsorgans; Geschäfte von Mitgliedern des Aufsichtsorgans bedürfen der Beschlussfassung des Aufsichtsgremiums.

Die Vorschläge leuchten ein. Im Wesentlichen geht es darum, mögliche Interessenskonflikte im Vorfeld zu regeln. Damit geht Transparenz in der Verbands- und Vereinsführung einher. Immerhin arbeiten die Verantwortlichen mit Geldern der Mitglieder, mit Sponsorengeldern und nicht zuletzt mit Förder-, also Steuergeldern. Transparenz sollte schon im ureigenen Interesse jedes Sportfunktionärs sein, um nicht einmal den Anschein eines pflichtwidrigen Verhaltens zu erwecken.

Es ist also nicht nur die Aufgabe des einzelnen Funktionärs dem Anstand und der Moral entsprechend zu handeln, sondern der Organisation als Ganzes. Sie hat dafür zu sorgen, dass entsprechende „Spielregeln“ installiert werden. Diese fehlen beim ÖFB offenbar. Doch damit ist er nicht allein – Compliance und Good Governance werden in gemeinnützigen Organisationen in Österreich generell stiefmütterlich behandelt.

Vereinsrechtliche Instrumentarien als Garant für Compliance?

Vereinsfunktionäre können nicht wie Arbeitnehmer „einfach“ gekündigt oder entlassen werden. Die demokratische Struktur von Vereinen ermöglicht es aber, gewählte Organwalter wieder abzuwählen; sei es bei ordentlichen Wahlen oder im Rahmen von außerordentlichen Mitgliederversammlungen. Diese sind laut Vereinsgesetz auf Antrag von zumindest 10 % der Mitglieder einzuberufen. Aus praktischer Erfahrung wissen wir jedoch, dass die Vereinsverantwortlichen (insbesondere jene, die sich mit Kritik konfrontiert sehen) die Einberufung der Gremien, die ihre Abwahl besiegeln sollen, oft verhindern. In manchen Fällen reicht aber bereits die theoretische Möglichkeit zur Abwahl, um selbst den Hut zu ziehen.

Laut den Satzungen des ÖFB kann die Bundeshauptversammlung (die Mitgliederversammlung im Sinne des Vereinsgesetzes) das gesamte Präsidium oder einzelne Mitglieder jederzeit ihres Amtes entheben. Einen ausdrücklichen Verstoß gegen irgendwelche Richtlinien braucht es dafür nicht. Eine Stimmenmehrheit reicht aus. Diese dürfte es, laut Medienberichten, im ÖFB aktuell nicht geben.

Dass sich die Bundeshauptversammlung, die das Präsidium abwählen kann, und das Präsidium selbst aus den gleichen Personen (Landesverbandspräsidenten und Bundesligavertreter) zusammensetzt, ist eine andere (Good Governance-)Geschichte…

Resümee und Ausblick

Die eingangs aufgeworfene Frage lässt sich eindeutig beantworten: Das staatliche (Straf-)Recht bildet selbstverständlich nicht die einzige Grenze für das Handeln von Sportfunktionären. Bei Entscheidungen sind auch das Vereinsgesetz, die Statuten und interne Richtlinien sowie nicht zuletzt moralische Normen zu beachten. Werden diese nicht eingehalten, können Funktionäre unter Einhaltung demokratischer Prozesse ihrer Ämter enthoben und/oder nach den allgemeinen zivilrechtlichen Bestimmungen für ihr Handeln haftbar gemacht werden.

Compliance- und Good Governance-Regeln sollen vor allem die Interessen der Organisation und seiner Mitglieder schützen. Eine medienöffentliche Auseinandersetzung schafft eine „lose-lose-lose-Situation“. Sie schadet nicht nur dem Verband und den einzelnen Beteiligten, sondern auch dem Sport als Ganzes.

Die Inseratencausa sollte seitens der Sportverbände daher zum Anlass genommen werden, um Compliance- und Good Governance-Richtlinien sowie Instrumentarien zu deren Durchsetzung zu implementieren.

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Wenn der vorstehende Beitrag Ihr Interesse am Thema „Compliance und Good Governance im Sport“ geweckt hat, dürfen wir Sie auf folgende Veranstaltung aufmerksam machen:

COMPLIANCE IM SPORT – Know How für Vereine, Veranstalter und Sponsoren

23.2.23, Admiral Arena Prater

Teilnahme kostenlos, Anmeldung hier erforderlich.

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Super League: Generalanwalt ortet keinen Verstoß gegen Wettbewerbsrecht

Wir schreiben den 15. Dezember. Ein geschichtsträchtiger Tag für den Sport. So hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) am 15. Dezember 1995 mit seinem Urteil in der Rechtssache „Bosman“ gewisse Grenzpflöcke für den Sport bzw. für das Sportrecht eingeschlagen. Auch 27 Jahre später blickte die Sportwelt wieder gespannt nach Luxemburg: Heute trug Generalanwalt Athanasios Rantos seine Schlussanträge in der Rechtssache „European Superleague“ vor.

Die Vorgeschichte ist indessen allgemein bekannt und bedarf daher keiner weiteren Ausführungen (siehe dazu beispielsweise unseren Beitrag). Nach der mündlichen Verhandlung am 12. Juli 2022 war nun der Generalanwalt am Zug.

Grundlegendes zu den Schlussanträgen des Generalanwalts

Der EuGH wird in seiner Arbeit von Generalanwälten unterstützt. Diese haben die Aufgabe, öffentlich in völliger Unparteilichkeit und Unabhängigkeit begründete Schlussanträge (auch „Rechtsgutachten“ genannt) zu den Rechtssachen zu stellen, in denen nach der Satzung des EuGH die Mitwirkung erforderlich ist. In den Schlussanträgen trifft der jeweilige Generalanwalt eine rechtliche Einschätzung des Falls und schlägt dem EuGH eine Entscheidung vor.

Einschätzung des Generalanwalts zur Causa „Super League“

Nach der rechtlichen Einschätzung des Generalanwalts Athanasios Rantos sind die FIFA/UEFA-Regeln, die jeden neuen Wettbewerb von einer vorherigen Genehmigung abhängig machen, mit dem Wettbewerbsrecht der EU vereinbar. Die European Super League Company dürfe zwar ihren eigenen unabhängigen Fußballwettbewerb außerhalb des Systems der UEFA und der FIFA gründen, doch dürfe sie nicht parallel zur Gründung eines solchen Wettbewerbs ohne die vorherige Genehmigung der UEFA und der FIFA weiter an den von diesen Verbänden organisierten Bewerben teilnehmen. Mit anderen Worten: Die teilnehmenden Klubs würden sich außerhalb des bisher bekannten Systems bewegen.

Nachstehend die konkreten Antworten des Generalanwalts auf die Vorlagefragen:

  1. Die FIFA/UEFA-Regeln, die jeden neuen Wettbewerb von einer vorherigen Genehmigung abhängig machen, sind mit dem Wettbewerbsrecht der Union vereinbar. Unter Berücksichtigung der Merkmale des Wettbewerbs hängen die systembedingten einschränkenden Wirkungen notwendig mit den legitimen Zielen, die von der FIFA und der UEFA verfolgt werden und mit den Besonderheiten des Sports verbunden sind, zusammen und sind im Hinblick darauf verhältnismäßig.
  2. Die Wettbewerbsregeln der Union verbieten der FIFA und der UEFA, ihren Mitgliedsverbänden oder ihren nationalen Ligen nicht, den diesen Verbänden angehörenden Vereinen Sanktionen anzudrohen, wenn sich diese Vereine an einem Projekt zur Gründung eines neuen Wettbewerbs beteiligen, das die legitimen Ziele beeinträchtigen könnte, die von diesen Verbänden verfolgt werden, deren Mitglieder sie sind.
  3. Die Wettbewerbsregeln der Union stehen den Einschränkungen, die in den Statuten der FIFA enthalten sind und mit der ausschließlichen Vermarktung der mit den von der FIFA und der UEFA organisierten Wettbewerbe zusammenhängenden Rechte verbunden sind, nicht entgegen, sofern diese Einschränkungen mit der Verfolgung der mit den Besonderheiten des Sports verbundenen legitimen Ziele notwendig zusammenhängen und im Hinblick auf diese Ziele verhältnismäßig sind.
  4. Das Unionsrecht steht dem nicht entgegen, dass die Statuten der FIFA und der UEFA vorsehen, dass die Gründung eines neuen europaweiten Fußballwettbewerbs unter Vereinen einem System der vorherigen Genehmigung unterworfen wird, sofern diese Anforderung unter Berücksichtigung der Besonderheiten des vorgesehenen Wettbewerbs hierfür angemessen und erforderlich ist.

Quelle: Pressemitteilung des EuGH

Wie geht es nun weiter?

Der Ball liegt nunmehr bei den Richtern des EuGH, welche die Rechtssache mit Urteil zu entscheiden haben. In aller Regel folgt der EuGH den Schlussanträgen des Generalanwalts; er ist jedoch nicht daran gebunden und kann sohin auch abweichend entscheiden. Die Entscheidung des EuGH wird für Frühjahr 2023 erwartet. LAW MEETS SPORTS bleibt am Ball…

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Präventive Maßnahmen zur Bekämpfung von Hooliganismus und Rassismus bei Sportgroßveranstaltungen

Ein Gastbeitrag von Univ.-Ass. Sophia Lienbacher, LL.M. (WU)

„Hooliganismus“ ist ein weltweit verbreitetes Phänomen, das insbesondere den Fußballsport betrifft. Immer wieder kommt es im Zusammenhang mit Fußballspielen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen unter rivalisierenden Fangruppen und zu Gewalthandlungen einzelner Fans gegenüber der Polizei oder anderen Zuschauern. Jüngstes Beispiel ist das UEFA Nations League-Spiel zwischen Österreich und Kroatien, das am 25. September 2022 im Ernst-Happel-Stadion stattfand: Eine Gruppe kroatischer Risikofans, die während des Fußballspiels begannen, andere Zuseher mit Gegenständen zu bewerfen, pyrotechnische Gegenstände zu zünden und homophobe sowie antisemitische Parolen anzustimmen, lösten damit letztlich einen Einsatz der Polizeisondereinheit WEGA aus.

Um Sportgroßveranstaltungen sicherer zu machen, erfolgte in Vorbereitung auf die Fußball-Europameisterschaft 2008, die vom 7. bis 29. Juni 2008 in Österreich und der Schweiz stattfand, eine grundlegende Umstrukturierung und Erweiterung der für Sportgroßveranstaltungen relevanten Befugnisse im Sicherheitspolizeigesetz (kurz: SPG). Mit Inkrafttreten der Novelle (BGBl I 113/2007) wurde ein neuer „3. Abschnitt“ mit der Bezeichnung „Besondere Befugnisse zur Verhinderung von Gewalt und Rassismus bei Sportgroßveranstaltungen“ geschaffen, der die Bestimmungen § 49a (Sicherheitsbereich), § 49b (Gefährderansprache) und § 49c (Präventive Maßnahmen: Meldeauflage, Belehrung, zwangsweise Vorführung und Anhaltung) umfasst. Zweck dieser Regelungen ist die präventive Gefahrenabwehr.

Begriffsbestimmung: „Sportgroßveranstaltung“

Eine „Sportgroßveranstaltung“ im Sinne des SPG liegt vor, wenn eine Sportveranstaltung an verschiedenen Veranstaltungsorten stattfindet und eine internationale Dimension aufweist (zB Welt- und Europameisterschaften oder Olympische Spiele). In den übrigen Fällen hängt die Qualifikation als Sportgroßveranstaltung von einer Einzelfallprüfung durch die zuständige Sicherheitsbehörde ab. Von Bedeutung ist dabei in erster Linie die erwartete Besucheranzahl. Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) zieht unter Verweis auf die Gesetzesmaterialien (RV 1188 BlgNR, 22. GP) als Referenzgröße eine zu erwartende Zuseheranzahl von zumindest 3.000 heran (vgl VwGH 14.12.2018, Ra 2017/01/0055). Daneben können auch noch andere Faktoren, etwa die Kapazität der Veranstaltungsstätte oder die voraussichtlich erforderliche Anzahl von Sicherheitsorganen, die Qualifikation als Sportgroßveranstaltung begründen. So erfordert beispielsweise die Austragung eines Derbys ein erhöhtes Sicherheitsaufgebot, weil dabei meist stark konkurrierende Mannschaften und rivalisierende Fangruppen aufeinandertreffen. Diese Begleitumstände rechtfertigen die Einordnung als Sportgroßveranstaltung, selbst wenn zu diesem Spiel weniger als 3.000 Zuschauer erwartet werden.

Konkret sieht das SPG zur Verhinderung von Gewalt und Rassismus bei Sportgroßveranstaltungen folgende besondere Befugnisse vor:

Sicherheitsbereich (§ 49a SPG)

Befürchtet die Sicherheitsbehörde aufgrund bestimmter Tatsachen eine allgemeine Gefahr für die Zuschauer – etwa, weil gewaltbereite Fans erwartet werden –, kann sie durch Verordnung eine Fläche im Umkreis von höchstens 500 Meter um den Veranstaltungsort zum „Sicherheitsbereich“ erklären. Aus diesem Sicherheitsbereich können Sicherheitsorgane all jene Personen wegweisen, die sich innerhalb dieses Bereichs befinden und durch die ein gefährlicher Angriff (§ 16 Abs 2 SPG) unter Anwendung von Gewalt droht. Sofern erforderlich, kann im Anschluss zudem ein Betretungsverbot gegen die betroffene Person ausgesprochen werden.

Ein hierfür notwendiger prognostizierter gefährlicher Angriff liegt zB vor, wenn die hinreichend begründete Befürchtung besteht, die Person werde innerhalb des Sicherheitsbereichs eine Körperverletzung (§ 83 StGB) begehen. Im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose ist auf die konkrete Person abzustellen. Eine pauschale Wegweisung mehrerer Personen oder einer größeren Menschengruppe ist rechtswidrig, sofern die Voraussetzungen nicht bei jeder einzelnen Person vorliegen. Mangels einer solchen hinreichend personifizierter Gefahrenprognose waren die zahlreichen Wegweisungen von Teilnehmern eines Rapid-Fanmarsches, die im Dezember 2018 zunächst eingekesselt und nach erfolgter Identitätsfeststellung aus dem Sicherheitsbereich weggewiesen wurden, rechtswidrig.

Exkurs: „Hooligan“-Datei/Gewalttäterdatei (§ 57 Abs 1 Z 11a SPG)

Zur Beurteilung, gegen wen eine Wegweisung oder ein Betretungsverbot erlassen wird, bietet die „Gewalttäterdatei“ (auch „Hooligan“-Datei genannt) Hilfestellung. In dieser Datei werden personenbezogene Daten von jenen Personen gesammelt, die bereits einmal einen gefährlichen Angriff gegen Leben, Gesundheit oder Eigentum unter Anwendung von Gewalt bei einer Sportgroßveranstaltung begangen haben und bei denen befürchtet wird, sie würden dies wiederholen (2018 befanden sich österreichweit 47 Personen in dieser Datei).

Gefährderansprache (§ 49b SPG)

Weiters besteht für die Polizei die Möglichkeit, bestimmte in der Vergangenheit „auffällig“ gewordene Personen präventiv zu belehren: Als Instrument dient hierfür die Gefährderansprache (§ 49b SPG). Diese ermächtigt zur Vorladung und Belehrung von Personen, die in den vergangenen zwei Jahren zumindest zweimal während Sportgroßveranstaltungen bestimmte Verwaltungsübertretungen begangen haben und bei denen eine Wiederholungsgefahr besteht. Zu denken ist an Fans, die während eines Fußballspiels andere mit Gegenständen bewerfen, randalieren oder im Zuge eines sogenannten Platzsturms unerlaubt das Spielfeld betreten. Die Betroffenen werden von der zuständigen Sicherheitsbehörde vorgeladen und über rechtskonformes Verhalten während Sportgroßveranstaltungen belehrt. Die vorgeladene Person trifft die Pflicht, der Vorladung Folge zu leisten und zum vorgeschrieben Termin zu erscheinen. Die Belehrung hat circa zwanzig Minuten zu dauern und ist zeitlich so anzusetzen, dass der jeweiligen Person die Teilnahme an der Sportveranstaltung möglich ist (vgl hierzu die Gesetzesmaterialien).

Meldeauflage (§ 49c SPG)

Hat eine Person hingegen bereits Gewalttaten im Zusammenhang mit Sportgroßveranstaltungen gesetzt oder gegen ein über sie verhängtes Betretungsverbot verstoßen, so ist gegen diese Person eine sogenannte Meldeauflage auszusprechen, sofern Tatsachen die Annahme rechtfertigen, sie werde im Zusammenhang mit der anstehenden Sportgroßveranstaltung einen gefährlichen Angriff setzen. Durch die Meldeauflage wird die betroffene Person verpflichtet, sich in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit einer bestimmten Sportgroßveranstaltung – zB vor oder während eines Fußballspiels – bei der zuständigen Sicherheitsdienststelle zu melden. Dort findet eine Belehrung über rechtskonformes Verhalten und etwaige Rechtsfolgen statt. Den Vorgeladenen trifft die Pflicht, zum Belehrungstermin zu erscheinen und dieser beizuwohnen. Die zeitliche Nähe der Belehrung zur Veranstaltung soll eine Veranstaltungsteilnahme der betroffenen Person verunmöglichen und so eine mögliche Störung unterbinden (vgl hierzu die Gesetzesmaterialien).

Differenziertes Sanktionssystem

Das SPG hält damit ein differenziertes Sanktionssystem für vermeintliche „Störer“ bereit: Wird eine Verwaltungsübertretung begangen, ist eine Gefährderansprache (§ 49b SPG) anzuordnen. Hat eine Person im Zusammenhang mit Sportgroßveranstaltungen bereits gefährliche Angriffe unter Anwendung von Gewalt begangen, ist die eingriffsintensivere – weil gezielt auf den Zeitraum der jeweiligen Sportgroßveranstaltung abstellende – Meldeauflage (§ 49c SPG) vorzuschreiben.

Für eine genauere Betrachtung der Maßnahmen, insbesondere hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit den geltenden Grundrechten und Grundprinzipien verweise ich auf den Tagungsbeitrag „Sicherheits- und veranstaltungsrechtliche Fragestellungen im Rahmen von Sportgroßveranstaltungen“, der Anfang 2023 im Tagungsband „Sport im öffentlichen Recht“, herausgegeben von Alexander Frank, Sebastian Lendl und Georg Lienbacher, erscheinen wird.

Zur Gastautorin: Sophia Lienbacher, LL.M. (WU) ist Universitätsassistentin (prae doc) am Institut für Österreichisches und Europäisches Öffentliches Recht an der Wirtschaftsuniversität Wien. Außerdem ist sie Hobby-Tennisspielerin und begeisterte Läuferin.

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Antoine Griezmann – Fester Einwechslungsspieler nach der 60. Minute?

Minute, 62. Minute, 64. Minute, 63. Minute, 61. Minute, 63. Minute und gegen Leverkusen 63. Minute: Das sind die Zeitpunkte, zu denen Antonie Griezmann in der noch jungen Saison 2022/2023 bei Atlético Madrid eingewechselt wurde (Stand: 15.9.2022).[1] Der FC Barcelona möchte deshalb gegen Atlético Madrid vor Gericht ziehen.[2]

Ein Beitrag von Prof. Philipp S. Fischinger und Benjamin Kolomiyets, beide Universität Mannheim

I. Sachverhalt

Der 31-jährige Stürmer, dessen Vertrag beim FC Barcelona noch bis zum Ende der Saison 2023/2024 läuft, ist gegenwärtig bis Ende der Saison 2022/2023 vom FC Barcelona an Atlético Madrid „ausgeliehen“.[3] Laut Medienberichten beinhaltet der „Leihvertrag“[4] eine „Kauf“-Verpflichtung[5] in Höhe von 40 Millionen Euro, die von der Bedingung abhängig ist, dass Griezmann in 50 % der Pflichtspiele über mindestens 45 Minuten zum Einsatz kommt.[6] In seiner ersten Saison bei Atlético Madrid hatte Griezmann diese Bedingung noch unzweifelhaft erfüllt, kam er doch bei nahezu jeder Gelegenheit zum Einsatz.[7] Der FC Barcelona vertritt den Standpunkt, dass die Bedingung bereits deshalb eingetreten ist. Atlético Madrid ist hingegen der Meinung, dass sich die 50 % auf beide Spielzeiten beziehen und daher die Voraussetzungen für die Kaufpflicht noch nicht erfüllt sind.[8] Dies erklärt zumindest das derzeitige Vorgehen des Trainers von Atlético Madrid, Diego Simeone, bezüglich der oben dargelegten Einsatzzeiten des formstarken Griezmann. Unterstellt man für die Zwecke des folgenden Beitrags, dass die Kaufverpflichtung tatsächlich nur eintritt, wenn Griezmann über beide Spielzeiten hinweg in mindestens 50 % der Spiele im obigen Sinne zum Einsatz kommt, scheint Atlético Madrid mit seiner gegenwärtigen „Taktik“ des Einsatzes frühestens ab der 60. Minute auf den ersten Blick das Eingreifen der offenbar nicht gewollten Kaufverpflichtung vermeiden zu können.

Auch wenn der „Fall Griezmann“ aufgrund der Bekanntheit des Spielers und der beiden beteiligten Vereine besonders im Rampenlicht steht, handelt es sich mitnichten um einen einmaligen Vorgang. Es ist nämlich gar kein so unübliches Vorgehen, dass ein Entleiher eine an die Erreichung einer bestimmten Mindesteinsatzzahl gekoppelte Kaufverpflichtung dadurch zu vermeiden sucht, dass er den Spieler ab einem bestimmten Zeitpunkt unabhängig von sportlichen Erwägungen nicht mehr einsetzt.[9] Juristisch wirft das die Frage auf, ob der Entleiher damit gegen seine vertraglichen Pflichten aus dem Leihgeschäft verstößt und, wenn ja, welche Rechtsfolgen dies hat. Dem wird im Folgenden exemplarisch auf Grundlage des deutschen Rechts nachgegangen (womit nicht verkannt werden soll, dass auf den hier als Aufhänger gewählten „Fall Griezmann“ höchstwahrscheinlich spanisches Recht anwendbar ist).

II. Juristische Würdigung

1. Ausgangspunkt

Im Ausgangspunkt ist es allein Sache des Entleihers, ob, wann, wie oft, wie lange und auf welcher Position er den ausgeliehenen Spieler während der Dauer des Leihgeschäfts einsetzt. Im Verhältnis Entleiher – Spieler folgt dies bereits aus § 106 S. 1 GewO, nach welchem der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nach billigem Ermessen näher bestimmen kann, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.[10] Entsprechend hat ein Profimannschaftssportler nach allgemeiner Meinung keinen Anspruch auf tatsächlichen Einsatz in einem Pflichtspiel.[11] Auch gegenüber den Verleiher trifft den Entleiher grundsätzlich keine Pflicht, den Leihspieler derart oft zum Einsatz zu bringen, dass die Kaufverpflichtung eingreift.

Etwas anderes würde nur gelten, wenn sich der Entleiher gegenüber dem Leihspieler und/oder dem Verleiher verpflichtet hat, den Spieler in einer bestimmten Zahl von Pflichtspielen einzusetzen. Das dürfte im Fall von Griezmann – wie auch sonst – nicht der Fall sein, will sich der Entleiher doch typischerweise nicht im Vorfeld und unabhängig von der (sportlichen) Entwicklung des Leihspielers und seiner Mannschaft derart weitreichend binden.

Auf den ersten Blick verletzt Atlético Madrid somit mit seinem derzeitigen Vorgehen keine Pflichten gegenüber dem FC Barcelona, sondern übt allein ein ihm zustehendes Recht aus.

2. Aber: Treuwidrige Verhinderung des Bedingungseintritts?

Jedenfalls dann, wenn der Fall nach deutschem Recht zu behandeln wäre, wäre damit aber noch nicht zwingend das letzte Wort gesprochen. Dogmatisch handelt es sich bei der Konstruktion einer einsatzabhängigen Kaufverpflichtung um ein aufschiebend bedingtes Transfergeschäft. Daher ist § 162 I BGB zu beachten, nach welchem eine Bedingung als eingetreten gilt, wenn der Eintritt der Bedingung von der Partei, zu deren Nachteil er gereichen würde, ihn wider Treu und Glauben verhindert hat.

Im vorliegenden Fall erklärte Diego Simeone auf einer Pressekonferenz auf die Nachfrage eines Reporters, weshalb Griezmann trotz seiner guten Leistung immer erst nach der 60. Minute eingewechselt werde: „Ich bin ein Mann des Vereins und werde es immer sein.“[12]. Und weiter: „Was soll ich machen? Ich bin ein Angestellter des Klubs. Und wo es Kapitäne gibt, entscheiden nicht die Matrosen.“[13] Zeigen diese Aussagen nicht recht deutlich, dass Atlético Madrid den Eintritt der Kaufbedingung absichtlich verhindert, indem Griezmann nun nie mehr als ca. 30 Minuten pro Spiel zum Einsatz kommt? Ist das treuwidrig? Würde man dies bejahen, so würden nach § 162 I BGB die für die Kaufverpflichtung erforderlichen Spieleinsätze Griezmanns fingiert werden, was im Endeffekt zur Folge hätte, dass der FC Barcelona einen wirksamen und fälligen Anspruch auf die vereinbarte Ablösesumme hätte.

Die Antwort darauf hängt maßgeblich davon ab, welches Verhalten der FC Barcelona als Verleiher insbesondere nach dem Inhalt des Leihgeschäfts von Atlético Madrid erwarten konnte. Im Ausgangspunkt wird man dabei sagen können, dass dann, wenn der Leihvertrag die Kaufverpflichtung ausschließlich unter die aufschiebende Bedingung einer bestimmten Einsatzzeit des ausgeliehenen Fußballers stellt, beim Verleiher regelmäßig die schutzwürdige Erwartung erzeugt wird, dass das wirksame Zustandekommen des Rechtsgeschäfts allein von sportlichen Kriterien abhängig ist. Dann gilt: Wird der Spieler den sportlichen Erwartungen des Entleihers nicht gerecht und entscheidet sich dieser deswegen bewusst gegen weitere Einsätze, um den Eintritt der vereinbarten Bedingung zu verhindern, ist sein Verhalten nicht treuwidrig i.S.d. § 162 I BGB.[14] Anders verhält es sich hingegen, wenn der Entleiher in dieser Situation alleine oder ganz überwiegend aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen von weiteren Einsätzen des Spielers absieht. In diesem Fall ist sein Verhalten treuwidrig, weil es dem „Geist“ des Leihgeschäfts mit einsatzabhängiger Kaufverpflichtung widerspricht. Sowohl der Verleiher als auch der Leihspieler können nämlich grundsätzlich davon ausgehen, dass alleine sportliche Erwägungen für die Aufstellungsentscheidung maßgeblich sein sollen. Daraus folgt: Will sich der Entleiher die Möglichkeit offenhalten, das Eingreifen der Kaufverpflichtung (auch) aus wirtschaftlichen Gründen zu verhindern, muss er dies im Leihvertrag hinreichend zum Ausdruck bringen. Das kann z.B. durch eine Klausel geschehen, nach der die Kaufverpflichtung unabhängig von der vom Leihspieler erreichten Einsatzzahl nicht eingreifen solle, wenn der Entleiher die Champions League Qualifikation, den Klassenerhalt, den Aufstieg oder ein anderes sportliches Ziel nicht erreicht. Alternativ kann sich der Entleiher im Leihvertrag auch ganz allgemein das Recht vorbehalten, das Eingreifen der Kaufverpflichtung aus wirtschaftlichen Gründen zu verhindern. Lässt sich der Verleiher auf eine solche Klausel ein, ist er nicht schutzwürdig und kann später nicht geltend machen, das allein ökonomisch motivierte Vorgehen des Entleihers sei treuwidrig.

Im Ausgangsfall unseres „Teilzeitarbeiters“ Griezmann spricht viel dafür, dass die sportlichen Erwartungen nicht der Grund dafür sind, dass dieser nur noch ab der 60. Minute zum Einsatz kommt. Denn er erzielte in der bisherigen Saison bemerkenswerterweise genauso viele Tore in der halben (!) Spielzeit wie der diesjährige Stammspieler auf seiner Position, Àlvaro Morata.[15] Hinzu kommt, dass Griezmann in der letzten Saison in fast jedem Pflichtspiel in der Startaufstellung stand, wenn er einsatzbereit war. Wenig überraschend ist daher der mediale Aufschrei rund um den bevorstehenden juristischen Disput zwischen den Vereinen ähnlich groß wie jener in der fußballerischen Gefolgschaft über die Vorgehensweise Atlético Madrids hinsichtlich der Einsatzzeit Griezmanns.

Ob das Verhalten von Atlético Madrid treuwidrig ist, hängt somit davon ab, ob der Leihvertrag mit dem FC Barcelona Raum für eine ökonomisch motivierte Vereitelung des Bedingungseintritts für die Kaufverpflichtung lässt. Dies kann hier mangels Kenntnis des genauen Vertragsinhalts nicht abschließend bewertet werden. Die Empörung des eine Klage androhenden FC Barcelona spricht aber jedenfalls dagegen.

3. Beweislast

Aus Sicht des Verleihers in solchen Konstellationen problematisch ist aber die Darlegungs- und Beweislast. Denn: Wer sich auf eine unredliche Beeinflussung durch den anderen Teil beruft, muss das treuwidrige Verhalten sowie den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkung und Ausfall des Bedingungseintritts beweisen.[16] Im vorliegenden Fall müsste der FC Barcelona also beweisen, dass Atlético Madrid treuwidrig den Eintritt der Bedingung vereitelt. Einen gewissen Anhaltspunkt mag man hierfür in den oben zitierten Aussagen von Diego Simeone, er sei „ein Mann des Vereins und werde es immer sein“[17] und entscheiden würden die Kapitäne, nicht die Matrosen[18] – zu denen er sich offenbar zählt – erblicken können. Denn diese könnte so verstanden werden, dass er von seinen Vorgesetzten die Weisung erhalten hat, Griezmann fürderhin nur noch so einzusetzen, dass die einsatzabhängige Kaufverpflichtung nicht eingreift. Außerdem könnte der FC Barcelona auf die derzeitigen sportlichen Leistungen Griezmanns verweisen, die es aus Sicht eines objektiven, unbefangenen Beobachters nicht nachvollziehbar machen, warum dieser nun immer nur noch erst ab ca. der 60. Minute zum Einsatz kommt. Ob diese Argumentation jedoch auch vor einem (spanischen) Gericht ausreichen wird, ist fraglich, immerhin ist nicht auszuschließen, dass Atlético Madrid dafür gute Gründe – oder zumindest gut klingende Scheinbegründungen – vorbringen kann.

III. Ausblick

Im Falle von Griezmann spricht vieles dafür, dass sich die erforderlichen Spielzeiten für den Bedingungseintritt über beide Spielzeiten verteilen. Dann wäre maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung, ob die Bedingung eingetreten ist, der Ablauf der Saison 2022/2023. Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Bedingung nicht eingetreten. Sollte Atlético Madrid seine Einsatzpraxis für Griezmann unverändert fortführen, würde die Bedingung auch nicht eintreten und der Spieler müsste nach Ablauf der Saison zum FC Barcelona zurückkehren. Gedient ist damit niemandem, eine Einigung wäre für alle Parteien von Vorteil: Atlético Madrid möchte den formstarken Spieler länger als knapp 30 Minuten pro Spiel auflaufen lassen, der FC Barcelona möchte einen formellen Abschluss der „Causa Griezmann“ und ihn von der Gehaltsliste streichen und der Spieler möchte sich durch möglichst viel Einsatzzeiten für die kommende Weltmeisterschaft in Katar empfehlen. Mit einer festen Einwechslungszeit erst ab ca. der 60. Spielminute wird dies eher schwierig …

Zu den Autoren

Prof. Dr. Philipp S. Fischinger, LL.M. (Harvard) ist Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht, Sportrecht sowie Handelsrecht an der Universität Mannheim. Benjamin Kolomiyets ist dort Wissenschaftliche Hilfskraft. Einer der Hauptforschungsschwerpunkte des Lehrstuhls ist das Sportrecht, insbesondere das Sportarbeitsrecht. Kontakt: lehrstuhl.arbeitsrecht@uni-mannheim.de

 

[1] Vgl. Statistik über detaillierte Leistungsdaten von Antoine Griezmann in der Saison 2022/2023 https://www.transfermarkt.de/antoine-griezmann/leistungsdatendetails/spieler/125781/wettbewerb/ES1/saison/2022.

[2] https://www.mundodeportivo.com/futbol/fc-barcelona/20220908/1001865063/barca-prepara-demanda-atletico-pague-griezmann.html.

[3] Siehe jeweils https://www.transfermarkt.de/antoine-griezmann/profil/spieler/125781.

[4] Juristisch handelt es sich zwar nicht um eine Leihe i.S.v. § 598 BGB, weil sich die Bezeichnung eingebürgert hat, wird sie aber auch im Folgenden verwendet. Zur rechtlichen Einordnung der Spielerleihe vgl. Reiter, in: Fischinger/Reiter, Das Arbeitsrecht des Profisports, 2021, § 11, Rn. 33 ff.

[5] Auch insoweit ist die hier verwendete Wortwahl den Gepflogenheiten der Branche geschuldet. Zur Rechtsnatur von Transfergeschäften vgl. Reiter, in: Fischinger/Reiter, Das Arbeitsrecht des Profisports, 2021, § 11, Rn. 24 ff.

[6] https://www.sport1.de/news/internationaler-fussball/la-liga/2022/09/la-liga-nachste-stufe-im-griezmann-zoff-barcelona-will-atletico-verklagen.

[7] In der Saison 2020/2021 hatte Griezmann zwölf Spiele aufgrund von Verletzungen und Sperren verpasst, bei den restlichen 38 Pflichtspielen war er bei 30 Partien über mehr als 45 Minuten auf dem Platz. Das entspricht etwas weniger als 80 Prozent aller ihm möglichen Partien in der letzten Saison (s. näher https://www.sueddeutsche.de/sport/la-liga-griezmann-atletico-barcelona-kaufoption-1.5643960).

[8] https://www.transfermarkt.de/bericht-barca-will-festen-griezmann-transfer-zu-atletico-erzwingen-ndash-kaufpflicht-schon-erfullt-/view/news/411067.

[9] So z.B. auch im Fall von Kevin Wimmer, der von Hannover 96 zu Beginn der Spielzeit 2019/2020 vom englischen Zweitligisten FC Stoke City ausgeliehen wurde. Auch in diesem Leihvertrag war wohl eine Kaufverpflichtung geregelt, die eingreifen sollte, wenn Wimmer in mehr als 24 Spielen über 45 Minuten zum Einsatz kam (vgl. http://www.spox.com/at/sport/fussball/bundesliga/1904/Artikel/kevin-wimmer-bei-hannover-96-kuriose-klausel-im-stoke-leihvertrag.html).

[10] Intern ist im Grundsatz der Cheftrainer alleinentscheidungsbefugt (vgl. § 2 II 2, 3 Mustervertrag des Bundes Deutscher Fußball-Lehrer). Etwas anderes gilt allerdings, wenn – wie im vorliegenden Zusammenhang – mit der Festlegung der Aufstellung des Leihspielers zugleich über das Eingreifen der „Kaufverpflichtung“ entschieden wird; in einem solchen Fall kann die Vereinsführung mittels Weisungen an den Trainer vorgeben, ob der Leihspieler zum Einsatz kommt oder nicht (s. näher Fischinger/Unger, SpuRt 2019, 202, 203 f.).

[11] BAG 22.8.1984 – 5 AZR 539/81, NJW 1986, 2904, 2905; 16.1.2018 – 7 AZR 312/16, NJW 2018, 1992, 1995; Wüterich/Breucker, Arbeitsrecht, Rn. 298; Reiter, in: Fischinger/Reiter, Das Arbeitsrecht des Profisports, § 7, Rn. 123; s. aber auch Fischinger, SpoPrax 2022 (demnächst, Heft 12).

[12] https://www.spox.com/de/sport/fussball/international/spanien/2209/Artikel/atletico-antoine-griezmann-fc-barcelona-klausel-vertrag.html.

[13] Zitiert nach Kicker v. 29.9.2022, S. 45.

[14] Fischinger/Unger, SpuRt 2019, 202, 210; vgl. im Zusammenhang mit einsatzabhängigen Verlängerungsoptionen bei Spielern auch BAG 16.1.2018 – 7 AZR 312/16, NJW 2018, 1992, 1995.

[15] Vgl. Statistik über detaillierte Leistungsdaten von Antoine Griezmann  und Àlvaro Morata in der Saison 22/23 über alle Wettbewerbe hinweg: https://www.transfermarkt.de/antoine-griezmann/leistungsdatendetails/spieler/125781/wettbewerb/ES1/saison/2022 und https://www.transfermarkt.de/alvaro-morata/leistungsdatendetails/spieler/128223/wettbewerb/ES1/saison/2022 (abgerufen am 17.9.2022).

[16] MüKo-BGB/Westermann, § 162, Rn. 2 f.; BeckOGK-BGB/Reymann, 1.3.2021, § 162, Rn. 44;
Erman/Armbrüster, BGB, § 162, Rn. 2.

[17] https://www.spox.com/de/sport/fussball/international/spanien/2209/Artikel/atletico-antoine-griezmann-fc-barcelona-klausel-vertrag.html.

[18] Zitiert nach Kicker vom 29.9.2022, S. 45.

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Super League vor dem Europäischen Gerichtshof

Das Echo war groß, als im April 2021 zwölf europäische Spitzenvereine die Gründung einer europäischen Super League verkündeten. Mediale Empörung und Fanproteste ließen nicht lange auf sich warten. Daraufhin distanzierte sich ein Klub nach dem anderen von diesem Vorhaben, sodass das Projekt binnen 48 Stunden auch schon wieder der Geschichte anzugehören schien. Der FC Barcelona, Real Madrid und Juventus Turin harren jedoch weiterhin am Verhandlungstisch aus. Aus diesem Grund hatte die UEFA Ende Mai 2021 ein Disziplinarverfahren gegen die drei „Abtrünnigen“ eröffnet. Als Disziplinarmaßnahme stand Medienberichten zufolge unter anderem ein Ausschluss der Klubs aus sämtlichen europäischen Klubwettbewerben zur Diskussion. Darüber hinaus wurde den Spielern der entsprechenden Klubs angedroht, nicht bei Europa- oder Weltmeisterschaften teilnehmen zu dürfen.

Obwohl das Disziplinarverfahren indessen eingestellt wurde, ist die Geschichte noch nicht zu Ende geschrieben und geht nunmehr in die juristische Verlängerung. Austragungsort: Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in Luxemburg.

European Super League vs. UEFA/FIFA

Anlass dazu gab eine Feststellungsklage der European Superleague Company, S. L. bei einem Gericht in der spanischen Hauptstadt Madrid. Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass die UEFA und die FIFA „als ein Kartell handeln und ihre beherrschende Stellung auf dem Markt der Veranstaltung internationaler Wettbewerbe für Fußballvereine in Europa und auf dem Markt der Kommerzialisierung der mit diesen Wettbewerben verbundenen Rechte missbrauchen“, wenn sie sich der Gründung der European Super League widersetzen.

Da es im Rechtsstreit zwischen der European Super League und der UEFA/FIFA vor allem um die Auslegung von Unionsrecht geht, hat das spanische Gericht den EuGH um eine Vorabentscheidung ersucht. Das Vorabentscheidungsverfahren ist ein Verfahren, in welchem der EuGH auf Vorlage eines Gerichts eines Mitgliedstaats über die Auslegung des Unionsrechts entscheidet (Art 267 AEUV). Dadurch soll eine einheitliche Anwendung und Auslegung des Unionsrechts in den Mitgliedstaaten sichergestellt werden.

Heute und morgen kommt es diesbezüglich zur mündlichen Verhandlung vor dem EuGH. In dieser tragen die Parteien ihre Argumente in einer öffentlichen Sitzung sowohl den Richtern als auch dem Generalanwalt vor.

Standpunkt der UEFA/FIFA

Der europäische Sport ist im Allgemeinen nach dem sogenannten Ein-Platz-Prinzip organisiert. Demnach ist für jede Sportart (von wenigen Ausnahmen abgesehen) weltweit nur ein internationaler Verband für die Festlegung von Regeln und die Organisation von Wettbewerben zuständig. In diesem kann wiederum nur ein Verband pro Staat als Mitglied aufgenommen werden. Der Aufbau und die Struktur des Sportverbandswesens gleichen somit einer hierarchischen Pyramide. Damit wird insbesondere sichergestellt, dass die Regularien des jeweiligen Spitzenverbandes bis auf die unterste Ebene der Pyramide gelten und die Sportarten sohin überall nach einheitlichen Regeln gespielt werden.

An der Spitze der „Fußballverbandspyramide“ steht die FIFA. Die UEFA ist als eine der sechs Konföderationen für Europa zuständig. Beide Organisationen sind privatrechtliche Vereine im Sinne des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs. Als solche legen sie in ihren Statuten einen Vereinszweck, Zielsetzungen und Aufgaben fest. Dazu zählen unter anderem „das Organisieren von internationalen Wettbewerben“ sowie „die Überwachung und Kontrolle des Fußballs“.

Nach den Statuten dürfen internationale Spiele und Wettbewerbe ohne vorangehende Zustimmung der FIFA, der Konföderationen und/oder der Mitgliedsverbände nicht stattfinden. Die FIFA und die regionalen Konföderationen, im gegenständlichen Fall die UEFA, haben also ein Monopol für die Genehmigung und Veranstaltung internationaler Wettbewerbe im Profifußball.

Die nationalen Verbände sind als Mitglieder der UEFA und der FIFA an diese Vorschriften gebunden. Die entsprechenden Bestimmungen werden in weiterer Folge von den nationalen Verbänden in deren eigenen Satzungen und Reglements übernommen. Zuletzt unterwerfen sich auch die einzelnen Klubs (in Österreich beispielsweise im Rahmen des Lizenzierungsverfahrens) diesen Regelwerken.

Insofern haben sich die Klubs an die Regularien der UEFA und der FIFA zu halten, andernfalls haben sie mit Sanktionen zu rechnen.

Standpunkt der European Super League

Die European Super League soll ausweislich eigener Angaben der erste europäische Wettbewerb außerhalb der UEFA werden, der jährlich stattfindet und an dem Fußballspieler und Vereine auf höchstem sportlichem Niveau teilnehmen; darunter nach dem ursprünglichen Plan zumindest die zwölf Gründervereine sowie andere Klubs, die sich für den Wettbewerb qualifizieren. Geht es nach den Initiatoren, würde der Wettbewerb die teilnehmenden Klubs auch nicht daran hindern, weiterhin an ihren jeweiligen nationalen Wettbewerben und heimischen Ligen teilzunehmen.

Dass für die Gründung eines neuen europaweiten Vereinswettbewerbs eine vorherige Genehmigung der UEFA und FIFA erforderlich ist, widerspricht nach Ansicht der Gründer der European Super League dem Unionsrecht (insbesondere dem Kartellrecht und den Grundfreiheiten).

Bemängelt wird insbesondere, dass es kein auf der Grundlage objektiver, transparenter und nicht-diskriminierender Kriterien geregeltes Verfahren hinsichtlich einer allfälligen Genehmigung zur Veranstaltung internationaler Wettbewerbe gibt. Außerdem würde der bei der UEFA und FIFA gegebenenfalls bestehende Interessenskonflikt gänzlich unberücksichtigt bleiben.

Die gegenüber Spielern und Klubs angedrohten Sanktionen, für den Fall einer Teilnahme an einem solchen Wettbewerb (beispielsweise der Ausschluss von UEFA- und FIFA-Wettbewerben), sind rechtlich ebenfalls nicht haltbar.

Quo vadis?

Vereinfacht gesagt geht es also um die Frage, ob die Untersagung der Gründung eines eigenständigen Wettbewerbs außerhalb der Strukturen der UEFA und der FIFA rechtmäßig ist. Oder anders gesagt: ob die Monopolstellung von Spitzenverbänden mit unionsrechtlichen Bestimmungen vereinbar ist. Das hat nun der EuGH im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens zu beurteilen.

Die Gemengelage erinnert den Sportinteressierten höchstwahrscheinlich an die aktuelle Situation im Golfsport, wo die PGA Tour angekündigt hat, alle Spieler zu suspendieren, die an Turnieren der LIV Golf, auch als Super Golf League bekannt, abschlagen (näher dazu hier).

Wenngleich der Ausgang des Vorabentscheidungsverfahrens in der Causa „European Super League vs. UEFA/FIFA“ freilich nicht vorhergesagt werden kann, wagt der Autor abschließend eine rechtliche Einschätzung: Das Verfahren hat das Potenzial, an den sportrechtlichen Grundstrukturen zu rütteln. So stellt das Vorabentscheidungsersuchen nicht weniger als das europäische Sportmodell (Ein-Platz-Prinzip und Sportverbandspyramide) auf die Probe. Dieses wird sich jedoch im Wesentlichen vor dem Gerichtshof behaupten – wir bleiben am Ball!

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Von Mbappé zu den neuen Financial Sustainability Regulations

Die Transfer-Saga um den Topstürmer Kylian Mbappé hat spätestens mit der offiziellen Meldung von Paris Saint Germain (PSG) bzw der Verkündung im Parc des Princes unmittelbar vor dem letzten Saisonspiel gegen den FC Metz am 21. Mai (vorerst) ein Ende gefunden. Auch wenn Details nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind und in der Medienwelt verschiedene Bedingungen kolportiert werden, dürfte der 23-jährige Franzose seinen Vertrag beim Meister der Ligue 1 zu (finanziell) durchaus attraktiven Konditionen bis 2025 verlängert haben. Dies stößt nicht nur bei Real Madrid CF auf Unverständnis und Unmut – der Wechsel von Mbappé zu den Königlichen stand unmittelbar vor dem Abschluss, letztlich entschied sich der Angreifer aber für die Verlängerung bei PSG –, sondern auch beim spanischen Ligaverband La Liga, in Person von Präsident Javier Tebas. Man werde beim europäischen Fußball-Dachverband UEFA, den französischen Verwaltungs- und Steuerbehörden und der Europäischen Union Beschwerde einlegen. Laut La Liga (Details hier) sei die Vertragsverlängerung eine unmögliche Investition, da der Verein inakzeptable Gehaltskosten und große finanzielle Verluste in früheren Saisons gehabt habe. Außerdem verstoße die Vertragsverlängerung unter anderem gegen die geltenden Regeln der UEFA – womit wohl die zu dem Zeitpunkt geltenden Regeln des Financial Fairplay (FFP – näheres dazu hier) gemeint sind. Vincent Labrune (Präsident der französischen Ligue-1) ließ mit seinem verbalen Rückschlag nicht lange auf sich warten.

Während diese Auseinandersetzung sicherlich noch für weitere (mediale und womöglich rechtliche) Schlagzeilen sorgen wird, gelten in Sachen Finanzen und Ausgaben ab Juni 2022 neue Regelungen im europäischen Fußball. In Nyon beschloss das Exekutivkomitee der UEFA am 7. April (siehe hier) die UEFA Club Licensing and Financial Sustainability Regulations (FSR), die das laut UEFA-Präsident Aleksander Čeferin aufgrund „der Entwicklung der Fußballindustrie“ und „den unvermeidlichen finanziellen Auswirkungen der Pandemie“ reformbedürftige FFP ersetzen werden. Hier ein kleiner Aufriss.

Die wichtigsten Regeln der Financial Sustainability (finanzielle Nachhaltigkeit)

Die als Ziel vorgegebene finanzielle Nachhaltigkeit soll durch Solvenz, Stabilität und Kostenkontrolle erreicht werden.

Art 80–83 der FSR regeln die Solvency requirements. Ziel der Vorschriften in puncto überfälliger Verbindlichkeiten (gegenüber Fußballvereinen, Arbeitnehmern, Sozialversicherungsträgern bzw Steuerbehörden sowie der UEFA) ist ein höherer Gläubigerschutz, wobei die Fußballvereine vierteljährlich kontrolliert werden und Zahlungsverzüge geahndet werden sollen.

Die Stability requirements (Art 84–91 FSR) haben in der Berechnung ihre Basis in der bestehenden Break-even-Vorschrift. Die Steigerung der „annehmbaren Abweichung” (= Defizit zwischen Einnahmen und Ausgaben, die ein Investor ausgleichen darf) von EUR 30 Mio auf EUR 60 Mio jeweils über drei Jahre, soll durch strengere Anforderungen bezüglich des Fair Value der Transaktionen entschärft werden. Finanziell gesunden Clubs steht unter gewissen Voraussetzungen eine annehmbare Abweichung von bis zu zusätzlich EUR 10 Mio zu.

Die wohl massivste und umstrittenste Änderung betrifft die Cost control requirements (Art 92–94 FSR). Die Kaderkosten (Gehälter, Transfers und Beraterkosten) werden mit 70 % der Vereinseinnahmen begrenzt. Verstöße hiergegen werden je nach Schwere und Häufigkeit über einen Zeitraum von vier Jahren schrittweise (finanziell und sportlich) sanktioniert.

Die FSR sind mit 1. Juni 2022 in Kraft getreten, wobei den Vereinen eine schrittweise Umsetzung über einen Zeitraum von drei Jahren eingeräumt wird. Ein sog Salary Cap (feste Gehaltsobergrenze), wie bspw von der Deutschen Fußball Liga (DFL) gefordert wurde, stieß hingegen auf zu großen Gegenwind und fand keinen Platz.

Stimmen zum neuen Reglement

Oliver Kahn, Vorstandsvorsitzender der FC Bayern München AG und Vizepräsident der European Club Association (ECA), spricht von einem Meilenstein, zumal er hofft, dass die FSR eine leichte Bremse bei den Gehältern und Ablösesummen mit sich bringe.

Laut Dr. Marc Lenz (Zuständiger für Internationale Angelegenheiten der DFL) seien die neuen Regularien ein Kompromiss unter Berücksichtigung verschiedener europäischer Perspektiven, der die finanzielle Stabilität und die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Clubs stütze. Bezüglich Investorengeldern gehen die Sichtweisen innerhalb Europas weiterhin stark auseinander, wobei die Regularien an entscheidenden Stellen im Sinne des deutschen und auch europäischen Profifußballs positiv beeinflusst worden seien. Konsequente Umsetzung und Sanktionierung seien gefragt, sodass die finanzielle Stabilität des europäischen Fußballs gestärkt werde.

Wanja Greuel, Geschäftsführer des schweizerischen Clubs Young Boys Bern und Vorstandsmitglied der ECA, sieht keinen Sinn hinter der Sanktion der „Luxussteuer”. Denn Clubs wie Manchester City, PSG oder den FC Chelsea jucken Geldstrafen wenig, zumal es statt den 70 % bei der Höchstgrenze der Kaderkosten bzw der Orientierung am Umsatz des jeweiligen Clubs einen absoluten Wert brauche. 70 % von Endlos seien immer noch endlos, so Greuel. Auch in Deutschland wird die Sinnhaftigkeit der „Luxussteuer” hinterfragt. So stehen zum Teil die finanzstärksten Länder der Welt als Investoren hinter gewissen Clubs. Sie verfolgen andere Interessen (zB Imagegewinn) als die klassische Rendite und verhalten sich dementsprechend „verschwenderisch” was ihre Geldmittel betrifft. Nicht zuletzt gilt in Österreich und Deutschland (noch) die „50+1”-Regel, die eine Übernahme durch Investoren grundsätzlich verhindert. Aufgrund dessen könnte die finanzielle Schere zwischen Deutschland/Österreich und anderen Ländern im internationalen Vergleich wohl noch weiter auseinander gehen. Dem Ökonom Henning Vöpel ist die Rolle der UEFA als Regulator des Systems sowie als Veranstalter der europäischen Clubwettbewerbe ein Dorn im Auge, da sie mit der Sanktionierung „ihrer” Clubs letztlich „ihrem” Wettbewerb schade und sie daher nicht mehr autonom handeln könne.

Einordnung des Mbappé-Deals

Der Mbappé-Deal ließ die Wogen im Fußball-Business wieder einmal hochgehen, gerade weil in diesen Tagen die neuen FSR der UEFA in Kraft getreten sind. Für den deutschen Sportrechtler M. Stopper lassen sich die immensen Mengen an Geld, die dem Pariser Stürmer zukommen sollen, weder mit dem alten FFP noch mit dem neuen FSR in Einklang bringen. Beide Regularien beinhalten den sog Fair-Value-Paragraphen, wonach ein Geldzufluss an einen Verein einen angemessenen Gegenwert haben müsse (bspw Trikotsponsoring). Ein solcher Gegenwert fehle in diesem Fall, wonach mit Strafen zu rechnen sei. Der Sportjurist G. Reiter widerspricht in diesem Punkt, weil die Sanktionen gerade im FSR strenger seien. Er hält den Zeitpunkt der Verlängerung (bekanntlich vor dem 1. Juni 2022) für keinen Zufall, da das alte FFP wackelig sei und er Sanktionen der UEFA für PSG auf Basis dessen bezweifle (siehe dazu FAZ vom 27.5.2022). Letzterem ist zuzustimmen, zumal die mangelhafte Durchsetzbarkeit der Strafen wegen Verstößen gegen das FFP kein Geheimnis ist – so hielt auch der Champions-League-Ausschluss von Manchester City vor dem Internationalen Sportgerichtshof nicht stand. Ein Verstoß gegen die FSR hingegen wäre Neuland, das man bei einer Personalie wie Mbappé wohl nicht betreten wollte.

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Der Fall Marcel Lotka – blau-weiß oder schwarz-gelb?

Gastbeitrag von Patrick Pirker

Bis vor kurzem war der Name Marcel Lotka wohl den wenigsten Fußballfans in Deutschland ein Begriff – aktuell ist sein Name in aller Munde. Nicht nur, weil er seit Februar von der etatmäßigen Nummer drei im Tor von Hertha BSC Berlin zum Stammkeeper avancierte und dabei einen sicheren Rückhalt während der Rückrunde darstellte, sondern vielmehr, da Borussia Dortmund und Hertha BSC Berlin nun womöglich wegen seinen Diensten vor Gericht ziehen.

Was ist passiert?

Hertha BSC Berlin und Borussia Dortmund vermeldeten am 1. März 2022, dass die Berliner Nummer drei im Tor, Marcel Lotka, nach Saisonende ablösefrei zu Borussia Dortmund II wechseln wird. Kurz vor Verkündigung des Sommertransfers gab der Tormann im Spiel gegen den SC Freiburg aufgrund der Verletzungen des Einser- und Zweier-Tormanns sein Debüt zwischen den Pfosten der Hertha. Dem Debüt folgten weitere Spiele in der Deutschen Fußball-Bundesliga. Da er seinen Job hervorragend erledigte, gab die Hertha bekannt, kurz vor dem 30. April 2022 eine Option auf Vertragsverlängerung bis 2023 gezogen zu haben, obwohl bereits eine Einigung mit Borussia Dortmund erzielt wurde. Möglich gemacht werden soll dies durch eine „spezielle Klausel“ in Lotkas Vertrag mit der Hertha.

Rechtliche Einschätzung der „speziellen Klausel“

Bei dieser „speziellen Klausel“ handelt es sich um eine einseitige Option auf Vertragsverlängerung des befristeten Arbeitsverhältnisses. Diese einseitigen Vertragsverlängerungsoptionen sind im Profifußball keine Seltenheit (siehe dazu den LAW MEETS SPORTS-Beitrag). Mit diesen Klauseln wird das Ziel verfolgt, je nach Entwicklung des Spielers, das Arbeitsverhältnis zu verlängern, um eine höhere Ablösesumme zu lukrieren, oder dieses aufgrund unbefriedigender Leistungen zu beenden.

Im Transfer Hick-Hack rund um Marcel Lotka könnten nun verschiedene Szenarien einzutreten:

Nichtigkeit der einseitigen Vertragsverlängerungsoption

Wie der deutsche Arbeitsrechtler Prof. Philipp S. Fischinger in einem Interview mit der Fußballzeitschrift „Kicker“ ausführt, sind einseitige Vertragsverlängerungsoptionen nach überwiegender Auffassung deutscher Juristen unwirksam, da sie Profifußballer benachteiligen würden. Eine höchstgerichtliche Entscheidung des deutschen Bundesarbeitsgerichts zu diesen Vertragsoptionen fehlt bisher jedoch.

Verlängerungsoption ist rechtskonform ­­– was nun?

Im Wechselchaos rund um Lotka würde es nach Ansicht Fischingers dann kompliziert werden, wenn das Bundesarbeitsgericht diese einseitige Vertragsklausel als rechtskonform qualifizieren würde, da der Spieler dann ab 1. Juli 2022 bei Borussia Dortmund und Hertha BSC Berlin unter Vertrag stehen würde. Dies wäre in weiterer Folge einerseits aufgrund der Tatsache, dass Hertha BSC Berlin und Borussia Dortmund in der Deutschen Fußball Bundesliga direkte Konkurrenten sind (insofern der Hertha der Klassenerhalt gelingt – ein Aufeinandertreffen im DFB Pokal ist jedenfalls realistisch) und andererseits aufgrund eines Verstoßes gegen das deutsche Arbeitszeitgesetz problematisch (siehe dazu Fischinger im Kicker-Interview). Sollte der Spieler Arbeitspflichten für beide Vereine nachkommen müssen, würde er die gesetzliche Arbeitszeit überschreiten. Das deutsche Bundesarbeitsgericht sieht in einem solchen Fall das zweite Arbeitsverhältnis als nichtig an. Hier könnten laut Fischinger ebenfalls Probleme auftreten, denn die Hertha könnte den Standpunkt vertreten, dass der Vertrag mit Lotka schon länger besteht und fortgesetzt wird, wohingegen Dortmund argumentieren könnte, dass sie einen ab dem 1. Juli 2022 gültigen Vertrag abgeschlossen haben.

Was sagt das Verbandsrecht der Deutschen Fußball Liga (DFL)?

Nach der Bestimmung des § 4 Nr 5 DFL Lizenzordnung Spieler kann ein Spieler bei der DFL für einen neuen Verein nur dann registriert werden, wenn er mit keinem anderen Verein in einem Vertragsverhältnis steht. Sollte nun der Fall eintreten, dass sich weder Lotka noch die beiden Vereine auf eine Lösung einigen, so würde § 9 Nr 2 DFL Lizenzordnung Spieler vorsehen, dass bei einer Streitigkeit zwischen Club und Spieler über die Wirksamkeit eines Arbeitsvertrages die Spielerlaubnis so lange besteht, bis eine Einigung zwischen Club und Spieler erzielt wird oder eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung vorliegt. Somit wäre Lotka aufgrund der weiterhin bestehenden Registrierung bei der Hertha auch kommende Saison Spieler von Hertha BSC Berlin, da eine Registrierung bei Borussia Dortmund nicht möglich wäre (siehe dazu auch Fischinger im Kicker-Interview).

Um eine genaue rechtliche Beurteilung vornehmen zu können, wäre ein Einblick in das Arbeitspapier mit Hertha BSC Berlin und eine genauere Kenntnis über die mündliche Vereinbarung mit Borussia Dortmund interessant. Nachdem Verträge auch mündlich abgeschlossen werden können und die gleichen Wirkungen wie eine schriftliche Vereinbarung entfalten, sehe ich persönlich Borussia Dortmund in der besseren Position. Auch, weil der Transfer bereits von beiden Vereinen offiziell verkündet wurde.

Entscheidung des OGH zu einseitigen Vertragsverlängerungsoptionen in Österreich

Ein solches rechtliches Problem, wie es der Fall Lotka veranschaulicht, kann in Österreich nicht (mehr) eintreten. Denn: Der Oberste Gerichtshof (OGH) war mit dieser Thematik bereits im Jahr 2016 befasst (siehe dazu den LAW MEETS SPORTS-Beitrag). In der Causa „Onisiwo“ ging es darum, dass der Fußballer Karim Onisiwo einen Profivertrag mit dem Fußballclub SV Mattersburg abgeschlossen hat, der dem damaligen Bundesligisten eine Option einräumte, den Spielervertrag nach Ablauf eines Jahres, um weitere zwei Jahre zu verlängern. Nach Vertragsabschluss erhielt der Profi einen „Sideletter“ zum Spielervertrag nach Hause geschickt, wonach dieser bei Ziehung der Verlängerungsoption durch den Fußballclub eine Erhöhung seines Entgelts um 15 % erhalten wird. Das Dienstverhältnis hätte somit nach einem Jahr durch den Verein beendet werden können, wohingegen der Spieler bei Ziehung der Option zwei weitere Jahre an den Verein gebunden gewesen wäre. Ausdrücklich vereinbart wurde im Spielervertrag die Bestimmung des damaligen § 6 Abs 4 KV-ÖFB idF vom 1. Juli 2014, wonach einseitige Verlängerungsoptionen nur zulässig sind, wenn beiden Vertragsteilen die gleichen Ansprüche eingeräumt werden und die Ausübung des Optionsrechts für beide an gleiche Bedingungen geknüpft ist (siehe dazu den LAW MEETS SPORTS-Beitrag). Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn eine Gehaltserhöhung explizit im Arbeitsvertrag festgehalten, oder eine Ausstiegsklausel verankert wird. Die Bestimmung des § 6 Abs 4 KV-ÖFB wurde mit dem KV-ÖFB idF vom 1. Juli 2018 konkretisiert. Nunmehr darf der Optionszeitraum z.B. nicht länger als jener des Grundvertrages sein. Des Weiteren beträgt dieser nunmehr maximal eine Saison (dazu bereits der LAW MEETS SPORTS-Beitrag).

Nachdem Karim Onisiwo bei einer Nichtziehung der Verlängerungsoption durch den Fußballverein nach einem Jahr vertragslos gewesen wäre bzw. bei Ziehung der Klausel weitere zwei Jahre in Diensten der Mattersburger gestanden wäre und die Gehaltserhöhung nicht explizit im Vertrag geregelt wurde, waren vereinfacht gesagt die Voraussetzungen des KV-ÖFB („gleichwertige Ansprüche“ und „für beide Teile an gleichwertige Bedingungen geknüpft“) nicht erfüllt. Der OGH hielt in seiner rechtlichen Beurteilung explizit fest, dass es nicht zweifelhaft sei, dass eine einseitige Vertragsverlängerungsoption um weitere zwei Jahre bei einem Grundvertragszeitraum von einem Jahr ohne jegliche Verbesserung des Spielervertrags, den Anforderungen des damaligen KV-ÖFB nicht entspreche.

Fazit

Während in Österreich die Bedingungen für einseitige Vertragsverlängerungsoptionen durch die Entscheidung des OGH bzw. der Neufassung des KV-ÖFB klar festgelegt wurden, ist in Deutschland noch vieles offen. Es kann durchaus davon ausgegangen werden, dass sich das deutsche Bundesarbeitsgericht bald mit dieser Thematik beschäftigen wird. Nachdem sich die österreichische Rechtsprechung hin und wieder an der deutschen orientiert, kann davon ausgegangen werden, dass die Entscheidung des OGH in Deutschland Berücksichtigung findet und, dass das deutsche Bundesarbeitsgericht zu einer ähnlichen Beurteilung kommt.

Übrigens: Nach Ende seiner Zeit in Mattersburg wechselte Onisiwo in die deutsche Bundesliga zum FSV Mainz 05 und wurde dort zu einem der Leistungsträger des Bundesligisten. Vielleicht etabliert sich Marcel Lotka auch als Bundesliga-Spieler; ob in Berlin oder Dortmund wird die Zukunft zeigen – zu wünschen wäre es ihm jedenfalls.

Zum Autor

Patrick Pirker absolviert derzeit seine Gerichtspraxis im Sprengel des OLG Graz. Nebenbei ist er in der Rechtsanwaltskanzlei Stipanitz-Schreiner und Partner als juristischer Mitarbeiter tätig. Während seines Auslandssemsters an der ESADE Law School in Barcelona hat ihn das Interesse am Sportrecht gepackt. Als Begeisterter Tennis- und Fußballfan möchte er Hobby und Beruf miteinander verbinden. Kontakt: patrick.pirker97@gmail.com

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Aktuelles zur 50+1 Regel in Österreich

In Deutschland wird unter anderem darüber nachgedacht, die 50+1 Regel anzupassen oder gar abzuschaffen. Ein Mitgrund soll – neben der kartellrechtlichen Problematik – die Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit deutscher Vereine sein.

Einen anderen Weg plant man offensichtlich in Österreich. Hier wird über eine Verschärfung der 50+1 Regel nachgedacht. Diese ist Teil der Lizenzbestimmungen, die jeder Verein als Lizenzbewerber erfüllen muss. Der Profibereich eines Vereins ist zur Wahrung der Gemeinnützigkeit in einer eigenen Spielbetriebsgesellschaft (in der Folge „Gesellschaft“) ausgegliedert. Es ist somit zwischen dem Verein als Lizenzinhaber und der ausgegliederten Gesellschaft zu unterscheiden. Aktuell muss der Verein an der Gesellschaft neben der Mehrheit der Stimmrechte („50+1“) auch über einen „beherrschenden Einfluss“ verfügen.

Die neuen Lizenzbestimmungen sehen eine Vielzahl an Neuerungen vor. Darunter auch einige rechtliche Adaptionen. Neben der Beteiligung an der Gesellschaft soll auch die Unabhängigkeit des Vereins gesichert werden. Das könnte mitunter großes Unbehagen bei den rechtsfreundlichen Vertretungen der Vereine hervorrufen. Denn: Mit Veränderungen in den Lizenzkriterien geht oftmals erhöhte Rechtsunsicherheit einher. Insbesondere wenn es um das Dauerthema 50+1 geht sowie die Möglichkeiten sich an den Gesellschaften der Vereine zu beteiligen. Wie abhängig darf ich mich als Fußballklub von externen Investoren machen und wie viel Entscheidungsmacht – in welcher Form auch immer – darf ihnen übertragen werden?

Wer beherrscht meinen Verein?

Aktuell sieht die 50+1 Regel eine „Stimmrechtsmehrheit“ und den „beherrschenden Einfluss“ vor. Der Verein muss neben der Mehrheit der Stimmrechte in der ausgegliederten Gesellschaft auch über einen beherrschenden Einfluss verfügen. Bei der Definition des „beherrschenden Einflusses“ bedient man sich der Kriterien des Unternehmensgesetzbuches. Dieses sieht einen solchen Einfluss beispielsweise durch Anteilsbesitz oder durch die Möglichkeit die Mehrheit der Organmitgliedern zu bestellen als gegeben an.

Nunmehr wird überlegt zusätzlich den Begriff der „einheitlichen Leitung“, der durch „faktische Einflussnahme“ oder „maßgebliche Finanzierung“ begründet werden kann, in den Lizenzkriterien zu integrieren. Durch die neugeschaffenen Kriterien sollen vor allem faktische Abhängigkeiten und bislang gern gewählte Umgehungsstrukturen verhindert werden.

Dem wird teilweise entgegengehalten, dass jede weitere unbestimmte Begrifflichkeit zu mehr Rechtsunsicherheit führe und potenzielle Investoren somit abgeschreckt würden. Hier ist der Spagat zwischen einer allseits gewünschten Klarstellung zur rechtssicheren Auslegung der Kriterien und zusätzlicher Verunsicherung durch die Aufnahme weiterer unbestimmter Termini ein schwieriger.

„Wer zahlt schafft an“

In Zukunft soll somit nicht mehr nur auf die stimmrechtliche Mehrheit des Vereins in der Gesellschaft, sondern auch auf die Kapitalmehrheit von mindestens 50,1 Prozent geachtet werden. Dies wird unter anderem damit argumentiert, dass Personen die mehrheitlich am Ergebnis – und somit auch am Verlust – einer Gesellschaft beteiligt sind, faktisch auch die geschäftspolitischen Entscheidungen treffen, selbst wenn dies vertraglich nicht festgehalten ist.

Vielfach diskutiert wird auch die Frage, was unter faktischer Einflussnahme oder maßgeblicher Finanzierung zu verstehen ist. Beide Kriterien würden eine einheitliche Leitung des Vereins bzw. dessen Gesellschaft begründen. Dabei wird auf faktische Umstände abgestellt, die keiner rechtlichen Verankerung wie etwa vertraglich festgelegte Mehrheiten von Stimmrechten benötigen. Es zählt sozusagen das Ergebnis und nicht die Mittel.

Kurzum kann man es wie folgt zusammenfassen: Derjenige, der ein wirtschaftliches Interesse an einem Verein bzw. dessen Gesellschaft hat, soll keine Möglichkeit haben, die einheitliche Leitung und Beherrschung im Verein auszuüben.

Die Frage der einheitlichen Leitung

Was passiert also, wenn sich ein finanzkräftiger Investor bereit erklärt, eine höhere Summe beispielsweise als Darlehen bereitzustellen. Wenn es bei der erheblichen Finanzierung bleibt und keine anderen Umstände hinzutreten (etwa durch die eingeräumte Möglichkeit der Bestellung von Organmitgliedern): nicht viel. Denn ein reines Sponsoring begründet noch kein wirtschaftliches Interesse, eine Beteiligung an der Gesellschaft des Vereins hingegen schon. Die Beteiligung kann dabei unmittelbar, mittelbar, aber auch still ausgestaltet sein.

Und ist ein wirtschaftliches Interesse gegeben, ist im nächsten Schritt die Frage der „einheitlichen Leitung“ zu klären. Darunter ist die wesentliche Einflussnahme auf zentrale Entscheidungen zu verstehen. Werden diese nach den Vorstellungen einer Person getroffen, liegt eine „einheitliche Leitung“ vor. Für eine einheitliche Leitung können neben der „faktischen Einflussnahme“ eben auch „maßgebliche Finanzierungen“ sprechen. Beide Begriffe sollen in die Neufassung der 50+1 Regelung mitaufgenommen werden.

Muss beim aktuell in den Lizenzkriterien vorzufindenden „beherrschenden Einfluss“ eine rechtlich gesicherte Möglichkeit zur Beherrschung vorliegen (Stichwort: Mehrheit der Stimmrechte), soll durch die nunmehr angedachte „einheitliche Leitung“ faktischen Gegebenheiten, die sich aufgrund finanzieller Übermacht ergeben können, entgegentreten werden.

Übertragung von Anteilen an der Gesellschaft

In der Zukunft soll zudem die Übertragung von Anteilen an der Gesellschaft erschwert werden. So soll ein jeder Verein über ein vertraglich gesichertes Vorkaufs- und Aufgriffsrecht verfügen. Werden Anteile an der Gesellschaft übertragen, müssen diese zuerst dem Verein angeboten werden. Der Preis soll dabei mit dem Verkehrswert gedeckelt werden.

Die Beteiligung Dritter an Tochtergesellschaften des Vereins

Es ist durchaus üblich, dass ein Verein bzw. dessen Gesellschaft bestimmte Vermögenswerte, wie insbesondere Transferrechte oder mediale Verwertungsrechte, an andere Unternehmensträger überträgt. In Zukunft soll auch für diese Unternehmen die 50+1 Regel gelten. Mit dem Zusatz, dass – neben dem Verein – auch die ausgegliederte Gesellschaft den beherrschenden Einfluss sowie die Stimmen- und Kapitalmehrheit ausüben bzw. halten kann.

Es bleibt spannend

In den neuen Lizenzkriterien wird angedacht, neben der „Stimmrechtsmehrheit“ auch eine „Mindestkapitalbeteiligung“ der Vereine von 50,1 Prozent zu integrieren. Der Grund soll die Verhinderung faktischer Abhängigkeiten von Investoren sein, die die Kapitalmehrheit an der ausgegliederten Spielbetriebsgesellschaft halten und diese gleichzeitig mit Darlehen versorgen.

Mag die Grundidee der angedachten Änderung aufgrund der praktischen Erfahrungen vergangener Jahre eine richtige sein, sind die geäußerten Bedenken ob der Unbestimmtheit der zusätzlichen Begrifflichkeiten dennoch nicht ganz von der Hand zu weisen. Denn eine jede unbestimmte Begrifflichkeit lässt Raum für unterschiedliche Auslegungsmöglichkeiten, die in weiterer Folge die eigentlich beabsichtigte Förderung der Rechtssicherheit unterlaufen würden.

In kartellrechtliche Hinsicht könnten die angedachten Änderungen sogar zu einer Stärkung der 50+1 Regel führen, da sie Umgehungsmöglichkeiten verhindern und die angezweifelte „Eignung“ der jetzigen Regelung entscheidend verstärken würden.

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16-sekündiges Wechselchaos versetzt die deutsche Fußballwelt in Unruhe

Für viel Aufregung sorgte der allseits viel diskutierte Wechselfehler des FC Bayern München beim Gastspiel in Freiburg letzten Samstag (2. April). Etwa fünf Minuten vor Ende der regulären Spielzeit sollten Niklas Süle und Marcel Sabitzer für Corentin Tolisso und Kingsley Coman ins Spiel kommen. Aufgrund eines Fauxpas der Teammanagerin des FC Bayern, die die falsche Rückennummer von Coman über die elektronische Wechseltafel hochhielt, verblieb der Franzose auf dem Feld anstatt sich nach seinem Tor zum 3:1 einen verdienten Applaus abzuholen. Kurzum: Tolisso verließ den Platz, Süle und Sabitzer kamen, Coman blieb. Bis der Wechselfehler dem Freiburgakteur Nico Schlotterbeck auffiel und dieser den Schiedsrichter Christian Dingert umgehend informierte, vergingen knapp 20 Sekunden, in denen der Rekordmeister aus München mit 12 – anstatt der 11 erlaubten – Spielern am Platz stand. Nach einer langen und chaotischen Spielunterbrechung, dem Verlassen des Spielfelds von Coman und einem sog Schiriball ging das Spiel mit 4:1 zu Ende, wobei der Österreicher Sabitzer in der sechsten Minute der Nachspielzeit sogar noch ein Tor schoss. Nach dem Einspruch des SC Freiburg liegt bereits die Entscheidung des DFB-Sportgerichts vor.

Vorgaben der Fußball-Regeln für die Saison 2021/2022 des Deutschen Fußball-Bundes (DFB)

Regel 3.1. erster Satz und Regel 3.3. stellen hinsichtlich der Spieleranzahl und dem Auswechselvorgang Folgendes klar:

Das Spiel wird von zwei Teams mit jeweils höchstens elf Spielern bestritten, von denen einer der Torhüter ist“.

Bei der Auswechslung eines Spielers sind folgende Bedingungen zu beachten:

Der Schiedsrichter ist vor der Auswechslung zu informieren.

Der Spieler, der ausgewechselt wird, muss vom Schiedsrichter die Erlaubnis zum Verlassen des Spielfelds erhalten, sofern er dieses nicht bereits verlassen hat, und das Spielfeld über die nächste Begrenzungslinie verlassen, es sei denn, der Schiedsrichter zeigt an, dass der Spieler das Spielfeld direkt und sofort an der Mittellinie oder an einer anderen Stelle verlassen darf (z. B. aus Sicherheitsgründen oder wegen einer Verletzung) sowie sich sofort in die technische Zone oder die Umkleidekabine begeben und darf nicht mehr am Spiel teilnehmen, es sei denn, Rückwechsel sind zulässig.

Weigert sich ein Spieler, der ausgewechselt werden soll, das Spielfeld zu verlassen, wird das Spiel fortgesetzt.

Ein Auswechselspieler betritt das Spielfeld ausschließlich während einer Spielunterbrechung, an der Mittellinie, nachdem der ausgewechselte Spieler das Spielfeld verlassen hat und nach einem Zeichen des Schiedsrichters.

Die Auswechslung ist vollzogen, wenn der Auswechselspieler das Spielfeld betritt. Damit wird der Spieler, der ausgewechselt wurde, zum ausgewechselten Spieler, und der Auswechselspieler zu einem Spieler, der jede Spielfortsetzung vornehmen darf.

Moralische und rechtliche Einschätzungen

Auch wenn viele die Entscheidung des Sportclubs, Einspruch einzulegen, als lächerlich und überzogen ansehen, kann dieser Fall allerdings einen Präzedenzfall schaffen. ZB für den kicker-Reporter Schröter-Lorenz stellen sich verständlicherweise die Fragen nach Schuld (Schiedsrichter-Team? Münchner Verantwortlichen? Beide?) und Sanktion bzw wie viele Sekunden zu zwölft akzeptiert werden, oder was der „überflüssige“ Spieler denn eigentlich (nicht) machen darf, damit (keine) Sanktionen auftreten?

Nach dem deutschen Sportrechtsexperten Lambertz beinhalten die Spielregeln des DFB eine Regelung für die Situation, in der eine Mannschaft mit zu vielen Spielern auf dem Platz ein Tor schießt. Da die Spielregeln des DFB es also vorsehen, dass es zu viele Spieler auf dem Spielfeld geben könne, gehe er sohin nicht von einem Wiederholungsspiel oder einer Wertung am sog grünen Tisch zugunsten des SC Freiburg aus. Lambertz entgegnet zudem dem Paragraf 17, Absatz 4 der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB, der eine 0:2-Wertung gegen eine Mannschaft vorsieht, wenn diese einen „nicht spiel- oder einsatzberechtigten“ Spieler einsetzt und zu Beginn der Thematik immer wieder ins Treffen geführt wurde, dass „[d]ie Voraussetzungen [dafür] auch nicht vor[liegen], weil Sabitzer spielberechtigt war.“

Bezüglich den vom SC behaupteten „bestehenden Treuepflichten des Vorstands gegenüber dem Verein“ und den damit in Zusammenhang stehenden Haftungsfragen, also möglicher Klagen von Mitgliedern, Sponsoren oder sonstigen dem Verein verbundenen Personen gegen den Vereinsvorstand, meint der Experte letztlich, dass die Verantwortlichen des Sportclubs seiner Meinung nach auch nichts zu befürchten gehabt hätten, wobei er den Weg zum Sportgericht als richtig ansehe.

Der Meinung von Lambertz ist beizupflichten, denn das Motiv des SC Freiburg hinter dem Einspruch lag offensichtlich darin, Klarheit für zukünftige gleichartige Fälle zu generieren und nicht, nachträglich drei Punkte zu ergattern. Mit letzterem war ohnehin – nicht nur aber auch insbesondere aufgrund des Endstands von 1:4 für den FCB – nicht zu rechnen.

Die Entscheidung des DFB-Sportgerichts

Nach dem Einspruch des SC Freiburg gegen die Spielwertung der Partie, der für sich allein schon für (moralische) Diskussionen sorgte – Bayern-Trainer Julian Nagelsmann meinte etwa: „Ich weiß nicht, ob du dir auf die Schulter klopfen kannst, solltest du (Anm: der SC Freiburg) international spielen aufgrund von drei Punkten, die du sportlich de facto nicht gewonnen hast.“ – lag der Ball zunächst beim zuständigen DFB-Sportgericht, der ersten verbandsinternen Instanz des DFB. Das Gremium um Stephan Oberholz, dem Vorsitzenden des DFB-Sportgerichts, entschied nach der Auswertung der Stellungnahmen aller Verfahrensbeteiligten (FC Bayern, Schiedsrichter Christian Dingert und 4. Offizielle Arne Blos) über den Einspruch unlängst wie folgt:

Laut Oberholz ging man zunächst davon aus, dass alle Spieler der Münchner spielberechtigt waren (Anm zu Paragraf 17, Absatz 4 der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB). Der schuldhafte Einsatz eines nicht einsatzberechtigten Spielers kann aber nicht dem FC Bayern angelastet werden. Mit Blick auf Regel 3 der Fußballregeln, die unter anderem die Pflichten des Schiedsrichterteams bei Auswechslungen regelt (siehe oben), ist der Wechselfehler auf ein „schuldhaftes Fehlverhalten“ des Schiedsrichters zurückzuführen. Die gravierende Rechtsfolge einer Spielumwertung wäre zudem nicht verhältnismäßig, da der geringfügige, hinter dem Fehlverhalten der Schiedsrichter zurücktretende, Verschuldungsbeitrag der Bayern dafür nicht genügt. Vielmehr haben die Schiedsrichter ihre Prüfpflichten hinsichtlich Spieleranzahl und Mannschaftsstärke verletzt. Denn der Schiedsrichter ließ das Match weiterlaufen, ohne sich über die korrekte Anzahl der (ein- und ausgewechselten) Spieler zu vergewissern.

Sollte sich der SC Freiburg ungerecht behandelt fühlen und dagegen vorgehen wollen, so müssen die Breisgauer innerhalb eines Werktages Einspruch einlegen. In zweiter Instanz würde das DFB-Bundesgericht die Sache endgültig verbandsintern beenden. Laut Medienberichten verzichtete der SC aber darauf, was wohl mit dem Motiv der Rechtssicherheit im Einklang steht.

Fazit

Die Erhebung des Einspruchs aufgrund der Geschehnisse am vergangenen Wochenende war wie die Entscheidung darüber durchaus nachvollziehbar. Somit darf der FC Bayern seine Punkte behalten, der SC Freiburg leistete aber in Sachen Verantwortlichkeit des Schiedsrichterteams einen großen Beitrag für die Zukunft.

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Die Auswirkungen der Sanktionen gegen den russischen Eigentümer Roman Abramowitsch für den FC Chelsea

Die Zukunft des Champions-League Siegers FC Chelsea ist ungewiss, nachdem letzte Woche Sanktionen gegen den russischen Eigentümer Roman Abramowitsch verhängt wurden. Aufgrund der Entscheidung sein Vermögen einzufrieren, kann der FC Chelsea nur mit einer Sondergenehmigung der britischen Regierung und unter besonderen Bedingungen weiterspielen.

Die Versuche des Milliardärs, der seit 2003 an der Spitze des Vereins steht, den Verein zu verkaufen, wurden von der britischen Regierung gestoppt. Doch was bedeutet das für die Fans, Spieler und Mitarbeiter des FC Chelsea?

Der „schwarze“ Donnerstag und die Sonderlizenz

Letzten Donnerstag wurde Roman Abramowitsch von der britischen Regierung als Teil ihrer Reaktion auf den völkerrechtswidrigen Einmarsch Russlands in der Ukraine mit Sanktionen belegt. Der Grund dafür soll eine seit Jahrzenten bestehende enge Beziehung zwischen Roman Abramowitsch und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin sein. Der Investor soll über Evraz, ein Stahl- und Bergbauunternehmen, das er faktisch kontrolliert, an der Destabilisierung der Ukraine beteiligt sein und habe darüber hinaus potenziell das russische Militär beliefert, so die britische Regierung.

Wie der Rest seines Vermögens sind auch seine Anteile am Klub FC Chelsea eingefroren worden. Die Lizenzbedingungen der EPL verbieten eine Beteiligung von Personen an einem Klub, wenn ihnen nach dem Recht des Vereinigten Königreichs keine Gelder oder wirtschaftlichen Ressourcen direkt oder indirekt zu ihren Gunsten zur Verfügung gestellt werden dürfen. Die Folge war, dass Abramowitsch die Leitung des Vereins entzogen wurde.

Lediglich durch eine von der Regierung erteilte Sonderlizenz wird es dem Klub erlaubt, weiterzumachen. Diese von der Regierung ausgestellte Sondergenehmigung erlaubt es den Herren- und Frauenteams, ihre Spiele für den Rest der Saison wie gewohnt zu bestreiten. Die Regierung hat jedoch eine Obergrenze von 20.000 Pfund pro Mannschaft und Spiel für die An- und Abreise festgelegt. Angesichts des anstehenden Auswärtsspiels in der Champions League nach Lille (Frankreich) ein schwieriges Unterfangen. Für jedes Spiel an der Stamford Bridge dürfen nur 500.000 Pfund ausgegeben werden, auch für Sicherheit und Catering.

Der FC Chelsea hat übrigens am Sonntag in der Premier League zuhause gegen Newcastle gewonnen. Fans mit Dauerkarten konnten das Match besuchen, neue Tickets durften nicht mehr verkauft werden. Auch der offizielle Verkauf von Fanartikeln ist nicht mehr möglich.

Als sportliche Sanktion droht im Fall der Insolvenz des Klubs oder seines Investors ein Punkteabzug von 9 Punkten. Angesichts der engen Tabellensituation um den Kampf der Champions-League Plätze wäre dies ein fataler und vor allem finanzieller Nackenschlag.

Transfer in – Transfer out?

Die Sonderlizenz der Regierung erlaubt es Chelsea, die Gehälter aller Angestellten, einschließlich der Spieler und des Trainerstabs, zu zahlen. Die Lizenz gilt bis zum 31. Mai 2022, also für den Rest der Saison, die Regierung hat jedoch das Recht, sie jederzeit zu ändern, zu widerrufen oder auszusetzen.

Solange die Sanktionen in Kraft sind, hat Chelsea ein Transferverbot und kann keine Spieler kaufen oder verkaufen. Außerdem können sie aufgrund der eingefrorenen Gelder de facto keine neuen Verträge für die Spieler aushandeln, deren Verträge im Sommer auslaufen, so dass deren Zukunft ungewiss ist.

Dies gilt insbesondere für Stammspieler wie Antonio Rüdiger, Cesar Azpilicueta und Andreas Christensen. Die beiden Letztgenannten werden mit einem Wechsel nach Barcelona in Verbindung gebracht. Das wäre dann ein Einfaches, selbst für das angeschlagene Barcelona.

Eine Sonderlizenz zum Verkauf?

Am 2. März wurde der FC Chelsea zum Verkauf ausgeschrieben. Innerhalb kürzester Zeit meldeten sich, trotz der Sanktionen gegen Investor Abramowitsch, zahlreiche Interessenten. Aktuell ist ein Verkauf jedoch nicht möglich, die britische Regierung ist jedoch bereit, eine weitere Ergänzung der Sonderlizenz zu erlassen, um einen Verkauf zu ermöglichen. Dies jedoch nur unter der Voraussetzung, dass das 1,5-Milliarden-Pfund-Darlehen von Abramowitsch nicht vom Preis abgezogen wird.

Wie schnell der Klub verkauft werden kann, hängt somit davon ab, ob die Regierung die Zusicherung erhält, dass der Erlös nicht an Abramowitsch geht, was jedoch einige Zeit dauern könnte.

UEFA?

Die UEFA als Veranstalter der Champions League, in der Chelsea mittlerweile das Viertelfinale erreichte, hat übrigens noch keine Sanktionen verhängt. Es wurde lediglich ein kurzes Statement abgegeben, dass die neuesten Entwicklungen genauestens beobachtet werden. Interessant wird die Frage, ob im Viertelfinal-Heimspiel der Blues Zuschauer erlaubt sein werden. In der Vergangenheit wurden nationale Maßnahmen nicht eins zu eins von den internationalen Verbänden übernommen.

Fazit

Der Spielbetrieb des FC Chelsea ist durch die von der britischen Regierung ausgestellte Sonderlizenz – wenn auch nur in einer abgespeckten Version – gesichert. Dennoch steht dem Klub an der Stamford Bridge ein schwieriger Sommer bevor. Die Verträge von wichtigen Spielern laufen aus und können aufgrund der eingefrorenen Gelder aktuell nicht verlängert werden. Zudem ist es nicht möglich, neue Spieler zu verpflichten. Viel wird davon abhängen, wie schnell der Verein verkauft werden kann/darf. Eine Bedingung der Regierung wird sein, dass Abramowitsch an einem etwaigen Verkauf nicht mitverdient. Wie sich das rechtlich umsetzen lässt bleibt mehr als fraglich.

Nicht zu unterschätzen sind auch die Folgewirkungen: So setzten die wichtigsten Trikotsponsoren bereits ihren 40-Millionen-Pfund-Vertrag aus. Darunter fällt auch der Trikotsponsor und Mobilfunkanbieter Drei. Es ist unklar, ob auch andere Sponsoringverträge gefährdet sind. Bald stehen die nächsten Gehaltszahlungen an. Derzeit bekommt der FC Chelsea nur noch Geld aus dem TV-Vertrag der Premier League sowie den Preisgeldern von UEFA. Bei einer Insolvenz während der Saison droht sogar ein Abzug von 9 Punkten. Aktuell liegt Chelsea noch auf Champions League-Kurs. Sollte dieser verlassen werden, könnte eine Abwärtsspirale drohen, die in einem finanziellen Desaster endet.

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Auswirkungen des Brexits auf den Profifußball

Die Folgen des Austritts des Vereinigten Königreiches aus der Europäischen Union wurden vielfach diskutiert. Im Dezember 2021 trafen sie auch den Interimstrainer von Manchester United, Ralf Rangnick, hart. Aufgrund einer nicht rechtzeitig erteilten Arbeitserlaubnis, die seit dem Brexit notwendig ist, war es diesem nicht möglich bei seinem geplanten Debüt beim Heimspiel seines neuen Clubs am 2. Dezember 2021 gegen den FC Arsenal an der Seitenlinie zu stehen.

Manchester United musste auf Dienstantritt von Ralf Rangnick warten

Ralf Rangnick wurde mit Ende November 2021 offiziell als Interimstrainer von Manchester United eingesetzt. Er soll bis Saisonende als Chef-Trainer agieren und dem Club danach für zwei weitere Jahre als sportlicher Berater zur Seite stehen. Bei seinem geplanten Debüt-Spiel als Trainer durfte er allerdings noch nicht an der Seitenlinie stehen. Grund dafür war, dass die seit dem Brexit notwendige „Arbeitserlaubnis“ noch nicht erteilt wurde. Dies hat einen komplexen Hintergrund:

Innerhalb der Europäischen Union gilt die Personenfreizügigkeit als eine der vier Grundfreiheiten. Zur Personenfreizügigkeit gehört die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art 45 ff AEUV) und die Niederlassungsfreiheit (Art 49 ff AEUV). Die Arbeitnehmerfreizügigkeit bezieht sich auf die Mobilität von unselbständig Erwerbstätigen, also den klassischen Arbeitnehmer. Sie umfasst dabei insbesondere die Abschaffung jeglicher auf Staatsangehörigkeit beruhender unterschiedlicher Behandlung von Arbeitnehmern in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung oder sonstiger Arbeitsbedingungen.

Der Austritt des Vereinigten Königreiches aus der Europäischen Union erfolgte am 31. Jänner 2020. Durch das Austrittsabkommen wurde bis zum 31. Dezember 2020 eine Übergangsphase geschaffen, in welcher die Arbeitnehmerfreizügigkeit für EU-Bürger im Vereinigten Königreich (und umgekehrt) gewährleistet wurde. Seit dem 1. Jänner 2021 gilt das Vereinigte Königreich gegenüber den restlichen EU-Mitgliedstaaten als Drittstaat, was auch den Verlust der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach sich zieht. Dies führt dazu, dass vor allem Spieler, Trainer, Manager sowie überhaupt Bürger aus einem EU-Mitgliedstaat nicht mehr die Freiheit haben, im Vereinigten Königreich eine Beschäftigung aufzunehmen und dass umgekehrt solche Personen aus dem Vereinigten Königreich nicht mehr ohne Weiteres in der EU arbeiten dürfen.

Im britischen Recht befinden sich die Rechtsvorschriften für die Einwanderung vor allem in den Immigration Rules. Für Spieler und Trainer ist insbesondere das Visum für internationale Sportler („International Sportsperson Visa“) einschlägig. Dieses Visum ist für jene Spitzensportler und qualifizierte Sporttrainer vorgesehen, die international etabliert sind und einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung ihres Sports auf höchstem Niveau im Vereinigten Königreich leisten können.

Für das Visum ist Voraussetzung, dass der Sportverband bestätigt, dass der Trainer international auf höchster Ebene tätig ist und dass seine Beschäftigung einen erheblichen Beitrag zur Qualitätssteigerung der betreffenden Sportart auf höchster Ebene bilden wird („Governing Body Endorsement“). Zuständig für die Ausstellung des Governing Body Endorsements für Sportler ist der jeweilige Sportfachverband, für den Fußball in England also die Football Association. Die Anforderungen an die Erteilung eines Governing Body Endorsements werden im Premier League Handbook in der jeweils gültigen Fassung von der Football Association veröffentlicht.

Im Fall von Rangnick ist man davon ausgegangen, dass er die Kriterien der Football Association für eine automatische Erteilung des Governing Body Endorsements nicht erfüllt. Es wurde argumentiert, dass er in den letzten fünf Jahren vor seinem Antritt als Chef-Trainer bei Manchester United insgesamt nicht genug Erfahrung als Trainer in einem europäischen Spitzenklub gesammelt hat (entweder zwei Jahre hintereinander oder drei Jahre zusammengerechnet in den letzten fünf Jahren). Rangnick war in den Spielzeiten 2015/16 und 2018/19 zweimal als Cheftrainer bei RB Leipzig und gleichzeitig als Sportdirektor des FC Red Bull Salzburg tätig. Zuletzt stand er als Geschäftsführer bei Lokomotive Moskau unter Vertrag.

Da er die Anforderungen für die Erteilung des Governing Body Endorsements nicht erfüllt hatte, musste letztendlich – auf Antrag des Clubs – ein von der Football Association bestimmtes dreiköpfiges Exceptions Panel über die Eignung und den sportlichen Wert des Trainers und damit darüber, ob dennoch ein Governing Body Endorsements erteilt werden sollte, entscheiden.

Exkurs Rechtslage in Österreich

Für britische Staatsbürger, die sich zum Zeitpunkt des EU Austritts rechtmäßig in Österreich aufgehalten haben, bestand bis zum 31. Dezember 2021 die Möglichkeit einen Aufenthaltstitel („Art 50 EUV“) zu beantragen. Diese Möglichkeit ist nun ausgelaufen. Britische Staatsbürger – die fortan wie andere Drittstaatsangehörige gelten – müssen nun aus den vorhandenen Aufenthaltstiteln, den für sie zutreffendsten auswählen. Für Sportler und Trainer ist hier insbesondere an die „Rot-Weiß-Rot Karte“ für sonstige Schlüsselkräfte zu denken.

Fazit

Vor dem Brexit war es für den Einzelnen angesichts der Arbeitnehmerfreizügigkeit sehr einfach einer Beschäftigung im Vereinigten Königreich nachzugehen. Jedenfalls mussten keine aufwändigen Verfahren zur Erlangung eines Aufenthaltstitels, einer Beschäftigungsbewilligung etc durchlaufen werden.

Welche Auswirkungen der Brexit auf die Sportwelt hat, zeigt der Fall Rangnick klar auf. Nunmehr ist die Rechtslage noch wesentlich komplexer geworden. Seit 1. Jänner 2021 ist bei einem Wechsel der sportlichen Erwerbstätigkeit in das Vereinigte Königreich die britische Rechtslage zu berücksichtigen. Eine Besonderheit ergibt sich hierbei vor allem im Profifußball: Die Football Association legt dabei (unter anderem gemeinsam mit dem britischen Innenministerium) nähere Regelungen fest, die determinieren, wann die geforderte Erklärung über die sportliche Qualifikation eines Spielers bzw Trainers abgeben werden darf („Governing Body Endorsement“) und sichert sich somit eine weitgehende Mitbestimmung in Immigrationsfragen.

Dass die berufliche Ausübung von Sport und die entsprechende Erteilung von Visa bzw Arbeitserlaubnissen in der Praxis immer wieder zu Schwierigkeiten führt, zeigt nicht zuletzt der brandaktuelle Fall von Novak Djokovic. Hier kommen zusätzlich auch noch Erschwerungen aufgrund der Corona-Krisensituation zu tragen, die grundsätzlich die Einreise- bzw Aufenthaltsbedingungen in Drittstaaten verkomplizieren.

Disclaimer: Wir haben die Recherchen nach unserem besten Wissen und Gewissen durchgeführt, möchten aber klarstellen, dass es sich hierbei um keine Rechtsberatung handelt und wir deshalb auch keine Haftung übernehmen können.

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Update Sport und Recht #1

Vor dem Hintergrund der Professionalisierung, Kommerzialisierung und Medialisierung des Sports und der damit einhergehenden Verrechtlichung ist es kaum möglich, alle sportrechtlich relevanten Themen im Blick zu behalten. Dem möchte das „Update Sport und Recht“ ein Stück weit vorbeugen – Bleibt am Ball!

5. COVID-19-Notmaßnahmenverordnung

Österreich ist im Lockdown. Wieder mal. Zu Beginn der Woche trat die 5. COVID-19-Notmaßnahmenverordnung (BGBl II 2021/475) in Kraft. Diese zeitigt auch weitreichende Auswirkungen auf den Sport. Unter den Überschriften „Sportstätten“ (§ 11) und „Zusammenkünfte im Spitzensport“ (§ 15) hält das Regime Regelungen für den Sport bereit: Erstens wird damit das Betreten von Sportstätten zum Zweck der Ausübung von Sport grundsätzlich untersagt. Zweitens werden Ausnahmen für „Spitzensportler“ sowie „Hobbysportler“ im Freien statuiert. Drittens werden im Spitzensport „Geisterspiele“ angeordnet.

So weit also nichts Neues. Wir kennen die Situation indessen gut: Fußball- und Handballtrainings im Unterhaus sind verboten, Joggen allein oder mit bestimmten Personen bleibt dagegen erlaubt und der Spitzensport darf (ohne Zuschauer) weitermachen. Was sich seit 2020 allerdings geändert hat, ist die sprachliche Fassung der Ausnahme für Spitzensportler (kritisch dazu unser Beitrag). Nunmehr sind vom Betretungsverbot „Spitzensportler gemäß § 3 Z 6 BSFG 2017, auch aus dem Bereich des Behindertensportes, oder Sportler, die ihre sportliche Tätigkeit beruflich ausüben und daraus Einkünfte erzielen oder bereits an internationalen Wettkämpfen gemäß § 3 Z 5 BSFG 2017 teilgenommen haben“ ausgenommen. Wenngleich auch diese Formulierung die eine oder andere Frage zutage fördert, wird nun nicht mehr nur auf den Begriff des Spitzensportlers gemäß § 3 Z 6 BSFG 2017 abgestellt.

Für Hobbysportler dennoch ein paar Worte zum Trost: Skifahren ist erlaubt. Denn nach der 5. COVID-19-Notmaßnahmenverordnung dürfen Seil- und Zahnradbahnen mit einem 2G-Nachweis benützt werden. Dabei ist in geschlossenen oder abdeckbaren Fahrbetriebsmitteln (Gondeln, Kabinen, abdeckbaren Sesseln) sowie in geschlossenen Räumen der dazugehören Stationen eine FFP2-Maske zu tragen.

Impfpflicht für Profisportler

Ab 1. Februar 2022 soll in Österreich eine allgemeine Impfpflicht gelten. Daneben wird auch eine Impfpflicht für Profisportler diskutiert. Jüngst befeuerte die Causa Kimmich die Diskussion. Die Österreichische Basketball-Bundesliga hat bereits eine Impfpflicht eingeführt. Rechtlich drängen sich in diesem Dunstkreis einige Fragen auf: Ist ein Sportler arbeitsrechtlich verpflichtet, sich impfen zu lassen? Könnte eine entsprechende Pflicht verbandsrechtlich begründet werden? Hat ein ungeimpfter Spieler, der sich in Quarantäne begeben muss oder an COVID-19 arbeitsunfähig erkrankt, Anspruch auf Entgeltfortzahlung?

Diesen und weiteren spannenden Fragen widmet sich das Webinar der Reihe „90 Minuten Sportrecht“ am kommenden Montag (29.11.2021). Infos zur Veranstaltung hier.

Play Fair Code als Behörde?

Der Play Fair Code ist ein österreichischer Verein, welcher sich der Wahrung der Integrität im Sport verschrieben hat. Sein Ziel ist es, gemeinsam mit dem Mitgliedernetzwerk, den Athleten, Trainern sowie Vereins- und Verbandsverantwortlichen saubere und manipulationsfreie Wettbewerbe zu erreichen und zu gewährleisten. Zu diesem Zweck ist die Arbeit des Vereins auf drei Säulen aufgebaut: Prävention (Schulungen, Aufklärung und Bewusstseinsbildung), Monitoring (Beobachtung und Analyse) und Einrichtung einer Ombudsstelle für Betroffene.

Wenn es nach den Verantwortlichen geht, ist es nun Zeit für den nächsten Schritt. Sie wollen den Play Fair Code in eine behördenähnliche Funktion (ähnlich der NADA) hieven. Begründend führt Präsident Günter Kaltenbrunner unter anderem an, dass man sodann behördenähnliche Tätigkeiten aufnehmen und in entsprechende internationale Gremien (konkret: Group of Copenhagen) aufrücken könnte.

Aber was ist überhaupt eine Behörde, und weshalb ist eine „behördenähnliche Funktion“ erstrebenswert? Als Behörde wird nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch eine staatliche Dienststelle bzw ein Verwaltungsorgan bezeichnet. Im Juristischen ist eine Behörde ein Organ, dem hoheitliche Aufgaben übertragen sind. Dazu können sie unter anderem Verordnungen und Bescheide erlassen oder Zwangsakte setzen. Aber auch Private oder juristische Personen des Privatrechts können dazu berechtigt werden. Eine solche Konstruktion wird „Beleihung“ genannt. Sie ist jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen verfassungsrechtlich zulässig.

Wettskandal in der Regionalliga Ost

Apropos Integrität im Sport: Medienberichten zufolge ist die österreichische Fußball-Regionalliga Ost von einem Wettskandal betroffen. Die Staatsanwaltschaft Graz bestätigte unterdessen, dass derzeit gegen neun bekannte, darunter auch sieben Spieler, und weitere unbekannte Verdächtige ermittelt wird. Sie sollen den Ausgang von Spielen der Regionalliga Ost manipuliert haben, etwa durch „mäßige Leistungen oder spielverzerrende Aktionen“. Auf diese Spiele sei zugleich gewettet worden.

Es verwundert nicht, dass diese Machenschaften rechtliche Implikationen aufweisen. Neben strafrechtlichen Konsequenzen (insbesondere §§ 146 f StGB) haben die Beteiligten mit verbandsrechtlichen Sanktionen (bis hin zu einer lebenslangen Sperre – ob eine solche einer Verhältnismäßigkeitsprüfung standhält, sei dahingestellt) zu rechnen. Da die Spiele beglaubigt wurden, ist fraglich, ob es eine nachträgliche Annullierung oder Strafbeglaubigung geben kann. Von Seiten des NÖFV heißt es dazu: „[…] wen sollen wir bestrafen? Den Verein, der ohnehin verloren hat?“ Im Augenblick ist die Staatsanwaltschaft am Zug, deren Ermittlungen vorerst abgewartet werden.

Gehaltskürzungen beim FC Bayern München

Zuletzt ein Blick über die Grenze nach Deutschland: In den letzten Tagen machte die Schlagzeile die Runde, dass der Rekordmeister FC Bayern München Gehaltskürzungen für ungeimpfte Spieler, die in Quarantäne mussten und deswegen Spiele verpassten, in Erwägung ziehe. Der Hintergrund ist hinreichend bekannt. Ob dieses Vorgehen rechtlich zulässig wäre, ist fraglich.

Der deutsche Arbeits- und Sportrechtler Christopher Wiencke merkt an, dass die Rechtlage nicht eindeutig sei: „Die Arbeitsleistung eines Fußballers besteht nicht nur aus dem Spiel, sondern auch aus Training. Demnach dürfte, wenn überhaupt, nur eine Teilkürzung des Gehalts möglich sein.“ Explizit angesprochen auf Joshua Kimmich führt er weiter aus: „Rein rechtlich – das soll angesichts seiner Krankheit nicht zynisch klingen – verbessert sich für Kimmich dadurch [Anmerkung: durch die Infektion] die Lage. […] Relevant für eine potentielle Gehaltskürzung kann nur der Zeitraum sein, in dem er nichtinfiziert in Quarantäne war.“

Christoph Schickhardt, ebenfalls ein deutscher Sportrechtler, beurteilt die Situation folgendermaßen: „Es gibt zwei Fälle zu unterscheiden: Wenn ich Covid-19 habe, dann bin ich krank. Dann bekomme ich Lohnfortzahlung. Wenn ich aber in Quarantäne komme, da ich nicht geimpft bin, dann kann ich auch nicht arbeiten. Dann bekomme ich aber kein Geld, weil ich nicht krank bin. Das gilt für jeden Arbeitnehmer.“

Bleibt am Ball!

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DFB darf Fußballvereine (verschuldensunabhängig) zur Kasse bitten

Die jüngst ergangene Entscheidung des deutschen Bundesgerichthofes (Beschluss vom 04.11.2021, Az. I ZB 54/20) in der Causa um den Fußballverein FC Carl Zeiss Jena bzw. eine an ihn vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) verhängte Strafzahlung iHv. 25.000 Euro sorgt momentan für viel Aufsehen. Grund war das „Zündeln“ einiger Jenaer Fans bei drei Spielen ihrer Mannschaft. Während der DFB die Zurückweisung der Klage begrüßt, kritisieren Vereine, Fans und auch Sportrechtler die Entscheidung. Aber alles der Reihe nach: 

Die Vorgeschichte

Im Jahr 2018 wurde gegen den FC Carl Zeiss Jena (FCC) für das Fehlverhalten einiger Fans bei insgesamt drei Spielen (2x Heim, 1x Auswärts) vom DFB-Sportgericht eine Geldstrafe iHv rund 25.000 Euro ausgesprochen. Die Anhänger des damals in der 3. Liga spielenden Vereins „zündelten“ mehrfach in den Fanblöcken. Sowohl vor dem DFB-Bundesgericht als auch vor dem Ständigen Schiedsgericht für die 3. Liga waren die Rechtsmittel des Vereins erfolglos. Auch das OLG Frankfurt, das den Schiedsspruch überprüfte, nachdem der Verein die Aufhebung dessen gefordert hatte, entschied nicht im Sinne des Traditionsclubs. Insbesondere hob das OLG in seinem Beschluss (vom 23.6.2020, Az. 26 Sch 1/20) hervor, dass der Schiedsspruch nicht gegen die Grundsätze der öffentlichen Ordnung (vgl. § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO) verstoße und die Teilnahme an der 3. Liga und die damit einhergehenden finanziellen Vorteile die daraus entstehenden Gefahren, wie die verschuldensunabhängige Haftung für das Verhalten der Fans, rechtfertige (sog. Institut der Gefährdungshaftung). Sohin könne ein Fußballverein für das Abbrennen von Pyrotechnik durch seine Anhänger zur Rechenschaft (Haftung) herangezogen werden. Daraufhin wandten sich der FCC mittels Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof (BGH).

Die maßgeblichen Vorschriften

In § 9a der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB (DFB-RuVO) wird die Verantwortung der deutschen Fußballvereine geregelt:

1. Vereine und Tochtergesellschaften sind für das Verhalten ihrer Spieler, Offiziellen, Mitarbeiter, Erfüllungsgehilfen, Mitglieder, Anhänger, Zuschauer und weiterer Personen, die im Auftrag des Vereins eine Funktion während des Spiels ausüben, verantwortlich.

2. Der gastgebende Verein und der Gastverein bzw. ihre Tochtergesellschaften haften im Stadionbereich vor, während und nach dem Spiel für Zwischenfälle jeglicher Art.“

Weiters schreibt Punkt 1 der Richtlinie für die Arbeit des DFB-Kontrollausschusses in sportgerichtlichen Verfahren gegen Vereine und Kapitalgesellschaften (Anhang der Rechts- und Verfahrensordnung) hinsichtlich Pyrotechnik Folgendes vor:

Gewalt, rassistische oder diskriminierende Äußerungen oder grob unsportliche Verunglimpfungen stellen ebenso wie der Einsatz von Pyrotechnik schwerwiegende Verstöße gegen die Verbands-Statuten dar […]. Kommt es in den Zuschauerbereichen trotz aller Präventionsarbeit und Sicherungsmaßnahmen im Vorfeld der Spiele zu entsprechendem Zuschauerfehlverhalten, ist dieses gemäß den verbandsrechtlichen Bestimmungen sportgerichtlich zu sanktionieren.“

In Punkt 9 der Richtlinie ist der sog. Strafzumessungsleitfaden zu finden, der für das Abbrennen und Abschießen/Werfen von pyrotechnischen Gegenständen je nach Ligazugehörigkeit (Bundesliga, 2. Bundesliga, 3. Liga oder Junioren-Bundesliga) sowie je Gegenstand verschiedene Sanktionshöhen vorgibt. Diese hat der DFB-Kontrollausschuss bei der Verhängung von Strafen in sportgerichtlichen Verfahren gegen Vereine grundsätzlich zu berücksichtigen. Bspw. kostet das Abbrennen eines pyrotechnischen Gegenstandes in der Bundesliga 1.000 Euro, das Abschießen/Werfen hingegen bereits 3.000 Euro.

Hinsichtlich des Aufhebungsantrags eines Schiedsspruchs (zur Relevanz im konkreten Fall siehe gleich) ist § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. B ZPO zu beachten:

(2) Ein Schiedsspruch kann nur aufgehoben werden, […]

2. wenn das Gericht feststellt, dass […]

b) die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führt, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht.“

Die Entscheidung des BGH

Vorab: Der deutsche BGH bestätigte die Entscheidung des OLG Frankfurt und wies die Rechtsbeschwerde zurück. Doch was war eigentlich zu klären? Im Grunde ging es um die Frage, ob die in § 9a DFB-RuVO geregelte Verbandsstrafenhaftung bzw. der darauf erlassene Schiedsspruch des Ständigen Schiedsgerichts für die 3. Liga gegen die öffentliche Ordnung (ordre public) verstoßen oder nicht. Denn grundsätzlich gilt der im Verfassungsrang stehende Schuldgrundsatz: „Keine Strafe ohne Schuld.“ Schuld trifft die Vereine – sofern sie konkret alles Mögliche gemacht haben, um das Abbrennen von Pyrotechnik zu verhindern – nämlich keine.

Der BGH sieht im Schiedsspruch aber keine Verletzung des Schuldgrundsatzes und somit auch nicht des ordre public. Die verhängten „Geldstrafen“ hätten keinen strafähnlichen Sanktionscharakter, da damit kein vorangegangenes Fehlverhalten geahndet würde. Vielmehr solle der (künftige) ordnungsgemäße Spielbetrieb gewährleistet werden. Die vom DFB vorgegebenen Sicherheitsmaßnahmen wurden zwar vom FCC eingehalten, doch wären sie nicht ausreichend gewesen, um Ausschreitungen der Zuschauer zu verhindern.

Die Strafzahlung solle einerseits bezwecken, dass in Zukunft alle zur Verfügung stehenden Mittel eingesetzt werden, um auf die Anhänger derartig einzuwirken, sodass keine Ausschreitungen mehr passieren. Andererseits solle durch ständigen Kontakt mit und zu den Fans befriedend auf diese eingewirkt werden. Erforderlichenfalls sollen notwendige präventive Maßnahmen ergriffen werden, um dadurch die von den Fans ausgehenden Gefahren hinsichtlich des Wettkampfbetriebes unterbinden zu können.

Zudem entspreche die Einordnung der „Geldstrafe“ als Präventivmaßnahme der Rechtsprechung des Internationalen Sportgerichtshofs (CAS). Dieser sehe in der verschuldensunabhängigen Haftung keine Bestrafung der Vereine, da der Zweck in der Prävention und Abschreckung liege.

Stimmen zum Beschluss des BGH

Der DFB sieht sich dadurch in seiner Auffassung bestätigt. Es ginge immer „um präventive Maßnahmen zur Verhinderung zukünftiger Zuschauerausschreitungen und damit um die Sicherung eines ordnungsgemäßen Spielbetriebs“, meint etwa Rainer Koch, der für Recht zuständige 1. DFB-Vizepräsident (nachzulesen in der Reaktion des DFB vom 4.11.2021).

FCC-Geschäftsfüher, Chris Förster, hingegen sieht sich und seinen Verein übergangen. Denn der Verein habe alle Sicherheitsvorkehrungen (bei Risikospielen etwa Einsatz von Hundestaffeln, verschärfte Überwachung des Stadions und Ausweitung des Veranstaltungsgeländes) getroffen, um das „Reinschmuggeln“ verbotener Gegenstände in das Stadion zu verhindern. Vollständig ausschließen könne man dies nie. Man wüsste nicht, was man an zusätzlichen Maßnahmen ergreifen hätte sollen, um Ausschreitungen zu verhindern. Auch sehe er keinen präventiven Charakter derartiger Sanktionen, da Pyrotechnik ja weiterhin abgebrannt würde. Zudem sei es dem DFB sogar selbst bei seinen Veranstaltungen nicht möglich, Pyrotechnik gänzlich zu verhindern. Man denke hierbei an Spiele der Nationalmannschaft oder die DFB-Cup-Finalspiele in Berlin. Nach diesen Spielen wurde der DFB auch noch nie – von sich selbst – mit Sanktionen belegt. Zuletzt entstehe dadurch bei kleineren Vereinen ein großer wirtschaftlicher Schaden, der sich nicht wie eine Präventivmaßnahme, sondern vielmehr wie eine Strafe anfühle.

Neben Fanvertretern wie der Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte und der Dachverband der Fanhilfenkritisieren auch namhafte deutsche Sportrechtler die Entscheidung. Vor allem die vom BGH vorgenommene Qualifizierung der Sanktion als „präventive Maßnahme“ sorgt für Unverständnis und widerspricht der herrschenden Meinung im Sportrecht. (Hier die Kommentare der Sportrechtler Stephan Dittl und Jan F. Orth)

Die Einschätzung von Jens Gerlach (Bucerius Law School) ist dabei spannend. Er meint, dass die Geldzahlungspflicht nicht danach aussehe, als würde es um Prävention gehen. Denn in den Statuten des DFB sei immer von der „Strafe“ die Rede; die Sanktion knüpfe an einen in der Vergangenheit liegenden Zwischenfall und die Schwere des Vorfalls bestimme auch die Höhe der Sanktion an. Im (vom DFB an den FCC) gewährten Nachlass iHv 8.000 Euro, um sicherheitstechnische, infrastrukturelle und gewaltpräventive Maßnahmen in der Zukunft zu garantieren, sieht Gerlach einen Widerspruch bzw. eine klare „Strafe“: Es ist nicht der gänzliche Betrag für zukünftige Sicherheitsvorkehrungen zu verwenden, sondern nur rund 1/3 der Gesamtsanktion. Die restlichen 2/3 fließen direkt (ohne ersichtlichen Grund) an den DFB (Hier das Interview mit Gerlach bei MDR)

Daneben fordert René Lau (Strafverteidiger und Mitglied der AG Fananwälte) vom BGH generell, dass dieser Klarheit in die Sportgerichtsbarkeit des DFB bringen solle. Im vorliegenden Fall werde vollkommen übersehen, dass ein Verfahren, in dem ein Verein letztendlich zur Kasse gebeten wird, nicht aus dem luftleeren Raum eingeleitet würde und eben eine Reaktion auf Vergangenes darstelle. Daraus ergäbe sich eine „Strafe“, die sich für die Vereine auch faktisch so anfühle. Darüber hinaus fehle ihm eine klare Vorgabe, was der FCC überhaupt machen hätte müssen, um das Abbrennen von Pyrotechnik zu verhindern. (Hier das Interview mit Lau bei Sky Deutschland)

Fazit

Die Entscheidung des BGH steht fest: Fußballvereine haften für das Fehlverhalten ihrer Fans verschuldensunabhängig, da verhängte Strafzahlungen rein präventiven Charakter haben. Interessant wird sein, ob der FCC noch das Bundesverfassungsgericht anruft, um das Ruder noch einmal herumzureißen. Laut Förster wird dies der Verein zumindest prüfen. LMS bleibt dran!

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Einzelne Teilgarantien – obligatorisch oder nicht? (6/6)

Der der durch eine wirksame Schiedsvereinbarung begründete Grundrechtsverzicht beinhaltet jedenfalls einen Verzicht auf den staatlichen Rechtsschutz. Dieser letzte Beitrag meiner Beitragsreihe behandelt die restlichen Organisations- und Verfahrensgarantien von Art 6 EMRK und beantwortet die Frage, inwiefern sich (Sport-)Schiedsgerichte an diese zu halten haben (= Bindungsumfang). Als Beispiel dient dabei das Ständig Neutrale Schiedsgericht (StNSchG) der Österreichischen Fußball-Bundesliga (BL) bzw dessen Verfahrensordnung (VOStNSchG).

Die Öffentlichkeit des Verfahrens

Der Rsp des EGMR (EGMR 23.2.1999, 31737/96, Suovaniemi/Finnland) ist zu entnehmen, dass im Schiedsverfahren grundsätzlich ohne weiteres auf die Öffentlichkeit des Verfahrens verzichtet werden kann. Gerade auf den Öffentlichkeitsgrundsatz kann auch in Verfahren der staatlichen Gerichtsbarkeit wirksam verzichtet werden. Dies gilt umso mehr für Schiedsverfahren. Denn regelmäßig ist die Nichtöffentlichkeit bzw die Vertraulichkeit des Verfahrens der Hintergrund für die Einrichtung eines Schiedsgerichts durch private Vereinbarung. So werden Geheimhaltungsinteressen der Schiedsparteien geschützt und die Vertraulichkeit der Schiedssache gewahrt.

Hinsichtlich des Öffentlichkeitsgrundsatzes in der Sportschiedsgerichtsbarkeit und dem Verfahren vor dem StNSchG ist festzuhalten, dass der Verzicht auf die Öffentlichkeit und die damit generierte Vertraulichkeit zu den allgemeinen Vorteilen von Schiedsgerichten zählen; auch wenn in der Praxis wohl nicht alles geheim gehalten werden kann (Stichwort: Medien). Das Verfahren vor dem StNSchG ist nicht öffentlich (vgl § 6 Abs 3 letzter Satz VOStNSchG).

Die Mündlichkeit des Verfahrens

§ 598 ZPO regelt die Mündlichkeit im österreichischen Schiedsverfahren. Schon in den Erläuterungenzum SchiedsRÄG 2006 verdeutlicht der Gesetzgeber, dass der in der österreichischen ZPO fest verankerte Mündlichkeitsgrundsatz im Schiedsverfahren keine Anwendung findet, Art 6 EMRK deswegen nur eingeschränkt gilt und Schriftsätze größeres Gewicht haben.

Ebenso wie der Öffentlichkeitsgrundsatz ist also das Recht auf die mündliche Verhandlung im Schiedsverfahren keine verpflichtend einzuhaltende Teilgarantie des Art 6 EMRK. Doch ist nach der Rsp des OGH (RIS-Justiz RS0126091) der Aufhebungstatbestand iSd § 611 Abs 2 Z 2 ZPO idR erfüllt, wenn das Schiedsgericht einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung unbeachtet ließ. Daraus ergibt sich, dass die mündliche Verhandlung ein Kernelement des Anrechts auf rechtliches Gehör ist. Denn zum Aufhebungsgrund wegen mangelhafter Angriffs- und Verteidigungsmöglichkeit (§ 611 Abs 2 Z 2 ZPO), der das rechtliche Gehör an sich schützt, gehört unter anderem die Regelung über die mündliche Verhandlung. Sollten die Parteien die mündliche Verhandlung ausgeschlossen haben und das Schiedsgericht dennoch eine durchführen, kann der Schiedsspruch nicht wegen § 611 Abs 2 Z 2 ZPO aufgehoben werden, da „zu viel“ rechtliches Gehör keinesfalls schadet.

In der Literatur wird § 598 ZPO zum Teil als Konkretisierung des in § 594 Abs 2 Satz 2 ZPO bestimmten Anspruchs der Parteien auf rechtliches Gehör gesehen, da hier die Grundregeln über die mündliche Verhandlung sowie das schriftliche Verfahren zu finden seien.

Sofern die Parteien keine Vereinbarung darüber getroffen haben, liegt es im Ermessen des Schiedsgerichts, ob eine mündliche Verhandlung oder ein schriftliches Verfahren durchgeführt wird. Eine mündliche Verhandlung ist nur dann verpflichtend, wenn dies eine Schiedspartei beantragt.

Selbst wenn das Schiedsgericht der Meinung ist, eine mündliche Verhandlung wäre angebracht, ist dies bei Vorliegen eines Ausschlusses durch die Schiedsparteien nicht möglich. Hier kommt zum Ausdruck, dass die Verfahrensgestaltung im Rahmen der Schiedsgerichtsbarkeit in der Hand der Parteien liegen soll. Dies kann zu heiklen Situationen führen, etwa falls die Schiedsrichter Parteien- oder Zeugenaussagen für notwendig erachten, falls bei Unterlassen einer mündlichen Verhandlung die Gefahr droht, das Verfahren könne Art 6 EMRK bzw den grundrechtlichen Mindestanforderungen nicht gerecht werden oder falls eine faire Entscheidungsfindung ohne mündliche Verhandlung bzw Aussagen nicht möglich ist.

Das Verfahren vor dem StNSchG kann mündlich oder schriftlich durchgeführt werden. Sollte eine Partei eine mündliche Verhandlung verlangen, so hat sie der Vorsitzende des Senats ehestmöglich anzuordnen (vgl § 6 Abs 3 VOStNSchG).

Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter

Durch Art 6 EMRK wird den Parteien eines staatlichen Gerichtsverfahrens weiters die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der (staatlichen) Richter gewährleistet. Dh über den Rechtsstreit wird von einem unbefangenen, unvoreingenommenen und unparteiischen Gericht geurteilt. Dadurch soll eine, aufgrund etwaig bestehender (außerhalb des Verfahrens liegender) Gründe, verfälschte Entscheidung verhindert werden.

Auch wenn die Richter eines Schiedsverfahrens nicht an den Maßstäben von staatlichen Richtern zu messen sind, besteht diesbezüglich im Endeffekt grundsätzlich kein Unterschied zwischen ihnen. Denn auch die Schiedsrichter entscheiden über einen Rechtsstreit und üben sachlich/materiell gesehen eine richterliche Funktion aus (OGH 14.12.1994, 7 Ob 604/94), wobei die Schiedsparteien dabei von der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit der Richter ausgehen. Sie haben einen unverzichtbaren und absoluten Anspruch auf die Entscheidung durch ein unabhängiges und unparteiisches Schiedsgericht bzw auf die objektive Durchführung des Schiedsverfahrens und die Unparteilichkeit bei Erlassung des Schiedsspruchs. Denn die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gehört zu den Mindeststandards, auf die nicht wirksam verzichtet werden kann. Jeder Schiedsrichter hat unparteiisch zu sein und eben nicht die Interessen der Partei zu vertreten, die ihn ernannt hat (OGH 28.4.1998, 1 Ob 253/97f).

Einerseits darf man in dieser Thematik die schiedsrichterliche Offenlegungspflicht und das Ablehnungsrecht der Parteien nicht vergessen. Andererseits sind die Unterschiede zwischen staatlicher Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsgerichtsbarkeit, wie zB die privatautonome Gestaltungsmöglichkeit der Schiedsparteien, die Schiedsrichter (anhand besonderer Erfahrung und Sachkenntnis) im Bestellungsverfahren bzw den Modus zur Schiedsrichterbestellung frei zu wählen, und der sog Paritätsgrundsatz (= keiner Schiedspartei darf bei der Zusammensetzung des Schiedsgerichts ein Übergewicht zukommen) nicht zu vernachlässigen.

Bezogen auf die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter in der Sportschiedsgerichtsbarkeit wird die Meinung vertreten, dass die Besetzungsmöglichkeit der Schiedsparteien zu den größten Nachteilen gehöre, da die Objektivität der Schiedsrichter nicht immer gewährleistet werden könne. Zumeist wäre ein Sportler in einem staatlichen Gerichtsverfahren aufgrund der verfassungsrechtlich verpflichtend einzuhaltenden Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Gerichts besser geschützt, wohingegen in der Schiedsgerichtsbarkeit eine Überlegenheit des Verbandes gegenüber dem Sportler bestehen könne.

Das StNSchG entscheidet grundsätzlich durch einen Dreiersenat, bestehend aus einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern (vgl § 3 Abs 1 VOStNSchG). Der Vorsitzende und seine Vertreter haben akademisch graduierte Juristen zu sein und werden von der Hauptversammlung (= Mitgliederversammlung iSd Vereinsrechts) für eine Funktionsperiode von vier Jahren gewählt. Dabei muss eine von mindestens fünf zu bestellenden Personen pro Funktionsperiode ausdrücklich als ständiger Vorsitzender bestellt werden, während die anderen Personen in festgelegter Reihenfolge als dessen Vertreter eintreten (vgl § 3 Abs 2 VOStNSchG). Daneben bestehen Regelungen über die Bestellung zum ersten und zweiten Beisitzer, wobei hierbei die vom Vorstand der BL bzw von der Klubkonferenz der höchsten und der zweithöchsten Spielklasse aufzustellenden Listen eine Rolle spielen (vgl § 3 Abs 3 und 4 VOStNSchG).

Die Besetzung des StNSchG im einzelnen Streitfall bzw die Auswahl der beiden Beisitzer hängt davon ab, wer die Parteien im Rechtsstreit sind bzw wer als Kläger und wer als Beklagter auftritt (vgl § 3 Abs 5 lit a-d VOStNSchG). Dabei ist die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter bspw bei einer Klage eines Sportlers gegen die BL in Frage zu stellen, da die BL im Endeffekt mehr Einfluss auf die Besetzung des StNSchG hat (Stichwort: Paritätsgrundsatz!). Dies dürfte daran liegen, dass der Sportler „seinen“ Beisitzer aus den von der Klubkonferenz der höchsten und der zweithöchsten Spielklasse aufgestellten Beisitzern auswählen muss, während die Auswahl des Beisitzers durch die BL aus der vom Vorstand der BL aufgestellten Beisitzerliste zu erfolgen hat (§ 3 Abs 5 lit b VOStNSchG).

Der Anspruch auf rechtliches Gehör

§ 594 Abs 2 zweiter Satz ZPO legt fest: „Jeder Partei ist rechtliches Gehör zu gewähren.“ Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist Teil des Rechts auf ein faires Verfahren bzw des Gleichbehandlungsgrundsatzes, doch kommt ihm aufgrund seiner Bedeutsamkeit eine davon unabhängige Stellung zu. Auch bestehen Zusammenhänge zum Mündlichkeitsgrundsatz.

Das Recht auf Gehör zählt zu den angesprochenen elementaren rechtsstaatlichen Mindeststandards, die Schiedsgerichte in Sachen grundrechtlicher Bindung gemäß Art 6 EMRK (während des gesamten Verfahrens) erfüllen müssen. Die Schiedsparteien gehen zudem davon aus, dass ihnen ausreichend rechtliches Gehör zukommt. Die Wichtigkeit dieser Teilgarantie lässt sich auch aus der Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen durch ordentliche Gerichte ableiten, so ist bei (erheblichen) Verstößen gegen das rechtliche Gehör von Schiedsgerichten die Vollstreckung unzulässig.

Grundsätzlich regiert bei der Durchführung des Schiedsverfahrens die Privatautonomie. Die Verfahrensgestaltung kann also von den Schiedsparteien frei bestimmt werden, sofern keine verpflichtend einzuhaltenden Regelungen den Vereinbarungen zuwiderlaufen. Allerdings ist ua die „Gewährung rechtlichen Gehörs“ zwingend und schränkt die Privatautonomie dadurch ein. Wird dieser Grundsatz verletzt, könnten § 611 Abs 2 Z 2 oder Z 5 ZPO verwirklicht werden und somit ein Aufhebungsgrund vorliegen.

Wenn die Parteien keine Vereinbarungen über die Durchführung des Verfahrens getroffen haben, liegt es im Ermessen des Schiedsgerichts, in welchem Umfang und in welcher Weise das rechtliche Gehör gewährt wird, wenngleich die Erwartungen der Parteien dabei als Richtlinie gelten. Wichtig zu beachten ist, dass die Wahrung des Rechts auf Gehör zwar an sich unangefochten ist, doch trotzdem Unstimmigkeiten bei der Anwendung im Einzelfall bestehen.

Demnach umfasst der Grundsatz des rechtlichen Gehörs unter anderem die folgenden Gewährleistungen: wirksame Benachrichtigung der Parteien über den Beginn des Verfahrens, Offenstehen der Gelegenheit für die Parteien, alles (= jedes Angriffs- und Verteidigungsmittel) vorzubringen, was sie für wesentlich halten oder die Information und die Gelegenheit zur Äußerung des Prozessgegners über jede Änderung des Sachverhalts.

Soweit die Meinungen der Schiedsparteien bekannt sind und vom Schiedsrichter bedacht werden, ist eine persönliche Anhörung nicht notwendig. Irrelevant ist auch, ob das Recht auf Gehör nacheinander oder gleichzeitig, schriftlich oder mündlich gewährt wird (OGH 6.9.1990, 6 Ob 572/90). Ob die Parteien also von allen Schiedsrichtern zur gleichen Zeit vernommen werden oder nicht, ist nicht von Bedeutung, weil der Bericht eines an die restlichen Schiedsrichter bzw das Wissen eines Schiedsrichters ausreicht (OGH 21.11.1951, 2 Ob 344/51).

Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs iSd Art 6 EMRK wird bejaht, wenn der Schiedsspruch Tatsachen oder Beweisergebnisse beinhaltet, zu denen die Parteien keine Stellungnahme abgeben konnten oder die Möglichkeit dazu nicht bestand. Es muss den Parteien möglich sein, bei den Verhandlungen zu erscheinen und dort mittels Tatsachenbehauptungen und Beweisangeboten ihre Sichtweise kundzutun.

Allgemein gilt, dass im Schiedsverfahren keine strengeren Anforderungen bzgl der Sicherung des Rechts auf Gehör gelten als im ordentlichen Verfahren (OGH 28.11.2012, 4 Ob 185/12b). So ist § 611 Abs 2 Z 2 ZPO nur verwirklicht, wenn die Verletzung des Gehörs einen Nichtigkeitsgrund im ordentlichen Verfahren darstellen bzw einem solchen wertungsmäßig nahekommen würde (OGH 23.2.2016, 18 OCg 3/15p).

Das faire Verfahren bzw die Gleichbehandlung der Parteien

§ 594 Abs 2 erster Satz ZPO lautet explizit: „Die Parteien sind fair zu behandeln.“ Das Recht auf ein faires Verfahren gehört jedenfalls zum Kern des verfahrensrechtlichen ordre public. Die Schiedsparteien erwarten ein Verfahren, das fair geführt wird. Daraus ergibt sich, dass die Schiedsgerichte für ein faires Verfahren zu sorgen haben. Dies ist zwingendes Recht. Den Erläuterungen zum SchiedsRÄG 2006 ist zu entnehmen, dass die gesetzlich angeordnete faire Behandlung der Parteien aus Art 6 EMRK und der hierzu ergangenen Rsp hervorgeht. Wie auch das rechtliche Gehör gehört das faire Verfahren zu den bedeutsamsten österreichischen Verfahrensprinzipien bzw dem prozessualen ordre public und ist während des gesamten Schiedsverfahrens einzuhalten. Das rechtliche Gehör und die gleiche/faire Behandlung der Parteien sind zentrale Grundsätze, die als rechtsstaatliche Mindeststandards in einem privaten Schiedsverfahren zu achten sind und auf welche die Schiedsparteien nicht verzichten können. Die Gleichbehandlung der Parteien bzw Waffengleichheit ist unterdies aber „nur“ eine Komponente, aus der sich ein faires Verfahren bzw ein fairer Rechtsschutz zusammensetzt. Zu beachten ist, dass die Verfahrensparteien nicht immer gleich zu behandeln sind, jedoch unsachgemäße Differenzierungen verhindert werden sollen.

Die faire/gleiche Behandlung muss nach den Umständen des Einzelfalls gewährleistet werden und es darf dabei kein wesentlicher Nachteil für eine der Parteien vorliegen. Davon umfasst ist unter anderem die Möglichkeit für die Parteien, in gleicher Weise vernünftig und einzelfallgerecht ihren Fall samt ihren Argumenten und entscheidenden Beweisen zu präsentieren und auf das Vorbringen der Gegenseite zu replizieren. In der Literatur wird zudem die Gleichbehandlung der Parteien bei der Schiedsrichterbenennung als wesentliche Grundlage des Schiedsverfahrensrechts angesehen. Dies ergeht auch unmittelbar aus § 587 Abs 2 Z 3 ZPO, wonach jede Partei iSd Gleichbehandlungsgrundsatzes dieselbe Anzahl an Schiedsrichtern zu bestellen hat, wenn für das Verfahren mehr als drei Richter vorgesehen sind. Eine Verletzung der fairen Behandlung kann letztlich einen Aufhebungsgrund iSd § 611 Abs 2 Z 2, Z 4 oder Z 5 ZPO darstellen. Faire Behandlung muss allgemein aber nicht heißen, dass die Parteien tatsächlich im gleichen Ausmaß an dem Verfahren beteiligt waren. Entscheidend ist, dass den Parteien eine faire Möglichkeit zur Verfahrensteilnahme zukommt.

Im organisierten Wettkampfsport gilt der Grundsatz, dass alle Sportler formell gleichbehandelt werden. Der Grund liegt in der Verbandspyramide des organisierten Sports bzw dem sich daraus ergebenden hierarchisch-aufgebauten Verbandssystem. Denn aufgrund dessen haben sich alle Sportler einer Sportart an dieselben Sportregeln und Verbandsregelwerke zu halten. Daneben entsteht durch das „Ein-Platz-Prinzip“ zwischen dem internationalen Sportverband und den einzelnen Sportlern ein faktisches Ungleichgewicht, was für letztere Nachteile mit sich bringen kann.

§ 6 Abs 2 erster Satz VOStNSchG schreibt unter anderem vor, dass insbesondere der Grundsatz der Parteiengleichbehandlung unter Wahrung des rechtlichen Gehörs in jedem Stadium des Verfahrens vor dem StNSchG gilt.

Die angemessene Verfahrensdauer

Grundsätzlich können die Schiedsparteien auf den Grundsatz der angemessenen Verfahrensdauer nicht verzichten. Die kurze Verfahrensdauer im Schiedsverfahren stellt einen Vorteil gegenüber der staatlichen Gerichtsbarkeit dar und ist insb im Sportwesen bedeutsam. Im Abschluss einer Schiedsvereinbarung kann nicht der Verzicht auf eine angemessene Verfahrensdauer gesehen werden.

Die Einschätzung der Angemessenheit der Dauer des Verfahrens hat jedenfalls im Einzelfall zu erfolgen. Dabei sind unter anderem das Verhalten der staatlichen Behörden und der Verfahrensparteien, die Komplexität der Causa und die Bedeutung der Angelegenheit für die Parteien zu beachten.

Den Schiedsparteien kommen einige Instrumente zu, um die Verfahrensdauer zu beeinflussen bzw das Verfahren zu beschleunigen. Etwa die Benennung fachkundiger Schiedsrichter, der Verzicht auf die mündliche Verhandlung, die Zeugenvernehmung per Videokonferenz oder die schriftliche – anstatt der mündlichen – Zeugenaussage sind hier zu nennen. Daneben wird eine sog case management conference, eine (erste) Verhandlung, in der das Schiedsverfahren geplant wird, in der Literatur empfohlen.

Die VOStNSchG sieht bestimmte Instrumente vor, um die Verfahrensdauer zu verkürzen. So muss die Klage innerhalb von vier Wochen ab Zustellung der schriftlichen Ausfertigung der verbandsinternen Erledigung bei der Geschäftsstelle des StNSchG bei sonstiger Präklusion eingelangt sein. Bei dringlichen Angelegenheiten (zB solche des Lizenzausschusses) beträgt die Frist nur acht Tage (§ 2 Abs 2 VOStNSchG). Die Frist zur Beantwortung der Klage beträgt grundsätzlich 14 Tage und kann bei besonderer Dringlichkeit vom ständigen Vorsitzenden verkürzt werden (§ 5 Abs 6 VOStNSchG). Die gleiche Frist im staatlichen Verfahren ist mit vier Wochen etwas länger (vgl § 230 Abs 1 ZPO). Darüber hinaus steht es dem StNSchG nach Vorankündigung zu, Vorbringen und die Vorlage von Urkunden nur bis zu einem bestimmten Verfahrensstadium für zulässig zu erklären. Lässt sich eine Partei nicht in das Verfahren ein oder erscheint sie trotz gehöriger Ladung nicht zu einer mündlichen Verhandlung, ist das Verfahren mit der anderen Partei allein fortzuführen (§ 6 Abs 2 VOStNSchG). Die mündliche Verhandlung ist übrigens nicht verpflichtend. So kann das Verfahren auch ausschließlich schriftlich erfolgen, wobei es den Parteien offensteht, eine mündliche Verhandlung zu verlangen. In diesem Fall muss die mündliche Verhandlung ehestmöglich angeordnet werden (§ 6 Abs 3 VOStNSchG).

Fazit zum Bindungsumfang in der Sportschiedsgerichtsbarkeit

Sofern man von einem wirksamen Grundrechtsverzicht aufgrund einer wirksamen, freiwillig abgeschlossenen Schiedsvereinbarung ausgeht, kann eine Partei eines Verfahrens vor einem Sportschiedsgericht meiner Meinung nach „nur“ auf den Zugang zur staatlichen Gerichtsbarkeit sowie auf die Öffentlichkeit und Mündlichkeit des Verfahrens wirksam verzichten. Definitiv zu gewährleisten ist neben dem rechtlichen Gehör und der Gleichbehandlung der Parteien eine angemessene Verfahrensdauer und die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter. Daraus ergibt sich, dass nahezu alle Teilgarantien des Art 6 EMRK in der Sportschiedsgerichtsbarkeit gewährleistet werden müssen.

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Garantieverzicht, Verzichtsvoraussetzungen und Schiedsvereinbarung (4/6)

Im vorherigen Beitrag wurde erläutert, dass die Einrichtung von Schiedsgerichten verfassungskonform ist. Daneben wurde ein erster Einblick in die Garantien von Art 6 EMRK gegeben. Dieser Teil der Beitragsreihe beschäftigt sich mit dem Verzicht auf grundrechtliche Garantien (insb Art 6 EMRK) sowie mit den Voraussetzungen unter denen dies möglich ist. Dazu wird die Rolle der Schiedsvereinbarung unter die Lupe genommen.

Der Garantieverzicht und dessen Rechtsmäßigkeit im Schiedsverfahren

Aus der Rsp (EKMR 4.3.1987, 10881/84, R/Schweiz) folgt, dass Grundrechtsträger nicht verpflichtet sind, ihr Zugangsrecht zu einem ordentlichen Gericht wahrzunehmen. Es liegt bei ihnen, auf die Verfahrensgarantien innerhalb bestimmter Grenzen zu verzichten. Bei einer (wirksamen) Schiedsvereinbarung handelt es sich um einen solchen (Teil-)Verzicht (zB EKMR 5.3.1962, 1197/61, X/Deutschland). Art 6 EMRK verbietet die Streitbeilegung durch eigens geschaffene Schiedsgerichte und den damit einhergehenden Ausschluss der staatlichen Gerichte dabei nicht aus (zB EGMR 1.3.2016, 41069/12, Tabbane/Schweiz).

Eine andere Frage in diesem Zusammenhang ist, ob im konkreten Einzelfall wirksam auf das Zugangsrecht zur staatlichen Gerichtsbarkeit verzichtet wurde, also ob der einzelne Verzicht einer Partei wirksam begründet worden ist. Den Stellenwert des Rechts auf Zugang zu einem Gericht und die vom EGMR geforderte strenge Prüfung der Umstände bei einem Zugangsverzicht zeigen folgende Ausführungen aus der Rs Deweer:„Das ‚Recht auf Zugang zu Gericht‘ [ist] ein konstitutives Element des Rechts auf ein faires Verfahren. […] Der Verzicht, der den Betroffenen ebenso wie der Rechtspflege unbestreitbare Vorteile bringt, verstößt im Grundsatz nicht gegen die Konvention. […] Das „Recht auf Zugang zu Gericht“ hat indessen eine zu große Bedeutung in einer demokratischen Gesellschaft, als dass jemand allein dadurch seinen Schutz verlieren könnte, dass er eine justizähnliche Vereinbarung unterschrieben hat. […] Auf einem Gebiet, das zum ordre public der Mitgliedstaaten des Europarates gehört, erfordert jegliche Maßnahme oder Entscheidung, von der behauptet wird, dass sie gegen Art. 6 [EMRK] verstoße, eine besonders sorgfältige Kontrolle.“

Die Bindung privater Schiedsgerichte an die rechtsstaatlichen Mindestgarantien ist obligatorisch. Grund dafür ist die gewollte Anerkennung des Schiedsspruchs durch die staatlichen Gerichte. Aus diesen Überlegungen ergibt sich sohin die Frage, ob und inwiefern sich Schiedsgerichte an die Verfahrensgrundrechte des Art 6 EMRK zu halten haben.

Dabei darf man nicht übersehen, dass die lex arbitri (= das auf ein schiedsgerichtliches Verfahren anwendbare Recht, also insb §§ 577-618 ZPO) im Gegensatz zu den verfahrensrechtlichen Vorschriften der ordentlichen Gerichtsbarkeit von der Privatautonomie geprägt ist und sohin eine gewisse Flexibilität besitzt, also zwingende Vorschriften daher Ausnahmecharakter haben. Zwingende Bestimmungen bzw Schranken der Disposibilität gehen aus dem Recht auf ein faires Verfahren, dem Recht auf Gehör, dem Recht auf Zugang zu einem Gericht, dem in Art 83 Abs 2 B-VGgewährleisteten Recht auf den gesetzlichen Richter, allgemeinen Rechtsgrundsätzen bzw dem ordre public oder den Sonderbestimmungen zu Konsumenten und Arbeitsrechtssachen (§ 617 f ZPO) hervor.

Der Abschluss einer Schiedsvereinbarung als Verzicht auf Art 6 EMRK

Durch die Schiedsvereinbarung unterwerfen sich die Verfahrensparteien der Entscheidung eines Schiedsgerichts und verzichten somit rechtmäßig zum Teil auf den Rechtsschutz der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Wie im allgemeinen Vertragsrecht sind hierfür jedenfalls übereinstimmende Willenserklärungen der Parteien von Nöten. Diese Willensübereinstimmung spiegelt sich in der Schiedsvereinbarung wider, wodurch die Interessen der Parteien gesichert und der ordentliche Rechtsweg aufgegeben wird. Das Fundament eines Schiedsverfahrens ist also eine gültige Schiedsvereinbarung.

Die Bedingungen des Art 6 EMRK für einen wirksamen Grundrechtsverzicht

Unter anderem aus der Rsp des EGMR zu den Fällen des ehemaligen rumänischen Fußballers  Mutu und der deutschen Eisschnellläuferin Pechstein (EGMR 2.10.2018, 40575/10 und 67474/10) lassen sich folgende Kriterien herausfiltern, die vorliegen müssen, damit der (durch die Schiedsvereinbarung begründete) Verzicht auf die Garantien des Art 6 EMRK nicht mit der EMRK in Konflikt steht.

Freiwilligkeit

Zu den zu erfüllenden Bedingungen zählt auf jeden Fall der Verzicht auf Zwang; das verlangt ein völkerrechtliches Übereinkommen, das auf der Achtung der Rechtsstaatlichkeit und der Freiheit gegründet ist.“ (EGMR 27.2.1980, 6903/75, Deweer/Belgien Rz 49)

Gemeint ist damit ein Verzicht ohne Irrtum, Zwang und Unkenntnis. Die Freiwilligkeit muss verpflichtend vorliegen, sie ist also unabdingbar. Der Verzicht auf die Garantien des Art 6 EMRK ist nur dann mit Art 6 EMRK vereinbar, wenn er freiwillig, also zwangslos und ohne Willensmängel, erfolgt. In der Literatur wird zuweilen die Meinung vertreten, dass es sich hierbei sogar um die wichtigste Voraussetzung für den Grundrechtsverzicht handelt.

In der Sportschiedsgerichtsbarkeit ist das Freiwilligkeitsmerkmal sowohl in der Literatur als auch in der Rsp eine heiß diskutierte Angelegenheit. Gerade darin liegt der kritische Punkt der Sportschiedsgerichtsbarkeit.

Im Verhältnis zwischen Sportlern und Vereinen/Verbänden sieht man oft eine mangelnde Balance. Die Verbände seien idR Monopolisten, Vereine seien üblicherweise finanziell unabhängiger als ihre Athleten. Um die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung nicht zu gefährden, müsse man bei der Freiwilligkeit der Erklärungen beider Parteien Vorsicht walten lassen. Hier herrscht auch ein Meinungsstreit: Die einen sehen einen Zwang als unerheblich an, wenn das Schiedsgericht unabhängig, das Verfahren fair und der effektive Rechtsschutz garantiert ist. Die anderen sehen in einer Schiedsklausel bzw im Verzicht auf den staatlichen Rechtsschutz an sich schon einen grundrechtlichen Eingriff in das Recht auf Zugang zu einem Gericht, dem bei Vorliegen wirtschaftlicher oder sozialer Ungleichheiten zwischen den Parteien die Unwirksamkeit folgen kann. Dies ergehe aus dem Prinzip der absoluten Freiwilligkeit der Parteien.

Im heimischen Fußball wird bezüglich des Freiwilligkeitsmerkmals die Meinung vertreten, dass die Freiwilligkeit des Abschlusses der Schiedsvereinbarung zwischen der Fußball-Bundesliga (BL) und ihren Mitgliedsvereinen mit Fug und Recht bezweifelt werden kann. Andere meinen aber, dass es den Vereinen als Mitglieder der BL bei entsprechender Stimmenmehrheit durch eine Satzungsänderung durchaus möglich sei, das Ständig Neutrale Schiedsgericht (StNSchG) und die dazugehörige Verfahrensordnung zu beseitigen. Die Frage der Freiwilligkeit der Unterwerfung stelle sich aber auf einer anderen Ebene. Denn § 4 Abs 2 BL-Satzungen zwingt die Fußballvereine, die Regelwerke der UEFA und FIFA anzuerkennen. Blickt man in weiterer Folge in die UEFA-Statuten (Ausgabe 2021) bzw FIFA-Statuten (Ausgabe September 2020), dann lässt sich ein faktischer Zwang erkennen:

Art 60 UEFA-Statuten: „Die Verbände müssen eine Bestimmung in ihre Statuten aufnehmen, wonach nationale Streitsachen, die aus der Anwendung ihrer Statuten oder Reglemente oder im Zusammenhang mit diesen entstehen, unter Vorbehalt ihrer nationalen Gesetzgebung, in letzter Instanz unter Ausschluss aller ordentlichen Gerichte einem unabhängigen und unparteiischen Schiedsgericht unterbreitet werden.“

Art 59 FIFA-Statuten: „Die Verbände sind verpflichtet, in ihre Statuten oder Reglemente eine Bestimmung aufzunehmen, wonach es bei Streitigkeiten innerhalb des Verbands oder bei Streitigkeiten, die die Ligen, Mitglieder der Ligen, Klubs, Mitglieder der Klubs, Spieler, Offizielle und weitere Verbandsangehörige betreffen, verboten ist, an staatliche Gerichte zu gelangen […]. Anstelle staatlicher Gerichte ist eine Schiedsgerichtsbarkeit vorzusehen. Die genannten Streitigkeiten sind einem unabhängigen und ordnungsgemäss einberufenen Schiedsgericht […] vorzulegen.

Die Verbände sind zudem verpflichtet, dafür zu sorgen, dass diese Regelung innerhalb des Verbands, sofern nötig durch Überbindungsverpflichtung, vorgesehen ist. Sie haben die Betroffenen bei Nichteinhaltung der Verpflichtung zu sanktionieren und vorzusehen, dass Berufungen gegen solche Sanktionen unter Ausschliessung staatlicher Gerichtsbarkeit ebenfalls grundsätzlich und in gleicher Weise der Schiedsgerichtsbarkeit unterstellt sind.“

Die Disziplinarmaßnahmen der UEFA etwa sind dabei nicht zu vernachlässigen. Bei Erfüllung eines Disziplinartatbestandes nach Art 52 UEFA-Statuten droht den Vereinen/Verbänden zB gemäß Art 53 Abs 1 lit n UEFA-Statuten der Ausschluss aus laufenden und/oder zukünftigen Wettbewerben. Da stellt sich die Frage, ob die Nichtteilnahme österreichischer Vereine an internationalen Fußballspielen erstrebenswert wäre.

Eindeutigkeit

Zweite Voraussetzung für einen wirksamen Verzicht ist, dass dieser in eindeutiger Weise erklärt wird (bspw EGMR 23.2.1999, 31737/96, Suovaniemi/Finnland). Im Hinblick auf die Formerfordernisse ist es nicht von Belang, ob der Verzicht ausdrücklich oder konkludent abgegeben wird. Mindestvoraussetzung ist eben die Eindeutigkeit des Verzichts. Diese ist gerade bei der konkludenten Erklärung bedeutsam. Es geht dabei also um den eindeutigen Willen des Grundrechtsträgers, wobei kein zweideutiger Verzicht vorliegen darf. Bei der Eindeutigkeit des Verzichts ist die Frage entscheidend, ob der Betroffene „in vollem Bewusstsein auf sein Recht verzichtet, dass sein Streit durch ein unabhängiges und unparteiisches Gericht entschieden wird“.

Öffentliche Interessen oder Rechte anderer

Schlussendlich darf der Verzicht nicht von wichtigen öffentlichen Interessen oder Rechten anderer tangiert werden. Dh der Grundrechtsverzicht und somit das Schiedsverfahren dürfen nicht unangemessen oder unbillig sein. Dafür ist eine Abwägung zwischen den Interessen des Einzelnen und der Allgemeinheit vorzunehmen. Die Art dieser öffentlichen Interessen ist nicht begrenzbar. Doch können sie sich etwa aus dem Kartell- und Steuerrecht sowie Streitigkeiten über die Gültigkeit von Schiedssprüchen ergeben.

Formerfordernisse

Ein wirksamer Verzicht kann ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen. Daher reicht eine konkludente Erklärung aus, wobei bei dieser das Eindeutigkeitskriterium besonders zu beachten ist. Selbstverständlich ist auch ein (eindeutiger) mündlicher Verzicht unproblematisch. Hinsichtlich der Formerfordernisse für einen Verzicht auf Art 6 EMRK darf man nicht vergessen, dass dies zumeist in der Praxis keine Probleme aufwirft. Denn aufgrund von § 583 Abs 1 ZPO und internationalen Erfordernissen für die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche bedarf es ohnehin der Schriftlichkeit.

Formerfordernisse bei der Unterwerfung unter die Schiedsgerichtsbarkeit von Vereinen und Sportlern im österreichischen Fußball

Grundsätzlich müssen sich bloß die nationalen Sportverbände (zB der ÖFB) als unmittelbare Mitglieder an die Regularien des Weltsportverbandes (FIFA) halten. Sportler (= Mitglieder der Vereine) und Vereine (= Mitglieder der nationalen Verbände) stehen in der Verbandspyramide weiter unten und sind daher mittelbare Mitglieder des Weltdachverbandes oder arbeitsvertraglich gebundene Dritte (zB Berufsfußballer). Ergo kann sich für sie keine unmittelbare Verpflichtung zur Achtung der Statuten des Weltverbandes ergeben. Gelöst wird dies entweder mit der sog Doppelverankerung (Mittelbare Mitglieder werden durch entsprechende Anordnung in den Weltverbandsregelwerken zur Achtung der Rechte und Pflichten des Weltverbandes verpflichtet; nachgeordnete Verbände und Vereine müssen diese Anordnungen in ihre jeweiligen Statuten in weiterer Folge übernehmen) oder Athletenvereinbarungen (Vertrag zwischen mittelbaren Mitgliedern und arbeitsvertraglich gebundenen Dritten mit dem Weltsportverband [siehe bspw den Spielerpass für Fußballer]). Schiedsvereinbarungen sind eben oft Teil solcher Athletenvereinbarungen.

Zur Anordnung der Schiedsgerichtsbarkeit in Vereinsstatuten im Verhältnis zwischen Vereinen/Verbänden und ihren unmittelbaren Mitgliedern selbst bestehen drei unterschiedliche Meinungen zur Wirksamkeit: i.) Vereinbarung der Schiedsklausel durch Vereinsbeitritt unter Einhaltung des in den Statuten vorgesehenen Verfahrens (bspw auch mündlich), ii.) Vereinbarung der Schiedsklausel durch schriftlichen Vereinsbeitritt und iii.) Vereinbarung der Schiedsklausel in einer eigenen schriftlichen Zusatzvereinbarung neben dem Vereinsbeitritt.

Für den heimischen Fußballsport spielt dies im Verhältnis zwischen den Vereinen und der BL in der Praxis insofern keine Rolle, als die Vereine als Lizenzbewerber gemäß Nr 9.2.1 a) lit b) der BL-Lizenzbestimmungen im Rahmen des Lizenzantrages (§ 6 Abs 1 BL-S) bzw der zu erfüllenden rechtlichen Lizenzkriterien jeweils eine Schiedsvereinbarung, die die Zuständigkeit des StNSchG regelt, einzureichen haben. Sohin kann die BL mit den Vereinen eine Schiedsvereinbarung über alle in der Zukunft liegenden Rechtsstreitigkeiten (bis zum 1.7. des folgenden Jahres) aus dem jeweiligen Rechtsverhältnis vereinbaren.

Bei Arbeitnehmern der BL (zB Funktionäre und Schiedsrichter) ist dies aufgrund von § 9 ASGG nicht möglich. Denn in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten bedarf es einer „Ad-hoc“-Schiedsvereinbarung. Dahingehend wurde in § 1 Abs 2 lit e letzter Satz der Verfahrensordnung des StNSchG (VOStNSchG) festgelegt, dass es für Streitigkeiten, welche unter die Zuständigkeit des Arbeits- und Sozialgerichts fallen, einer gesonderten Schiedsvereinbarung für den konkreten Rechtsstreit bedarf, um wirksam die Zuständigkeit des StNSchG zu begründen.

Obwohl die Spieler grundsätzlich Arbeitnehmer ihrer Vereine sind, darf man eben § 1 Abs 2 lit e erster Satz VOStNSchG nicht übersehen. Denn auch hier können Streitigkeiten aus einem Arbeitsverhältnis vorliegen, womit dann ebenso das StNSchG zuständig und für den jeweiligen Spieler eine Schiedsvereinbarung für den konkreten Rechtsstreit notwendig wäre.

Bei den arbeits- und sozialrechtlichen Streitigkeiten ist spannend zu beobachten, dass bis 2011 kein einziges Mal das StNSchG angerufen, sondern immer der ordentliche Rechtsweg bestritten wurde.

Für das Verhältnis zwischen den Spielern und den Vereinen ergibt sich aus dem Kollektivvertrag für Fußballspieler/innen der Österreichischen Fußball-Bundesliga (Stand 1.7.2018) hinsichtlich Schieds- und Schlichtungsklauseln, dass Dienstverträge für gewisse Arten von Streitigkeiten die Beilegung durch eine Schlichtungsstelle oder ein Schiedsgericht vorsehen können. Weiters ist Schiedsklausel nur für bereits entstandene Streitigkeiten wirksam.

Allgemein müssen hier die Sonderbestimmungen des § 618 ZPO im Schiedsverfahren bzgl Arbeitsrechtssachen gemäß § 50 Abs 1 ASGG erwähnt werden. Diese Schutzbestimmungen haben (auch in Hinblick auf § 9 Abs 2 ASGG) das Ziel, das Prinzip der absoluten Freiwilligkeit der Schiedsvereinbarung der Parteien zu sichern und Arbeitnehmer vor dem Verlust des Zugangs zu den Gerichten zu schützen.

Fazit und Ausblick

Durch den Abschluss einer Schiedsvereinbarung können Grundrechtsträger teilweise unter Einhaltung gewisser Bedingungen auf die Garantien des Art 6 EMRK verzichten. Was die Formerfordernisse zur Vereinbarung einer Schiedsklausel im (österreichischen) Fußball angeht, bestehen unterschiedliche Meinungen bzw sind einige Besonderheiten zu beachten.

Der nächste Beitrag widmet sich der Frage, inwiefern (Sport-)Schiedsgerichte an Art 6 EMRK gebunden sind.

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Die Verfassungskonformität der Schiedsgerichtsbarkeit (3/6)

Nachdem die beiden ersten Beiträge unter anderem die Wichtigkeit von Schiedsgerichten im organisierten Sport (Stichwort: „Trend zu Schiedsgerichten“) zum Inhalt hatten, behandelt dieser Teil der Beitragsreihe einerseits die Frage, ob Schiedsgerichte überhaupt mit der österreichischen Verfassung im Einklang stehen, und andererseits gibt er einen Einblick in die Garantien von Art 6 EMRK.

Schon in den §§ 270 ff der Allgemeinen Gerichtsordnung vom 1.5.1781, die den Zivilprozess damals kodifizierte und im Jahr 1898 durch die ZPO ersetzt wurde, fanden sich Regelungen zur Schiedsgerichtsbarkeit. Das schiedsgerichtliche Verfahren hat sohin eine lange Historie. Da sich die österreichische Schiedsgerichtsbarkeit in den letzten Jahrzehnten in der Praxis zu einer ernst zu nehmenden Alternative zur staatlichen Gerichtsbarkeit entwickelte, beschäftigte sich die Wissenschaft intensiv mit der Verfassungsmäßigkeit des schiedsgerichtlichen Verfahrens.

Das zivilrechtliche Verfahren findet in den Art 82 ff Eingang in die Verfassung, Bestimmungen zum Schiedsverfahren sucht man allerdings vergeblich im B-VG. Anders ist dies bspw in Frankreich oder Venezuela. Demgegenüber enthält die ZPO seit ihrem Inkrafttreten 1898 in den §§ 577 ff einen eigenen Abschnitt hinsichtlich des Schiedsverfahrens. Sohin ist eine parallele Entwicklung – Verfassungsrecht einerseits und Schiedsgerichtsbarkeit der ZPO andererseits – zu beobachten, wobei das Verfassungsrecht besonders durch die EMRK, die GRC sowie der diesbezügliche Rsp geprägt wurde.

Begründungsansätze für die Verfassungsmäßigkeit der Schiedsgerichtbarkeit

Grundsätzlich steht eines fest: Die privatautonom vereinbarte Schiedsgerichtsbarkeit iSd §§ 577 ff ZPO ist mit der österreichischen Bundesverfassung vereinbar. Dafür gibt es mehrere Begründungsansätze:

Historischer Ansatz

Eine mögliche Begründung für die Verfassungsmäßigkeit der Schiedsgerichtsbarkeit ist die historische Entwicklung, wobei § 1391 ABGB hier als Ursprung dient:

Der Vertrag, wodurch Parteyen zur Entscheidung streitiger Rechte einen Schiedsrichter bestellen, erhält seine Bestimmung in der Gerichtsordnung.“

Mit der Gerichtsordnung ist dabei die oben erwähnte Allgemeine Gerichtsordnung aus 1781 gemeint. Seit dem Inkrafttreten der ZPO verweist die Bestimmung auf die §§ 577 ff ZPO. Der VfGH meint dazu (VfSlg 2519/1953):

Die geschichtliche Wurzel der Schiedsgerichtsbarkeit überhaupt bildet § 1391 ABGB, der die vertragsmäßige Konstituierung von Schiedsgerichten zuläßt und hinsichtlich der näheren Regelung auf die Bestimmungen der allgemeinen Gerichtsordnung (§§ 270 ff) verweist, an deren Stelle die §§ 577 bis 599 ZPO. getreten sind. Damit ist zum erstenmal neben die staatlichen Gerichte eine Gruppe von nichtstaatlichen Gerichten getreten.“

Ein weiterer historischer Aspekt ist, dass der Verfassungsgesetzgeber im Jahr 1920 die Bestimmungen der ZPO über das schiedsrichterliche Verfahren vorgefunden und zugleich gebilligt hat. Auch der oben angeführte § 1391 ABGB wurde seit 1812 nicht verändert und durch die Einführung der Bundesverfassung im Jahr 1920 nicht berührt.

Privatautonomer Ansatz

Nach dieser These eröffnet sich für den einfachen Gesetzgeber die Möglichkeit, sowohl die staatliche Gerichtsbarkeit als auch die Schiedsgerichtsbarkeit zu akzeptieren, wenn bestimmte sachliche Voraussetzungen bestehen. Die Vereinbarung eines nichtstaatlichen und somit alternativen Streitbeilegungsverfahrens sei Ausfluss der Privatautonomie, die es den Parteien ermögliche, ihre Rechtsbeziehungen materiell- sowie verfahrensrechtlich zu vereinbaren. In der staatlichen Anerkennung des privatautonom vereinbarten Schiedsgerichts, des Schiedsverfahrens sowie des Schiedsspruchs und dessen normativer Wirkung liegt die Besonderheit der Schiedsgerichtsbarkeit.

Daneben sieht man in der privatautonomen Schiedsgerichtsbarkeit auch einen Ausfluss des ungeschriebenen „Grundrechts auf Privatautonomie“, das in Österreich von der Eigentumsgarantie (Art 5 StGG) umfasst ist.

Weitere Argumente für die Verfassungsmäßigkeit der Schiedsgerichtsbarkeit

Internationaler Vergleich: Hier ist zu erkennen, dass es in allen liberalen Rechtsstaaten möglich ist, die staatliche Gerichtsbarkeit durch ein privatautonomes Schiedsverfahren und einen normativ wirkenden Schiedsspruch zu ersetzen. IdR sind in diesen Ländern auch keine schiedsgerichtlichen Garantien in den jeweiligen verfassungsrechtlichen Bestimmungen aufzufinden.

Das NYU (Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche, BGBl 1961/200 idF BGBl III Nr. 2020/83): Daraus ergibt sich eine völkerrechtliche Verpflichtung, ausländische Schiedsvereinbarungen und Schiedssprüche anzuerkennen und letztere zu vollstrecken. Es wäre widersprüchlich, wenn österreichische Gerichte Schiedsvereinbarungen und Schiedssprüche anerkennen und vollstrecken, man jedoch von der Verfassungswidrigkeit der eigenen Schiedsgerichtsbarkeit ausgehen würde.

Die Rsp des EGMR: Hiernach tangiert Art 6 Abs 1 EMRK den Austausch der staatlichen Gerichtsbarkeit durch private Schiedsgerichte nicht. Denn „Article 6 [EMRK] does not preclude the setting up of arbitral tribunals in order to settle disputes between private entities.“ (EGMR 3.4.2008, 773/03, Regent Company/Ukraine, Rn 54)

Das Verhältnis zum staatlichen Rechtsprechungsmonopol

Wesentliche Voraussetzung für die verfassungsmäßige Zulässigkeit des Schiedsverfahrens ist, dass das staatliche Rechtsprechungsmonopol die private Streitbeilegung akzeptiert.

Hier bestehen unterschiedliche Meinungen, wie die private Schiedsgerichtsbarkeit mit dem staatlichen Rechtsprechungsmonopol harmonisiert werden kann bzw ob und in welchem Ausmaß der Staat das Monopol für die Rsp überhaupt innehat:

Die erste Auffassung geht davon aus, dass in der Schiedsgerichtsbarkeit iSd §§ 577–618 ZPO keine Durchbrechung des Rechtsprechungsmonopols liege, da die staatliche Gerichtsbarkeit entweder selbst normativ über Rechtsstreitigkeiten entscheide oder die Entscheidung durch privatautonom eingerichtete Schiedsgerichte dulde und sich die Kontrolle darüber vorbehalte. Sohin sei die privatautonome Schiedsgerichtsbarkeit verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Abschluss einer Schiedsvereinbarung sei darüber hinaus kein Entzug des gesetzlichen Richters, da Art 83 Abs 2 B-VG nur vor staatlichem Handeln schütze und die freiwillige Vereinbarung eines Schiedsgerichts nicht darunter falle.

Eine zweite Meinung sieht in der staatlichen Anerkennung der Entscheidung eines Schiedsgerichts eine Durchbrechung des staatlichen Justizmonopols und eine „funktionale Privatisierung der Gerichtsbarkeit“. Die Durchbrechung dürfe nur erfolgen, wenn der Gesetzgeber gewisse Voraussetzungen bzw Schranken einhalte, da andernfalls die Verfassungswidrigkeit der Anerkennung folge. Schiedsverfahren und -sprüche seien nicht vom Gesetzgeber anzuerkennen, wenn sie gegen wesentliche öffentliche Interessen verstoßen. Aus diesem Grund habe er verfahrensrechtliche und inhaltliche – vom Schiedsgericht verpflichtend einzuhaltende – Mindestvoraussetzungen und die Möglichkeit der Anfechtung und Aufhebung des Schiedsspruchs bei Verstoß gegen diese zu schaffen. Die Konkretisierung der Gründe, wann ein Schiedsspruch aufzuheben ist, liege beim Gesetzgeber, wobei nur schwerwiegende Verstöße gegen verfahrensrechtliche oder inhaltliche Regelungen zur Aufhebung führen sollen. Auch könne der Gesetzgeber aus Zweckmäßigkeitsgründen bestimmte Angelegenheiten als nicht objektiv schiedsfähig deklarieren und diese somit von der Schiedsgerichtsbarkeit ausschließen.

Die Verfahrensgrundrechte des Art 6 EMRK im Schiedsverfahren

Aus grundrechtlicher Perspektive hat im Schiedsverfahren in erster Linie Art 6 EMRK Bedeutung. Mit Blick auf die folgenden Beiträge wird er nun kurz vorgestellt.

Der Anwendungsbereich und die Garantien des Art 6 EMRK

Wenngleich in der Sportschiedsgerichtsbarkeit auch strafrechtliche Streitigkeiten auftreten können, sind überwiegend zivilrechtliche Streitigkeiten von Bedeutung. Aus diesem Grund wird einzig auf die grundrechtlichen Gewährleistungen des Art 6 Abs 1 EMRK eingegangen.

Der Schutzbereich

Art 6 Abs 1 EMRK lautet:

Jedermann hat Anspruch darauf, daß seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird, und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder über die Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden hat. […].“

IdR kann bei Angelegenheiten in Schiedsverfahren allgemein von „zivilrechtlichen Ansprüchen und Verpflichtungen“ gesprochen werden. Bei den zivilrechtlichen Rechtsstreitigkeiten zwischen Athleten und Sportverbänden ist Art 6 Abs 1 EMRK grundsätzlich anwendbar. Zu beachten ist diesbezüglich, dass sowohl natürliche Personen als auch Vereine (und somit auch Verbände) als juristische Personen nach ihrer Entstehung und vor ihrer Auflösung Grundrechtsträger sind. Gerade iZm den Verfahrensgarantien des Art 6 EMRK ist der grundrechtliche Schutz von juristischen Personen relevant.

Die Organisations– und Verfahrensgarantien

Bei den grundrechtlich gewährleisteten Rechten des Art 6 EMRK unterscheidet man zwischen den Organisations- und den Verfahrensgarantien. Im Grunde werden jedermann das Recht auf Zugang zu einem Gericht bzw die Entscheidung durch ein Gericht und die Einhaltung der vorgesehenen Verfahrensrechte verfassungsrechtlich eingeräumt.

Organisationsgarantien

Das Recht auf Zugang zu einem Gericht: Der Gerichtsbegriff ist dabei nicht mit dem nationalen des B-VG zu verwechseln. Gefordert ist ein sog Tribunal, also ein auf Gesetz beruhendes „Gericht“. Dem Tribunal muss eine judizielle Funktion zukommen. Daher müssen Zusammensetzung, Organisation und Verfahren in einer generell-abstrakten, zugänglichen und ausreichend bestimmten staatlichen Rechtsvorschrift vorgesehen werden. Sowohl ordentliche Gerichte als auch VfGH, VwGH, BVwG und die LVwG sind „Tribunale“ iSd Art 6 EMRK.

Unabhängigkeit und Unparteilichkeit: Unabhängig ist das Gericht, wenn es gegenüber anderen Staatsgewalten und (iVm der Unparteilichkeit) gegenüber den Parteien des Verfahrens autonom ist. Die Unparteilichkeit ist gegeben, wenn das Gericht (bzw dessen Richter) nicht voreingenommen ist. Die beiden Merkmale sind nicht einfach voneinander zu differenzieren, doch müssen sie objektiv (äußerer Anschein) und subjektiv (tatsächliche Begebenheiten) vorliegen.

Allgemeine Verfahrensgarantien

Öffentlich mündliche Verhandlung: Die Öffentlichkeit betrifft nicht nur die Verhandlung, sondern auch die Verkündung des Urteils. Die (Volks-)Öffentlichkeit kann unter gewissen Umständen ausgeschlossen werden bzw kann eine mündliche Verhandlung entfallen. Auch ist der Verzicht auf die mündliche Verhandlung durch die Parteien möglich.

Faires Verfahren im engeren Sinn („fair hearing“): Diese Garantie verlangt, dass die Rechtssache in billiger Weise gehört wird. Damit soll ein effektiver Rechtsschutz für den Betroffenen gesichert werden. Dafür stehen dem Einzelnen folgende Garantien zu: das Recht auf Gehör (das Recht auf Offenlegung der Beweismaterialen, das Recht auf Stellungnahme zu Beweisaufnahmen über strittige Tatsachen und das Recht auf sorgfältige Prüfung der Parteivorbringen), das Recht auf Akteneinsicht, das Recht auf eine ausreichende Begründung der Entscheidung und va das Recht auf Einhaltung des Grundsatzes der Waffengleichheit in einem kontradiktorischem Verfahren (= Verfahren, bei dem die Parteien entgegengesetzte Interessen haben). Die Waffengleichheit und das Recht auf Gehör sind dabei die wichtigsten Teilgarantien von Art 6 EMRK.

Angemessene Verfahrensdauer: Ob die Verfahrensdauer angemessen ist, hängt immer von den Umständen des konkreten Einzelfalles ab. Dabei sind insb die Komplexität des Falles und das Verhalten der Parteien, die Bedeutung für den Betroffenen als subjektives Element und die Anzahl an Instanzen und Verhandlungen wesentliche Merkmale.

Fazit und Ausblick

Die österreichische Verfassung steht der Schiedsgerichtsbarkeit nicht entgegen, wobei dies auf verschiedene Art und Weise begründet wird. Selbiges gilt für das Verhältnis zwischen Schiedsgerichtsbarkeit und ordentlicher Gerichtsbarkeit. Gerade Art 6 EMRK spielt eine wesentliche Rolle, wenn es um Grundrechte und die Schiedsgerichtsbarkeit geht. Schiedsgerichtliche Angelegenheiten werden wiederum von den Teilgarantien des Art 6 EMRK geschützt.

Der nächste Beitrag gibt einen Überblick über den Garantieverzicht und dessen Rechtsmäßigkeit im Schiedsverfahren, den Abschluss einer Schiedsvereinbarung als Verzicht auf Art 6 EMRK und die Bedingungen für einen wirksamen Grundrechtsverzicht.

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