Einzelne Teilgarantien – obligatorisch oder nicht? (6/6)

Der der durch eine wirksame Schiedsvereinbarung begründete Grundrechtsverzicht beinhaltet jedenfalls einen Verzicht auf den staatlichen Rechtsschutz. Dieser letzte Beitrag meiner Beitragsreihe behandelt die restlichen Organisations- und Verfahrensgarantien von Art 6 EMRK und beantwortet die Frage, inwiefern sich (Sport-)Schiedsgerichte an diese zu halten haben (= Bindungsumfang). Als Beispiel dient dabei das Ständig Neutrale Schiedsgericht (StNSchG) der Österreichischen Fußball-Bundesliga (BL) bzw dessen Verfahrensordnung (VOStNSchG).

Die Öffentlichkeit des Verfahrens

Der Rsp des EGMR (EGMR 23.2.1999, 31737/96, Suovaniemi/Finnland) ist zu entnehmen, dass im Schiedsverfahren grundsätzlich ohne weiteres auf die Öffentlichkeit des Verfahrens verzichtet werden kann. Gerade auf den Öffentlichkeitsgrundsatz kann auch in Verfahren der staatlichen Gerichtsbarkeit wirksam verzichtet werden. Dies gilt umso mehr für Schiedsverfahren. Denn regelmäßig ist die Nichtöffentlichkeit bzw die Vertraulichkeit des Verfahrens der Hintergrund für die Einrichtung eines Schiedsgerichts durch private Vereinbarung. So werden Geheimhaltungsinteressen der Schiedsparteien geschützt und die Vertraulichkeit der Schiedssache gewahrt.

Hinsichtlich des Öffentlichkeitsgrundsatzes in der Sportschiedsgerichtsbarkeit und dem Verfahren vor dem StNSchG ist festzuhalten, dass der Verzicht auf die Öffentlichkeit und die damit generierte Vertraulichkeit zu den allgemeinen Vorteilen von Schiedsgerichten zählen; auch wenn in der Praxis wohl nicht alles geheim gehalten werden kann (Stichwort: Medien). Das Verfahren vor dem StNSchG ist nicht öffentlich (vgl § 6 Abs 3 letzter Satz VOStNSchG).

Die Mündlichkeit des Verfahrens

§ 598 ZPO regelt die Mündlichkeit im österreichischen Schiedsverfahren. Schon in den Erläuterungenzum SchiedsRÄG 2006 verdeutlicht der Gesetzgeber, dass der in der österreichischen ZPO fest verankerte Mündlichkeitsgrundsatz im Schiedsverfahren keine Anwendung findet, Art 6 EMRK deswegen nur eingeschränkt gilt und Schriftsätze größeres Gewicht haben.

Ebenso wie der Öffentlichkeitsgrundsatz ist also das Recht auf die mündliche Verhandlung im Schiedsverfahren keine verpflichtend einzuhaltende Teilgarantie des Art 6 EMRK. Doch ist nach der Rsp des OGH (RIS-Justiz RS0126091) der Aufhebungstatbestand iSd § 611 Abs 2 Z 2 ZPO idR erfüllt, wenn das Schiedsgericht einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung unbeachtet ließ. Daraus ergibt sich, dass die mündliche Verhandlung ein Kernelement des Anrechts auf rechtliches Gehör ist. Denn zum Aufhebungsgrund wegen mangelhafter Angriffs- und Verteidigungsmöglichkeit (§ 611 Abs 2 Z 2 ZPO), der das rechtliche Gehör an sich schützt, gehört unter anderem die Regelung über die mündliche Verhandlung. Sollten die Parteien die mündliche Verhandlung ausgeschlossen haben und das Schiedsgericht dennoch eine durchführen, kann der Schiedsspruch nicht wegen § 611 Abs 2 Z 2 ZPO aufgehoben werden, da „zu viel“ rechtliches Gehör keinesfalls schadet.

In der Literatur wird § 598 ZPO zum Teil als Konkretisierung des in § 594 Abs 2 Satz 2 ZPO bestimmten Anspruchs der Parteien auf rechtliches Gehör gesehen, da hier die Grundregeln über die mündliche Verhandlung sowie das schriftliche Verfahren zu finden seien.

Sofern die Parteien keine Vereinbarung darüber getroffen haben, liegt es im Ermessen des Schiedsgerichts, ob eine mündliche Verhandlung oder ein schriftliches Verfahren durchgeführt wird. Eine mündliche Verhandlung ist nur dann verpflichtend, wenn dies eine Schiedspartei beantragt.

Selbst wenn das Schiedsgericht der Meinung ist, eine mündliche Verhandlung wäre angebracht, ist dies bei Vorliegen eines Ausschlusses durch die Schiedsparteien nicht möglich. Hier kommt zum Ausdruck, dass die Verfahrensgestaltung im Rahmen der Schiedsgerichtsbarkeit in der Hand der Parteien liegen soll. Dies kann zu heiklen Situationen führen, etwa falls die Schiedsrichter Parteien- oder Zeugenaussagen für notwendig erachten, falls bei Unterlassen einer mündlichen Verhandlung die Gefahr droht, das Verfahren könne Art 6 EMRK bzw den grundrechtlichen Mindestanforderungen nicht gerecht werden oder falls eine faire Entscheidungsfindung ohne mündliche Verhandlung bzw Aussagen nicht möglich ist.

Das Verfahren vor dem StNSchG kann mündlich oder schriftlich durchgeführt werden. Sollte eine Partei eine mündliche Verhandlung verlangen, so hat sie der Vorsitzende des Senats ehestmöglich anzuordnen (vgl § 6 Abs 3 VOStNSchG).

Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter

Durch Art 6 EMRK wird den Parteien eines staatlichen Gerichtsverfahrens weiters die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der (staatlichen) Richter gewährleistet. Dh über den Rechtsstreit wird von einem unbefangenen, unvoreingenommenen und unparteiischen Gericht geurteilt. Dadurch soll eine, aufgrund etwaig bestehender (außerhalb des Verfahrens liegender) Gründe, verfälschte Entscheidung verhindert werden.

Auch wenn die Richter eines Schiedsverfahrens nicht an den Maßstäben von staatlichen Richtern zu messen sind, besteht diesbezüglich im Endeffekt grundsätzlich kein Unterschied zwischen ihnen. Denn auch die Schiedsrichter entscheiden über einen Rechtsstreit und üben sachlich/materiell gesehen eine richterliche Funktion aus (OGH 14.12.1994, 7 Ob 604/94), wobei die Schiedsparteien dabei von der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit der Richter ausgehen. Sie haben einen unverzichtbaren und absoluten Anspruch auf die Entscheidung durch ein unabhängiges und unparteiisches Schiedsgericht bzw auf die objektive Durchführung des Schiedsverfahrens und die Unparteilichkeit bei Erlassung des Schiedsspruchs. Denn die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gehört zu den Mindeststandards, auf die nicht wirksam verzichtet werden kann. Jeder Schiedsrichter hat unparteiisch zu sein und eben nicht die Interessen der Partei zu vertreten, die ihn ernannt hat (OGH 28.4.1998, 1 Ob 253/97f).

Einerseits darf man in dieser Thematik die schiedsrichterliche Offenlegungspflicht und das Ablehnungsrecht der Parteien nicht vergessen. Andererseits sind die Unterschiede zwischen staatlicher Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsgerichtsbarkeit, wie zB die privatautonome Gestaltungsmöglichkeit der Schiedsparteien, die Schiedsrichter (anhand besonderer Erfahrung und Sachkenntnis) im Bestellungsverfahren bzw den Modus zur Schiedsrichterbestellung frei zu wählen, und der sog Paritätsgrundsatz (= keiner Schiedspartei darf bei der Zusammensetzung des Schiedsgerichts ein Übergewicht zukommen) nicht zu vernachlässigen.

Bezogen auf die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter in der Sportschiedsgerichtsbarkeit wird die Meinung vertreten, dass die Besetzungsmöglichkeit der Schiedsparteien zu den größten Nachteilen gehöre, da die Objektivität der Schiedsrichter nicht immer gewährleistet werden könne. Zumeist wäre ein Sportler in einem staatlichen Gerichtsverfahren aufgrund der verfassungsrechtlich verpflichtend einzuhaltenden Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Gerichts besser geschützt, wohingegen in der Schiedsgerichtsbarkeit eine Überlegenheit des Verbandes gegenüber dem Sportler bestehen könne.

Das StNSchG entscheidet grundsätzlich durch einen Dreiersenat, bestehend aus einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern (vgl § 3 Abs 1 VOStNSchG). Der Vorsitzende und seine Vertreter haben akademisch graduierte Juristen zu sein und werden von der Hauptversammlung (= Mitgliederversammlung iSd Vereinsrechts) für eine Funktionsperiode von vier Jahren gewählt. Dabei muss eine von mindestens fünf zu bestellenden Personen pro Funktionsperiode ausdrücklich als ständiger Vorsitzender bestellt werden, während die anderen Personen in festgelegter Reihenfolge als dessen Vertreter eintreten (vgl § 3 Abs 2 VOStNSchG). Daneben bestehen Regelungen über die Bestellung zum ersten und zweiten Beisitzer, wobei hierbei die vom Vorstand der BL bzw von der Klubkonferenz der höchsten und der zweithöchsten Spielklasse aufzustellenden Listen eine Rolle spielen (vgl § 3 Abs 3 und 4 VOStNSchG).

Die Besetzung des StNSchG im einzelnen Streitfall bzw die Auswahl der beiden Beisitzer hängt davon ab, wer die Parteien im Rechtsstreit sind bzw wer als Kläger und wer als Beklagter auftritt (vgl § 3 Abs 5 lit a-d VOStNSchG). Dabei ist die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter bspw bei einer Klage eines Sportlers gegen die BL in Frage zu stellen, da die BL im Endeffekt mehr Einfluss auf die Besetzung des StNSchG hat (Stichwort: Paritätsgrundsatz!). Dies dürfte daran liegen, dass der Sportler „seinen“ Beisitzer aus den von der Klubkonferenz der höchsten und der zweithöchsten Spielklasse aufgestellten Beisitzern auswählen muss, während die Auswahl des Beisitzers durch die BL aus der vom Vorstand der BL aufgestellten Beisitzerliste zu erfolgen hat (§ 3 Abs 5 lit b VOStNSchG).

Der Anspruch auf rechtliches Gehör

§ 594 Abs 2 zweiter Satz ZPO legt fest: „Jeder Partei ist rechtliches Gehör zu gewähren.“ Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist Teil des Rechts auf ein faires Verfahren bzw des Gleichbehandlungsgrundsatzes, doch kommt ihm aufgrund seiner Bedeutsamkeit eine davon unabhängige Stellung zu. Auch bestehen Zusammenhänge zum Mündlichkeitsgrundsatz.

Das Recht auf Gehör zählt zu den angesprochenen elementaren rechtsstaatlichen Mindeststandards, die Schiedsgerichte in Sachen grundrechtlicher Bindung gemäß Art 6 EMRK (während des gesamten Verfahrens) erfüllen müssen. Die Schiedsparteien gehen zudem davon aus, dass ihnen ausreichend rechtliches Gehör zukommt. Die Wichtigkeit dieser Teilgarantie lässt sich auch aus der Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen durch ordentliche Gerichte ableiten, so ist bei (erheblichen) Verstößen gegen das rechtliche Gehör von Schiedsgerichten die Vollstreckung unzulässig.

Grundsätzlich regiert bei der Durchführung des Schiedsverfahrens die Privatautonomie. Die Verfahrensgestaltung kann also von den Schiedsparteien frei bestimmt werden, sofern keine verpflichtend einzuhaltenden Regelungen den Vereinbarungen zuwiderlaufen. Allerdings ist ua die „Gewährung rechtlichen Gehörs“ zwingend und schränkt die Privatautonomie dadurch ein. Wird dieser Grundsatz verletzt, könnten § 611 Abs 2 Z 2 oder Z 5 ZPO verwirklicht werden und somit ein Aufhebungsgrund vorliegen.

Wenn die Parteien keine Vereinbarungen über die Durchführung des Verfahrens getroffen haben, liegt es im Ermessen des Schiedsgerichts, in welchem Umfang und in welcher Weise das rechtliche Gehör gewährt wird, wenngleich die Erwartungen der Parteien dabei als Richtlinie gelten. Wichtig zu beachten ist, dass die Wahrung des Rechts auf Gehör zwar an sich unangefochten ist, doch trotzdem Unstimmigkeiten bei der Anwendung im Einzelfall bestehen.

Demnach umfasst der Grundsatz des rechtlichen Gehörs unter anderem die folgenden Gewährleistungen: wirksame Benachrichtigung der Parteien über den Beginn des Verfahrens, Offenstehen der Gelegenheit für die Parteien, alles (= jedes Angriffs- und Verteidigungsmittel) vorzubringen, was sie für wesentlich halten oder die Information und die Gelegenheit zur Äußerung des Prozessgegners über jede Änderung des Sachverhalts.

Soweit die Meinungen der Schiedsparteien bekannt sind und vom Schiedsrichter bedacht werden, ist eine persönliche Anhörung nicht notwendig. Irrelevant ist auch, ob das Recht auf Gehör nacheinander oder gleichzeitig, schriftlich oder mündlich gewährt wird (OGH 6.9.1990, 6 Ob 572/90). Ob die Parteien also von allen Schiedsrichtern zur gleichen Zeit vernommen werden oder nicht, ist nicht von Bedeutung, weil der Bericht eines an die restlichen Schiedsrichter bzw das Wissen eines Schiedsrichters ausreicht (OGH 21.11.1951, 2 Ob 344/51).

Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs iSd Art 6 EMRK wird bejaht, wenn der Schiedsspruch Tatsachen oder Beweisergebnisse beinhaltet, zu denen die Parteien keine Stellungnahme abgeben konnten oder die Möglichkeit dazu nicht bestand. Es muss den Parteien möglich sein, bei den Verhandlungen zu erscheinen und dort mittels Tatsachenbehauptungen und Beweisangeboten ihre Sichtweise kundzutun.

Allgemein gilt, dass im Schiedsverfahren keine strengeren Anforderungen bzgl der Sicherung des Rechts auf Gehör gelten als im ordentlichen Verfahren (OGH 28.11.2012, 4 Ob 185/12b). So ist § 611 Abs 2 Z 2 ZPO nur verwirklicht, wenn die Verletzung des Gehörs einen Nichtigkeitsgrund im ordentlichen Verfahren darstellen bzw einem solchen wertungsmäßig nahekommen würde (OGH 23.2.2016, 18 OCg 3/15p).

Das faire Verfahren bzw die Gleichbehandlung der Parteien

§ 594 Abs 2 erster Satz ZPO lautet explizit: „Die Parteien sind fair zu behandeln.“ Das Recht auf ein faires Verfahren gehört jedenfalls zum Kern des verfahrensrechtlichen ordre public. Die Schiedsparteien erwarten ein Verfahren, das fair geführt wird. Daraus ergibt sich, dass die Schiedsgerichte für ein faires Verfahren zu sorgen haben. Dies ist zwingendes Recht. Den Erläuterungen zum SchiedsRÄG 2006 ist zu entnehmen, dass die gesetzlich angeordnete faire Behandlung der Parteien aus Art 6 EMRK und der hierzu ergangenen Rsp hervorgeht. Wie auch das rechtliche Gehör gehört das faire Verfahren zu den bedeutsamsten österreichischen Verfahrensprinzipien bzw dem prozessualen ordre public und ist während des gesamten Schiedsverfahrens einzuhalten. Das rechtliche Gehör und die gleiche/faire Behandlung der Parteien sind zentrale Grundsätze, die als rechtsstaatliche Mindeststandards in einem privaten Schiedsverfahren zu achten sind und auf welche die Schiedsparteien nicht verzichten können. Die Gleichbehandlung der Parteien bzw Waffengleichheit ist unterdies aber „nur“ eine Komponente, aus der sich ein faires Verfahren bzw ein fairer Rechtsschutz zusammensetzt. Zu beachten ist, dass die Verfahrensparteien nicht immer gleich zu behandeln sind, jedoch unsachgemäße Differenzierungen verhindert werden sollen.

Die faire/gleiche Behandlung muss nach den Umständen des Einzelfalls gewährleistet werden und es darf dabei kein wesentlicher Nachteil für eine der Parteien vorliegen. Davon umfasst ist unter anderem die Möglichkeit für die Parteien, in gleicher Weise vernünftig und einzelfallgerecht ihren Fall samt ihren Argumenten und entscheidenden Beweisen zu präsentieren und auf das Vorbringen der Gegenseite zu replizieren. In der Literatur wird zudem die Gleichbehandlung der Parteien bei der Schiedsrichterbenennung als wesentliche Grundlage des Schiedsverfahrensrechts angesehen. Dies ergeht auch unmittelbar aus § 587 Abs 2 Z 3 ZPO, wonach jede Partei iSd Gleichbehandlungsgrundsatzes dieselbe Anzahl an Schiedsrichtern zu bestellen hat, wenn für das Verfahren mehr als drei Richter vorgesehen sind. Eine Verletzung der fairen Behandlung kann letztlich einen Aufhebungsgrund iSd § 611 Abs 2 Z 2, Z 4 oder Z 5 ZPO darstellen. Faire Behandlung muss allgemein aber nicht heißen, dass die Parteien tatsächlich im gleichen Ausmaß an dem Verfahren beteiligt waren. Entscheidend ist, dass den Parteien eine faire Möglichkeit zur Verfahrensteilnahme zukommt.

Im organisierten Wettkampfsport gilt der Grundsatz, dass alle Sportler formell gleichbehandelt werden. Der Grund liegt in der Verbandspyramide des organisierten Sports bzw dem sich daraus ergebenden hierarchisch-aufgebauten Verbandssystem. Denn aufgrund dessen haben sich alle Sportler einer Sportart an dieselben Sportregeln und Verbandsregelwerke zu halten. Daneben entsteht durch das „Ein-Platz-Prinzip“ zwischen dem internationalen Sportverband und den einzelnen Sportlern ein faktisches Ungleichgewicht, was für letztere Nachteile mit sich bringen kann.

§ 6 Abs 2 erster Satz VOStNSchG schreibt unter anderem vor, dass insbesondere der Grundsatz der Parteiengleichbehandlung unter Wahrung des rechtlichen Gehörs in jedem Stadium des Verfahrens vor dem StNSchG gilt.

Die angemessene Verfahrensdauer

Grundsätzlich können die Schiedsparteien auf den Grundsatz der angemessenen Verfahrensdauer nicht verzichten. Die kurze Verfahrensdauer im Schiedsverfahren stellt einen Vorteil gegenüber der staatlichen Gerichtsbarkeit dar und ist insb im Sportwesen bedeutsam. Im Abschluss einer Schiedsvereinbarung kann nicht der Verzicht auf eine angemessene Verfahrensdauer gesehen werden.

Die Einschätzung der Angemessenheit der Dauer des Verfahrens hat jedenfalls im Einzelfall zu erfolgen. Dabei sind unter anderem das Verhalten der staatlichen Behörden und der Verfahrensparteien, die Komplexität der Causa und die Bedeutung der Angelegenheit für die Parteien zu beachten.

Den Schiedsparteien kommen einige Instrumente zu, um die Verfahrensdauer zu beeinflussen bzw das Verfahren zu beschleunigen. Etwa die Benennung fachkundiger Schiedsrichter, der Verzicht auf die mündliche Verhandlung, die Zeugenvernehmung per Videokonferenz oder die schriftliche – anstatt der mündlichen – Zeugenaussage sind hier zu nennen. Daneben wird eine sog case management conference, eine (erste) Verhandlung, in der das Schiedsverfahren geplant wird, in der Literatur empfohlen.

Die VOStNSchG sieht bestimmte Instrumente vor, um die Verfahrensdauer zu verkürzen. So muss die Klage innerhalb von vier Wochen ab Zustellung der schriftlichen Ausfertigung der verbandsinternen Erledigung bei der Geschäftsstelle des StNSchG bei sonstiger Präklusion eingelangt sein. Bei dringlichen Angelegenheiten (zB solche des Lizenzausschusses) beträgt die Frist nur acht Tage (§ 2 Abs 2 VOStNSchG). Die Frist zur Beantwortung der Klage beträgt grundsätzlich 14 Tage und kann bei besonderer Dringlichkeit vom ständigen Vorsitzenden verkürzt werden (§ 5 Abs 6 VOStNSchG). Die gleiche Frist im staatlichen Verfahren ist mit vier Wochen etwas länger (vgl § 230 Abs 1 ZPO). Darüber hinaus steht es dem StNSchG nach Vorankündigung zu, Vorbringen und die Vorlage von Urkunden nur bis zu einem bestimmten Verfahrensstadium für zulässig zu erklären. Lässt sich eine Partei nicht in das Verfahren ein oder erscheint sie trotz gehöriger Ladung nicht zu einer mündlichen Verhandlung, ist das Verfahren mit der anderen Partei allein fortzuführen (§ 6 Abs 2 VOStNSchG). Die mündliche Verhandlung ist übrigens nicht verpflichtend. So kann das Verfahren auch ausschließlich schriftlich erfolgen, wobei es den Parteien offensteht, eine mündliche Verhandlung zu verlangen. In diesem Fall muss die mündliche Verhandlung ehestmöglich angeordnet werden (§ 6 Abs 3 VOStNSchG).

Fazit zum Bindungsumfang in der Sportschiedsgerichtsbarkeit

Sofern man von einem wirksamen Grundrechtsverzicht aufgrund einer wirksamen, freiwillig abgeschlossenen Schiedsvereinbarung ausgeht, kann eine Partei eines Verfahrens vor einem Sportschiedsgericht meiner Meinung nach „nur“ auf den Zugang zur staatlichen Gerichtsbarkeit sowie auf die Öffentlichkeit und Mündlichkeit des Verfahrens wirksam verzichten. Definitiv zu gewährleisten ist neben dem rechtlichen Gehör und der Gleichbehandlung der Parteien eine angemessene Verfahrensdauer und die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter. Daraus ergibt sich, dass nahezu alle Teilgarantien des Art 6 EMRK in der Sportschiedsgerichtsbarkeit gewährleistet werden müssen.

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