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Der sportrechtliche Jahresrückblick 2022

Der vorliegende Beitrag lässt das sportrechtliche Jahr 2022 nochmals Revue passieren. Ein Jahr, in dem abermals Krisen ihre Spuren hinterließen. Krisen, die rechtliche Fragestellungen in der Sportwelt zutage förderten. Doch auch abseits davon tat sich sportrechtlich einiges. Die folgenden Ausführungen können keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, sollen den Sportrechtsinteressierten aber einen Überblick bieten.

I. Von den Gerichten

Vor Jahren wurde noch kolportiert, dass Streitigkeiten im Sport außerhalb von Gerichtssälen ausgetragen werden. Diese Aussage kann heute keinesfalls mehr aufrechterhalten werden. Wenngleich für rechtliche Problemstellungen im Sport primär die Sportsgerichtsbarkeit vorgesehen ist, werden im Zuge von sportrechtlichen Streitigkeiten zunehmend die staatlichen Gerichte bemüht:

Den Anfang macht die Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in der Causa Pechstein. Kurz zur Vorgeschichte: Claudia Pechstein wurden im Rahmen der Eisschnelllauf-Mehrkampfweltmeisterschaft 2009 im norwegischen Hamar erhöhte Blutwerte nachgewiesen, woraufhin die International Skating Union (ISU) eine zweijährige Sperre wegen Dopings verhängte. Dagegen zog die Deutsche vor den Internationalen Sportgerichtshof (CAS). Ohne Erfolg. Auch vor dem Schweizerischen Bundesgericht war für die Eisschnellläuferin nichts zu holen. Es folgten ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und ein Zivilprozess in Deutschland. Als wäre diese Liste nicht bereits lange genug, hat sich nun auch noch das BVerfG zu Wort gemeldet:

Mit Beschluss vom 3. Juni 2022 (1 BvR 2103/16) hat das BVerfG der Verfassungsbeschwerde von Pechsteinstattgegeben. Das BVerfG ortete in der Entscheidung des deutschen Bundesgerichthofs (BGH), wonachPechsteins Klage wegen einer zugunsten des CAS vereinbarten Schiedsklausel unzulässig sei, eine Verletzung des Justizgewährungsanspruches (Art 2 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 Grundgesetz). Der BGH habe die Bedeutung des Anspruchs auf Öffentlichkeit des Verfahrens verkannt. Die vorgenommene Abwägung zwischen dem Justizgewährungsanspruch und der Vertragsfreiheit sowie der Verbandsautonomie entspreche nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen (für die Kernaussagen des BVerfG siehe unseren Beitrag).

Weiter geht es mit einer Entscheidung der Ad Hoc Division des CAS bei den Olympischen Winterspielen in Peking. Aufgrund dieser Entscheidung war es einer erst 15-jährigen Eiskunstläuferin namens Kamila Valieva – trotz Vorliegen einer positiven Dopingprobe – möglich, an der Kür des olympischen Einzelwettkampfs der Frauen im Eiskunstlauf teilzunehmen. Die Verhinderung der Teilnahme am Wettkampf würde eine irreversible Schädigung der Athletin bedeuten, sodass das Panel der Ad Hoc Division die Aufhebung der vorläufigen Suspendierung nach Durchführung einer Interessensabwägung bestätigte (siehe dazu unseren Beitrag).

Ferner bestätigte der CAS den Ausschluss von russischen Auswahl- und Klubmannschaften von Bewerben der FIFA und UEFA. Die Richter betonten zunächst die unvorhersehbaren und noch nie dagewesenen Umstände, auf welche die FIFA und die UEFA hätten reagieren müssen. Die Sportverbände hätten sodann im Rahmen des ihnen durch ihre Satzungen eingeräumten Ermessensspielraums gehandelt (2022/A/8708 und 2022/A/8709). Über die Sanktionen der Sportverbände gegen Russland haben wir auch mit Professor Orth gesprochen (höre dazu unsere Podcast-Folge).

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte sich auch im abgelaufenen Jahr mit einem spanischen Fußballverein zu beschäftigen. Den Anlass dazu gaben einmal mehr staatliche Beihilfen Spaniens, diesmal zugunsten des FC Valencia. Der EuGH hat das Rechtsmittel der Kommission, welche die Beihilfen mittels Beschluss vom 4. Juli 2016 als rechtswidrig und mit dem Binnenmarkt unvereinbar im Sinne des Art 107 AEUV qualifiziert hat, zurückgewiesen (C-211/20 P).

Apropos EuGH: Dieser hat sich im neuen Jahr mit zwei äußerst brisanten Fällen zu befassen. Die Rede ist von den Rechtssachen „European Superleague Company“ und „International Skating Union/Kommission“. Die Schlussanträge dazu hat Generalanwalt Rantos am 15.12.2022 erstattet. Nach der rechtlichen Einschätzung des Generalanwalts sind die FIFA/UEFA-Regeln, die jeden neuen Wettbewerb von einer vorherigen Genehmigung abhängig machen, mit dem Wettbewerbsrecht der EU vereinbar (siehe dazu unseren Beitrag). In eine ähnliche Kerbe schlagen die Schlussanträge zur „International Skating Union“, in welchen der Generalanwalt die Aufhebung des die Wettbewerbswidrigkeit der Regeln der International Skating Union bestätigenden Urteils des europäischen Gerichts vorschlägt (siehe dazu die Pressemitteilung).

In Österreich hatte sich der Oberste Gerichtshof (OGH) im vergangenen Jahr beispielsweise mit urheberrechtlichen Exklusivlizenzen für Sportübertragungen auseinanderzusetzen (4 Ob 219/21s). Klarstellend hielt er dazu fest, dass die Aufführung von Live-Übertragungen von Spielen der UEFA Champions League vom Medienkonzern Sky (einem Linzer Gastwirt) untersagt werden kann, weil die UEFA dem Konzern für das Lizenzgebiet Österreich die entsprechenden Exklusivrechte eingeräumt hat (siehe dazu unseren Beitrag).

Weitere Entscheidungen des OGH betrafen die Verkehrssicherungspflichten bei Sportveranstaltungen (9 Ob 85/21x), die Aufklärungspflichten eines Sportveranstalters (2 Ob 105/21m sowie 8 Ob 15/22x), den Unfall bei einer Seilschaft (9 Ob 4/22m) sowie Fragen der Wegehalterhaftung im Sinne des § 1319a ABGB nach einem Mountainbike-Unfall (1 Ob 19/22h).

II. Aus dem Parlament

Mit der Professionalisierung und Kommerzialisierung im Sport geht eine Verrechtlichung einher. So treten neben die allseits bekannten (verbandsrechtlichen) Spiel- und Sportregeln zunehmend allgemein gültige Rechtsregeln, die überwiegend die Rahmenbedingungen des sportlichen Systems regeln sollen. Obgleich die Verrechtlichung des Sports bereits weit fortgeschritten ist, gibt es doch noch einiges zu tun, um tatsächlich Rechtssicherheit für die Sportler, Vereine und Verbände zu schaffen.

Der Nationalrat hat am 13. Dezember 2022 eine Erhöhung der Pauschalen Reiseaufwandsentschädigung (kurz: PRAE) beschlossen. Um die ehrenamtliche Tätigkeit zu fördern und dem Umstand der hohen Inflation Rechnung zu tragen, wird die PRAE ab 1. Jänner 2023 von 540 Euro auf 720 Euro erhöht und der Betrag pro Einsatztag verdoppelt (maximal 120 Euro pro Einsatztag). In Regierungskreisen wird die Erhöhung als „Meilenstein“ bezeichnet (so der Vizekanzler). Auch in den Kreisen des organisierten Sports wird überwiegend laut gejubelt (siehe beispielsweise das Statement der Interessenvertretung Sport Austria). Ob die Erhöhung der PRAE tatsächlich nur Anlass zum Jubeln gibt, steht auf einem anderen Blatt und soll hier beiseitegelassen werden.

Davon abgesehen gibt es aus dem österreichischen Parlament wenig zu berichten. Wiewohl sich die Etablierung eines Berufssportgesetzes auch im aktuellen Regierungsprogramm wiederfindet, heißt es weiter: „Bitte warten!“ Gleiches gilt für den eSport. Wie bereits im Jahresrückblick 2021 berichtet, haben Experten im Sommer 2021 gewisse Empfehlungen zur rechtlichen Einordnung an die Politik herangetragen. Seither liegt der Ball beim Gesetzgeber.

Demgegenüber schickt sich die Europäische Union nun an, geeignete Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Entwicklung der eSport- und Gaming-Industrie zu schaffen. Ausgehend von einer umfassenden Studie von Nothelfer/Scholz (Esports – Background Analysis) verabschiedete das Europäische Parlament am 10. November 2022 eine Resolution zu eSport und Gaming (2022/2027[INI]). Wie sich der Prozess nun entwickelt, bleibt abzuwarten.

Von den „ursprünglichen“ Regelsetzern im Sport, die Sportverbände, gibt es hingegen einiges zu berichten: Die neuen Regelungen der Formel-1 (siehe dazu unseren Beitrag), die neuen FIFA-Bestimmungen zur Spielerleihe (siehe dazu hier) und das UEFA-Reglement zur finanziellen Nachhaltigkeit (siehe dazu unseren Beitrag) seien aus der Fülle exemplarisch herausgegriffen.

III. Kurioses

Mitunter ereignen sich auch kuriose Geschichten im Sport(-recht), die in einem Jahresrückblick ebenfalls nicht fehlen dürfen.

Dazu gehört beispielsweise der Fall des französischen Nationalspielers Antoine Griezmann, der zu Beginn der Spielzeit 2022/23 nicht der Startelf von Atlético Madrid angehörte. Der Offensivspieler wurde vielmehr regelmäßig nach einer Stunde eingewechselt. So weit, so gut, darin liegt noch nicht das Kuriosum (gleichwohl Fans des Franzosen unter Umständen das Gegenteil behaupten würden). Kurios wird es spätestens dann, wenn man sich den Hintergrund vergegenwärtigt: Der Leihvertrag soll eine „Kauf“-Verpflichtung in Höhe von 40 Millionen Euro beinhalten, die von der Bedingung abhängig ist, dass der Spieler in 50 % der Pflichtspiele über mindestens 45 Minuten eingesetzt wird (für eine juristische Bewertung siehe den Gastbeitrag von Fischinger/Kolomiyets).

Vielen bleibt gewiss auch das Wechselchaos im Bundesligaspiel zwischen Freiburg und Bayern München in Erinnerung. Aufgrund der Anzeige einer falschen Rückennummer auf der elektronischen Wechseltafel waren auf Seiten der Bayern für knapp 20 Sekunden zwölf – anstatt der erlaubten elf – Spieler auf dem Feld. Daraufhin beeinspruchte der SC Freiburg die Spielwertung der Partie beim DFB-Sportgericht. Dieses sah die Verantwortung für das Wechselchaos aber nicht beim deutschen Rekordmeister, sondern beim Schiedsrichterteam. Der FC Bayern München behielt also die drei Punkte (ausführlich dazu unser Beitrag).

Bleiben wir gleich in der Deutschen Fußball-Bundesliga: Auch ein Torjubel von Anthony Modeste stellte sich durchaus kurios dar. Nach dem Führungstreffer für den 1. FC Köln gegen Arminia Bielefeld hielt Torschütze Anthony Modeste eine Packung seiner eigenen Kaffeemarke in die Kamera. Obwohl der Stürmer keine Verwarnung durch den Schiedsrichter erhielt, untersuchte der Kontrollausschuss des DFB den Vorfall. Anthony Modeste kam schließlich mit einem blauen Auge davon – der DFB-Kontrollausschuss stellte das Verfahren mit Zustimmung des DFB-Sportgerichts ein. Der Fall macht deutlich, dass ein Torjubel sportrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Die obligatorische Verwarnung für das Ausziehen des Trikots ist allgemein bekannt. Abgesehen davon stellen sich aber weitere Fragen: Wie ausgelassen darf man jubeln? Wann erhält man eine gelbe Karte? Und in welchen Fällen kann man sogar im Nachhinein gesperrt werden? Hierfür lohnt sich zunächst ein Blick auf Regel 12.3. der Spielregeln des International Football Association Board (IFAB), wobei gewisse Jubel dem Regelhüter einiges an Auslegungsgeschick abverlangt.

Hohe Wellen schlug nicht zuletzt ein Streit in der Schachwelt. Anlass dazu gaben zwei Aufeinandertreffen zwischen dem Schachweltmeister Magnus Carlsen und Hans Moke Niemann. In beiden Duellen hatte der Weltmeister das Nachsehen, wobei er in der zweiten bereits nach einem Zug aufgab. Auf Twitter äußerte er anschließend Betrugsvorwürfe gegen seinen Kontrahenten: „Ich glaube, dass Niemann mehr – auch in letzter Zeit – betrogen hat, als er öffentlich zugegeben hat“. Die Antwort von Hans Moke Niemann in Form einer 100-Millionen-Dollar-Verleumdungsklage ließ nicht lange auf sich warten. Der Fall hat nicht zuletzt eine Debatte über Cheating in der Schachwelt losgetreten (für eine juristische Einordnung siehe Rinteln, SpoPrax 2022/488).

IV. Sonstiges

Der Kollektivertrag für Fußballspieler der der Österreichischen Fußball-Bundesliga gilt als Paradebeispiel einer sportspezifischen Sonderregelung. Darüber sind sich alle Beteiligten einig. Abgeschlossen wurde der Kollektivvertrag bislang zwischen der Österreichischen Fußball-Bundesliga und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB), younion _ Die Daseinsgewerkschaft für die Fachgruppe Vereinigung der Fußballer. Es ist hinlänglich bekannt, dass nunmehr sämtliche Berufsfußballer aus dem ÖGB ausgetreten sind und sich einer neu gegründeten „Spielervereinigung“ angeschlossen haben (dazu etwa hier). Damit drängt sich die Frage auf, wer künftig das Recht hat, den Kollektivertrag für Fußballspieler auf Arbeitnehmerseite abzuschließen (für eine ausführliche Auseinandersetzung siehe unseren Beitrag).

Ein weiteres Erfolgsmodell im österreichischen Fußball ist der sogenannte Österreichertopf. Damit soll der Einsatz österreichischer Spieler in der Fußball-Bundesliga finanziell gefördert werden. Ob die Eingangsthese selbst heute noch Gültigkeit beanspruchen kann, ist fraglich. Denn Medienberichten zufolge verzichtet mittlerweile fast die halbe Liga auf die Förderungen aus dem Topf (siehe dazu etwa folgenden Bericht). Die Gemengelage erinnert den Sportinteressierten höchstwahrscheinlich an die Situation im Handballsport, wo im abgelaufenen Jahr ebenfalls über eine Förderregelung zugunsten österreichischer Spieler diskutiert wurde (dazu hier). Rechtlich ist beiden Systemen gemein, dass sie vor dem Hintergrund des Unionsrechts kaum bestehen können (dazu erscheint in Kürze eine umfassende Fachpublikation im Tagungsband „Sport im Öffentlichen Recht“).

Kurz vor Jahreswechsel ließ die Fußball-Bundesliga mit einer Änderung der Lizenzbestimmungen aufhorchen. Demnach wurde die Förderung des Frauenfußballs und Corporate Social Responsibility-Bestimmungen als verpflichtendes B-Kriterium eingeführt. Ersteres kann „entweder durch eine eigene Mannschaft, eine Kooperation oder durch weitere Maßnahmen erfüllt werden, die den Frauenfußball entsprechend fördern“, teilte die Fußball-Bundesliga in einer ersten Stellungnahme mit. Zweiteres umfasst die verpflichtende Nennung einer verantwortlichen Person für den Bereich „Fußball und soziale Verantwortung“ sowie ein Strategiepapier und Maßnahmen in den Bereichen Gleichstellung und Inklusion, Bekämpfung von Rassismus, Kinder- und Jugendschutz, Fußball für alle (Stichwort: Barrierefreiheit) und Umweltschutz.Außerdem wurde bezüglich der finanziellen Nachhaltigkeit und des beständigen Abbaus von negativem Eigenkapital ein neues C-Kriterium implementiert (für eine generelle Übersicht über das Lizenzverfahren siehe unseren Beitrag).

Für Schlagzeilen sorgte auch der Becherwurf im Oberösterreich-Derby zwischen dem LASK und der SV Ried. Der Vorfall gab Anlass, um über die rechtlichen Implikationen von Fehlverhalten der Fans zu diskutieren. Die zentrale verbandsrechtliche Bestimmung in diesem Dunstkreis ist § 116 Abs 3 ÖFB-Rechtspflegeordnung, die besagt, dass ein Verein für bestimmte Fälle von unangemessenem Verhalten seiner Anhänger zu bestrafen ist, selbst wenn der Verein nachweisen kann, dass ihn bei der Organisation des Spiels kein Verschulden trifft (für eine ausführliche Analyse des Vorfalls höre unsere Podcast-Folge).

Last, but not least ist auch einer der vielen „Nebenschauplätze“ der wohl umstrittensten Fußball-Weltmeisterschaft aller Zeiten zu erwähnen: Kurz vor dem Anpfiff stand die Kapitänsbinde im Fokus (Stichwort: „One Love-Armbinde“). Abermals. Bereits bei der Fußball-Europameisterschaft 2020 gab es Diskussionen über die Binde, die der Kapitän einer Mannschaft als Erkennungszeichen am Oberarm trägt (siehe dazu unseren Beitrag). Wer die Debatte als trivial abstempelt, hat das Problem dahinter nicht verstanden: Es handelt sich um eine Diskussion, die weit über die Sportwelt hinausreicht; es geht um Werte sowie das Verhältnis zwischen Sport und Politik. Dass sich die großen Sportverbände damit schwertun, war in den letzten Jahren nur unschwer zu erkennen. Spätestens bei der Pokalübergabe zeigte sich in diesem Punkt die Doppelmoral des Veranstalters.

V. Ausblick

Ein Streifzug durch das sportrechtliche Jahr 2022 stellt die Vielseitigkeit der Materie Sportrecht einmal mehr unter Beweis. Wir bleiben jedenfalls dran und freuen uns bereits auf ein spannendes Jahr 2023: Wie entscheidet der EuGH die Rechtssachen „European Superleague Company“ und „International Skating Union/Kommission“? Kommen wir dem Berufssportgesetz ein Stück weit näher? Werden die Empfehlungen zur rechtlichen Einordnung des eSports endlich umgesetzt?

Mit diesem Ausblick wünschen wir euch ein gesundes und erfolgreiches neues Jahr! Unsere Neujahrsvorsätze: Content und (dieses Mal wirklich) das ein oder andere LAW MEETS SPORTS-Event – Bleibt am Ball!

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Der Fall Marcel Lotka – blau-weiß oder schwarz-gelb?

Gastbeitrag von Patrick Pirker

Bis vor kurzem war der Name Marcel Lotka wohl den wenigsten Fußballfans in Deutschland ein Begriff – aktuell ist sein Name in aller Munde. Nicht nur, weil er seit Februar von der etatmäßigen Nummer drei im Tor von Hertha BSC Berlin zum Stammkeeper avancierte und dabei einen sicheren Rückhalt während der Rückrunde darstellte, sondern vielmehr, da Borussia Dortmund und Hertha BSC Berlin nun womöglich wegen seinen Diensten vor Gericht ziehen.

Was ist passiert?

Hertha BSC Berlin und Borussia Dortmund vermeldeten am 1. März 2022, dass die Berliner Nummer drei im Tor, Marcel Lotka, nach Saisonende ablösefrei zu Borussia Dortmund II wechseln wird. Kurz vor Verkündigung des Sommertransfers gab der Tormann im Spiel gegen den SC Freiburg aufgrund der Verletzungen des Einser- und Zweier-Tormanns sein Debüt zwischen den Pfosten der Hertha. Dem Debüt folgten weitere Spiele in der Deutschen Fußball-Bundesliga. Da er seinen Job hervorragend erledigte, gab die Hertha bekannt, kurz vor dem 30. April 2022 eine Option auf Vertragsverlängerung bis 2023 gezogen zu haben, obwohl bereits eine Einigung mit Borussia Dortmund erzielt wurde. Möglich gemacht werden soll dies durch eine „spezielle Klausel“ in Lotkas Vertrag mit der Hertha.

Rechtliche Einschätzung der „speziellen Klausel“

Bei dieser „speziellen Klausel“ handelt es sich um eine einseitige Option auf Vertragsverlängerung des befristeten Arbeitsverhältnisses. Diese einseitigen Vertragsverlängerungsoptionen sind im Profifußball keine Seltenheit (siehe dazu den LAW MEETS SPORTS-Beitrag). Mit diesen Klauseln wird das Ziel verfolgt, je nach Entwicklung des Spielers, das Arbeitsverhältnis zu verlängern, um eine höhere Ablösesumme zu lukrieren, oder dieses aufgrund unbefriedigender Leistungen zu beenden.

Im Transfer Hick-Hack rund um Marcel Lotka könnten nun verschiedene Szenarien einzutreten:

Nichtigkeit der einseitigen Vertragsverlängerungsoption

Wie der deutsche Arbeitsrechtler Prof. Philipp S. Fischinger in einem Interview mit der Fußballzeitschrift „Kicker“ ausführt, sind einseitige Vertragsverlängerungsoptionen nach überwiegender Auffassung deutscher Juristen unwirksam, da sie Profifußballer benachteiligen würden. Eine höchstgerichtliche Entscheidung des deutschen Bundesarbeitsgerichts zu diesen Vertragsoptionen fehlt bisher jedoch.

Verlängerungsoption ist rechtskonform ­­– was nun?

Im Wechselchaos rund um Lotka würde es nach Ansicht Fischingers dann kompliziert werden, wenn das Bundesarbeitsgericht diese einseitige Vertragsklausel als rechtskonform qualifizieren würde, da der Spieler dann ab 1. Juli 2022 bei Borussia Dortmund und Hertha BSC Berlin unter Vertrag stehen würde. Dies wäre in weiterer Folge einerseits aufgrund der Tatsache, dass Hertha BSC Berlin und Borussia Dortmund in der Deutschen Fußball Bundesliga direkte Konkurrenten sind (insofern der Hertha der Klassenerhalt gelingt – ein Aufeinandertreffen im DFB Pokal ist jedenfalls realistisch) und andererseits aufgrund eines Verstoßes gegen das deutsche Arbeitszeitgesetz problematisch (siehe dazu Fischinger im Kicker-Interview). Sollte der Spieler Arbeitspflichten für beide Vereine nachkommen müssen, würde er die gesetzliche Arbeitszeit überschreiten. Das deutsche Bundesarbeitsgericht sieht in einem solchen Fall das zweite Arbeitsverhältnis als nichtig an. Hier könnten laut Fischinger ebenfalls Probleme auftreten, denn die Hertha könnte den Standpunkt vertreten, dass der Vertrag mit Lotka schon länger besteht und fortgesetzt wird, wohingegen Dortmund argumentieren könnte, dass sie einen ab dem 1. Juli 2022 gültigen Vertrag abgeschlossen haben.

Was sagt das Verbandsrecht der Deutschen Fußball Liga (DFL)?

Nach der Bestimmung des § 4 Nr 5 DFL Lizenzordnung Spieler kann ein Spieler bei der DFL für einen neuen Verein nur dann registriert werden, wenn er mit keinem anderen Verein in einem Vertragsverhältnis steht. Sollte nun der Fall eintreten, dass sich weder Lotka noch die beiden Vereine auf eine Lösung einigen, so würde § 9 Nr 2 DFL Lizenzordnung Spieler vorsehen, dass bei einer Streitigkeit zwischen Club und Spieler über die Wirksamkeit eines Arbeitsvertrages die Spielerlaubnis so lange besteht, bis eine Einigung zwischen Club und Spieler erzielt wird oder eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung vorliegt. Somit wäre Lotka aufgrund der weiterhin bestehenden Registrierung bei der Hertha auch kommende Saison Spieler von Hertha BSC Berlin, da eine Registrierung bei Borussia Dortmund nicht möglich wäre (siehe dazu auch Fischinger im Kicker-Interview).

Um eine genaue rechtliche Beurteilung vornehmen zu können, wäre ein Einblick in das Arbeitspapier mit Hertha BSC Berlin und eine genauere Kenntnis über die mündliche Vereinbarung mit Borussia Dortmund interessant. Nachdem Verträge auch mündlich abgeschlossen werden können und die gleichen Wirkungen wie eine schriftliche Vereinbarung entfalten, sehe ich persönlich Borussia Dortmund in der besseren Position. Auch, weil der Transfer bereits von beiden Vereinen offiziell verkündet wurde.

Entscheidung des OGH zu einseitigen Vertragsverlängerungsoptionen in Österreich

Ein solches rechtliches Problem, wie es der Fall Lotka veranschaulicht, kann in Österreich nicht (mehr) eintreten. Denn: Der Oberste Gerichtshof (OGH) war mit dieser Thematik bereits im Jahr 2016 befasst (siehe dazu den LAW MEETS SPORTS-Beitrag). In der Causa „Onisiwo“ ging es darum, dass der Fußballer Karim Onisiwo einen Profivertrag mit dem Fußballclub SV Mattersburg abgeschlossen hat, der dem damaligen Bundesligisten eine Option einräumte, den Spielervertrag nach Ablauf eines Jahres, um weitere zwei Jahre zu verlängern. Nach Vertragsabschluss erhielt der Profi einen „Sideletter“ zum Spielervertrag nach Hause geschickt, wonach dieser bei Ziehung der Verlängerungsoption durch den Fußballclub eine Erhöhung seines Entgelts um 15 % erhalten wird. Das Dienstverhältnis hätte somit nach einem Jahr durch den Verein beendet werden können, wohingegen der Spieler bei Ziehung der Option zwei weitere Jahre an den Verein gebunden gewesen wäre. Ausdrücklich vereinbart wurde im Spielervertrag die Bestimmung des damaligen § 6 Abs 4 KV-ÖFB idF vom 1. Juli 2014, wonach einseitige Verlängerungsoptionen nur zulässig sind, wenn beiden Vertragsteilen die gleichen Ansprüche eingeräumt werden und die Ausübung des Optionsrechts für beide an gleiche Bedingungen geknüpft ist (siehe dazu den LAW MEETS SPORTS-Beitrag). Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn eine Gehaltserhöhung explizit im Arbeitsvertrag festgehalten, oder eine Ausstiegsklausel verankert wird. Die Bestimmung des § 6 Abs 4 KV-ÖFB wurde mit dem KV-ÖFB idF vom 1. Juli 2018 konkretisiert. Nunmehr darf der Optionszeitraum z.B. nicht länger als jener des Grundvertrages sein. Des Weiteren beträgt dieser nunmehr maximal eine Saison (dazu bereits der LAW MEETS SPORTS-Beitrag).

Nachdem Karim Onisiwo bei einer Nichtziehung der Verlängerungsoption durch den Fußballverein nach einem Jahr vertragslos gewesen wäre bzw. bei Ziehung der Klausel weitere zwei Jahre in Diensten der Mattersburger gestanden wäre und die Gehaltserhöhung nicht explizit im Vertrag geregelt wurde, waren vereinfacht gesagt die Voraussetzungen des KV-ÖFB („gleichwertige Ansprüche“ und „für beide Teile an gleichwertige Bedingungen geknüpft“) nicht erfüllt. Der OGH hielt in seiner rechtlichen Beurteilung explizit fest, dass es nicht zweifelhaft sei, dass eine einseitige Vertragsverlängerungsoption um weitere zwei Jahre bei einem Grundvertragszeitraum von einem Jahr ohne jegliche Verbesserung des Spielervertrags, den Anforderungen des damaligen KV-ÖFB nicht entspreche.

Fazit

Während in Österreich die Bedingungen für einseitige Vertragsverlängerungsoptionen durch die Entscheidung des OGH bzw. der Neufassung des KV-ÖFB klar festgelegt wurden, ist in Deutschland noch vieles offen. Es kann durchaus davon ausgegangen werden, dass sich das deutsche Bundesarbeitsgericht bald mit dieser Thematik beschäftigen wird. Nachdem sich die österreichische Rechtsprechung hin und wieder an der deutschen orientiert, kann davon ausgegangen werden, dass die Entscheidung des OGH in Deutschland Berücksichtigung findet und, dass das deutsche Bundesarbeitsgericht zu einer ähnlichen Beurteilung kommt.

Übrigens: Nach Ende seiner Zeit in Mattersburg wechselte Onisiwo in die deutsche Bundesliga zum FSV Mainz 05 und wurde dort zu einem der Leistungsträger des Bundesligisten. Vielleicht etabliert sich Marcel Lotka auch als Bundesliga-Spieler; ob in Berlin oder Dortmund wird die Zukunft zeigen – zu wünschen wäre es ihm jedenfalls.

Zum Autor

Patrick Pirker absolviert derzeit seine Gerichtspraxis im Sprengel des OLG Graz. Nebenbei ist er in der Rechtsanwaltskanzlei Stipanitz-Schreiner und Partner als juristischer Mitarbeiter tätig. Während seines Auslandssemsters an der ESADE Law School in Barcelona hat ihn das Interesse am Sportrecht gepackt. Als Begeisterter Tennis- und Fußballfan möchte er Hobby und Beruf miteinander verbinden. Kontakt: patrick.pirker97@gmail.com

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Der sportrechtliche Jahresrückblick 2021

Das Jahr 2021 war ein besonders herausforderndes Jahr – schon wieder. Die Pandemie war entgegen Aussagen heimischer Politiker noch nicht gemeistert. Und damit prägten leere Sportstätten abermals das österreichische Landschaftsbild. Während der professionelle Bereich weitgehend mit Präventionskonzepten durchkam, hieß es im Amateurbereich oftmals: Bitte warten! Worauf? Auf das Licht am Ende des Tunnels und damit im Wesentlichen auf bessere – für die Sportwelt insbesondere gewöhnliche – Zeiten…

Der vorliegende Beitrag lässt das sportrechtliche Jahr 2021 nochmals Revue passieren. Ein Jahr, in dem die Pandemie abermals ihre Spuren hinterließ. Eine Pandemie, die abermals rechtliche Fragestellungen in der Sportwelt zutage förderte. Doch auch abseits davon blicken wir auf ein sportrechtlich turbulentes Jahr zurück. Die folgenden Ausführungen können keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, sollen den Sportrechtsinteressierten aber einen Überblick bieten.

I. Sportrecht im Schlaglicht der Krise

Auch 2021 zeitigte die Pandemie weitreichende Auswirkungen auf den Sport und stellte diesen vor Herausforderungen. Die Verordnungen des Gesundheitsministers hielten stets Regelungen für den Sport bereit. In aller Regel wurde hierbei zwischen Breiten- und Profisport unterschieden. Während Zusammenkünfte im Spitzensport selbst in Zeiten des Lockdowns unter bestimmten Auflagen (Stichwort: „Geisterspiele“) erlaubt waren, wurde das allgemeine Betreten von Sportstätten zum Zweck der Sportausübung (für den Breitensport) phasenweise nicht gestattet; so vor allem zu Jahresbeginn und gegen Jahresende (siehe dazu unser Update Sport und Recht #1).

Es verwundert daher nicht, dass zwischenzeitlich erneut sämtliche Wettbewerbe in ganz Österreichabgebrochen werden mussten. Also wieder eine Spielzeit ohne Auf- und Absteiger. Zermürbend, vor allem für Vereine, die vor dem Abbruch zwei Mal in Folge von der Tabellenspitze lachten. Sportliche Erfolge und finanzielle Aufwendungen wurden dadurch in gleichem Maße entwertet. Abermals standen Klagen im Raum. Die Verbände haben aber die Lehren aus dem Vorjahr gezogen und die Regularien dementsprechend angepasst (siehe dazu unsere Podcast-Folge).

Auch die Veranstalter von Laufevents oder Radrennen sahen sich mit Auswirkungen der Pandemie konfrontiert und suchten nach alternativen Formaten. Damit traten „hybride Sportwettkämpfe“ (Terminologie geprägt von Paul Karner und Patrick Petschinka) zunehmend in Erscheinung. So wurde beispielsweise der beliebte Wings for Life World Run als reiner „App-Run“ abgehalten. Diesbezüglich drängt sich die Frage auf, ob derartige Wettkämpfe als Veranstaltungen zu qualifizieren sind und damit dem klassischen Veranstaltungsrecht unterliegen (siehe dazu unseren Beitrag).

Nicht zuletzt wird angesichts der geplanten Einführung einer allgemeinen Impfpflicht in Österreich auch vermehrt über eine Impfpflicht für Profisportler diskutiert. Unlängst befeuerte die Causa „Kimmich“ die Diskussion. Die Österreichische Basketball-Bundesliga hat bereits eine „Impfpflicht“ etabliert. Rechtlich werden in diesem Dunstkreis einige Fragen aktuell: Ist ein Sportler arbeitsrechtlich verpflichtet, sich impfen zu lassen? Könnte eine entsprechende Pflicht verbandsrechtlich begründet werden? Hat ein ungeimpfter Spieler, der sich in Quarantäne begeben muss oder an COVID-19 arbeitsunfähig erkrankt, Anspruch auf Entgeltfortzahlung? (siehe dazu zB das Interview mit dem deutschen Prof. Philipp Fischinger).

Zum Sportrecht im Schlaglicht der Krise siehe auch die Ausführungen in unserem Jahresrückblick 2020.

II. Von den Gerichten

Vor Jahren wurde noch kolportiert, dass Streitigkeiten im Sport außerhalb von Gerichtssälen ausgetragen werden. Diese Aussage kann heute keinesfalls mehr aufrechterhalten werden. Wenngleich für rechtliche Problemstellungen im Sport primär die Sportsgerichtsbarkeit vorgesehen ist, werden im Zuge von sportrechtlichen Streitigkeiten zunehmend die staatlichen Gerichte bemüht. So gab es auch im Jahr 2021 die eine oder andere spannende Gerichtsentscheidung.

Im März stellte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) fest, dass das Betretungsverbot für Sportbetriebe im Frühjahr 2020 gesetzwidrig war (vgl VfGH 9.3.2021, V 530/2020-11). Den Ausgangspunkt dieser Entscheidung bildete eine Strafe der BH Hartberg-Fürstenfeld gegen den Inhaber eines Fischteichs, der nicht dafür gesorgt hatte, dass das Gelände nicht von fremden Personen betreten werden kann. Grundlage für die Strafe war die COVID-19-Maßnahmenverordnung (BGBl II 2020/96), wonach das Betreten von Sport- und Freizeitbetrieben untersagt war. Dagegen beschwerte sich der Inhaber schließlich beim Landesverwaltungsgericht Steiermark, welches daraufhin beim VfGH den Antrag auf Feststellung der Gesetzwidrigkeit des Betretungsverbots stellte. Der VfGH bestätigte die Gesetzwidrigkeit der Wortfolgen „sowie von Freizeit- und Sportbetrieben“ und „oder der Benützung von Freizeit- und Sportbetrieben“ in § 1 der damals geltenden COVID-19-Maßnahmenverordnung. Denn nach Ansicht des VfGH lassen die vorgelegten Verordnungsakten nicht erkennen, welche Umstände dafür ausschlaggebend waren, das Betreten von Sportbetrieben zu untersagen. Eine entsprechende gründliche Dokumentation ist aber Voraussetzung für die Beurteilung, ob die Verordnung den gesetzlichen Grundlagen entspricht (siehe die Presseaussendung des VfGH).

Nahezu zeitgleich hatte sich ein weiteres Höchstgericht, der Verwaltungsgerichtshof (VwGH), mit der Verantwortung eines Fußballvereins für Fans auseinanderzusetzen (vgl VwGH 15.3.2021, Ra 2021/01/0049). Konkret ging es um ein Spiel der Österreichischen 2. Liga zwischen SKU Amstetten und SK Vorwärts Steyr. Im Vorfeld der Begegnung ordnete die BH Amstetten mit Mandatsbescheid eine besondere Überwachung des Fußballspiels gemäß § 48a Sicherheitspolizeigesetz (SPG) an. Anlass dazu gaben die bisherigen Erfahrungen mit den Gästefans. Daraufhin schöpfte der Gastverein den rechtlichen Instanzenzug bis zum VwGH aus. Dieser hielt dazu Folgendes fest: Ob eine Überwachung eines Fußballspiels notwendig ist, sei eine Prognoseentscheidung, welche die Behörde aufgrund bisheriger Erfahrungen zu treffen hat. Im Rahmen dessen könne auch wegen eines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens von Fans eines Gastvereins auf die Notwendigkeit einer besonderen Überwachung geschlossen werden. Ein allfälliges Verschulden des Gastvereins sei erst im Rahmen des Gebührenvorschreibungsverfahrens nach § 5b SPG zu prüfen. Die Frage, wer schlussendlich die Kosten für den Einsatz zu tragen hat, ließ der VwGH damit offen.

Ebenfalls mit der Verantwortung für Fußballfans hatte sich der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) zu beschäftigen (vgl BGH 4.11.2021, Az I ZB 54/20). Er bestätigt die Rechtmäßigkeit des Vorgehens des DFB, der Vereine (im konkreten Fall: den FC Carl Zeiss Jena) wegen des Fanverhaltens mit Geldstrafen belegt. Die Strafe sei als reine Präventivmaßnahme zu qualifizieren, die auch ohne Verschulden verhängt werden könne. Das verstoße nach Ansicht des BGH nicht gegen die elementaren Grundsätze der Rechtsordnung. Der Ausgang der Entscheidung wurde nicht nur vom betroffenen FC Carl Zeiss Jena und diversen Fanvertretern, sondern vielmehr auch von Sportrechtlern mit großer Spannung erwartet (siehe dazu unseren Beitrag).

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied in diesem Jahr, dass Körperschaftsvorteile für Fußballklubs als juristische Person ohne Gewinnerzielungsabsicht als unzulässige staatliche Beihilfe zu qualifizieren sind (vgl EuGH 4.3.2021, C‑362/19 P). Beteiligt war unter anderem der FC Barcelona, auf den nun erhebliche Steuernachforderungen zukommen könnten (siehe dazu folgenden Bericht). In einem weiteren Verfahren wurde dem EuGH die Frage vorgelegt, ob der italienische Fußball-Dachverband als öffentlicher Auftraggeber im Sinne der RL 2014/4/EU qualifiziert werden könnte (vgl EuGH 3.2.2021, C-155/19). Wenngleich der EuGH die Fragestellung nicht abschließend beantwortet hat (die konkrete Prüfung obliege dem vorliegenden nationalen Gericht), liefert die Entscheidung zumindest einige Anhaltspunkte. Diese könnten weit über den gegenständlichen Fall hinaus von Bedeutung sein.

Der Oberste Gerichtshof (OGH) traf in zwei Entscheidungen wichtige Aussagen zum Doping im Sport (vgl OGH 8.1.2021, 11 Os 49/20w; 27.4.2021, 14 Os 119/20m). Demnach sei die Täuschung über in § 147 Abs 1a StGB („Dopingbetrug“) genannte Umstände, mithin über die Anwendung eines verbotenen Wirkstoffs oder einer verbotenen Methode, jedenfalls sozialinadäquat. Auch die weiteren Tatbestandsmerkmale werden in den Urteilen umfassend behandelt. Im Rahmen der zweiten Entscheidung würdigt der Gerichtshof auch einige Literaturmeinungen zum Doping.

Apropos Doping: Vielen bleibt gewiss auch die dreimonatige Doping-Sperre der FC Red Bull Salzburg-Legionäre Mohamed Camara und Sékou Koïta in Erinnerung. Im Rahmen eines rund zehntägigen Lehrgangs beim malischen Nationalteam erhielten die beiden Akteure ein Mittel gegen Höhenkrankheit, das offenbar einen Wirkstoff enthielt, der auf der Dopingliste steht. Grund für die Einnahme war aller Voraussicht nach das Afrika-Cup-Qualifikationsspiel gegen Namibia, welches in Windhoek auf einer Meereshöhe von rund 1.700 Metern stattfand. Die UEFA eröffnete daraufhin ein Disziplinarverfahren, das unter Anwendung des UEFA-Dopingreglement mit einer dreimonatigen Sperre endete (siehe dazu unseren Beitrag).

III. Aus dem Parlament

Mit der Professionalisierung und Kommerzialisierung im Sport geht eine Verrechtlichung einher. So treten neben die allseits bekannten (verbandsrechtlichen) Spiel- und Sportregeln zunehmend allgemein gültige Rechtsregeln, die überwiegend die Rahmenbedingungen des sportlichen Systems regeln sollen. Obgleich die Verrechtlichung des Sports bereits weit fortgeschritten ist, gibt es doch noch einiges zu tun, um tatsächlich Rechtssicherheit für die Sportler, Vereine und Verbände zu schaffen.

Diesem Ziel versuchte der österreichische Normsetzer auch im abgelaufenen Jahr ein Stück weit näherzukommen. Mit dem Anti-Doping-Bundesgesetz 2021 schuf der Gesetzgeber eine neue Grundlage für das Anti-Doping-Recht in Österreich, welches am 1. 1. 2021 in Kraft trat und das bislang geltende Anti-Doping-Bundesgesetz 2007 ablöste. Im neuen Regime wurden unter anderem Regelungen zum Schutz von Whistleblowern sowie verfahrensökonomische Erleichterungen vorgesehen. Außerdem wurde nun die Möglichkeit geschaffen, mit Freizeitsportlern alternativ umzugehen. Im Zentrum der Reform stand nicht zuletzt die Dopingprävention (siehe dazu auch unsere Podcast-Folge).

Wie bereits im Jahresrückblick 2020 berichtet, wollte der Gesetzgeber im abgelaufenen Jahr auch die rechtlichen Rahmenbedingungen im eSport klären. Diesbezüglich setzte der Sportminister eine Arbeitsgruppe bestehend aus diversen Experten und Stakeholdern ein. In der Arbeitsgruppe sollten die aktuell bestehenden rechtlichen Möglichkeiten erörtert und Überlegungen über die Zukunft angestellt werden. Zu diesem Zweck wurden sieben Untergruppen eingerichtet: Von Arbeitsrecht über Jugendschutz bis hin zum Veranstaltungsrecht. Daneben wurden aber auch Themen wie Gesundheit, Glücksspiel, Integrität und Prävention behandelt. Zu den einzelnen Bereichen tauschten sich jeweils einschlägige Fachexperten aus. Die dabei formulierten Empfehlungen wurden im Sommer an die Politik herangetragen. Der Ball liegt nun in der Spielhälfte des Gesetzgebers.

IV. Kurioses

Mitunter ereignen sich auch kuriose Geschichte im Sport(-recht), die in einem Jahresrückblick ebenfalls nicht fehlen dürfen. Dazu gehört gewiss auch die Erzählung über die Gründung einer europäischen Super League. Es waren zwei Tage im April, die wohl jedem Fußballfan in Erinnerung bleiben werden. Die Ereignisse überschlugen sich praktisch stündlich (siehe dazu unseren Beitrag). Aber nochmals der Reihe nach: In der Nacht vom 18. auf den 19. April 2021 verlautbarten die „Big Six“ aus England (Arsenal FC, Chelsea FC, Liverpool FC, Manchester City, Manchester United und Tottenham Hotspur) sowie drei Spitzenvereine aus Spanien (Atlético de Madrid, FC Barcelona und Real Madrid CF) und aus Italien (AC Milan, FC Internazionale Milano und Juventus FC) die Gründung einer Super League. Was darauf folgte, ist hinlänglich bekannt: Mediale Empörung, Fanproteste und ein Rückzug nach dem anderen. Und nach nicht einmal 48 Stunden schien das Projekt auch schon wieder der Geschichte anzugehören. So zogen sich zuerst die sechs englischen Vereine zurück, ehe ihnen zeitnah nahezu alle anderen Vereine folgten – Ausnahme: FC Barcelona, Real Madrid CF und Juventus FC (gegen die „Abtrünnigen“ wurde ein Disziplinarverfahren eröffnet). Viel Lärm um nichts?

Unabhängig der persönlichen Einstellung zum sportlichen Mehrwert eines solchen Wettbewerbs, machen spannende Rechtsfragen die Befassung mit dem Thema durchaus lohnend. Für die Sportrechtswissenschaft könnte die Causa also ihren Nutzen haben. Die Vereinbarkeit der Monopolstellung von Spitzenverbänden (zB FIFA oder UEFA) mit dem Wettbewerbsrecht der EU war bereits Gegenstand einiger juristischer Abhandlungen. Eine klare Antwort des EuGH ist noch ausständig. Eine solche könnte jedoch demnächst vorliegen. Denn: Das Juzgado de lo Mercantil n.o 17 de Madrid, ein spanisches Gericht, hat den EuGH in Sachen Super League um eine Vorabentscheidung ersucht (siehe die konkreten Vorlagefragen). Die Entscheidung des EuGH bleibt mit Spannung abzuwarten. Sie könnte an den sportrechtlichen Grundstrukturen rütteln (siehe dazu unseren Beitrag).

Nicht weniger spannend war die Entscheidung der F1-Weltmeisterschaft. Bis zum letzten Grand Prix der Saison in Abu Dhabi lieferten sich Max Verstappen und Lewis Hamilton ein heißes Rennen um den Titel. Und selbst in diesem sollte die Entscheidung erst in der letzten Runde fallen. Der Rest ist Geschichte (nachzulesen beispielsweise hier). Angesichts der Dramatik verwundert es nicht, dass das unterlegene Team von Mercedes juristische Schritte in die Wege leitete. Die beiden Einsprüche wurden allerdings abgelehnt (siehe dazu beispielsweise folgenden Beitrag).

Auch das Pokal-Aus des deutschen Bundesligisten VfL Wolfsburg stellte sich durchaus kurios dar. Was ist passiert? In der ersten Runde des DFB-Pokal trafen die „Wölfe“ auswärts auf den Regionallisten Preußen Münster. Der Favorit setzte sich mit 3:1 nach Verlängerung durch. Aufgestiegen ist dennoch der Underdog, da der Sieg den „Wölfen“ am grünen Tisch nachträglich aberkannt wurde. Grund hierfür war ein Wechselfehler des damaligen VfL-Coach Mark Van Bommel, der sechs anstatt der erlaubten fünf Spieler eingewechselt hatte. Nach einem Einspruch von Preußen Münster wurde das Spiel vom DFB-Sportgericht schließlich mit 2:0 für den Regionallisten gewertet (siehe dazu auch die Stellungnahmen der Beteiligten).

Die Fußballsimulation „FIFA“ ist allseits bekannt. Dagegen wird „EA SPORTS FC“ wohl nur den wenigsten ein Begriff sein. Das könnte sich demnächst aber ändern. Denn ausweislich diverser Medienberichte steht die erfolgreiche „FIFA“-Reihe des Publishers EA Sports vor einer Namensänderung (siehe dazu die Pressemitteilung von EA). Heißt die beliebte Fußballsimulation also bald „EA SPORTS FC“? Dokumenten zufolge soll sich der Publisher diesen Namen bereits als Marke gesichert haben. Die unter Umständen anstehende Namensänderung soll den stockenden Verhandlungen mit dem Weltverband, Fédération Internationale de Football Association (FIFA), geschuldet sein (siehe dazu beispielsweise folgenden Beitrag).

V. Sonstiges

Ein sportrechtlicher „Dauerbrenner“ war im Jahr 2021 auch die „50+1“-Regel. Darunter versteht man vereinfach gesagt, dass der Fußballverein zumindest 50 % der Stimmrechte + 1 Stimme, mithin die Stimmenmehrheit, in der (ausgelagerten) Kapitalgesellschaft innehaben muss. Diese Grundregel gilt sowohl in Österreich als auch in Deutschland (siehe dazu unseren Beitrag).

Aufs Tapet wurde das Thema in Österreich unter anderem ob der wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie sowie der Causa „LASK“ gebracht. Ersterenfalls wurde angesichts der finanziellen Schwierigkeiten vieler Fußballvereine in Krisenzeiten laut über das Kippen oder zumindest über eine Modifizierung der Regelung nachgedacht. Letzterenfalls wurde dem oberösterreichischen Fußballklub LASK medial vorgeworfen, sich nicht an die „50+1“-Regel zu halten (siehe dazu unseren Beitrag). Der Senat 5 (Lizenzausschuss) teilte diese Bedenken allerdings nicht.

In Deutschland teilte das Bundeskartellamt Ende Mai seine vorläufige Einschätzung zur „50+1“-Regel der DFL mit. Es geht davon aus, dass die Grundregel von den kartellrechtlichen Verbotstatbeständen ausgenommen sein kann. Als problematisch erachtet es hingegen, dass die einheitliche Anwendung und Durchsetzung der „50+1“-Regel insbesondere in Kombination mit der „Förderausnahme“ nicht sichergestellt ist. Nach der „Förderausnahme“ kann das Präsidium der DFL nämlich eine Ausnahme von der Grundregel bewilligen, wenn ein Investor den Fußballsport des Muttervereins seit mehr als 20 Jahren ununterbrochen und erheblich gefördert hat. Gegenwärtig haben Bayer 04 Leverkusen, TSG Hoffenheim und VfL Wolfsburg eine Ausnahme erhalten. Anderen Vereinen wurde dies verweigert. Das hat vor allem mit dem unsachlich erscheinenden Zeitraum von 20 Jahren zu tun. Wie es mit der „50+1“-Regel weitergeht, wird die Zukunft weisen (siehe dazu und zu weiteren sportrechtlichen Themen im Profifußball unsere Podcast-Folge).

Anfang des Jahres sorgten Ausschlüsse und lebenslange Sperren im Österreichischen Boxverband (ÖBV) für Aufsehen. Nach der Suspendierung des gesamten A-Kaders im Herbst 2020 wurden Ende Jänner 2021 drei Boxer vom ÖBV ausgeschlossen und lebenslang gesperrt (siehe dazu unseren Beitrag). Die lebenslangen Sperren wurden indessen aufgehoben. Gerichtliche Auseinandersetzungen gab es dennoch (siehe dazu beispielsweise folgenden Beitrag).

Einen juristisch ebenfalls nicht unbedenklichen „Ausschluss“ gab es auch in der deutschen Fußball-Bundesliga. Mit Ablauf der Saison 2020/21 musste der beliebte Schiedsrichter Manuel Gräfe seinen Hut nehmen. Denn nach einer Richtlinie des DFB ertönt für Schiedsrichter mit 47 Jahren der „Schlusspfiff“ (in Österreich gab es bis vor wenigen Jahren auch eine solche Altersgrenze für Unparteiische). Im vorliegenden Fall hätte der Betroffene aber „gerne weitergemacht“ und könne sicherlich noch „bis 50 oder länger pfeifen“. Vor diesem Hintergrund bemühte er die Gerichte wegen Altersdiskriminierung (siehe dazu unseren Beitrag).

Rund um die Fußball-Europameisterschaft förderten Regenbogenfarben Debatten zutage: Zuerst die Kapitänsbinde der deutschen Fußballnationalmannschaft, dann die Fassade der Allianz Arena in München. Demnach leitete die UEFA Disziplinarermittlungen gegen die deutsche Nationalmannschaft ein, da deren Kapitän Manuel Neuer in den Spielen gegen Frankreich und Portugal eine Schleife mit Regenbogenfarben anstatt der gelb leuchtenden Binde mit dem UEFA-Logo und der Aufschrift „Respect“ trug. Damit habe der DFB gegen Artikel 58.01 UEFA-EM-Regulativ verstoßen. Die Ermittlungen wurden schließlich eingestellt, zumal die UEFA die Regenbogenschleife als Zeichen der Mannschaft für Vielfalt und damit für einen „good cause“ befand. Anders sah die UEFA den Plan des Münchner Oberbürgermeisters, die Allianz Arena beim letzten Gruppenspiel der Europameisterschaft zwischen Deutschland und Ungarn in Regenbogenfarben zu beleuchten. Grund des Antrags sei eine politische Entscheidung, die vom ungarischen Parlament getroffen wurde (umstrittenes LGBTQ-Gesetz). Die Absage der UEFA zog heftige Kritik nach sich und löste zugleich eine Welle der Solidaritätsbekundungen mit den Münchner Plänen aus. Es handelte sich um Diskussionen, die weit über die Sportwelt hinausreichen. Es ging um Werte sowie das Verhältnis von Sport und Politik (siehe dazu unseren Beitrag).

Auch über das Verbot des Dritteigentums an Spielerrechten (Third Party Ownership – kurz TPO) wurde im abgelaufenen Jahr in Österreich diskutiert. Anlass dazu gab der damlige LASK-Vizepräsident Jürgen Werner, der laut dem Wochenmagazin „News“ an verbotenen Geschäften mit Transferrechten von Spielern beteiligt gewesen sein soll (siehe dazu auch das Interview mit Johannes Mitterecker). Der Senat 5 befasste sich daraufhin intensiv mit den erhobenen Vorwürfen und leitete daraufhin sowohl ein Verfahren gegen Jürgen Werner als auch gegen den LASK ein. Während das Verfahren gegen den LASK in Ermangelung an Beweisen und wegen formalen Erwägungen eingestellt wurde (siehe dazu die Stellungnahme des Senats 5), zog die Angelegenheit für Jürgen Werner schlussendlich eine Sperre von 18 Monaten für sämtliche offizielle Funktionen im österreichischen Fußball nach sich. Diese Sperre wurde indessen vom Senat 2 bestätigt (siehe dazu die Stellungnahme des Senats 2).

Ende des Jahres wurde außerdem publik, dass die österreichische Fußball-Regionalliga Ost von einem Wettskandal betroffen ist. Die Staatsanwaltschaft Graz bestätigte, dass gegen neun bekannte, darunter auch sieben Spieler, und weitere unbekannte Verdächtige ermittelt wird. Sie sollen den Ausgang von Spielen der Regionalliga Ost manipuliert haben, etwa durch „mäßige Leistungen oder spielverzerrende Aktionen“. Auf diese Spiele sei zugleich gewettet worden. Neben strafrechtlichen Konsequenzen (insbesondere §§ 146 f StGB) haben die Beteiligten mit verbandsrechtlichen Sanktionen (bis hin zu einer lebenslangen Sperre – ob eine solche einer Verhältnismäßigkeitsprüfung standhält, sei dahingestellt) zu rechnen (siehe dazu unser Update Sport und Recht #1).

Abschließend noch ein Hinweis für alle Sportsrechtsinteressierten: Seit 2021 gibt es zwei neue sportrechtliche Medien. Mit der SpoPrax (Zeitschrift für Sportrecht und E-Sportrecht in der Praxis) existiert seit April eine dritte sportrechtliche Fachzeitschrift in der D-A-CH-Region. Sie verfolgt den Ansatz, sich in gleichem Maße mit den rechtlichen Implikationen im traditionellen Sport wie auch im eSport auseinanderzusetzen. Im Mai haben wir den LAW MEETS SPORTS-Sportrechtspodcast „Sportrechtscorner“ aus der Taufe gehoben. In unserem neuen Format diskutieren Christina Toth, Sebastian Reifeltshammer und meine Wenigkeit (Patrick Petschinka) mit spannenden Gästen aus der Praxis über Themen an der Schnittstelle zwischen Sport und Recht (siehe zum Konzept unsere Podcast-Folge).

VI. Ausblick

Der Streifzug durch das sportrechtliche Jahr 2021 hat die Vielseitigkeit der Materie Sportrecht einmal mehr unter Beweis gestellt. Selbst wenn die Sportwelt phasenweise stillsteht, sind sportrechtliche Fragestellungen zu klären. Wir bleiben dran und freuen uns bereits auf ein spannendes Jahr 2022! Welche Auswirkungen zeitigt die geplante Impfpflicht auf die Sportwelt? Wie geht der Gesetzgeber mit den eSport-rechtlichen Empfehlungen der Arbeitsgruppe um? Und last, but not least: Wie entscheidet der EuGH in der Causa „Super League“? Mit diesem Ausblick wünschen wir euch ein gesundes und erfolgreiches neues Jahr! Unsere Neujahrsvorsätze: mehr Content (Beiträge und Podcast-Folgen) und hoffentlich das ein oder andere LAW MEETS SPORTS-Event – Bleibt am Ball!

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Einzelne Teilgarantien – obligatorisch oder nicht? (6/6)

Der der durch eine wirksame Schiedsvereinbarung begründete Grundrechtsverzicht beinhaltet jedenfalls einen Verzicht auf den staatlichen Rechtsschutz. Dieser letzte Beitrag meiner Beitragsreihe behandelt die restlichen Organisations- und Verfahrensgarantien von Art 6 EMRK und beantwortet die Frage, inwiefern sich (Sport-)Schiedsgerichte an diese zu halten haben (= Bindungsumfang). Als Beispiel dient dabei das Ständig Neutrale Schiedsgericht (StNSchG) der Österreichischen Fußball-Bundesliga (BL) bzw dessen Verfahrensordnung (VOStNSchG).

Die Öffentlichkeit des Verfahrens

Der Rsp des EGMR (EGMR 23.2.1999, 31737/96, Suovaniemi/Finnland) ist zu entnehmen, dass im Schiedsverfahren grundsätzlich ohne weiteres auf die Öffentlichkeit des Verfahrens verzichtet werden kann. Gerade auf den Öffentlichkeitsgrundsatz kann auch in Verfahren der staatlichen Gerichtsbarkeit wirksam verzichtet werden. Dies gilt umso mehr für Schiedsverfahren. Denn regelmäßig ist die Nichtöffentlichkeit bzw die Vertraulichkeit des Verfahrens der Hintergrund für die Einrichtung eines Schiedsgerichts durch private Vereinbarung. So werden Geheimhaltungsinteressen der Schiedsparteien geschützt und die Vertraulichkeit der Schiedssache gewahrt.

Hinsichtlich des Öffentlichkeitsgrundsatzes in der Sportschiedsgerichtsbarkeit und dem Verfahren vor dem StNSchG ist festzuhalten, dass der Verzicht auf die Öffentlichkeit und die damit generierte Vertraulichkeit zu den allgemeinen Vorteilen von Schiedsgerichten zählen; auch wenn in der Praxis wohl nicht alles geheim gehalten werden kann (Stichwort: Medien). Das Verfahren vor dem StNSchG ist nicht öffentlich (vgl § 6 Abs 3 letzter Satz VOStNSchG).

Die Mündlichkeit des Verfahrens

§ 598 ZPO regelt die Mündlichkeit im österreichischen Schiedsverfahren. Schon in den Erläuterungenzum SchiedsRÄG 2006 verdeutlicht der Gesetzgeber, dass der in der österreichischen ZPO fest verankerte Mündlichkeitsgrundsatz im Schiedsverfahren keine Anwendung findet, Art 6 EMRK deswegen nur eingeschränkt gilt und Schriftsätze größeres Gewicht haben.

Ebenso wie der Öffentlichkeitsgrundsatz ist also das Recht auf die mündliche Verhandlung im Schiedsverfahren keine verpflichtend einzuhaltende Teilgarantie des Art 6 EMRK. Doch ist nach der Rsp des OGH (RIS-Justiz RS0126091) der Aufhebungstatbestand iSd § 611 Abs 2 Z 2 ZPO idR erfüllt, wenn das Schiedsgericht einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung unbeachtet ließ. Daraus ergibt sich, dass die mündliche Verhandlung ein Kernelement des Anrechts auf rechtliches Gehör ist. Denn zum Aufhebungsgrund wegen mangelhafter Angriffs- und Verteidigungsmöglichkeit (§ 611 Abs 2 Z 2 ZPO), der das rechtliche Gehör an sich schützt, gehört unter anderem die Regelung über die mündliche Verhandlung. Sollten die Parteien die mündliche Verhandlung ausgeschlossen haben und das Schiedsgericht dennoch eine durchführen, kann der Schiedsspruch nicht wegen § 611 Abs 2 Z 2 ZPO aufgehoben werden, da „zu viel“ rechtliches Gehör keinesfalls schadet.

In der Literatur wird § 598 ZPO zum Teil als Konkretisierung des in § 594 Abs 2 Satz 2 ZPO bestimmten Anspruchs der Parteien auf rechtliches Gehör gesehen, da hier die Grundregeln über die mündliche Verhandlung sowie das schriftliche Verfahren zu finden seien.

Sofern die Parteien keine Vereinbarung darüber getroffen haben, liegt es im Ermessen des Schiedsgerichts, ob eine mündliche Verhandlung oder ein schriftliches Verfahren durchgeführt wird. Eine mündliche Verhandlung ist nur dann verpflichtend, wenn dies eine Schiedspartei beantragt.

Selbst wenn das Schiedsgericht der Meinung ist, eine mündliche Verhandlung wäre angebracht, ist dies bei Vorliegen eines Ausschlusses durch die Schiedsparteien nicht möglich. Hier kommt zum Ausdruck, dass die Verfahrensgestaltung im Rahmen der Schiedsgerichtsbarkeit in der Hand der Parteien liegen soll. Dies kann zu heiklen Situationen führen, etwa falls die Schiedsrichter Parteien- oder Zeugenaussagen für notwendig erachten, falls bei Unterlassen einer mündlichen Verhandlung die Gefahr droht, das Verfahren könne Art 6 EMRK bzw den grundrechtlichen Mindestanforderungen nicht gerecht werden oder falls eine faire Entscheidungsfindung ohne mündliche Verhandlung bzw Aussagen nicht möglich ist.

Das Verfahren vor dem StNSchG kann mündlich oder schriftlich durchgeführt werden. Sollte eine Partei eine mündliche Verhandlung verlangen, so hat sie der Vorsitzende des Senats ehestmöglich anzuordnen (vgl § 6 Abs 3 VOStNSchG).

Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter

Durch Art 6 EMRK wird den Parteien eines staatlichen Gerichtsverfahrens weiters die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der (staatlichen) Richter gewährleistet. Dh über den Rechtsstreit wird von einem unbefangenen, unvoreingenommenen und unparteiischen Gericht geurteilt. Dadurch soll eine, aufgrund etwaig bestehender (außerhalb des Verfahrens liegender) Gründe, verfälschte Entscheidung verhindert werden.

Auch wenn die Richter eines Schiedsverfahrens nicht an den Maßstäben von staatlichen Richtern zu messen sind, besteht diesbezüglich im Endeffekt grundsätzlich kein Unterschied zwischen ihnen. Denn auch die Schiedsrichter entscheiden über einen Rechtsstreit und üben sachlich/materiell gesehen eine richterliche Funktion aus (OGH 14.12.1994, 7 Ob 604/94), wobei die Schiedsparteien dabei von der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit der Richter ausgehen. Sie haben einen unverzichtbaren und absoluten Anspruch auf die Entscheidung durch ein unabhängiges und unparteiisches Schiedsgericht bzw auf die objektive Durchführung des Schiedsverfahrens und die Unparteilichkeit bei Erlassung des Schiedsspruchs. Denn die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gehört zu den Mindeststandards, auf die nicht wirksam verzichtet werden kann. Jeder Schiedsrichter hat unparteiisch zu sein und eben nicht die Interessen der Partei zu vertreten, die ihn ernannt hat (OGH 28.4.1998, 1 Ob 253/97f).

Einerseits darf man in dieser Thematik die schiedsrichterliche Offenlegungspflicht und das Ablehnungsrecht der Parteien nicht vergessen. Andererseits sind die Unterschiede zwischen staatlicher Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsgerichtsbarkeit, wie zB die privatautonome Gestaltungsmöglichkeit der Schiedsparteien, die Schiedsrichter (anhand besonderer Erfahrung und Sachkenntnis) im Bestellungsverfahren bzw den Modus zur Schiedsrichterbestellung frei zu wählen, und der sog Paritätsgrundsatz (= keiner Schiedspartei darf bei der Zusammensetzung des Schiedsgerichts ein Übergewicht zukommen) nicht zu vernachlässigen.

Bezogen auf die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter in der Sportschiedsgerichtsbarkeit wird die Meinung vertreten, dass die Besetzungsmöglichkeit der Schiedsparteien zu den größten Nachteilen gehöre, da die Objektivität der Schiedsrichter nicht immer gewährleistet werden könne. Zumeist wäre ein Sportler in einem staatlichen Gerichtsverfahren aufgrund der verfassungsrechtlich verpflichtend einzuhaltenden Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Gerichts besser geschützt, wohingegen in der Schiedsgerichtsbarkeit eine Überlegenheit des Verbandes gegenüber dem Sportler bestehen könne.

Das StNSchG entscheidet grundsätzlich durch einen Dreiersenat, bestehend aus einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern (vgl § 3 Abs 1 VOStNSchG). Der Vorsitzende und seine Vertreter haben akademisch graduierte Juristen zu sein und werden von der Hauptversammlung (= Mitgliederversammlung iSd Vereinsrechts) für eine Funktionsperiode von vier Jahren gewählt. Dabei muss eine von mindestens fünf zu bestellenden Personen pro Funktionsperiode ausdrücklich als ständiger Vorsitzender bestellt werden, während die anderen Personen in festgelegter Reihenfolge als dessen Vertreter eintreten (vgl § 3 Abs 2 VOStNSchG). Daneben bestehen Regelungen über die Bestellung zum ersten und zweiten Beisitzer, wobei hierbei die vom Vorstand der BL bzw von der Klubkonferenz der höchsten und der zweithöchsten Spielklasse aufzustellenden Listen eine Rolle spielen (vgl § 3 Abs 3 und 4 VOStNSchG).

Die Besetzung des StNSchG im einzelnen Streitfall bzw die Auswahl der beiden Beisitzer hängt davon ab, wer die Parteien im Rechtsstreit sind bzw wer als Kläger und wer als Beklagter auftritt (vgl § 3 Abs 5 lit a-d VOStNSchG). Dabei ist die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter bspw bei einer Klage eines Sportlers gegen die BL in Frage zu stellen, da die BL im Endeffekt mehr Einfluss auf die Besetzung des StNSchG hat (Stichwort: Paritätsgrundsatz!). Dies dürfte daran liegen, dass der Sportler „seinen“ Beisitzer aus den von der Klubkonferenz der höchsten und der zweithöchsten Spielklasse aufgestellten Beisitzern auswählen muss, während die Auswahl des Beisitzers durch die BL aus der vom Vorstand der BL aufgestellten Beisitzerliste zu erfolgen hat (§ 3 Abs 5 lit b VOStNSchG).

Der Anspruch auf rechtliches Gehör

§ 594 Abs 2 zweiter Satz ZPO legt fest: „Jeder Partei ist rechtliches Gehör zu gewähren.“ Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist Teil des Rechts auf ein faires Verfahren bzw des Gleichbehandlungsgrundsatzes, doch kommt ihm aufgrund seiner Bedeutsamkeit eine davon unabhängige Stellung zu. Auch bestehen Zusammenhänge zum Mündlichkeitsgrundsatz.

Das Recht auf Gehör zählt zu den angesprochenen elementaren rechtsstaatlichen Mindeststandards, die Schiedsgerichte in Sachen grundrechtlicher Bindung gemäß Art 6 EMRK (während des gesamten Verfahrens) erfüllen müssen. Die Schiedsparteien gehen zudem davon aus, dass ihnen ausreichend rechtliches Gehör zukommt. Die Wichtigkeit dieser Teilgarantie lässt sich auch aus der Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen durch ordentliche Gerichte ableiten, so ist bei (erheblichen) Verstößen gegen das rechtliche Gehör von Schiedsgerichten die Vollstreckung unzulässig.

Grundsätzlich regiert bei der Durchführung des Schiedsverfahrens die Privatautonomie. Die Verfahrensgestaltung kann also von den Schiedsparteien frei bestimmt werden, sofern keine verpflichtend einzuhaltenden Regelungen den Vereinbarungen zuwiderlaufen. Allerdings ist ua die „Gewährung rechtlichen Gehörs“ zwingend und schränkt die Privatautonomie dadurch ein. Wird dieser Grundsatz verletzt, könnten § 611 Abs 2 Z 2 oder Z 5 ZPO verwirklicht werden und somit ein Aufhebungsgrund vorliegen.

Wenn die Parteien keine Vereinbarungen über die Durchführung des Verfahrens getroffen haben, liegt es im Ermessen des Schiedsgerichts, in welchem Umfang und in welcher Weise das rechtliche Gehör gewährt wird, wenngleich die Erwartungen der Parteien dabei als Richtlinie gelten. Wichtig zu beachten ist, dass die Wahrung des Rechts auf Gehör zwar an sich unangefochten ist, doch trotzdem Unstimmigkeiten bei der Anwendung im Einzelfall bestehen.

Demnach umfasst der Grundsatz des rechtlichen Gehörs unter anderem die folgenden Gewährleistungen: wirksame Benachrichtigung der Parteien über den Beginn des Verfahrens, Offenstehen der Gelegenheit für die Parteien, alles (= jedes Angriffs- und Verteidigungsmittel) vorzubringen, was sie für wesentlich halten oder die Information und die Gelegenheit zur Äußerung des Prozessgegners über jede Änderung des Sachverhalts.

Soweit die Meinungen der Schiedsparteien bekannt sind und vom Schiedsrichter bedacht werden, ist eine persönliche Anhörung nicht notwendig. Irrelevant ist auch, ob das Recht auf Gehör nacheinander oder gleichzeitig, schriftlich oder mündlich gewährt wird (OGH 6.9.1990, 6 Ob 572/90). Ob die Parteien also von allen Schiedsrichtern zur gleichen Zeit vernommen werden oder nicht, ist nicht von Bedeutung, weil der Bericht eines an die restlichen Schiedsrichter bzw das Wissen eines Schiedsrichters ausreicht (OGH 21.11.1951, 2 Ob 344/51).

Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs iSd Art 6 EMRK wird bejaht, wenn der Schiedsspruch Tatsachen oder Beweisergebnisse beinhaltet, zu denen die Parteien keine Stellungnahme abgeben konnten oder die Möglichkeit dazu nicht bestand. Es muss den Parteien möglich sein, bei den Verhandlungen zu erscheinen und dort mittels Tatsachenbehauptungen und Beweisangeboten ihre Sichtweise kundzutun.

Allgemein gilt, dass im Schiedsverfahren keine strengeren Anforderungen bzgl der Sicherung des Rechts auf Gehör gelten als im ordentlichen Verfahren (OGH 28.11.2012, 4 Ob 185/12b). So ist § 611 Abs 2 Z 2 ZPO nur verwirklicht, wenn die Verletzung des Gehörs einen Nichtigkeitsgrund im ordentlichen Verfahren darstellen bzw einem solchen wertungsmäßig nahekommen würde (OGH 23.2.2016, 18 OCg 3/15p).

Das faire Verfahren bzw die Gleichbehandlung der Parteien

§ 594 Abs 2 erster Satz ZPO lautet explizit: „Die Parteien sind fair zu behandeln.“ Das Recht auf ein faires Verfahren gehört jedenfalls zum Kern des verfahrensrechtlichen ordre public. Die Schiedsparteien erwarten ein Verfahren, das fair geführt wird. Daraus ergibt sich, dass die Schiedsgerichte für ein faires Verfahren zu sorgen haben. Dies ist zwingendes Recht. Den Erläuterungen zum SchiedsRÄG 2006 ist zu entnehmen, dass die gesetzlich angeordnete faire Behandlung der Parteien aus Art 6 EMRK und der hierzu ergangenen Rsp hervorgeht. Wie auch das rechtliche Gehör gehört das faire Verfahren zu den bedeutsamsten österreichischen Verfahrensprinzipien bzw dem prozessualen ordre public und ist während des gesamten Schiedsverfahrens einzuhalten. Das rechtliche Gehör und die gleiche/faire Behandlung der Parteien sind zentrale Grundsätze, die als rechtsstaatliche Mindeststandards in einem privaten Schiedsverfahren zu achten sind und auf welche die Schiedsparteien nicht verzichten können. Die Gleichbehandlung der Parteien bzw Waffengleichheit ist unterdies aber „nur“ eine Komponente, aus der sich ein faires Verfahren bzw ein fairer Rechtsschutz zusammensetzt. Zu beachten ist, dass die Verfahrensparteien nicht immer gleich zu behandeln sind, jedoch unsachgemäße Differenzierungen verhindert werden sollen.

Die faire/gleiche Behandlung muss nach den Umständen des Einzelfalls gewährleistet werden und es darf dabei kein wesentlicher Nachteil für eine der Parteien vorliegen. Davon umfasst ist unter anderem die Möglichkeit für die Parteien, in gleicher Weise vernünftig und einzelfallgerecht ihren Fall samt ihren Argumenten und entscheidenden Beweisen zu präsentieren und auf das Vorbringen der Gegenseite zu replizieren. In der Literatur wird zudem die Gleichbehandlung der Parteien bei der Schiedsrichterbenennung als wesentliche Grundlage des Schiedsverfahrensrechts angesehen. Dies ergeht auch unmittelbar aus § 587 Abs 2 Z 3 ZPO, wonach jede Partei iSd Gleichbehandlungsgrundsatzes dieselbe Anzahl an Schiedsrichtern zu bestellen hat, wenn für das Verfahren mehr als drei Richter vorgesehen sind. Eine Verletzung der fairen Behandlung kann letztlich einen Aufhebungsgrund iSd § 611 Abs 2 Z 2, Z 4 oder Z 5 ZPO darstellen. Faire Behandlung muss allgemein aber nicht heißen, dass die Parteien tatsächlich im gleichen Ausmaß an dem Verfahren beteiligt waren. Entscheidend ist, dass den Parteien eine faire Möglichkeit zur Verfahrensteilnahme zukommt.

Im organisierten Wettkampfsport gilt der Grundsatz, dass alle Sportler formell gleichbehandelt werden. Der Grund liegt in der Verbandspyramide des organisierten Sports bzw dem sich daraus ergebenden hierarchisch-aufgebauten Verbandssystem. Denn aufgrund dessen haben sich alle Sportler einer Sportart an dieselben Sportregeln und Verbandsregelwerke zu halten. Daneben entsteht durch das „Ein-Platz-Prinzip“ zwischen dem internationalen Sportverband und den einzelnen Sportlern ein faktisches Ungleichgewicht, was für letztere Nachteile mit sich bringen kann.

§ 6 Abs 2 erster Satz VOStNSchG schreibt unter anderem vor, dass insbesondere der Grundsatz der Parteiengleichbehandlung unter Wahrung des rechtlichen Gehörs in jedem Stadium des Verfahrens vor dem StNSchG gilt.

Die angemessene Verfahrensdauer

Grundsätzlich können die Schiedsparteien auf den Grundsatz der angemessenen Verfahrensdauer nicht verzichten. Die kurze Verfahrensdauer im Schiedsverfahren stellt einen Vorteil gegenüber der staatlichen Gerichtsbarkeit dar und ist insb im Sportwesen bedeutsam. Im Abschluss einer Schiedsvereinbarung kann nicht der Verzicht auf eine angemessene Verfahrensdauer gesehen werden.

Die Einschätzung der Angemessenheit der Dauer des Verfahrens hat jedenfalls im Einzelfall zu erfolgen. Dabei sind unter anderem das Verhalten der staatlichen Behörden und der Verfahrensparteien, die Komplexität der Causa und die Bedeutung der Angelegenheit für die Parteien zu beachten.

Den Schiedsparteien kommen einige Instrumente zu, um die Verfahrensdauer zu beeinflussen bzw das Verfahren zu beschleunigen. Etwa die Benennung fachkundiger Schiedsrichter, der Verzicht auf die mündliche Verhandlung, die Zeugenvernehmung per Videokonferenz oder die schriftliche – anstatt der mündlichen – Zeugenaussage sind hier zu nennen. Daneben wird eine sog case management conference, eine (erste) Verhandlung, in der das Schiedsverfahren geplant wird, in der Literatur empfohlen.

Die VOStNSchG sieht bestimmte Instrumente vor, um die Verfahrensdauer zu verkürzen. So muss die Klage innerhalb von vier Wochen ab Zustellung der schriftlichen Ausfertigung der verbandsinternen Erledigung bei der Geschäftsstelle des StNSchG bei sonstiger Präklusion eingelangt sein. Bei dringlichen Angelegenheiten (zB solche des Lizenzausschusses) beträgt die Frist nur acht Tage (§ 2 Abs 2 VOStNSchG). Die Frist zur Beantwortung der Klage beträgt grundsätzlich 14 Tage und kann bei besonderer Dringlichkeit vom ständigen Vorsitzenden verkürzt werden (§ 5 Abs 6 VOStNSchG). Die gleiche Frist im staatlichen Verfahren ist mit vier Wochen etwas länger (vgl § 230 Abs 1 ZPO). Darüber hinaus steht es dem StNSchG nach Vorankündigung zu, Vorbringen und die Vorlage von Urkunden nur bis zu einem bestimmten Verfahrensstadium für zulässig zu erklären. Lässt sich eine Partei nicht in das Verfahren ein oder erscheint sie trotz gehöriger Ladung nicht zu einer mündlichen Verhandlung, ist das Verfahren mit der anderen Partei allein fortzuführen (§ 6 Abs 2 VOStNSchG). Die mündliche Verhandlung ist übrigens nicht verpflichtend. So kann das Verfahren auch ausschließlich schriftlich erfolgen, wobei es den Parteien offensteht, eine mündliche Verhandlung zu verlangen. In diesem Fall muss die mündliche Verhandlung ehestmöglich angeordnet werden (§ 6 Abs 3 VOStNSchG).

Fazit zum Bindungsumfang in der Sportschiedsgerichtsbarkeit

Sofern man von einem wirksamen Grundrechtsverzicht aufgrund einer wirksamen, freiwillig abgeschlossenen Schiedsvereinbarung ausgeht, kann eine Partei eines Verfahrens vor einem Sportschiedsgericht meiner Meinung nach „nur“ auf den Zugang zur staatlichen Gerichtsbarkeit sowie auf die Öffentlichkeit und Mündlichkeit des Verfahrens wirksam verzichten. Definitiv zu gewährleisten ist neben dem rechtlichen Gehör und der Gleichbehandlung der Parteien eine angemessene Verfahrensdauer und die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter. Daraus ergibt sich, dass nahezu alle Teilgarantien des Art 6 EMRK in der Sportschiedsgerichtsbarkeit gewährleistet werden müssen.

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Rechtliche Konsequenzen bei Fehlverhalten von Fans – ein aktueller Überblick

In den letzten Wochen und Monaten tat sich einiges im Bereich der rechtlichen Konsequenzen bei Fehlverhalten von Fußballfans. Sowohl der Oberste Gerichtshof als auch das deutsche Bundesverfassungsgericht beschäftigten sich mit dieser Thematik. Auch in der Österreichischen Fußball-Bundesliga gibt es Reformvorschläge. Im folgenden Beitrag werden diese aktuellen Entwicklungen näher beleuchtet. 

OGH: solidarische Haftung von Fußballfans

Das österreichische Höchstgericht in Zivil- und Strafsachen (OGH) hatte sich jüngst mit einem Raufhandel von Fußballfans nach einem Spiel zu beschäftigen. Dabei sprach der OGH aus, dass Fußballfans, die als Gruppe auf gegnerische Fans losstürmen, für einen Schaden (hier: Verletzung eines Polizeibeamten) auch ohne Schädigungsvorsatz und Beweis der Kausalität des Einzelnen solidarisch haften. Schon alleine der Vorwurf, vorsätzlich gemeinsam ein unerlaubtes Ziel verfolgt zu haben, rechtfertigt es nach Ansicht des Gerichtshofs, alle Beteiligten zunächst ohne weitere Prüfung ihrer Kausalität für den entstandenen Schaden verantwortlich zu machen. Lediglich in Fällen, in welchen sich die mangelnde Kausalität des Verhaltens des in Anspruch genommenen „Mittäters“ ausdrücklich nachweisen lässt, wird die Haftung ausgeschlossen.

Was ist passiert? Der Beklagte lief gemeinsam mit anderen Fußballfans (Gruppe von 5-10 Personen) nach einem Spiel auf den Parkplatz, auf welchem Fans des gegnerischen Teams um einen Bus standen. Dabei wurde der Kläger, welcher als Polizist vor Ort war und in den Raufhandel eingriff, von einem der heranstürmenden Fans, jedoch nicht vom Beklagten, verletzt. Nach dem Vorfall begehrte der Polizist vom Beklagten Schmerzengeld und die Haftung für zukünftige Schäden. Obwohl der Beklagte einwendete, dass nicht er den Kläger verletzt habe, war die Klage des Polizisten erfolgreich. Neben der obigen rechtlichen Begründung führte der OGH auch aus, dass das Lostürmen in einer Gruppe auf gegnerische Anhänger ein geeignetes Verhalten ist, um Aggressionen und Tätlichkeiten zu fördern. In einer solchen Situation sind Verletzungen, sei es von gegnerischen Fans, Unbeteiligten oder – wie in diesem Fall – einschreitenden Sicherheitskräften wahrscheinlich und auch vorhersehbar.

Die Entscheidung des OGH könnte in Zukunft bei kollektivem Fehlverhalten von Fans hohe Wellen schlagen.

Bundesverfassungsgericht: Stadionverbot verfassungsgemäß 

In eine ähnliche Kerbe schlägt auch eine Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts vom 11. April 2018. Demnach sind auf Verdacht basierende, bundesweite Stadionverbote verfassungsgemäß. Stadionverbote dürfen im Hinblick auf den Gleichheitssatz nicht willkürlich sein und müssen auf objektiven Tatsachen, nicht auf subjektiven Befürchtungen beruhen. Den Verein trifft in diesem Zusammenhang eine Untersuchungspflicht, wodurch der Fan anzuhören und das Verbot auf Verlangen des Fans zu begründen ist.

Dem Beschwerdeführer, ein Fan des FC Bayern München, der nach einem Match randaliert haben soll, war keine Straftat nachzuweisen und trotzdem bekam er ein Stadionverbot. Somit wandte er sich an das deutsche Höchstgericht in Karlsruhe. Dieses hielt fest, dass das gegen den Beschwerdeführer verhängte Stadionverbot unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten rechtmäßig ist. Willkür, die einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz begründen könnte, wurde ausgeschlossen. Im Ergebnis sah das Bundesverfassungsgericht unter Abwägung der Grundrechtspositionen das verhängte Stadionverbot gegen den Bayern-Fan als sachlich gerechtfertigt an.

Bundesliga-Sanktionskonzept neu mit Fokus Täterausforschung

Die Klubkonferenz der Bundesliga beschäftigte sich vergangene Woche aufgrund sicherheitsrelevanter Vorfälle in den vergangenen Monaten mit dem Thema Fehlverhalten von Fans. Das Ergebnis ist ein erster Schritt für ein neues Sanktionskonzept mit Fokus Täterausforschung. Daneben soll die typische Stadionatmosphäre geschützt werden und als letzte Konsequenz ein Punkteabzug drohen.

Ab der Saison 2019/20 soll dem Senat 1 der Bundesliga in Sachen Zuschauerfehlverhalten ein Maßnahmenkatalog zur Seite gestellt werden, anhand dessen sich transparent und nachvollziehbar die zu setzenden Sanktionen ergeben. Neben Geldstrafen soll das Hauptaugenmerk nun verstärkt auf dem Gebiet der Täterausforschung liegen. Nach der Ausforschung drohen dem Täter ein Stadionverbot sowie gegebenenfalls auch Regressforderungen des Klubs. Ergänzend soll in Zukunft noch ein System konkreter sicherheitstechnischer bzw gewaltpräventiver Maßnahmen geschaffen werden. Als letzte Konsequenz soll der Punkteabzug für die darauffolgende Saison in den Strafenkatalog aufgenommen werden.

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Die Bedeutung des Onisiwo-Urteils für alle Spielerverträge

Gastbeitrag von Thomas Nikodem

Die Entscheidung des Berufungsgerichts zeigt: egal, wie das Verfahren ausgeht, das Urteil wird über den Fall hinausgehende Bedeutung haben!

Mit der Bestätigung der Entscheidung des Erstgerichts durch das OLG Wien steigt die Bedeutung des gegenständlichen Verfahrens. Die Begründung beider Gerichte ist schlüssig und rechtlich fundiert begründet. Bei den Vereinbarungen zwischen Onisiwo und dem SV Mattersburg (Spielervertrag und Siedeletter) „hapert‘s“ in mehreren Bereichen:

  • Einseitige Option, ohne Vorteile für Onisiwo
  • Verlängerung des Vertrages um das Doppelte seiner Laufzeit
  • Vermutlich ungültiger Sideletter
  • Zu geringe Entgeltsteigerung durch Sideletter

Zwar kommt es regelmäßig vor, dass der OGH anders entscheidet, als die ersten zwei Instanzen, aufgrund der guten und nachvollziehbaren Urteilsbegründungen kann in diesem Fall aber nicht davon ausgegangen werden. Vielleicht überrascht uns der OGH aber doch!

Aus Sicht der Vereine muss zum jetzigen Zeitpunkt von einer Bestätigung der vorliegenden Urteile ausgegangen und entsprechend reagiert werden. Dabei ist zwischen „Altverträgen“ – also solchen die bereits bestehen – und „Neuverträgen“ zu unterscheiden.

Altverträge

Sie müssen dahingehend geprüft werden, ob sie mit den beiden ergangenen Entscheidungen vereinbar sind. Wann dies der Fall ist, geht aus den Urteilen freilich nicht hervor. Das heißt bei der Beurteilung der Verträge sind Berater gefragt, die einschätzen, ob als Ausgleich für die einseitige Option ausreichend Vorteile für die Spieler vereinbart sind (insbesondere eine Entgelterhöhung). Ist dies nicht der Fall, kann der Spielervertrag durch einen (gültigen!) Sideletter ergänzt werden. Aber Achtung: der jeweilige Spieler kann nicht gezwungen werden, einen Sideletter zu unterfertigen. Ob er dies tut, wird von der persönlichen Situation abhängen:

  • Aussichten auf einen besseren Vertrag bei einem anderen Klub
  • Restdauer des laufenden Vertrages
  • Ausmaß der Gehaltserhöhung
  • Einschätzung der persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten

Neuverträge

Vor dem Abschluss neuer Verträge sind geplante einseitige Optionen einer genauen Prüfung zu unterziehen und allenfalls anzupassen. Diese Situation ist insofern nicht ganz einfach – sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich – weil die Gerichte nur ausgesprochen haben, was unzulässig ist, nicht aber was zulässig wäre. Eine Entscheidung des OGH wird mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit keine Besserung dieser Lage für die Vereine bringen, da er vermutlich ebenfalls keine „Anleitung“ geben wird, wie eine einseitige Option zu formulieren wäre. Das ist im Grunde auch nicht möglich, da die Vorteile die dem Spieler laut dem Spielervertrag bei einer Optionsausübung (und damit Verlängerung des Vertrages) zukommen, immer einer Einzelfallprüfung zu unterziehen sind. Es kommt auf eine Abwägung der Art und Dauer der Vertragsverlängerung gegen die Vorteile/Verbesserung für den Spieler an.

Die bestehenden Gerichtsentscheidungen nicht zu beachten – insbesondere vor dem Hintergrund der Formulierung des Kollektivvertrages und der Gerichtsentscheidungen – wäre jedenfalls ein großer Fehler der Vereine, der nicht passieren dürfte. In diesem Sinne wird die Entscheidung im Fall Onisiwo vs SV Mattersburg (vielleicht die des OLG Wien, vielleicht eine zukünftige des OGH) für den österreichischen (Fußball)sport richtungweisend sein!

 

ZUM AUTOR:

Dr. Thomas Nikodem ist Rechtsanwalt und Partner bei der TELOS Law Group und ist unter anderem auf Arbeitsrechtsfragen im Sport spezialisiert. Sie erreichen Dr. Nikodem unter nikodem@telos-law.com. Weitere Informationen finden Sie auch auf http://www.telos-law.com.

WEITER BEITRÄGE DES AUTORS:

Teil 1: Onisiwo vs. SV Mattersburg – Vertrag nichtig!

 

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Teil 2: Onisiwo vs SV Mattersburg – Zweite Runde

Gastbeitrag von Thomas Nikodem

Wie bereits im Beitrag vom 8.1.2016 berichtet, ist zwischen Karim Onisiwo und dem SV Mattersburg ein Rechtsstreit um eine Option in seinem Dienstvertrag entbrannt.

Genauer gesagt ging es um eine Option im Dienstvertrag, nach welcher der SV Mattersburg die Möglichkeit hatte den Vertrag vom 30.6.2015 bis zum 30.6.2017 zu verlängern. In der Option ist nicht vorgesehen, dass die Ausübung durch den Verein auch eine Gehaltserhöhung zur Folge hat. Die Option lautete: „Der Spieler räumt dem Club die Option ein, das Vertragsverhältnis zu den unter Punkt VI. vereinbarten Bedingungen um zwei weitere Jahre, bis zum 30.6.2017 zu verlängern. Diese Option ist vom Club bis 31. Mai 2015 mittels eingeschriebenen Briefes an den Spieler auszuüben, wobei für die Rechtzeitigkeit die Postaufgabe an die zuletzt bekannt gegebene Adresse des Spielers genügt.“

Mit Schreiben vom 21.8.2014 wurde zwischen Onisiwo und dem SV Mattersburg mittels eines Sideletters (eine Ergänzung zu einem Vertrag) vereinbart: „Sie erhalten bei Ziehung der im Vertrag vom 30. Mai 2014 unter Punkt II. vereinbarten Option die nachstehend angeführte Erhöhung ihres im Spielervertrag vom 30. Mai 2014 unter Punkt VI. vereinbarten Entgeltes, ab 1. Juli 2015:“ Der Sideletter wurde vom Sportdirektor und vom Obmann des SV Mattersburg, nicht aber vom Kassier unterfertigt.

Onisiwo – der den Verein verlassen und das gerichtlich durchsetzen wollte – hat in seiner Klage vom Gericht die Feststellung begehrt, dass sein Vertrag über den 30.6.2015 hinaus nicht aufrecht fortbesteht bzw. den Änderungsvertrag (Sideletter) für rechtsunwirksam zu erklären.

Entscheidung des Erstgerichts

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, wonach der Vertrag zwischen Onisiwo und dem SV Mattersburg über den 30.6.2015 hinaus keinen Fortbestand hat. Nach § 6 Punkt 4.) des anwendbaren Kollektivvertrags für Fußballspieler/Innen der Österreichischen Fußball-Bundesliga sei die Einräumung von Optionsrechten nur zulässig, wenn alle Vertragspartner gleichwertige Ansprüche hätten und die Art der Ausübung des Optionsrechts für alle an gleichwertige Bedingungen geknüpft sei. Z.B. sei eine einseitige Vertragsverlängerungsmöglichkeit durch den Verein zulässig, wenn damit eine bereits vorab festgesetzte Gehaltserhöhung für den Spieler oder sonstige gleichwertiger Verbesserung für ihn einhergeht.

Der Spielervertrag vom 30.5.2014 beinhalte – im Gegensatz zum Sideletter vom 21.8.2014 – keine solche Verbesserung für Onisiwo. Der Sideletter sei mangels notwendiger Bevollmächtigung nicht gültig (auch der Kassier hätte unterschreiben müssen). Mit der Option werde de facto das beim Verein liegende Risiko der Entwicklung des „Perspektivenspielers“ auf den Spieler überwälzt. Eine konkludente (stillschweigende) Vertragsverlängerung liege nicht vor, da Onisiwo erhaltene Gehaltszahlungen wieder zurücküberwiesen habe.

Berufungsentscheidung

Gegen diese Entscheidung hat der SV Mattersburg eine Berufung an das Oberlandesgericht Wien (OLG Wien) erhoben, welches die erstinstanzliche Entscheidung als richtig bestätigt hat. Unter anderem geht das Oberlandesgericht auf den Wortlaut des Kollektivvertrags ein. Demnach (§ 6 Punkt 4.) ist die Einräumung von Optionsrechten nur zulässig, wenn sie jedem Vertragsteil gleichwertige Ansprüche einräumt und auch die Art der Ausübung des Optionsrechts für beide Teile an gleichwertige Bedingungen geknüpft ist (z.B. einseitige Vertragsverlängerungsmöglichkeit durch den Klub bei bereits vorab festgesetzter Gehaltserhöhung oder sonstiger gleichwertiger Verbesserungen für den Spieler, wobei stets auch die Umstände des Einzelfalls [Alter des Spielers, Dauer der Vertragsverlängerung] zu berücksichtigen sind). Für die Bewertung der Gleichwertigkeit ist der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses maßgeblich. Außerdem gelte im Arbeitsrecht der allgemeine Rechtssatz, dass Arbeitnehmer in ihrer Kündigungsfreiheit nicht stärker beschränkt werden dürfen als Arbeitgeber. Genau so eine Beschränkung ergibt sich jedoch aus der vorliegenden Optionsvereinbarung.

Wegen der Widersprüchlichkeit der Option gegenüber der Regelung in § 6 Punkt 4.) des Kollektivvertrags für Fußballspieler/Innen der Österreichischen Fußball-Bundesliga sei sie unzulässig und unwirksam. Darauf, ob der Sideletter gültig ist und nachträglich durch die Verbesserung der Situation für Onisiwo zu einer Sanierung der Schlechterstellung geführt hat, komme es nicht an, weil eine Erhöhung des Entgelts um 15% nicht ausreichend sei. Den Zeitraum der Verlängerung des Vertrags durch Ausübung der Option (2 Jahre – also doppelt so lange wie die ursprüngliche Dauer des Vertrages), hebt das Oberlandesgericht als benachteiligend für Onisiwo hervor.

Mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung (also durch den Obersten Gerichtshof – OGH) zu der Frage, ob eine einseitige Option mit Verlängerungsmöglichkeit für den Arbeitgeber zulässig oder nichtig ist, lässt das OLG Wien die ordentliche Revision an den OGH zu. Der SV Mattersburg hat damit die Möglichkeit ein Rechtsmittel an den OGH zu ergreifen. Es bleibt mit Spannung zu erwarten, ob er dies tut.

 

ZUM AUTOR:

Dr. Thomas Nikodem ist Rechtsanwalt und Partner bei der TELOS Law Group und ist unter anderem auf Arbeitsrechtsfragen im Sport spezialisiert. Sie erreichen Dr. Nikodem unter nikodem@telos-law.com. Weitere Informationen finden Sie auch auf http://www.telos-law.com.

HIER GEHTS ZU DEN AUSWIRKUNGEN DES URTEILS:

Die Bedeutung des Onisiwo-Urteils für alle Spielerverträge.

 

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