Präventive Maßnahmen zur Bekämpfung von Hooliganismus und Rassismus bei Sportgroßveranstaltungen

Ein Gastbeitrag von Univ.-Ass. Sophia Lienbacher, LL.M. (WU)

„Hooliganismus“ ist ein weltweit verbreitetes Phänomen, das insbesondere den Fußballsport betrifft. Immer wieder kommt es im Zusammenhang mit Fußballspielen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen unter rivalisierenden Fangruppen und zu Gewalthandlungen einzelner Fans gegenüber der Polizei oder anderen Zuschauern. Jüngstes Beispiel ist das UEFA Nations League-Spiel zwischen Österreich und Kroatien, das am 25. September 2022 im Ernst-Happel-Stadion stattfand: Eine Gruppe kroatischer Risikofans, die während des Fußballspiels begannen, andere Zuseher mit Gegenständen zu bewerfen, pyrotechnische Gegenstände zu zünden und homophobe sowie antisemitische Parolen anzustimmen, lösten damit letztlich einen Einsatz der Polizeisondereinheit WEGA aus.

Um Sportgroßveranstaltungen sicherer zu machen, erfolgte in Vorbereitung auf die Fußball-Europameisterschaft 2008, die vom 7. bis 29. Juni 2008 in Österreich und der Schweiz stattfand, eine grundlegende Umstrukturierung und Erweiterung der für Sportgroßveranstaltungen relevanten Befugnisse im Sicherheitspolizeigesetz (kurz: SPG). Mit Inkrafttreten der Novelle (BGBl I 113/2007) wurde ein neuer „3. Abschnitt“ mit der Bezeichnung „Besondere Befugnisse zur Verhinderung von Gewalt und Rassismus bei Sportgroßveranstaltungen“ geschaffen, der die Bestimmungen § 49a (Sicherheitsbereich), § 49b (Gefährderansprache) und § 49c (Präventive Maßnahmen: Meldeauflage, Belehrung, zwangsweise Vorführung und Anhaltung) umfasst. Zweck dieser Regelungen ist die präventive Gefahrenabwehr.

Begriffsbestimmung: „Sportgroßveranstaltung“

Eine „Sportgroßveranstaltung“ im Sinne des SPG liegt vor, wenn eine Sportveranstaltung an verschiedenen Veranstaltungsorten stattfindet und eine internationale Dimension aufweist (zB Welt- und Europameisterschaften oder Olympische Spiele). In den übrigen Fällen hängt die Qualifikation als Sportgroßveranstaltung von einer Einzelfallprüfung durch die zuständige Sicherheitsbehörde ab. Von Bedeutung ist dabei in erster Linie die erwartete Besucheranzahl. Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) zieht unter Verweis auf die Gesetzesmaterialien (RV 1188 BlgNR, 22. GP) als Referenzgröße eine zu erwartende Zuseheranzahl von zumindest 3.000 heran (vgl VwGH 14.12.2018, Ra 2017/01/0055). Daneben können auch noch andere Faktoren, etwa die Kapazität der Veranstaltungsstätte oder die voraussichtlich erforderliche Anzahl von Sicherheitsorganen, die Qualifikation als Sportgroßveranstaltung begründen. So erfordert beispielsweise die Austragung eines Derbys ein erhöhtes Sicherheitsaufgebot, weil dabei meist stark konkurrierende Mannschaften und rivalisierende Fangruppen aufeinandertreffen. Diese Begleitumstände rechtfertigen die Einordnung als Sportgroßveranstaltung, selbst wenn zu diesem Spiel weniger als 3.000 Zuschauer erwartet werden.

Konkret sieht das SPG zur Verhinderung von Gewalt und Rassismus bei Sportgroßveranstaltungen folgende besondere Befugnisse vor:

Sicherheitsbereich (§ 49a SPG)

Befürchtet die Sicherheitsbehörde aufgrund bestimmter Tatsachen eine allgemeine Gefahr für die Zuschauer – etwa, weil gewaltbereite Fans erwartet werden –, kann sie durch Verordnung eine Fläche im Umkreis von höchstens 500 Meter um den Veranstaltungsort zum „Sicherheitsbereich“ erklären. Aus diesem Sicherheitsbereich können Sicherheitsorgane all jene Personen wegweisen, die sich innerhalb dieses Bereichs befinden und durch die ein gefährlicher Angriff (§ 16 Abs 2 SPG) unter Anwendung von Gewalt droht. Sofern erforderlich, kann im Anschluss zudem ein Betretungsverbot gegen die betroffene Person ausgesprochen werden.

Ein hierfür notwendiger prognostizierter gefährlicher Angriff liegt zB vor, wenn die hinreichend begründete Befürchtung besteht, die Person werde innerhalb des Sicherheitsbereichs eine Körperverletzung (§ 83 StGB) begehen. Im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose ist auf die konkrete Person abzustellen. Eine pauschale Wegweisung mehrerer Personen oder einer größeren Menschengruppe ist rechtswidrig, sofern die Voraussetzungen nicht bei jeder einzelnen Person vorliegen. Mangels einer solchen hinreichend personifizierter Gefahrenprognose waren die zahlreichen Wegweisungen von Teilnehmern eines Rapid-Fanmarsches, die im Dezember 2018 zunächst eingekesselt und nach erfolgter Identitätsfeststellung aus dem Sicherheitsbereich weggewiesen wurden, rechtswidrig.

Exkurs: „Hooligan“-Datei/Gewalttäterdatei (§ 57 Abs 1 Z 11a SPG)

Zur Beurteilung, gegen wen eine Wegweisung oder ein Betretungsverbot erlassen wird, bietet die „Gewalttäterdatei“ (auch „Hooligan“-Datei genannt) Hilfestellung. In dieser Datei werden personenbezogene Daten von jenen Personen gesammelt, die bereits einmal einen gefährlichen Angriff gegen Leben, Gesundheit oder Eigentum unter Anwendung von Gewalt bei einer Sportgroßveranstaltung begangen haben und bei denen befürchtet wird, sie würden dies wiederholen (2018 befanden sich österreichweit 47 Personen in dieser Datei).

Gefährderansprache (§ 49b SPG)

Weiters besteht für die Polizei die Möglichkeit, bestimmte in der Vergangenheit „auffällig“ gewordene Personen präventiv zu belehren: Als Instrument dient hierfür die Gefährderansprache (§ 49b SPG). Diese ermächtigt zur Vorladung und Belehrung von Personen, die in den vergangenen zwei Jahren zumindest zweimal während Sportgroßveranstaltungen bestimmte Verwaltungsübertretungen begangen haben und bei denen eine Wiederholungsgefahr besteht. Zu denken ist an Fans, die während eines Fußballspiels andere mit Gegenständen bewerfen, randalieren oder im Zuge eines sogenannten Platzsturms unerlaubt das Spielfeld betreten. Die Betroffenen werden von der zuständigen Sicherheitsbehörde vorgeladen und über rechtskonformes Verhalten während Sportgroßveranstaltungen belehrt. Die vorgeladene Person trifft die Pflicht, der Vorladung Folge zu leisten und zum vorgeschrieben Termin zu erscheinen. Die Belehrung hat circa zwanzig Minuten zu dauern und ist zeitlich so anzusetzen, dass der jeweiligen Person die Teilnahme an der Sportveranstaltung möglich ist (vgl hierzu die Gesetzesmaterialien).

Meldeauflage (§ 49c SPG)

Hat eine Person hingegen bereits Gewalttaten im Zusammenhang mit Sportgroßveranstaltungen gesetzt oder gegen ein über sie verhängtes Betretungsverbot verstoßen, so ist gegen diese Person eine sogenannte Meldeauflage auszusprechen, sofern Tatsachen die Annahme rechtfertigen, sie werde im Zusammenhang mit der anstehenden Sportgroßveranstaltung einen gefährlichen Angriff setzen. Durch die Meldeauflage wird die betroffene Person verpflichtet, sich in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit einer bestimmten Sportgroßveranstaltung – zB vor oder während eines Fußballspiels – bei der zuständigen Sicherheitsdienststelle zu melden. Dort findet eine Belehrung über rechtskonformes Verhalten und etwaige Rechtsfolgen statt. Den Vorgeladenen trifft die Pflicht, zum Belehrungstermin zu erscheinen und dieser beizuwohnen. Die zeitliche Nähe der Belehrung zur Veranstaltung soll eine Veranstaltungsteilnahme der betroffenen Person verunmöglichen und so eine mögliche Störung unterbinden (vgl hierzu die Gesetzesmaterialien).

Differenziertes Sanktionssystem

Das SPG hält damit ein differenziertes Sanktionssystem für vermeintliche „Störer“ bereit: Wird eine Verwaltungsübertretung begangen, ist eine Gefährderansprache (§ 49b SPG) anzuordnen. Hat eine Person im Zusammenhang mit Sportgroßveranstaltungen bereits gefährliche Angriffe unter Anwendung von Gewalt begangen, ist die eingriffsintensivere – weil gezielt auf den Zeitraum der jeweiligen Sportgroßveranstaltung abstellende – Meldeauflage (§ 49c SPG) vorzuschreiben.

Für eine genauere Betrachtung der Maßnahmen, insbesondere hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit den geltenden Grundrechten und Grundprinzipien verweise ich auf den Tagungsbeitrag „Sicherheits- und veranstaltungsrechtliche Fragestellungen im Rahmen von Sportgroßveranstaltungen“, der Anfang 2023 im Tagungsband „Sport im öffentlichen Recht“, herausgegeben von Alexander Frank, Sebastian Lendl und Georg Lienbacher, erscheinen wird.

Zur Gastautorin: Sophia Lienbacher, LL.M. (WU) ist Universitätsassistentin (prae doc) am Institut für Österreichisches und Europäisches Öffentliches Recht an der Wirtschaftsuniversität Wien. Außerdem ist sie Hobby-Tennisspielerin und begeisterte Läuferin.

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