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Ausbildungsentschädigung – auf wackeligen Beinen

Gastbeitrag von Lukas Bono Berger (Universitätsassistent am Institut für Verwaltungsrecht und Verwaltungslehre der JKU Linz)

Hinweis: Der Beitrag ist bereits im Fußballmagazin "ballesterer" erschienen.

Wechselt ein Spieler ohne Zustimmung des abgebenden Vereins, wird meist eine Ausbildungsentschädigung fällig. Die Regelung des ÖFB sorgt nicht nur für Interessenskonflikte, sondern ist rechtlich umstritten. Eine juristische Annäherung.

Training oder Ausbildung?

Die Ausbildungsentschädigung ist für uns eine wichtige Einnahmequelle“, sagt Rainer Schütz, Obmann des ASKÖ Donau Linz. 5.160 Euro bekommt der Klub dank der Regelung etwa für einen Spieler, der seit dem neunten Lebensjahr beim Verein gespielt hat und mit 18 in die Regionalliga wechselt. Geht ein 14-Jähriger, der ebenfalls seit dem neunten Lebensjahr dem Verein angehört, zu einem Bezirksligisten, werden nur 900 Euro fällig. Die Höhe der Ausbildungsentschädigungen ist vom ÖFB pauschal geregelt, sie schwankt zwischen 40 und 10.880 Euro. Wie viel sie ausmacht, hängt vom Alter des Spielers und der Spielklasse des aufnehmenden Vereins ab. Bis zum 23. Lebensjahr erhöht sich die Summe, ab dem 28. Lebensjahr ist bei einem Wechsel keine Ausbildungsentschädigung mehr zu entrichten. Grundsätzlich dient die Regelung dazu, auch dann Wechsel zu ermöglichen, wenn sich die beteiligten Vereine nicht über die Modalitäten einigen können. Nachzulesen sind alle Details in § 9 ÖFB-Regulativ mit dem Titel „Nationaler Vereinswechsel ohne Freigabeverfahren für Amateure oder Zwangserwerb“.

So genau die Eventualitäten vorgegeben sind, so unbefriedigend ist die Regelung für viele Beteiligte. So mancher Verein mit einer guten Jugendarbeit ist mit der Höhe der finanziellen Entschädigung unzufrieden, gleichzeitig profitieren Vereine, bei denen Spieler nur stehen oder verliehen werden. Neben Interessenskonflikten über die Ausgestaltung der Regel gibt es eine Reihe juristischer Probleme. Denn die Ausbildungsentschädigung des ÖFB hat den Anforderungen des Zivil- und Arbeitsrechts zu entsprechen. Aufgrund der monopolistischen Organisation des Sportverbands wird auch eine Grundrechtsbindung desselben diskutiert, relevant könnten hier die Vereinsfreiheit, die Erwerbsfreiheit und das Recht auf freie Gestaltung der Lebensführung gemäß Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention sein.

Qualität und Quantität

Die Ausbildungsentschädigung beschäftigt immer wieder Gerichte. 2012 traf der Oberste Gerichtshof eine Grundsatzentscheidung, als er sie nicht per se als sittenwidrig einstufte. Er betonte aber auch, dass Ausbildungsleistungen von erheblicher Relevanz erbracht werden müssen, die in einem angemessenen Verhältnis zur Entschädigung stehen. Zudem dürfen die Rechte der Spieler nicht maßgeblich beschränkt werden.

Daraus lässt sich ableiten, dass Qualität und Quantität der Ausbildung berücksichtigt werden müssen. Das fordert auch der auf Sportrecht spezialisierte Anwalt Wolfgang Rebernig: „Die Trainingshäufigkeit und die absolvierten Spiele müssen die Höhe der Ausbildungsentschädigung beeinflussen“, sagt er. „Sonst besteht die Gefahr der ungerechtfertigten Bereicherung.“ Auch Rainer Schütz befürwortet die Einbeziehung von Qualität und Quantität der Ausbildung in die Berechnung. In die Kriterien des ÖFB fließt das bislang allerdings nicht ein. Der Verband stützt seine Regelung auf das Bosman-Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 1995, das vom Eventualitäts- und Zufallscharakter der Entschädigung spricht. Vereinfacht gesagt, bedeutet das, dass zwischen der Qualität der Ausbildung und einem künftigen Vereinswechsel kein Zusammenhang angenommen wird. Demgegenüber könnte man argumentieren, dass besseres und häufigeres Training die Qualität der Fußballer verbessert und Wechsel wahrscheinlicher macht.

Auch der Verbleib beim ausbildenden Verein müsste in die Berechnung der Entschädigung einfließen. Ab einem gewissen Zeitpunkt überwiegen nämlich die Erträge, die der Verein durch den Spieler lukriert, die Kosten, die dieser verursacht. Während im Nachwuchsfußball der Aufwand mutmaßlich höher als der Ertrag ist, hilft der Spieler im Erwachsenenfußball, höhere Einnahmen durch Eintrittsgelder und Sponsoren zu erwirtschaften. Einem ähnlichen Effekt trägt der Ausbildungskostenrückersatz im Arbeitsrecht Rechnung, wonach sich dieser in der Zeit, die der Arbeitnehmer nach der Ausbildung im Unternehmen verbleibt, verringert. Im Fußball steigt die Höhe der Ausbildungsentschädigung jedoch bis zum 23. Lebensjahr. Laut Rebernig ist das zu lange, ab dem 21. Lebensjahr überwiege der Nutzen des Spielers für den Verein gegenüber den Kosten: „Die Ausbildung ist zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen.“

Ausbildungspauschale

Um die Ausbildungsentschädigung nicht zum Geschäft werden zu lassen, müsste sich ihre Höhe zudem an den angefallenen Kosten orientieren. Grundsätzlich sind Pauschalierungen zulässig, jedoch wird die unterschiedliche Qualität der Ausbildung – abgesehen von den Akademien – in den ÖFB-Berechnungen nicht berücksichtigt. Das indiziert einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz, wonach Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln ist, und wäre demnach verfassungswidrig. „Wir wünschen uns eine faire Berechnung der Ausbildungsentschädigung“, sagt Schütz. Er sieht sich als Verlierer der pauschalierten Berechnung, da Donau Linz eine überdurchschnittlich gute Ausbildung anbiete.

Problematisch ist auch die Nichteinbeziehung der Ausbildungsbeiträge der Eltern. Sollten diese über Vereinsmitgliedsbeiträge hinausgehen, da beispielsweise Trainer oder Materialen finanziert werden, würde der Erhalt der Ausbildungsentschädigung dem Entschädigungsgedanken der Vorschrift zuwiderlaufen. Jurist Rebernig erkennt auch hier eine Bereicherungsmöglichkeit des abgebenden Vereins. Die Gelder, die ein Klub aus der Ausbildungsentschädigung erhält, würden zur Finanzierung des Erwachsenenfußballs herangezogen. Dem widerspricht Donau-Linz-Obmann Schütz nicht: „Die Ausbildungsentschädigung wird nicht zweckgebunden für den Nachwuchs verwendet, sondern dort, wo sie gebraucht wird.“

Auch hinsichtlich der vom Obersten Gerichtshof gestellten Anforderung, dass die Rechte des Spielers nicht maßgeblich beschränkt werden dürfen, gibt es Schwierigkeiten. Man stelle sich einen 23-jährigen vereinslosen Profi vor, für den ein potenzieller Arbeitgeber in der zweithöchsten Spielklasse knapp 10.000 Euro an Ausbildungsentschädigung zu zahlen hätte. Diese Hürde stellt einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Erwerbsfreiheit dar.

Falsche Konkurrenz

Während die bisher dargestellten Punkte juristisch unterschiedlich bewertet werden können, stellen die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen zwingendes Recht dar, sie können also durch Einzelverträge nicht umgangen werden. Das Arbeitsrecht regelt unter anderem den Ausbildungskostenrückersatz sowie die Konkurrenzklausel, die über eine Zusatzvereinbarung im Arbeitsvertrag einen direkten Wechsel innerhalb derselben Branche untersagt. Die Ausbildungsentschädigung ist vor diesem Hintergrund problematisch. Schließlich verunmöglicht sie, dass Spieler ohne Weiteres von einem Verein zum anderen wechseln, damit gleicht sie der Konkurrenzklausel mit Vertragsstrafe. Doch diese arbeitsrechtliche Bestimmung hat eindeutige Voraussetzungen, denen bei der Ausbildungsentschädigung nicht entsprochen wird. Eine Konkurrenzklausel darf nämlich nicht mit Minderjährigen vereinbart werden, sie darf den Zeitraum von einem Jahr nicht übersteigen, das Fortkommen des Arbeitnehmers nicht unbillig erschweren und nur bei einem Bruttogehalt von über 3.900 Euro abgeschlossen werden. Für viele Spieler der zweiten Liga dürften diese Kriterien nicht zutreffen, die Ausbildungsentschädigung wäre in diesen Fällen also rechtswidrig.

Das ist aber nicht das einzige arbeitsrechtliche Problem. Der Ausbildungskostenrückersatz, der das Aufkommen des Arbeitsnehmers für die Kosten der Ausbildung vorsieht, kann auch bei Fußballern angenommen werden, sofern man das Training als Ausbildung wertet. Das wird in der Literatur jedoch überwiegend verneint, da die Aneignung von sportlichen Fertigkeiten nicht als Ausbildung gewertet wird. Dabei wird verkannt, dass durch das Training Spezialkenntnisse vermittelt werden, die zu einer Marktwertsteigerung führen und bei anderen Arbeitgebern verwertet werden können. Auch Anwalt Rebernig sieht im Training eine nicht geregelte Ausbildung, er spricht sich daher für die Anwendung der Ausbildungsrückersatzklausel aus. Sollte das Training als Ausbildung gewertet werden, ergibt sich daraus die Pflicht zur pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bei Minderjährigen. Wenn diese einen Jungprofivertrag vorgelegt bekommen, müsste also ein Richter zustimmen. Außerdem wäre die Ausbildungsentschädigung nicht anzuwenden, wenn das Arbeitsverhältnis, also der Vertrag, durch zeitliche Befristung endet. Die im Ausbildungskostenrückersatz festgesetzte Aliquotierung der Ausbildungskosten würde bedeuten, dass bei der vorzeitigen Beendigung durch den Arbeitnehmer nur eine anteilige Aufwandsentschädigung zu leisten wäre.

Der ÖFB hat mit der Novellierung der Ausbildungsentschädigung 2017 zwar für ein beweglicheres System gesorgt, indem er die bis dahin geltenden pauschalen Entschädigungssätze durch altersbedingte Abstufungen näher aufschlüsselte. Alter und Ausbildungsdauer haben seither mehr Einfluss auf die Höhe der Entschädigung. Rechtlich sicher ist das Konstrukt aber immer noch nicht, die Ausbildungsentschädigung steht auf wackeligen Beinen. Sollten Spieler oder Vereine gegen die Regelung klagen, würde wohl erst ein höchstgerichtliches Urteil Klarheit in der Thematik bringen.

Causa Milletich – Ist das (Straf-)Recht die Grenze?

Ein Plädoyer für „Compliance- und Good Governance-Richtlinien im Sport“

von Christina Toth und Patrick Petschinka

(bereits in der LAOLA1-Kolumne „§port und alles was Recht ist“ erschienen)

Gerhard Milletich soll sein Amt als ÖFB-Präsident genutzt haben, um Inserate für das schau-Magazin zu gewinnen. Ein Magazin, dessen Herausgeber Gerhard Milletich ist. Der amtierende ÖFB-Präsident bestreitet den Vorwurf: Er habe seine Funktion niemals missbraucht. Zu allen Unternehmen hätten bereits vor seinem Amtsantritt Geschäftsbeziehungen bestanden. Aussagen von potenziellen Inserenten sollen ein konträres Bild zeichnen.

Vorweg ist festzuhalten, dass wir den Fall Milletich mangels Kenntnis des konkreten Sachverhalts nicht bewerten wollen. Die Causa hat aber viel Staub aufgewirbelt: Mediale Empörung, öffentliche Diskussionen im ÖFB-Präsidium und oberdrein ein Gerichtsverfahren (dazu hier). Der Schaden für den ÖFB ist angerichtet.

Auch der reflexartige Ruf nach Compliance und Good Governance im Sport ließ nicht lange auf sich warten. Worum geht es dabei? Der Begriff „Compliance“ leitet sich aus dem Englischen „to comply with“ ab, worunter wörtlich „befolgen“, „entsprechen“ oder „erfüllen“ zu verstehen ist. Heute wird mit „Compliance“ gemeinhin die Einhaltung von Regeln und Gesetzen beschrieben. Der Begriff „Good Governance“ kommt ebenfalls aus dem Englischen und bedeutet im vorliegenden Kontext „gute Vereinsführung“. Beides Konzepte, die eigentlich selbstverständlich sein sollten, die aber gerade im Spannungsfeld von Ehrenamt und Hauptberuf (gefährlichen) Interpretationsspielraum offenlassen.

Das ÖFB-Präsidium hat inzwischen entschieden, die Causa dem Ethikkomitee der Fußball-Bundesliga zu übergeben. Juristisch wirft der Fall die Frage auf, ob die Verknüpfung von Ehrenamt und Hauptberuf rechtliche Konsequenzen nach sich zieht. Dem wird im Folgenden nachgegangen, wobei die Causa Milletich nur als Aufhänger dient.

Kein strafrechtlich relevantes Verhalten

Der Sport lebt vom Ehrenamt – auf allen Ebenen. Gesellschaftliche Anerkennung und ein interessantes Netzwerk sind oft die Motivation für den unentgeltlichen Einsatz in Sportverbänden und -vereinen. Gerade an die Spitze großer gemeinnütziger Organisationen werden nicht selten einflussreiche Personen gewählt, die ihren Einfluss sodann zugunsten der Organisation geltend machen sollen. So weit, so gut.

Kommen wir zum Juristischen: Das Strafrecht regelt grundsätzlich Fälle, in denen Mittel von Fremden (also auch von Verbänden oder Vereinen) zweckwidrig verwendet werden. Untreue, Betrug und Fördermittelmissbrauch sind nur drei der Tatbestände, die die pflichtwidrige Verwendung von finanziellen Mitteln unter Strafe stellen.

Den medialen Berichten zufolge wurde in der Inseratencausa aber kein strafrechtlich relevantes Verhalten gesetzt. Doch ist das Strafrecht die Grenze?

Nun sag‘, wie hast du’s mit der Moral?

Selbst wenn das staatliche (Straf-)Recht nicht greift, bedeutet das nicht, dass ein Verhalten, mit dem sich jemand einen persönlichen Vorteil verschafft, ohne Konsequenzen bleiben muss. Ganz im Gegenteil: Unsere Gesellschaft hat sich nicht bloß auf Rechtsnormen, sondern auch auf moralische Normen und Werte verständigt. Diesbezüglich sei auf die Aussage des ehemaligen Rechnungshof-Präsidenten Franz Fiedler verwiesen, die dieser im vorliegenden Kontext getroffen hat:

„Korruption beginnt nicht erst mit dem Strafrecht. Das ist eine weltweit anerkannte Tatsache. Sie beginnt im Vorfeld des Strafrechts […].“ Korruption ist freilich ein schwerwiegender Vorwurf. Eine allgemeingültige Begriffsbestimmung von Korruption gibt es nicht. Transparency International arbeitet etwa mit folgender Definition: „Korruption ist der Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil.“ Es ist also nicht jeder persönliche Vorteil, den ein Verbands- oder Vereinsverantwortlicher aus seiner (meist ehrenamtlichen) Funktion zieht, gleich Korruption.

Aber: Der Sport schreibt sich Werte wie Integrität und Fairplay mit freudiger Bereitwilligkeit auf die Fahnen. Dafür sollte er auch abseits des Spielfelds stehen. Doch wie kann das gelingen?

Compliance & Good Governance-Richtlinien

Verbände und Vereine sind nach dem Vereinsgesetz gegründete, demokratische Organisationen, die sich ihre Spielregeln in den Statuten und allfälligen Geschäftsordnungen im Rahmen der Gesetze selbst geben. Die Funktionäre haben ihre Aufgabe im Verein mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Organwalters auszuüben. Dabei haben sie sich an die gesetzlichen Vorschriften, aber auch an die vereinsinternen Regularien und Beschlüsse zu halten. Bei einem schuldhaften Verstoß drohen Schadenersatzforderungen, und/oder andere in den Regularien vorgesehene Konsequenzen.

Dabei ist es Aufgabe der verantwortlichen Organe ebensolche Regularien zu schaffen, um im Falle des Falles auch Konsequenzen ziehen zu können.

Der ÖFB hat eine lange Liste an Bestimmungen, Regulativen und Richtlinien verabschiedet. Regeln für das (persönliche) Verhalten der eigenen Funktionäre und Verantwortlichen gibt es – soweit ersichtlich – nicht. Solche wären aber ein zentrales Vehikel, um imageschädigende Diskussionen wie in der Inseratencausa von vornherein zu verhindern (oder es zumindest zu versuchen). Der ÖFB müsste das Rad auch gar nicht neu erfinden:

Der Österreichische NPO-Governance Kodex (NPO steht für „Non-Profit-Organisation“) macht klare Vorschläge, wie Governance-Regelungen in gemeinnützigen Organisationen im Hinblick auf Interessenkonflikte ausgestaltet sein könnten. Beispielsweise:

  • die Mitglieder des Leitungsorgans haben ihre Aufgaben stets im Interesse der NPO und deren Zweckerreichung auszuüben und dürfen dabei keine Eigeninteressen verfolgen oder Geschäftschancen der NPO für sich selbst nutzen;
  • Mitglieder des Leitungs- oder Aufsichtsorgans haben Interessenkonflikte unverzüglich dem Vorsitzenden des jeweiligen Organs mitzuteilen. Dieser hat Interessenkonflikte den übrigen Organmitgliedern mitzuteilen. Bei einer Beschlussfassung über eine Angelegenheit, in der sie einem Interessenkonflikt unterliegen, sind diese Personen von der Abstimmung ausgeschlossen;
  • bestehen Interessenkonflikte dauerhaft, haben die betroffenen Personen ihr Amt zurückzulegen oder
  • Geschäfte der GeschäftsführerInnen mit der NPO bedürfen der Zustimmung des Leitungsorgans; Geschäfte von Mitgliedern des Leitungsorgans mit der NPO bedürfen der Zustimmung des Aufsichtsorgans; Geschäfte von Mitgliedern des Aufsichtsorgans bedürfen der Beschlussfassung des Aufsichtsgremiums.

Die Vorschläge leuchten ein. Im Wesentlichen geht es darum, mögliche Interessenskonflikte im Vorfeld zu regeln. Damit geht Transparenz in der Verbands- und Vereinsführung einher. Immerhin arbeiten die Verantwortlichen mit Geldern der Mitglieder, mit Sponsorengeldern und nicht zuletzt mit Förder-, also Steuergeldern. Transparenz sollte schon im ureigenen Interesse jedes Sportfunktionärs sein, um nicht einmal den Anschein eines pflichtwidrigen Verhaltens zu erwecken.

Es ist also nicht nur die Aufgabe des einzelnen Funktionärs dem Anstand und der Moral entsprechend zu handeln, sondern der Organisation als Ganzes. Sie hat dafür zu sorgen, dass entsprechende „Spielregeln“ installiert werden. Diese fehlen beim ÖFB offenbar. Doch damit ist er nicht allein – Compliance und Good Governance werden in gemeinnützigen Organisationen in Österreich generell stiefmütterlich behandelt.

Vereinsrechtliche Instrumentarien als Garant für Compliance?

Vereinsfunktionäre können nicht wie Arbeitnehmer „einfach“ gekündigt oder entlassen werden. Die demokratische Struktur von Vereinen ermöglicht es aber, gewählte Organwalter wieder abzuwählen; sei es bei ordentlichen Wahlen oder im Rahmen von außerordentlichen Mitgliederversammlungen. Diese sind laut Vereinsgesetz auf Antrag von zumindest 10 % der Mitglieder einzuberufen. Aus praktischer Erfahrung wissen wir jedoch, dass die Vereinsverantwortlichen (insbesondere jene, die sich mit Kritik konfrontiert sehen) die Einberufung der Gremien, die ihre Abwahl besiegeln sollen, oft verhindern. In manchen Fällen reicht aber bereits die theoretische Möglichkeit zur Abwahl, um selbst den Hut zu ziehen.

Laut den Satzungen des ÖFB kann die Bundeshauptversammlung (die Mitgliederversammlung im Sinne des Vereinsgesetzes) das gesamte Präsidium oder einzelne Mitglieder jederzeit ihres Amtes entheben. Einen ausdrücklichen Verstoß gegen irgendwelche Richtlinien braucht es dafür nicht. Eine Stimmenmehrheit reicht aus. Diese dürfte es, laut Medienberichten, im ÖFB aktuell nicht geben.

Dass sich die Bundeshauptversammlung, die das Präsidium abwählen kann, und das Präsidium selbst aus den gleichen Personen (Landesverbandspräsidenten und Bundesligavertreter) zusammensetzt, ist eine andere (Good Governance-)Geschichte…

Resümee und Ausblick

Die eingangs aufgeworfene Frage lässt sich eindeutig beantworten: Das staatliche (Straf-)Recht bildet selbstverständlich nicht die einzige Grenze für das Handeln von Sportfunktionären. Bei Entscheidungen sind auch das Vereinsgesetz, die Statuten und interne Richtlinien sowie nicht zuletzt moralische Normen zu beachten. Werden diese nicht eingehalten, können Funktionäre unter Einhaltung demokratischer Prozesse ihrer Ämter enthoben und/oder nach den allgemeinen zivilrechtlichen Bestimmungen für ihr Handeln haftbar gemacht werden.

Compliance- und Good Governance-Regeln sollen vor allem die Interessen der Organisation und seiner Mitglieder schützen. Eine medienöffentliche Auseinandersetzung schafft eine „lose-lose-lose-Situation“. Sie schadet nicht nur dem Verband und den einzelnen Beteiligten, sondern auch dem Sport als Ganzes.

Die Inseratencausa sollte seitens der Sportverbände daher zum Anlass genommen werden, um Compliance- und Good Governance-Richtlinien sowie Instrumentarien zu deren Durchsetzung zu implementieren.

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Wenn der vorstehende Beitrag Ihr Interesse am Thema „Compliance und Good Governance im Sport“ geweckt hat, dürfen wir Sie auf folgende Veranstaltung aufmerksam machen:

COMPLIANCE IM SPORT – Know How für Vereine, Veranstalter und Sponsoren

23.2.23, Admiral Arena Prater

Teilnahme kostenlos, Anmeldung hier erforderlich.

Der „Brexit“ – (K)ein Eigentor für den englischen Fußball?

Gastbeitrag von Meinhardt Schweditsch

Die Bürger des Vereinigten Königreiches haben sich für einen Abschied aus der Europäischen Union entschieden. Nach dem Schlusspfiff durch das Volk wollen die Verantwortlichen der Europäischen Union keine Verlängerung. Nun stellt sich die Frage nach den Folgen eines möglichen Austrittes aus der EU (im Folgenden: „Brexit“) für die Legionäre, die in englischen Ligen ihr Geld als Fußballprofis verdienen oder verdienen wollen. Außerdem sind die Folgewirkungen für englische Profis, die in nicht britischen, europäischen Ligen spielen, näher zu beleuchten.

Das Thema kann in diesem Rahmen nicht abschließend diskutiert werden. Dennoch sollen drei Fragen in diesem Beitrag behandelt werden: Erstens die Frage, ob eine Grundaussage des Bosman Urteils – nämlich das Verbot von Ablösesummen (zum Beispiel das Verbot einer sog „Transferentschädigung“) nach Ablauf der vereinbarten Laufzeit des Vertrages – in England noch Gültigkeit haben wird. Zweitens, ob Profis aus den EU-Mitgliedstaaten weiterhin problemlos nach England wechseln können. Drittens die Frage, was ein „Brexit“ für vielversprechende ausländische Minderjährige bedeutet, die nach England transferiert werden sollen.

Das „Bosman-Urteil“

Das berühmte „Bosman-Urteil“, welches sich 2015 zum 20. Mal jährte, wurde vom EuGH gefällt. Fraglich ist deswegen, ob der Inhalt des Urteils bei einem „Brexit“ weiter anwendbar bleibt. Andernfalls können englische Klubs jedenfalls eine Ablösesumme für ausländische Spieler verlangen. Selbiges würde für Vereine der Union, die englische Spieler beschäftigen, gelten.

Englische Spieler werden künftig in der EU zur Gruppe der Drittstaatsangehörigen zu zählen sein. Die Folgen des „Bosman-Urteiles“ erstrecken sich laut dem Urteil auch auf Spieler aus Ländern, die mit der EU ein Assoziationsabkommen geschlossen haben, sofern sich dieses auf die Grundfreiheiten bezieht. (Streinz, Der Fall Bosman: Bilanz und neue Fragen, ZEuP 2005, 340 (347 f).)

Allerdings könnte es sein, dass England nach vollzogenem „Brexit“ vorerst gar kein vertragliches Verhältnis mit der EU hat. Dies würde bedeuten, dass die Ablösefreiheit nur aus dem FIFA-Reglement bezüglich Status und Transfer von Spielern (im Folgenden: FIFA-Transferregularien) abgeleitet werden könnte, da der englische Fußballverband (FA) der FIFA angehört. Dieses Reglement sieht den Vertrag zwischen Spieler und Verein als beendet an, sobald er ausgelaufen ist. Nachvertragsklauseln mit Sperren oder Ähnlichem sind nicht möglich. Bei triftigem Grund kann der Vertrag von Spielerseite vorzeitig aufgelöst werden ohne dass dieser Folgen befürchten muss. In beiden Fällen ist eine Ablösesumme nach diesen Regularien nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Zwei gegensätzliche Ansichten erscheinen vertretbar:

  1. Das umfassende Verbot von Ablösesummen bei Zeitablauf des Vertrages kann aus Art 14 FIFA-Transferregularien abgeleitet werden. Dieser besagt, dass die Partei, die den Vertrag aus triftigen Gründen vorzeitig löst, keine Sanktionen im Sinne von Entschädigungszahlungen und keine sportlichen Sanktionen erwarten soll. Ziel ist es, die Partei des Vertrages, die die Auflösung nicht verschuldet hat, zu schützen. Endet die vereinbarte Vertragslaufzeit, hat keine der beiden Parteien die Vertragsauflösung verschuldet. Demnach kann auch in einem solchen Fall argumentiert werden, dass keine der beiden Parteien Sanktionen befürchten soll. Insbesondere verbietet Art 14 FIFA-Transferregularien sog Entschädigungszahlungen. Der EuGH verbietet im Bosman-Urteil Transferentschädigungen. Eine Transferentschädigung ist eine Entschädigungszahlung und damit von Art 14 FIFA-Transferregularien erfasst. Dieses Verbot von Entschädigungszahlungen (zB Transferentschädigungen bzw Ablösen) kann also auf Verträge, die nach der vereinbarten Vertragsdauer enden, angewendet werden. In den Regelungen nationaler Verbände, wie dem ÖFB, kommt das des früheren Vereins bei einem Wechsel des Spielers nach Ablauf der vereinbarten Laufzeit des Vertrages klar zum Ausdruck (siehe § 22).
  2. Ist man gegenteiliger Ansicht, gilt das Ablöseverbot bei einem Vertrag dessen Laufzeit geendet hat, welches ursprünglich aus dem Bosman-Urteil abgeleitet wurde, nicht mehr. Englische Klubs können damit auch nach Zeitablauf des Vertrages Ablösesummen verlangen. Umgekehrt können auch europäische Klubs Ablösesummen für englische Spieler, die als Drittstaatsangehörige gelten, im Falle des Ablaufes der vereinbarten Vertragszeit verlangen. Dies liegt daran, dass bei einem „Brexit“ keine vertragliche Beziehung (z.B. Assoziationsabkommen) zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich besteht.

Transfers nur noch mit Arbeitserlaubnis möglich

Eine weitere problematische Tatsache ist, dass bei einem vollständigen „Brexit“ alle ausländischen Spieler, die nach England wechseln wollen, eine Arbeitserlaubnis benötigen würden. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit gilt dann nicht mehr. Das Erfordernis der Arbeitserlaubnis (sowie eines Visums) gilt bis dato nur für Drittstaatsangehörige. Transfers von Drittstaatsangehörigen sind derzeit nämlich nur dann möglich, wenn die Spieler eine gewisse Qualität vorweisen können. Die zu erfüllenden Qualitätskriterien sind dabei sehr hoch angesetzt, da sie an Länderspielteilnahmen in Verbindung mit der Weltrangliste der Nationen anknüpfen.

Je schlechter die Nation in der FIFA-Weltrangliste gereiht ist, desto mehr Länderspielteilnahmen muss der betroffene Spieler nachweisen, um den englischen Anforderungskriterien an eine Arbeitserlaubnis zu genügen. Der Beobachtungszeitraum beträgt dabei in der Regel zwei Jahre vor der Stellung des Antrages auf Arbeitserlaubnis. Diese strengen Regeln des englischen Innenministeriums, welche auf jene des nationalen englischen Fußballverbandes (FA) verweisen, würden bei einer vollständigen Loslösung von der EU nun auch für Spieler aus EU-Mitgliedstaaten zur Anwendung kommen. Das würde einen Wechsel nach England massiv erschweren. Davon ausgenommen sind allerdings jene Spieler aus EU-Ländern, die bereits in England tätig sind.  Für Minderjährige tritt eine besondere Erschwernis hinzu.

Transfers bei Minderjährigen

Grundsätzlich ist für Minderjährige Art 19 FIFA-Transferregularien anzuwenden. Sie dürfen international nur transferiert werden, wenn sie mindestens 18 Jahre alt sind. Bis dato konnte ein Transfer trotzdem stattfinden, sofern eine der folgenden Fälle vorliegt: Erstens, wenn die Eltern des betroffenen ausländischen Spielers den Wohnsitz im Land des neuen Vereins aus Gründen annahmen, die nichts mit dem Fußballsport zu tun haben. Zweitens, wenn der Wechsel innerhalb der EU oder innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) stattfindet. Bei einem Austritt Großbritanniens aus der EU trifft die zweite Alternative nicht mehr zu. Transfers würden dadurch massiv erschwert werden.

Fazit

Bei einem Austritt aus der Union und einem gleichzeitigen Beitritt in den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) wären die weiter oben beschriebenen Probleme mit einem Schlag entschärft. Der Grund liegt darin, dass Länder, die dem EWR beitreten, von der Arbeitnehmerfreizügigkeit profitieren. (Streinz, ZEuP 2005, 340 (347 f).)

Da das EWR-Abkommen jedenfalls mit einem Assoziationsabkommen gleichwertig ist, wäre auch die Rsp. des EuGH anwendbar und englische Spieler in der EU damit geschützt. Im Gegenzug würde die Grundfreiheit der Arbeitnehmerfreizügigkeit auch in England gelten. Zudem sind EWR-Staaten auch von der Ausnahmeregelung des Art 19 FIFA-Transferregularien erfasst.

Sollte Großbritannien jedoch den „Brexit“ vollziehen und nicht in den EWR aufgenommen werden, könnte das britische Innenministerium nur die Anforderungen an eine Arbeitserlaubnis verringern. Dies wäre politisch allerdings problematisch, weil andere Branchen dann ebenfalls eine solche Verringerung der Anforderungen an eine Arbeitserlaubnis einfordern würden. Eine Anpassung der FIFA-Transferregularien im Sinne einer „lex Britain“ als dritte Ausnahmeregelung des Art 19 ist eher denkbar. Das Problem der Ablösesummen müsste dann ebenfalls durch eine Anpassung der FIFA-Transferregularien gelöst werden.

 

Zum Autor:

Mag. Meinhardt Schweditsch ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz.

 

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