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Der sportrechtliche Jahresrückblick 2023

Der vorliegende Beitrag lässt das sportrechtliche Jahr 2023 nochmals Revue passieren. Ein Jahr, in dem einiges los war. Besonders die Meldungen vom 21. Dezember aus Luxemburg bergen erhebliche Sprengkraft. Die folgenden Ausführungen können keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, sollen den Sportrechtsinteressierten aber einen Überblick bieten.

I. Von den „Gerichten“

Vor Jahren wurde noch kolportiert, dass Streitigkeiten im Sport außerhalb von Gerichtssälen ausgetragen werden. Diese Aussage kann heute nicht mehr aufrechterhalten werden. Obwohl für die Streitschlichtung im Sport primär die Sportgerichtsbarkeit vorgesehen ist, werden zunehmend die ordentlichen Gerichte bemüht:

Den Anfang machen die rezenten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 21. Dezember in den Rechtssachen „European Superleague Company“ (C-333/21), „International Skating Union/Kommission“ (C-124/21 P) und „Royal Antwerp Football Club“ (C-680/21):

Vorauszuschicken ist, dass der EuGH der Super League entgegen dem Narrativ der Medien weder eine Zusage noch eine Absage erteilt hat; das wird in der Pressemitteilung des Gerichtshofs sogar ausdrücklich betont. Eine deutliche Absage hat der EuGH hingegen der Ansicht des Generalanwalts Rantos erteilt (zu seinen Schlussanträgen siehe unseren Beitrag). Der Gerichtshof hat im Wesentlichen festgestellt, dass die Vorschriften der FIFA und der UEFA über die vorherige Genehmigung von Fußballwettbewerben im Widerspruch zum Unionsrecht stehen, konkret zum Wettbewerbsrecht und zur Dienstleistungsfreiheit. Das bedeutet fürs Erste, dass die FIFA und die UEFA ihre Regeln bezüglich der Genehmigung von Alternativwettbewerben reformieren müssen. Sie haben ein transparentes, objektives, nicht-diskriminierendes und verhältnismäßiges (Genehmigungs-)System zu entwickeln. Ob ihnen das gelingt und ob die neuen Pläne der European Superleague Company die zu entwickelnden Genehmigungskriterien in weiterer Folge erfüllen, steht auf einem anderen Blatt und soll hier beiseitegelassen werden (siehe dazu bereits unseren Beitrag). Der Streit um die Super League ist damit also noch nicht zu Ende.

Im Fall der International Skating Union (ISU) hat der EuGH im Wesentlichen geurteilt, dass die Vorschriften der ISU über die vorherige Genehmigung von Eislaufwettbewerben gegen Unionsrecht verstoßen. Grund hierfür ist die Einschränkung des Wettbewerbs zum Nachteil der Athleten, der Verbraucher und des Publikums. Auch hier verlangt der EuGH ein transparentes, objektives und verhältnismäßiges Regelwerk in Bezug auf die Genehmigung von Alternativwettbewerben. Zudem enthält die Entscheidung spannende Ausführungen zur obligatorischen „CAS-Schiedsklausel“. Diesbezüglich könnte sie ebenfalls weitreichende Auswirkungen zeitigen.

Im Lichte dieser beiden Paukenschläge blieb die dritte sportrechtliche Entscheidung des EuGH vom 21. Dezember (zumindest medial) unter dem Radar: Es handelt sich um den Fall „Royal Antwerp Football Club“, bei dem es inhaltlich um die Unionsrechtskonformität der „Homegrown“-Regelungen der UEFA und des belgischen Fußballverbands geht. Demnach müssen acht von 25 Plätzen auf der Kaderliste für solche Spieler reserviert sein, die unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit mindestens drei Jahre lang im Alter zwischen 15 und 21 Jahren von ihrem Klub oder einem anderen Klub desselben nationalen Verbandes ausgebildet wurden; vier davon müssen vom betreffenden Klub ausgebildet worden sein (so die Bestimmungen der UEFA). Der EuGH hat nun entschieden, dass diese Regelungen gegen Unionsrecht, konkret gegen das Wettbewerbsrecht und die Arbeitnehmerfreizügigkeit verstoßen könnten. Nach Ansicht des Gerichtshofs liegt es aber in der Verantwortung des nationalen Gerichts, dies zu beurteilen. Für die Beurteilung gibt der EuGH dem nationalen Gericht zumindest ein paar Leitlinien an die Hand (zu diesem Fall werde ich in Kürze einen wissenschaftlichen Aufsatz verfassen).

Auch die Causa rund um die Mittelstreckenläuferin Caster Semenya ist um eine Facette reicher. Wir erinnern uns: Im Jahr 2019 hat der Internationale Sportgerichtshof (CAS) festgestellt, dass die „DSD-Bestimmungen“ (Anmerkung: haben Testosteronwerte zum Gegenstand) zwar diskriminierend wären, eine solche Diskriminierung jedoch als „notwendig, angemessen und verhältnismäßig“ zu betrachten sei, wenn damit das höhere Ziel, nämlich die „Integrität der Frauen-Leichtathletik“ geschützt werde (siehe dazu bereits unseren Beitrag). Auch vor dem Schweizerischen Bundesgericht blitzte die Olympiasiegerin aus Südafrika in weiterer Folge ab. Im Jahr 2023 konnte Semenya hingegen einen juristischen Erfolg einfahren: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) stellte in ihrer Sache mehrere Verstöße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) fest, darunter beispielsweise Verstöße gegen das Diskriminierungsverbot, das Recht auf Achtung des Privatlebens und das Recht auf eine wirksame Beschwerde (zur Pressemitteilung des EGMR).

Bitter lief es hingegen für den 1. FC Köln vor dem Sportgerichtshof in Lausanne: Der CAS bestätigt die von der FIFA ausgesprochene Transfersperre für zwei Wechselperioden. Ausgangspunkt war der Transferstreit um den damals 16-jährigen Spieler Jaka Cuber-Potocnik vom NK Olimpija Ljubljana. Dem deutschen Bundesligisten wurde Anstiftung zum Vertragsbruch vorgeworfen. Der CAS hat die Beschwerde des Klubs nunmehr verworfen und die Transfersperre bestätigt (zur Pressemitteilung des CAS). Diese Entscheidung ist nicht zuletzt in Anbetracht der sportlichen Situation des 1. FC Köln (nur zehn Punkte aus 16 Spielen und die Entlassung des Langzeittrainers Steffen Baumgart) fatal.

Weltweit sind zahlreiche Gerichte mit der Einführung des neuen Reglements für Football Agents befasst (zum Reglement unten II.), darunter beispielsweise ein Verfahren vor dem CAS: Dieser hat die Klage der Professional Football Agents Association auf Unvereinbarkeit des neuen Reglements mit dem Unionsrecht mit Schiedsspruch vom 24. Juli abgewiesen (zum Schiedsspruch). Damit ist die Debatte über das Reglement aber keinesfalls beendet. In zahlreichen Ländern sind entsprechende Verfahren anhängig, so beispielsweise auch in Deutschland: Während das Landgericht Dortmund die Regelungen in einem Verfügungsverfahren vorerst ausgesetzt hat, ersucht das Landgericht Mainz den EuGH um eine Vorabentscheidung (siehe dazu folgenden Blogbeitrag). Es geht um grundsätzliche Fragen der Vereinbarkeit des Reglements für Football Agents mit dem europäischen Kartellrecht und der Dienstleistungsfreiheit (zum Vorabentscheidungsersuchen). Die Antworten des EuGH werden die Marschrichtung festlegen.

In Österreich sorgte eine Entscheidung des OLG Linz für Aufsehen: Anlass des Streits zwischen einem Klub der Österreichischen Fußball-Bundesliga und einem Spieler war eine Verschwiegenheitsklausel im Aufhebungsvertrag. Demnach habe sich der Spieler jeglicher kritischen Äußerung über den Klub, dessen Vertreter und Mitarbeiter sowie sein Arbeitsverhältnis mit dem Klub gegenüber Dritten, insbesondere den Medien, zu enthalten (im Folgenden: „Kritikverbot“) und über alle ihm im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis bekannt gewordenen Interna uneingeschränkt und unbefristet strengstens Stillschweigen zu bewahren (im Folgenden: „Geheimhaltungsvereinbarung“). Während das OLG Linz die „Geheimhaltungsvereinbarung“ als grundsätzlich zulässig erachtete, bewertete es das „Kritikverbot“ als sittenwidrig (ausführlich dazu meine Entscheidungsbesprechung in der SpoPrax).

In Deutschland schlug das „Karriereende“ des Schiedsrichters Manuel Gräfe hohe Wellen (zum Sachverhalt siehe unseren Beitrag). Grund für das Aus ist eine interne „Richtlinie“ des Deutschen Fußballbundes (DFB), wonach für Schiedsrichter in der Bundesliga mit Erreichen eines gewissen Alters (in vorliegenden Fall: 47 Jahren) Schicht im Schacht ist. Das wollte der ehemalige Schiedsrichter nicht auf sich sitzen lassen und klagte den DFB vor dem Landgericht Frankfurt am Main wegen Altersdiskriminierung. Das Gericht gab Gräfe grundsätzlich Recht und verurteilte den DFB auf Zahlung einer Entschädigung für den Nichtvermögensschaden in Höhe von EUR 48.500,00 gemäß § 15 Abs 2 Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (zum Urteil).

Ebenfalls in Deutschland hatte sich das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Klassifizierungen im paralympischen Schwimmsport zu beschäftigen und dabei eine wegweisende Entscheidung für den Parasport getroffen. Fußnote: Die Klassifizierung entscheidet über die Einteilung der Athleten in die jeweiligen Klassen. Das Gericht gab der Berufung des brasilianischen Para-Schwimmsportlers André Brasil statt und sprach ihm Schadenersatz in Höhe von EUR 47.178,00 nebst Zinsen zu. Inhaltlich hat es im Wesentlichen festgestellt, dass der vertragliche Ausschluss der gerichtlichen Kontrolle von Klassifizierungsentscheidungen unwirksam ist und der Verband bei Änderung der Klassifizierungsregeln Übergangsfristen zu implementieren hat (zum Urteil).

II. Aus dem „Parlament“

Mit der Professionalisierung und Kommerzialisierung im Sport geht eine Verrechtlichung einher. So treten neben die allseits bekannten (verbandsrechtlichen) Spiel- und Sportregeln zunehmend allgemeingültige Rechtsregeln, die überwiegend die Rahmenbedingungen des sportlichen Systems zum Gegenstand haben. Obwohl die Verrechtlichung des Sports bereits weit fortgeschritten ist, gibt es doch noch einiges zu tun, um tatsächlich Rechtssicherheit für Sportler, Vereine und Verbände zu schaffen. Bevor auf die Vorhaben des österreichischen Gesetzgebers eingegangen wird, erfolgt eine kurze Darstellung zweier Regelwerke der ursprünglichen Regulatoren im Sport:

Die FIFA hat zum Jahreswechsel ein neues Reglement für Football Agents auf den Weg gebracht: „FIFA Football Agents Regulations“ (kurz FFAR). Damit möchte der Weltverband sicherstellen, dass gewisse Mindeststandards für Football Agents bestehen und ihr Verhalten mit den Zielen des Transfersystems vereinbar ist. Zu diesem Zweck wurden unter anderem eine Lizenz- und Fortbildungspflicht, ein Bestellerprinzip, ein Verbot von Mehrfachvertretungen sowie Provisionsobergrenzen festgelegt. Angesichts der Eingriffsintensität kann es nicht überraschen, dass der Vorstoß der FIFA für Aufregung sorgte. Zuallererst ist bereits fraglich, ob der Weltverband überhaupt eine Rechtsetzungskompetenz im Bereich Berufsausübungsregeln für Football Agents besitzt. Als einer der inhaltlichen Hauptkritikpunkte gilt die Einführung der Provisionsobergrenzen (siehe dazu mein Beitrag im PLAYER’S MAGAZINE). Inzwischen wurden bereits diverse Gerichte mit dem Reglement befasst (siehe dazu bereits oben I.). Gewisse Landesverbände haben sich daher entschieden, die entsprechenden Regelungen vorerst auszusetzen (darunter auch der ÖFB). Gestern, am 30. Dezember, ist die FIFA schließlich gleichgezogen. In einem Zirkular teilte der Weltverband mit, dass gewisse Bestimmungen vorübergehend ausgesetzt werden und man die Entscheidung des EuGH abwarten möchte (zum Zirkular Nr. 1873).

Ebenfalls für Schlagzeilen sorgte eine neue Regelung in der Formel 1: Gemäß Artikel 12.2.1.n International Sporting Code der Federation Internationale de l’Automobile (FIA) stellen politische, religiöse und persönliche Äußerungen oder Kommentare, insbesondere jene, die den in den Regularien festgeschriebenen Grundsatz der Neutralität verletzen, einen Regelverstoß dar; es sei denn, der Fahrer hat zuvor eine schriftliche Genehmigung eingeholt. Die vorgesehenen Strafen reichen von Verwarnungen über Geldbußen bis hin zu Suspendierungen und Ausschlüssen (siehe dazu unseren Beitrag). Die Vereinbarkeit der Regelung mit grundrechtlichen Garantien wie der Meinungsfreiheit ist in Zweifel zu ziehen. Damit rückte einmal mehr das umstrittene Verhältnis von Sport und Politik ins Zentrum.

In Österreich wurde der Ministerialentwurf eines Gemeinnützigkeitsreformgesetzes präsentiert. Damit soll die Spendenabzugsfähigkeit auch im Bereich des Sports durch die generelle Anknüpfung an die gemeinnützigen Zwecke im Sinne der Bundesabgabenordnung (BAO) ermöglicht werden. Apropos Gemeinnützigkeit: Die ausdrückliche Klarstellung der Gemeinnützigkeit des eSports lässt trotz Ankündigung von Regierungsvertretern weiterhin auf sich warten.

Und jährlich grüßt die Idee eines Berufssportgesetzes: Am 29. März fassten Abgeordnete des österreichischen Parlaments (erneut) einen entsprechenden Entschließungsantrag. Damit wurde der Sportminister ersucht, unter Einbindung der jeweils zuständigen Ressorts, des organisierten Sports, der Sozialversicherung und der Sozialpartner konkrete Problemfelder für im Berufssport tätige Personen zu identifizieren und Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten. Durch einen neuen rechtlichen Rahmen sollen die Bedingungen für sportspezifische Berufe im Arbeits-, Abgaben- und Sozialversicherungsrecht durch Anerkennung der Spezifika des Sports mit Hilfe von sachgerechten rechtlichen Lösungen verbessert werden (zum Entschließungsantrag). Dass der Gedanke eines gesetzlichen Sonderrechts für den Sport seit Jahrzehnten kursiert, ist allgemein bekannt. Es bleibt zu hoffen, dass 2024 nunmehr Taten folgen.

Gleiches gilt für den eSport: Auch hier ist der österreichische Gesetzgeber gefragt. Die Empfehlungen der ministeriellen Expertengruppe vom Sommer 2021 wurde bislang nicht umgesetzt (siehe dazu unseren Beitrag). Ein Antrag der NEOS, bis zum ersten Quartal 2024 ein „eSport-Gesetzespaket“ vorzulegen, wurde im Dezember im Sportausschuss ebenfalls bloß vertagt.

Auch in der österreichischen Rechtswissenschaft ist der eSport trotz seiner gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Relevanz bislang weitgehend unbehandelt geblieben. Diese Lücke wurde im Oktober mit dem ersten umfassenden Praxiswerk zum eSport-Recht geschlossen (zum Werk). In zehn Kapiteln geben fachkundige AutorInnen einen Überblick über die Einordnung der juristischen Querschnittsmaterie eSport in die österreichische Rechtsordnung. Darunter finden sich neben einer Einführung praxisnahe Kapitel zum Arbeitsrecht, Glücksspiel- und Wettrecht, Kartellrecht, Steuerrecht, Sozialrecht, Urheberrecht, Veranstaltungsrecht, Vereinsrecht und Zivilrecht – #eigenwerbung Ende!

III. Sonstiges

Abgerundet wird der vorliegende Jahresrückblick mit einem bunten Strauß an weiteren sportrechtlichen Themen:

Nachdem sich sämtliche Berufsfußballer der neu gegründeten „VdF – die Spielervereinigung“ angeschlossen haben (siehe dazu unseren Beitrag), stellte die Organisation im April einen Antrag auf Zuerkennung der Kollektivvertragsfähigkeit beim zuständigen Bundeseinigungsamt. Damit kämpfen die Fußballer der Österreichischen Fußball-Bundesliga (ÖFBL) darum, sich in Kollektivvertragsverhandlungen mit der ÖFBL zukünftig selbst vertreten zu können. Nach zwei Verhandlungstagen im November wartet die gesamte Fußballbranche gespannt auf die Entscheidung des Bundeseinigungsamtes.

In Deutschland sorgte der „Investorendeal“ der Deutschen Fußball Liga (DFL) für erhitzte Gemüter. Bei der entsprechenden Abstimmung im Rahmen der DFL-Mitgliederversammlung im Dezember votierten 24 der 36 Fußballklubs der Bundesliga und 2. Bundesliga mit „Ja“, sodass die erforderliche Mehrheit erreicht wurde. Was das Gros der organisierten Fanszene davon hält, ist allgemein bekannt. Ob die Abstimmung ein juristisches Nachspiel haben wird, ist hingegen unklar. Anlass dazu könnte das Abstimmungsverhalten von Hannover 96-Geschäftsführer Martin Kind geben. Dieser hat vom Mutterverein (Hannoverscher Sportverein von 1896 e.V.) die Weisung erhalten, gegen den Einstieg zu stimmen. Ohne sein Abstimmungsverhalten tatsächlich zu kennen, ist zu beobachten, dass der Fall auch eine Debatte über die „50+1-Regel“ losgetreten hat (zur 50+1-Regel siehe unseren Beitrag).

Hierzulande machten Schlagzeilen wie „Toni Polster klagt den Österreichischen Fußball-Bund (ÖFB) auf Anerkennung von Spielen und Tore“ (Kleine Zeitung) kurz vor Weihnachten die Runde. Dass der Rekordtorschütze eines Nationalteams seinen eigenen Verband klagt, ist keinesfalls üblich. Worum geht es? Polster hat insgesamt 47 Länderspieltore erzielt, in der Statistik des ÖFB scheinen jedoch nur 44 Treffer auf; drei Tore wären bei „inoffiziellen“ Länderspielen erzielt worden, die in der Statistik nicht aufscheinen, so der ÖFB. Dies möchte Polster nun mittels Klage ändern (siehe dazu beispielsweise folgenden Beitrag). Im Prozess geht es nun unter anderem um die Frage, wer die Hoheit über die Länderspielstatistik hat – die FIFA oder doch der ÖFB?

Ähnlich stellt sich die Ausgangslage zwischen Leonardo Bonucci und Juventus Turin dar: Der italienische Innenverteidiger stand über 12 Jahre bei der „alten Dame“ unter Vertrag und absolvierte in diesem Zeitraum 357 Spiele. Eine Lovestory, könnte man meinen. Das wird auf den Großteil der Zeit freilich zutreffen, aber wie so oft in Beziehungen: Am Ende geht man im Streit auseinander. So auch hier. Bonucci soll das Training mit der ersten Mannschaft und der Kontakt zum Trainerteam verwehrt worden sein; auch der Zugang zu Teilen des Vereinsgeländes, wie beispielsweise dem Fitnessraum soll tabu gewesen sein. Juventus wollte den Abwehrspieler mit diesen Maßnahmen wohl zu einem Wechsel bewegen. Genauso ist es schließlich auch gekommen, zumal Bonucci im Sommer zu Union Berlin gewechselt ist. Das Verhalten seines ehemaligen Arbeitgebers wollte er allerdings nicht einfach so hinnehmen und zog laut übereinstimmenden Medienberichten rechtliche Schritte in Erwägung (siehe dazu beispielsweise folgenden Beitrag). Es gehe um den Imageschaden, den der italienische Nationalspieler aufgrund der unzureichenden Trainingsbedingungen erlitten hat. Ob eine solche Klage Erfolg hätte, kann hier mangels Kenntnis des italienischen Rechts nicht beurteilt werden. Der Sachverhalt erinnert jedoch etwas an eine höchstgerichtliche Entscheidung des OGH aus dem Jahr 2022, die eine Klage eines Eishockeyspielers aufgrund einer behaupteten Marktwertminderung zum Gegenstand hatte (siehe dazu unseren Beitrag).

Hohe Wellen schlug ferner die Causa Anwar El Ghazi: Der niederländische Angreifer wurde vom 1. FSV Mainz 05 am 3. November aufgrund von propalästinensischen Äußerungen und Posts in den sozialen Medien mit sofortiger Wirkung gekündigt (zur Pressemitteilung des Klubs). Der Klub reagierte auf die Äußerungen El Ghazis zunächst mittels Freistellung und sprach nach mehreren Gesprächen eine Abmahnung aus, weil sich der Spieler gegenüber dem Vorstand deutlich von seinen Äußerungen distanziert haben soll (zur Pressemitteilung des Klubs). Während der Klub El Ghazi folglich eine zeitnahe Rückkehr in den Trainings- und Spielbetrieb in Aussicht gestellt hatte, äußerte sich dieser kurz darauf abermals in den sozialen Medien und distanzierte sich vom Inhalt der Pressemitteilung des Klubs. Infolgedessen hat der Klub das Vertragsverhältnis mit sofortiger Wirkung gekündigt. Medienberichten zufolge soll der Spieler indessen eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Mainz eingereicht haben. Der Streit geht also in die nächste Runde.

Auch dem deutschen Boxer Felix Sturm könnte ein Posting in den sozialen Medien zum Verhängnis werden. Ein Heilpraktiker veröffentlichte im Jänner ein Foto auf Instagram, auf dem der Boxer auf einer Liege liegt und eine Infusion bekommt. Ausweislich medialer Berichterstattung soll diese Infusion zu den für Leistungssportler verbotenen Methoden nach der Verbotsliste der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) gehören (zum Bericht der Sportschau). Das hat die deutsche Nationale Anti-Doping Agentur (NADA) auf den Plan gerufen. Ob Sturm bzw. dem Heilpraktiker nun tatsächlich rechtliche Konsequenzen drohen, ist derzeit noch unklar.

IV. Ausblick

Der Streifzug durch das sportrechtliche Jahr 2023 hat die Vielseitigkeit der Materie Sportrecht einmal mehr unter Beweis gestellt. Wir bleiben jedenfalls dran und freuen uns auf ein spannendes Jahr 2024: Welche Auswirkungen haben die EuGH-Entscheidungen in den Rechtssachen „European Superleague Company“, „International Skating Union/Kommission“ und „Royal Antwerp Football Club“? Dürfen sich die österreichischen Fußballer in Kollektivvertragsverhandlungen mit der ÖFBL zukünftig selbst vertreten? Und bekommen wir endlich ein Berufssportgesetz?

Mit diesem Ausblick wünsche ich euch ein gesundes und erfolgreiches neues Jahr – bleibt am Ball!

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Podiumsdiskussion: Wann ist Doping strafbar?

Am 11. April fand in der Laudongasse die LAW MEETS SPORTS-Veranstaltung „Wann ist Doping strafbar?“ statt. Neben einem hochkarätig besetzten Podium fanden sich rund 50 interessierte Zuhörer in den Kanzleiräumlichkeiten von Sportrechtsanwältin Christina Toth ein.

Operation Aderlass

Mit den Dopingfällen bei der Nordischen Ski-WM 2019 in Seefeld rückte das Thema Doping erneut ins Zentrum der medialen Berichterstattung. So zierte die „Operation Aderlass“ die Schlagzeilen in nahezu jedem Medium. Dies führte insbesondere auch zu einer gesellschaftspolitischen Diskussion der Thematik. Nicht nur im Sport, sondern auch im Berufs- und Privatleben sind leistungssteigernde Substanzen weit verbreitet. Eine Zukunft ohne Doping nicht mehr vorstellbar? 

Die rechtlichen Komponenten von Doping

Neben den internationalen Grundlagen (zB Anti-Doping-Konvention und UNESCO-Übereinkommen) bestehen in Österreich mehrere Gesetze und Bestimmungen, die sich mit Doping beschäftigen:

Anti-Doping-Bundesgesetz 2007 (ADBG 2007): Dieses Gesetz stellt die zentrale Rechtsgrundlage für das Anti-Doping-Recht dar. Es beinhaltet insbesondere die Aufgaben der Nationalen Anti-Doping Agentur Austria (NADA), die Rechte und Pflichten von Sportlern, Betreuern und Organisationen sowie die Durchführungsbestimmungen für Dopingkontrollen, Analysen, Verfahren und Präventionsarbeit. Daneben umfasst das Gesetz auch gerichtliche Strafbestimmungen für den Besitz, Handel und Weitergabe verbotener Wirkstoffe sowie Regelungen für die Zusammenarbeit der NADA mit den staatlichen Ermittlungsorganen.

„Sportbetrug“ im Strafgesetzbuch (§ 147 Abs 1a StGB): Im Jahr 2009 reagierte der Gesetzgeber auf die aufgedeckten prominenten Dopingfälle mit der Einfügung eines neuen Tatbestandes in das Strafgesetzbuch. Die Strafbestimmung des sog. Sportbetrugs lautet: „Ebenso ist zu bestrafen, wer einen Betrug mit mehr als geringem Schaden begeht, indem er über die Anwendung eines verbotenen Wirkstoffs oder einer verbotenen Methode nach der Anlage der Anti-Doping-Konvention, BGBl. Nr. 451/1991, zu Zwecken des Dopings im Sport täuscht“.

Daneben finden sich noch einzelne Vorschriften im Bundes-Sportförderungsgesetz (BSFG 2017), im Arzneimittelgesetz (AMG) sowie auch im Rezeptpflichtgesetz. Über diese rechtlichen Grundlagen informierte die Anwesenden zu Beginn der Veranstaltung Richterin Martina Spreitzer-Kropiunik (Richterin am Straflandesgericht Wien und Schiedsrichterin am Internationalen Sportgerichtshof).

Interessante Diskussion mit top besetztem Podium

Isabella Grabner-Wollek, Alexander Sammer, Harald Tschan und Martina Spreitzer-Kropiunik (vlnr)

Im Anschluss diskutierten unter der Moderation von Michael Nussbaumer vier Experten aus der Branche zahlreiche interessante Fragen. Darunter: Sind die österreichischen Anti-Doping Bestimmungen streng genug? Wann ist Doping überhaupt strafbar? Und für wen? Wie sieht es mit Nahrungsergänzungsmittel aus bzw. was sagen sportwissenschaftliche Studien zur Steigerung der Leistungsfähigkeit durch Doping? Während Richterin Martina Spreitzer-Kropiunik (führte unter anderem auch das Strafverfahren gegen Stefan Matschiner) insbesondere die rechtliche Seite erörterte, berichtete Ernäherungswissenschafterin Isabella Grabner-Wollek (Institut für medizinische und sportwissenschaftliche Beratung – IMSB) aus ihrer Tätigkeit und Praxis. Dabei stand vor allem das Thema Nahrungsergänzungsmittel im Fokus.

Univ.-Prof. Harald Tschan (Professor für Trainings- und Bewegungswissenschaft und Leiter der Abteilung Trainingswissenschaft am Institut für Sportwissenschaft) beleuchtete die sportwissenschaftliche Komponente von Doping – was sagen Studien zur Steigerung der Leistungsfähigkeit durch Einnahme verbotener Substanzen und wie sieht die Leistungssteigerungskurve bei Profis aus? Das hochkarätig besetzte Podium komplettierte Alexander Sammer (Leiter der Abteilung Recht bei der NADA). Der Experte gab einen kleinen Einblick in die Arbeit der Anti-Doping Agentur und informierte die Anwesenden unter anderem über rechtliche Grundlagen und Präventionsarbeit.

Auch aus dem Auditorium kam die ein oder andere interessante Frage an die Experten. So wurde diskutiert, was die Freigabe von Dopingmitteln im Sport und der Gesellschaft bewirken würde und ob Spitzenplatzierungen im Profisport ohne Doping überhaupt noch möglich sind.

 

Bei einem abschließenden Get-together wurde die spannende Thematik in angenehmer Atmosphäre munter weiter diskutiert. Wir danken allen Speakern und Teilnehmern!

Bild: © lawmeetssports

IOC-Entscheidung deckt Doping-Unzulänglichkeiten schonungslos auf

Gastbeitrag von David Müller

Der Umgang des Internationalen Olympischen Committees (IOC) mit den massiven Missständen, welche die unabhängigen Ermittler der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) in den letzten Monaten aufgedeckt haben, hat die strukturellen Mängel des derzeitigen Anti-Doping Systems einmal mehr offenbart.

Über die Forderung der WADA und zahlreicher Anti-Doping Organisationen nach einem kollektiven Ausschluss der russischen Delegation bei gleichzeitiger eingehender Evaluierung, welche Sportlerinnen und Sportler trotzdem zu den Olympischen Spielen Rio 2016 zugelassen werden können, kann man sowohl aus juristischer als auch aus moralischer Sicht geteilter Meinung sein.

Tatsache ist, dass durch das fehlende Leadership des IOC die Verantwortung auf die Internationalen Fachverbände abgewälzt und eine einheitliche Vorgangsweise unterbunden wurde. Spannend wird zudem, wie der Internationale Sportgerichtshof (CAS) den Ausschluss bereits einmal gesperrter Sportlerinnen und Sportler bewertet, zumal dies ja bereits vor Jahren als rechtwidrig erkannt wurde. Gut möglich, dass sich die damit implizierte Bestrafung der Whistleblowerin Julia Stepanow für das IOC als schadensersatzrelevanter Bumerang erweist.

Schutz der sauberen Sportlerinnen und Sportler

Letztendlich sind all diese Fragen aber nur von nachrangiger Bedeutung. Um die sauberen Sportlerinnen und Sportler tatsächlich wirkungsvoll zu schützen, bedarf es einer ganzen Reihe an gravierenden Änderungen im Sportsystem und in der Anti-Doping Arbeit. Da eine ausführliche Behandlung aller kurz-, mittel- und langfristigen Ansätze und Ideen, die an anderer Stelle ausführlich dargelegt sind, den Rahmen dieses Beitrages sprengen würden, werden nachfolgend einige der zentralen Forderungen angeführt. 

Unabhängigkeit ist der Schlüssel zum Erfolg

Die repressive Anti-Doping Arbeit in Form von Dopingkontrollen, Ermittlungstätigkeiten, Analysen und Anti-Doping Verfahren kann nur funktionieren, wenn sie von völlig unabhängigen Instanzen durchgeführt wird. In keinem anderen Wirtschaftsbereich wird akzeptiert, dass diejenigen, die ein Produkt verkaufen, gleichzeitig auch dessen Qualität bewerten. Beim „Hochglanzprodukt Sport“ sind die Produzenten aber nicht nur für die Qualitätskontrollen in Form von Dopingproben zuständig, sie entscheiden im Falle eines Verdachtes auf einen Verstoß auch über mögliche Sanktionen. Nicht zuletzt deshalb müssen Verbände und Veranstalter von diesen Aufgaben vollständig entbunden werden, um Einflussnahme, Parteilichkeit, Vertuschung oder Korruption von vornherein auszuschließen.

Zudem müssen strukturelle und personelle Beziehungen zwischen Anti-Doping Organisationen, Dopingkontroll-Laboren und rechtssprechenden Organen verhindert werden. Dies bedeutet auch, dass aktive oder ehemalige Verantwortliche aus Sport, Wirtschaft, Medien oder Politik keine leitenden Positionen in der Anti-Doping Arbeit übernehmen können, oder zumindest erst nach einer längeren „Abkühlphase“.

Gewaltentrennung als rechtsstaatliches Prinzip

Nicht zuletzt als Reaktion auf die bereits vor mehreren Monaten bekannt gewordenen Vorwürfe gegen Russland hat das IOC die WADA aufgefordert, die Verantwortung für die weltweite Durchführung von Dopingkontrollen zu übernehmen. Zwar ist die zugrundeliegende Idee richtig, die WADA ist allerdings der falsche Adressat.

In jeder demokratischen Gesellschaft ist die Gewaltentrennung ein fundamentales Kernstück der Rechtsstaatlichkeit. Die WADA ist derzeit allerdings Legislative (Herausgabe des Welt-Anti-Doping-Codes, der Internationalen Standards und technischen Dokumente), Exekutive (Durchführung von Ermittlungstätigkeiten) und Judikative (Entscheidung über Einsprüche gegen Medizinische Ausnahmegenehmigungen). Um die zwingend notwendige Gewaltentrennung auch in der Anti-Doping Arbeit zu etablieren, bedarf es daher einer Neuausrichtung des Systems. 

In der neu zu entwickelnden Konstellation sind die Nationalen Anti-Doping Organisationen (NADOs) wie bisher für Dopingkontrollen, Medizinische Ausnahmegenehmigungen, Einsprüche gegen Entscheidungen der nationalen Gremien sowie Information und Prävention zuständig. Von diesen Organisationen völlig unabhängige Dopingkontroll-Labore bzw. Instanzen übernehmen die Analyse der Dopingproben bzw. die Rechtsprechung in Anti-Doping Verfahren. 

Eine zugründende Internationale Kontrollorganisation (IKO) ist für Dopingkontrollen in strukturschwachen Gebieten sowie zielgerichtete Dopingkontrollen bei Verdachtslagen zuständig und kann Einsprüche gegen nationale Entscheidungen vornehmen. Die IKO ist somit die derzeit fehlende globale Exekutive, die WADA konzentriert sich auf ihre Kernaufgabe als Legislative und der CAS fungiert weiterhin als oberste sportrechtliche Instanz.

Anti-Doping Fonds bringt Unabhängigkeit

Um die beschriebene Unabhängigkeit und Gewaltentrennung nicht nur auf dem Papier zu leben, bedarf es einer unabhängigen Finanzierung. Dies lässt sich nur über einen internationalen Anti-Doping Fonds bewerkstelligen.

Sämtliche Mittel, die derzeit von den Verbänden, Veranstaltern und Staaten für die Anti-Doping Arbeit aufgewendet werden, müssen diesem Fonds zugewiesen werden. Zudem müssen Sponsoren und Medienanstalten, die maßgeblich vom Produkt des sauberen Sports profitieren, ihren Beitrag leisten. Die Allokation der Gelder muss dann anhand klarer Kriterien vorgenommen werden, um eine Basisförderung anhand eines entsprechenden Förderschlüssels zu gewährleisten und auf situative Notwendigkeiten (z.B. Verdachtslagen, Anti-Doping Arbeit in strukturschwachen Regionen) reagieren zu können.

Durch diese „Internationalisierung“ der Finanzierung wird einerseits die Autonomie der NADOs, Dopingkontroll-Labore und rechtsprechenden Instanzen gestärkt, andererseits auch die immer wieder geforderte weltweite Harmonisierung der Anti-Doping Arbeit gefördert.

Ausbau von Intelligence & Investigation

Doping im Spitzensport ist Betrug, daher muss auch entsprechend dagegen vorgegangen werden. Kriminelle aus anderen Wirtschaftsbereichen, die ihre Konkurrenten um teilweise viel geringere Summen schädigen, müssen mit der vollen Härte des Strafrechts rechnen, dopende Sportlerinnen und Sportler sowie deren Hintermänner genießen hier nach wie vor eine Sonderstellung.

Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass Dopingkontrollen nur eingeschränkt dazu geeignet sind, professionelle Betrüger zu überführen. Zudem können Analysen immer nur einzelne Personen überführen, Ermittlungstätigkeiten aber gleich ganze Gruppen. Daher ist es ein Gebot der Stunde, die entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit staatliche Ermittler und Anti-Doping Organisationen bestmöglich zusammenarbeiten können.

Mediziner sind keine Leistungsoptimierer

Um nicht auf jede neue Entdeckung der Forschung reagieren zu müssen, bedarf es der unmissverständlichen Klarstellung, dass jede Behandlung, jede Medikamentenanwendung und jede Substanzeinnahme strikt verboten ist, sofern sie nicht medizinisch indiziert ist. Auf lange Sicht gesehen sind aber selbst die vorgenannten Änderungen nicht ausreichend, wenn es nicht gelingt, das Bewusstsein zu etablieren, dass die ureigenste Aufgabe der Medizin nicht die Leistungssteigerung und -optimierung ist, sondern die Heilung von kranken oder verletzten Personen. Auch wenn dies in der derzeitigen Konstellation naiv und weltfremd erscheint, ohne die Rückbesinnung auf die zentralen Werte der Medizin wird das Katz- und Mausspiel immer weiter vorangetrieben.

Prävention als Investition in die Zukunft

Aufgrund der Komplexität des Dopingphänomens haben sowohl personenzentrierte als auch strukturelle Präventionsmaßnahmen keinen unmittelbaren Effekt, wodurch sich auch die derzeitige finanzielle Gewichtung erklären lässt. Langfristige Anti-Doping Arbeit kann aber nur Erfolg haben, wenn repressive und präventive Maßnahmen einander sinnvoll ergänzen.

Moderne Präventionsarbeit setzt auf ressourcen- und kompetenzbasierte Konzepte, um jungen Sportlerinnen und Sportlern bereits lange vor dem tatsächlichen Eintreten auf entscheidende Fragen in ihrer Sportkarriere vorzubereiten. Die multidisziplinären Ansätze müssen auf die unterschiedlichen Zielgruppen abgestimmt und entsprechend evaluiert werden.

Das Ziel sämtlicher Bemühungen der Anti-Doping Arbeit ist es, dass sich jede Sportlerin und jeder Sportler selbstbewusst und aus eigener Überzeugung für einen sauberen und gesunden Sport entscheidet. Gemeinsam gilt es, diese Entscheidung so leicht wie möglich zu machen.

 

Zum Autor:

Mag. Dr. David Müller (33) ist promovierter Sportwissenschaftler und seit 2008 Leiter des Bereichs Information & Prävention der Nationalen Anti-Doping Agentur Austria GmbH.

 

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Dopingskandal in Russland – gehen die Leichtathleten jetzt baden?

Ein Beitrag von Dr. Stephanie Bonner, Rechtsanwältin

Riesiger Betrug, historische Konsequenzen: Im aufsehenerregenden Skandal um flächendeckendes und systematisches Doping hat der Leichtathletik Weltverband IAAF mit einer bis dato einzigartigen Strafe reagiert und den russischen Leichtathletikverband vorläufig suspendiert. Zudem hat die World-Anti-Doping-Agency (WADA) die russische nationale Anti-Doping Agentur (RUSADA) suspendiert und dem Anti-Doping Testlabor in Moskau die Akkreditierung entzogen. Unzählige Dopingverfahren gegen Athleten, Trainer und Sportmediziner wurden bereits eingeleitet.

Die IAAF erfüllt damit die Hauptforderung der Untersuchungskommission der WADA. Diese hatte wegen eines Dokumentarfilms des deutschen TV-Senders ARD („Geheimsache Doping – Wie Russland seine Sieger macht“), in dem über systematisches Doping durch russische Leichtathleten berichtet wurde, Ermittlungen aufgenommen und massive Verfehlungen in der russischen Leichtathletik dokumentiert.

Durch die Suspendierung des russischen Leichtathletikverbands besteht bis auf Weiteres ein komplettes Startverbot bei internationalen Wettbewerben. In Sotschi mit 33 Medaillen (13 davon Gold) Nummer eins im Medaillenspiegel, droht Russlands Leichtathleten der Ausschluss von den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro.

Wie sieht es rechtlich aus? Welche Entscheidungsbefugnis hat die WADA?

Das Welt-Anti-Doping-Programm basiert auf dem sog Welt-Anti-Doping-Code (WADC). Dieser wird von der WADA herausgegeben und enthält Dopingdefinitionen, Verstöße und Sanktionen, Doping-Verfahren, Kompetenzen und Aufgaben der jeweiligen Anti-Doping-Organisationen. Der WADC muss von allen Unterzeichnern zwingend angenommen und umgesetzt werden. Die Nichteinhaltung hat weitreichende Konsequenzen.

Die WADA, als internationale Organisation zu weltweiten Maßnahmen gegen Doping im Sport, überwacht ua die Einhaltung des WADC durch die Unterzeichner, kann Akkreditierung und Reakkreditierung von Laboren vornehmen und Untersuchungen von Verstößen gegen Anti-Doping-Bestimmungen einleiten (Artikel 20.7 WADC).

Die eigentliche Sanktionierung (Suspendierung, Sperre, etc) von Athleten oder nationalen Sportfachverbänden obliegt den Sportverbänden, nicht aber der WADA selbst. Sie kann nur eine Empfehlung aussprechen. Ob Russlands Leichtathletik in Rio de Janeiro an den Start gehen darf, liegt also nicht in den Händen der WADA. Da es sich um Olympia handelt, muss das Internationale Olympische Komitee (IOC) über einen etwaigen Ausschluss entscheiden.

Ein automatisches Aus für Rio 2016 bedeutet die Entscheidung der IAAF allerdings nicht. Sollte Russland die geforderten tiefgreifenden Reformen seines Anti-Doping und Leichtathletik-Systems rechtzeitig umsetzen, könnte die Suspendierung noch vor Olympia aufgehoben werden. Wohl das realistischste Szenario, obwohl die Frage für mich bleibt, wie sich eine offenbar tief verwurzelte Sportbetrugskultur in wenigen Monaten ändern soll.

Diese jüngsten Ereignisse in Russland zeigen einmal mehr auf, dass der Kampf gegen Doping im Sport ein Kampf gegen Windmühlen ist. Leider wiedermal auch im österreichischen Skiverband. Eines steht aber fest, Rio 2016 wird jedenfalls ohne ÖSV stattfinden…

 

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