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Der sportrechtliche Jahresrückblick 2023

Der vorliegende Beitrag lässt das sportrechtliche Jahr 2023 nochmals Revue passieren. Ein Jahr, in dem einiges los war. Besonders die Meldungen vom 21. Dezember aus Luxemburg bergen erhebliche Sprengkraft. Die folgenden Ausführungen können keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, sollen den Sportrechtsinteressierten aber einen Überblick bieten.

I. Von den „Gerichten“

Vor Jahren wurde noch kolportiert, dass Streitigkeiten im Sport außerhalb von Gerichtssälen ausgetragen werden. Diese Aussage kann heute nicht mehr aufrechterhalten werden. Obwohl für die Streitschlichtung im Sport primär die Sportgerichtsbarkeit vorgesehen ist, werden zunehmend die ordentlichen Gerichte bemüht:

Den Anfang machen die rezenten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 21. Dezember in den Rechtssachen „European Superleague Company“ (C-333/21), „International Skating Union/Kommission“ (C-124/21 P) und „Royal Antwerp Football Club“ (C-680/21):

Vorauszuschicken ist, dass der EuGH der Super League entgegen dem Narrativ der Medien weder eine Zusage noch eine Absage erteilt hat; das wird in der Pressemitteilung des Gerichtshofs sogar ausdrücklich betont. Eine deutliche Absage hat der EuGH hingegen der Ansicht des Generalanwalts Rantos erteilt (zu seinen Schlussanträgen siehe unseren Beitrag). Der Gerichtshof hat im Wesentlichen festgestellt, dass die Vorschriften der FIFA und der UEFA über die vorherige Genehmigung von Fußballwettbewerben im Widerspruch zum Unionsrecht stehen, konkret zum Wettbewerbsrecht und zur Dienstleistungsfreiheit. Das bedeutet fürs Erste, dass die FIFA und die UEFA ihre Regeln bezüglich der Genehmigung von Alternativwettbewerben reformieren müssen. Sie haben ein transparentes, objektives, nicht-diskriminierendes und verhältnismäßiges (Genehmigungs-)System zu entwickeln. Ob ihnen das gelingt und ob die neuen Pläne der European Superleague Company die zu entwickelnden Genehmigungskriterien in weiterer Folge erfüllen, steht auf einem anderen Blatt und soll hier beiseitegelassen werden (siehe dazu bereits unseren Beitrag). Der Streit um die Super League ist damit also noch nicht zu Ende.

Im Fall der International Skating Union (ISU) hat der EuGH im Wesentlichen geurteilt, dass die Vorschriften der ISU über die vorherige Genehmigung von Eislaufwettbewerben gegen Unionsrecht verstoßen. Grund hierfür ist die Einschränkung des Wettbewerbs zum Nachteil der Athleten, der Verbraucher und des Publikums. Auch hier verlangt der EuGH ein transparentes, objektives und verhältnismäßiges Regelwerk in Bezug auf die Genehmigung von Alternativwettbewerben. Zudem enthält die Entscheidung spannende Ausführungen zur obligatorischen „CAS-Schiedsklausel“. Diesbezüglich könnte sie ebenfalls weitreichende Auswirkungen zeitigen.

Im Lichte dieser beiden Paukenschläge blieb die dritte sportrechtliche Entscheidung des EuGH vom 21. Dezember (zumindest medial) unter dem Radar: Es handelt sich um den Fall „Royal Antwerp Football Club“, bei dem es inhaltlich um die Unionsrechtskonformität der „Homegrown“-Regelungen der UEFA und des belgischen Fußballverbands geht. Demnach müssen acht von 25 Plätzen auf der Kaderliste für solche Spieler reserviert sein, die unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit mindestens drei Jahre lang im Alter zwischen 15 und 21 Jahren von ihrem Klub oder einem anderen Klub desselben nationalen Verbandes ausgebildet wurden; vier davon müssen vom betreffenden Klub ausgebildet worden sein (so die Bestimmungen der UEFA). Der EuGH hat nun entschieden, dass diese Regelungen gegen Unionsrecht, konkret gegen das Wettbewerbsrecht und die Arbeitnehmerfreizügigkeit verstoßen könnten. Nach Ansicht des Gerichtshofs liegt es aber in der Verantwortung des nationalen Gerichts, dies zu beurteilen. Für die Beurteilung gibt der EuGH dem nationalen Gericht zumindest ein paar Leitlinien an die Hand (zu diesem Fall werde ich in Kürze einen wissenschaftlichen Aufsatz verfassen).

Auch die Causa rund um die Mittelstreckenläuferin Caster Semenya ist um eine Facette reicher. Wir erinnern uns: Im Jahr 2019 hat der Internationale Sportgerichtshof (CAS) festgestellt, dass die „DSD-Bestimmungen“ (Anmerkung: haben Testosteronwerte zum Gegenstand) zwar diskriminierend wären, eine solche Diskriminierung jedoch als „notwendig, angemessen und verhältnismäßig“ zu betrachten sei, wenn damit das höhere Ziel, nämlich die „Integrität der Frauen-Leichtathletik“ geschützt werde (siehe dazu bereits unseren Beitrag). Auch vor dem Schweizerischen Bundesgericht blitzte die Olympiasiegerin aus Südafrika in weiterer Folge ab. Im Jahr 2023 konnte Semenya hingegen einen juristischen Erfolg einfahren: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) stellte in ihrer Sache mehrere Verstöße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) fest, darunter beispielsweise Verstöße gegen das Diskriminierungsverbot, das Recht auf Achtung des Privatlebens und das Recht auf eine wirksame Beschwerde (zur Pressemitteilung des EGMR).

Bitter lief es hingegen für den 1. FC Köln vor dem Sportgerichtshof in Lausanne: Der CAS bestätigt die von der FIFA ausgesprochene Transfersperre für zwei Wechselperioden. Ausgangspunkt war der Transferstreit um den damals 16-jährigen Spieler Jaka Cuber-Potocnik vom NK Olimpija Ljubljana. Dem deutschen Bundesligisten wurde Anstiftung zum Vertragsbruch vorgeworfen. Der CAS hat die Beschwerde des Klubs nunmehr verworfen und die Transfersperre bestätigt (zur Pressemitteilung des CAS). Diese Entscheidung ist nicht zuletzt in Anbetracht der sportlichen Situation des 1. FC Köln (nur zehn Punkte aus 16 Spielen und die Entlassung des Langzeittrainers Steffen Baumgart) fatal.

Weltweit sind zahlreiche Gerichte mit der Einführung des neuen Reglements für Football Agents befasst (zum Reglement unten II.), darunter beispielsweise ein Verfahren vor dem CAS: Dieser hat die Klage der Professional Football Agents Association auf Unvereinbarkeit des neuen Reglements mit dem Unionsrecht mit Schiedsspruch vom 24. Juli abgewiesen (zum Schiedsspruch). Damit ist die Debatte über das Reglement aber keinesfalls beendet. In zahlreichen Ländern sind entsprechende Verfahren anhängig, so beispielsweise auch in Deutschland: Während das Landgericht Dortmund die Regelungen in einem Verfügungsverfahren vorerst ausgesetzt hat, ersucht das Landgericht Mainz den EuGH um eine Vorabentscheidung (siehe dazu folgenden Blogbeitrag). Es geht um grundsätzliche Fragen der Vereinbarkeit des Reglements für Football Agents mit dem europäischen Kartellrecht und der Dienstleistungsfreiheit (zum Vorabentscheidungsersuchen). Die Antworten des EuGH werden die Marschrichtung festlegen.

In Österreich sorgte eine Entscheidung des OLG Linz für Aufsehen: Anlass des Streits zwischen einem Klub der Österreichischen Fußball-Bundesliga und einem Spieler war eine Verschwiegenheitsklausel im Aufhebungsvertrag. Demnach habe sich der Spieler jeglicher kritischen Äußerung über den Klub, dessen Vertreter und Mitarbeiter sowie sein Arbeitsverhältnis mit dem Klub gegenüber Dritten, insbesondere den Medien, zu enthalten (im Folgenden: „Kritikverbot“) und über alle ihm im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis bekannt gewordenen Interna uneingeschränkt und unbefristet strengstens Stillschweigen zu bewahren (im Folgenden: „Geheimhaltungsvereinbarung“). Während das OLG Linz die „Geheimhaltungsvereinbarung“ als grundsätzlich zulässig erachtete, bewertete es das „Kritikverbot“ als sittenwidrig (ausführlich dazu meine Entscheidungsbesprechung in der SpoPrax).

In Deutschland schlug das „Karriereende“ des Schiedsrichters Manuel Gräfe hohe Wellen (zum Sachverhalt siehe unseren Beitrag). Grund für das Aus ist eine interne „Richtlinie“ des Deutschen Fußballbundes (DFB), wonach für Schiedsrichter in der Bundesliga mit Erreichen eines gewissen Alters (in vorliegenden Fall: 47 Jahren) Schicht im Schacht ist. Das wollte der ehemalige Schiedsrichter nicht auf sich sitzen lassen und klagte den DFB vor dem Landgericht Frankfurt am Main wegen Altersdiskriminierung. Das Gericht gab Gräfe grundsätzlich Recht und verurteilte den DFB auf Zahlung einer Entschädigung für den Nichtvermögensschaden in Höhe von EUR 48.500,00 gemäß § 15 Abs 2 Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (zum Urteil).

Ebenfalls in Deutschland hatte sich das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Klassifizierungen im paralympischen Schwimmsport zu beschäftigen und dabei eine wegweisende Entscheidung für den Parasport getroffen. Fußnote: Die Klassifizierung entscheidet über die Einteilung der Athleten in die jeweiligen Klassen. Das Gericht gab der Berufung des brasilianischen Para-Schwimmsportlers André Brasil statt und sprach ihm Schadenersatz in Höhe von EUR 47.178,00 nebst Zinsen zu. Inhaltlich hat es im Wesentlichen festgestellt, dass der vertragliche Ausschluss der gerichtlichen Kontrolle von Klassifizierungsentscheidungen unwirksam ist und der Verband bei Änderung der Klassifizierungsregeln Übergangsfristen zu implementieren hat (zum Urteil).

II. Aus dem „Parlament“

Mit der Professionalisierung und Kommerzialisierung im Sport geht eine Verrechtlichung einher. So treten neben die allseits bekannten (verbandsrechtlichen) Spiel- und Sportregeln zunehmend allgemeingültige Rechtsregeln, die überwiegend die Rahmenbedingungen des sportlichen Systems zum Gegenstand haben. Obwohl die Verrechtlichung des Sports bereits weit fortgeschritten ist, gibt es doch noch einiges zu tun, um tatsächlich Rechtssicherheit für Sportler, Vereine und Verbände zu schaffen. Bevor auf die Vorhaben des österreichischen Gesetzgebers eingegangen wird, erfolgt eine kurze Darstellung zweier Regelwerke der ursprünglichen Regulatoren im Sport:

Die FIFA hat zum Jahreswechsel ein neues Reglement für Football Agents auf den Weg gebracht: „FIFA Football Agents Regulations“ (kurz FFAR). Damit möchte der Weltverband sicherstellen, dass gewisse Mindeststandards für Football Agents bestehen und ihr Verhalten mit den Zielen des Transfersystems vereinbar ist. Zu diesem Zweck wurden unter anderem eine Lizenz- und Fortbildungspflicht, ein Bestellerprinzip, ein Verbot von Mehrfachvertretungen sowie Provisionsobergrenzen festgelegt. Angesichts der Eingriffsintensität kann es nicht überraschen, dass der Vorstoß der FIFA für Aufregung sorgte. Zuallererst ist bereits fraglich, ob der Weltverband überhaupt eine Rechtsetzungskompetenz im Bereich Berufsausübungsregeln für Football Agents besitzt. Als einer der inhaltlichen Hauptkritikpunkte gilt die Einführung der Provisionsobergrenzen (siehe dazu mein Beitrag im PLAYER’S MAGAZINE). Inzwischen wurden bereits diverse Gerichte mit dem Reglement befasst (siehe dazu bereits oben I.). Gewisse Landesverbände haben sich daher entschieden, die entsprechenden Regelungen vorerst auszusetzen (darunter auch der ÖFB). Gestern, am 30. Dezember, ist die FIFA schließlich gleichgezogen. In einem Zirkular teilte der Weltverband mit, dass gewisse Bestimmungen vorübergehend ausgesetzt werden und man die Entscheidung des EuGH abwarten möchte (zum Zirkular Nr. 1873).

Ebenfalls für Schlagzeilen sorgte eine neue Regelung in der Formel 1: Gemäß Artikel 12.2.1.n International Sporting Code der Federation Internationale de l’Automobile (FIA) stellen politische, religiöse und persönliche Äußerungen oder Kommentare, insbesondere jene, die den in den Regularien festgeschriebenen Grundsatz der Neutralität verletzen, einen Regelverstoß dar; es sei denn, der Fahrer hat zuvor eine schriftliche Genehmigung eingeholt. Die vorgesehenen Strafen reichen von Verwarnungen über Geldbußen bis hin zu Suspendierungen und Ausschlüssen (siehe dazu unseren Beitrag). Die Vereinbarkeit der Regelung mit grundrechtlichen Garantien wie der Meinungsfreiheit ist in Zweifel zu ziehen. Damit rückte einmal mehr das umstrittene Verhältnis von Sport und Politik ins Zentrum.

In Österreich wurde der Ministerialentwurf eines Gemeinnützigkeitsreformgesetzes präsentiert. Damit soll die Spendenabzugsfähigkeit auch im Bereich des Sports durch die generelle Anknüpfung an die gemeinnützigen Zwecke im Sinne der Bundesabgabenordnung (BAO) ermöglicht werden. Apropos Gemeinnützigkeit: Die ausdrückliche Klarstellung der Gemeinnützigkeit des eSports lässt trotz Ankündigung von Regierungsvertretern weiterhin auf sich warten.

Und jährlich grüßt die Idee eines Berufssportgesetzes: Am 29. März fassten Abgeordnete des österreichischen Parlaments (erneut) einen entsprechenden Entschließungsantrag. Damit wurde der Sportminister ersucht, unter Einbindung der jeweils zuständigen Ressorts, des organisierten Sports, der Sozialversicherung und der Sozialpartner konkrete Problemfelder für im Berufssport tätige Personen zu identifizieren und Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten. Durch einen neuen rechtlichen Rahmen sollen die Bedingungen für sportspezifische Berufe im Arbeits-, Abgaben- und Sozialversicherungsrecht durch Anerkennung der Spezifika des Sports mit Hilfe von sachgerechten rechtlichen Lösungen verbessert werden (zum Entschließungsantrag). Dass der Gedanke eines gesetzlichen Sonderrechts für den Sport seit Jahrzehnten kursiert, ist allgemein bekannt. Es bleibt zu hoffen, dass 2024 nunmehr Taten folgen.

Gleiches gilt für den eSport: Auch hier ist der österreichische Gesetzgeber gefragt. Die Empfehlungen der ministeriellen Expertengruppe vom Sommer 2021 wurde bislang nicht umgesetzt (siehe dazu unseren Beitrag). Ein Antrag der NEOS, bis zum ersten Quartal 2024 ein „eSport-Gesetzespaket“ vorzulegen, wurde im Dezember im Sportausschuss ebenfalls bloß vertagt.

Auch in der österreichischen Rechtswissenschaft ist der eSport trotz seiner gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Relevanz bislang weitgehend unbehandelt geblieben. Diese Lücke wurde im Oktober mit dem ersten umfassenden Praxiswerk zum eSport-Recht geschlossen (zum Werk). In zehn Kapiteln geben fachkundige AutorInnen einen Überblick über die Einordnung der juristischen Querschnittsmaterie eSport in die österreichische Rechtsordnung. Darunter finden sich neben einer Einführung praxisnahe Kapitel zum Arbeitsrecht, Glücksspiel- und Wettrecht, Kartellrecht, Steuerrecht, Sozialrecht, Urheberrecht, Veranstaltungsrecht, Vereinsrecht und Zivilrecht – #eigenwerbung Ende!

III. Sonstiges

Abgerundet wird der vorliegende Jahresrückblick mit einem bunten Strauß an weiteren sportrechtlichen Themen:

Nachdem sich sämtliche Berufsfußballer der neu gegründeten „VdF – die Spielervereinigung“ angeschlossen haben (siehe dazu unseren Beitrag), stellte die Organisation im April einen Antrag auf Zuerkennung der Kollektivvertragsfähigkeit beim zuständigen Bundeseinigungsamt. Damit kämpfen die Fußballer der Österreichischen Fußball-Bundesliga (ÖFBL) darum, sich in Kollektivvertragsverhandlungen mit der ÖFBL zukünftig selbst vertreten zu können. Nach zwei Verhandlungstagen im November wartet die gesamte Fußballbranche gespannt auf die Entscheidung des Bundeseinigungsamtes.

In Deutschland sorgte der „Investorendeal“ der Deutschen Fußball Liga (DFL) für erhitzte Gemüter. Bei der entsprechenden Abstimmung im Rahmen der DFL-Mitgliederversammlung im Dezember votierten 24 der 36 Fußballklubs der Bundesliga und 2. Bundesliga mit „Ja“, sodass die erforderliche Mehrheit erreicht wurde. Was das Gros der organisierten Fanszene davon hält, ist allgemein bekannt. Ob die Abstimmung ein juristisches Nachspiel haben wird, ist hingegen unklar. Anlass dazu könnte das Abstimmungsverhalten von Hannover 96-Geschäftsführer Martin Kind geben. Dieser hat vom Mutterverein (Hannoverscher Sportverein von 1896 e.V.) die Weisung erhalten, gegen den Einstieg zu stimmen. Ohne sein Abstimmungsverhalten tatsächlich zu kennen, ist zu beobachten, dass der Fall auch eine Debatte über die „50+1-Regel“ losgetreten hat (zur 50+1-Regel siehe unseren Beitrag).

Hierzulande machten Schlagzeilen wie „Toni Polster klagt den Österreichischen Fußball-Bund (ÖFB) auf Anerkennung von Spielen und Tore“ (Kleine Zeitung) kurz vor Weihnachten die Runde. Dass der Rekordtorschütze eines Nationalteams seinen eigenen Verband klagt, ist keinesfalls üblich. Worum geht es? Polster hat insgesamt 47 Länderspieltore erzielt, in der Statistik des ÖFB scheinen jedoch nur 44 Treffer auf; drei Tore wären bei „inoffiziellen“ Länderspielen erzielt worden, die in der Statistik nicht aufscheinen, so der ÖFB. Dies möchte Polster nun mittels Klage ändern (siehe dazu beispielsweise folgenden Beitrag). Im Prozess geht es nun unter anderem um die Frage, wer die Hoheit über die Länderspielstatistik hat – die FIFA oder doch der ÖFB?

Ähnlich stellt sich die Ausgangslage zwischen Leonardo Bonucci und Juventus Turin dar: Der italienische Innenverteidiger stand über 12 Jahre bei der „alten Dame“ unter Vertrag und absolvierte in diesem Zeitraum 357 Spiele. Eine Lovestory, könnte man meinen. Das wird auf den Großteil der Zeit freilich zutreffen, aber wie so oft in Beziehungen: Am Ende geht man im Streit auseinander. So auch hier. Bonucci soll das Training mit der ersten Mannschaft und der Kontakt zum Trainerteam verwehrt worden sein; auch der Zugang zu Teilen des Vereinsgeländes, wie beispielsweise dem Fitnessraum soll tabu gewesen sein. Juventus wollte den Abwehrspieler mit diesen Maßnahmen wohl zu einem Wechsel bewegen. Genauso ist es schließlich auch gekommen, zumal Bonucci im Sommer zu Union Berlin gewechselt ist. Das Verhalten seines ehemaligen Arbeitgebers wollte er allerdings nicht einfach so hinnehmen und zog laut übereinstimmenden Medienberichten rechtliche Schritte in Erwägung (siehe dazu beispielsweise folgenden Beitrag). Es gehe um den Imageschaden, den der italienische Nationalspieler aufgrund der unzureichenden Trainingsbedingungen erlitten hat. Ob eine solche Klage Erfolg hätte, kann hier mangels Kenntnis des italienischen Rechts nicht beurteilt werden. Der Sachverhalt erinnert jedoch etwas an eine höchstgerichtliche Entscheidung des OGH aus dem Jahr 2022, die eine Klage eines Eishockeyspielers aufgrund einer behaupteten Marktwertminderung zum Gegenstand hatte (siehe dazu unseren Beitrag).

Hohe Wellen schlug ferner die Causa Anwar El Ghazi: Der niederländische Angreifer wurde vom 1. FSV Mainz 05 am 3. November aufgrund von propalästinensischen Äußerungen und Posts in den sozialen Medien mit sofortiger Wirkung gekündigt (zur Pressemitteilung des Klubs). Der Klub reagierte auf die Äußerungen El Ghazis zunächst mittels Freistellung und sprach nach mehreren Gesprächen eine Abmahnung aus, weil sich der Spieler gegenüber dem Vorstand deutlich von seinen Äußerungen distanziert haben soll (zur Pressemitteilung des Klubs). Während der Klub El Ghazi folglich eine zeitnahe Rückkehr in den Trainings- und Spielbetrieb in Aussicht gestellt hatte, äußerte sich dieser kurz darauf abermals in den sozialen Medien und distanzierte sich vom Inhalt der Pressemitteilung des Klubs. Infolgedessen hat der Klub das Vertragsverhältnis mit sofortiger Wirkung gekündigt. Medienberichten zufolge soll der Spieler indessen eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Mainz eingereicht haben. Der Streit geht also in die nächste Runde.

Auch dem deutschen Boxer Felix Sturm könnte ein Posting in den sozialen Medien zum Verhängnis werden. Ein Heilpraktiker veröffentlichte im Jänner ein Foto auf Instagram, auf dem der Boxer auf einer Liege liegt und eine Infusion bekommt. Ausweislich medialer Berichterstattung soll diese Infusion zu den für Leistungssportler verbotenen Methoden nach der Verbotsliste der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) gehören (zum Bericht der Sportschau). Das hat die deutsche Nationale Anti-Doping Agentur (NADA) auf den Plan gerufen. Ob Sturm bzw. dem Heilpraktiker nun tatsächlich rechtliche Konsequenzen drohen, ist derzeit noch unklar.

IV. Ausblick

Der Streifzug durch das sportrechtliche Jahr 2023 hat die Vielseitigkeit der Materie Sportrecht einmal mehr unter Beweis gestellt. Wir bleiben jedenfalls dran und freuen uns auf ein spannendes Jahr 2024: Welche Auswirkungen haben die EuGH-Entscheidungen in den Rechtssachen „European Superleague Company“, „International Skating Union/Kommission“ und „Royal Antwerp Football Club“? Dürfen sich die österreichischen Fußballer in Kollektivvertragsverhandlungen mit der ÖFBL zukünftig selbst vertreten? Und bekommen wir endlich ein Berufssportgesetz?

Mit diesem Ausblick wünsche ich euch ein gesundes und erfolgreiches neues Jahr – bleibt am Ball!

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Der sportrechtliche Jahresrückblick 2021

Das Jahr 2021 war ein besonders herausforderndes Jahr – schon wieder. Die Pandemie war entgegen Aussagen heimischer Politiker noch nicht gemeistert. Und damit prägten leere Sportstätten abermals das österreichische Landschaftsbild. Während der professionelle Bereich weitgehend mit Präventionskonzepten durchkam, hieß es im Amateurbereich oftmals: Bitte warten! Worauf? Auf das Licht am Ende des Tunnels und damit im Wesentlichen auf bessere – für die Sportwelt insbesondere gewöhnliche – Zeiten…

Der vorliegende Beitrag lässt das sportrechtliche Jahr 2021 nochmals Revue passieren. Ein Jahr, in dem die Pandemie abermals ihre Spuren hinterließ. Eine Pandemie, die abermals rechtliche Fragestellungen in der Sportwelt zutage förderte. Doch auch abseits davon blicken wir auf ein sportrechtlich turbulentes Jahr zurück. Die folgenden Ausführungen können keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, sollen den Sportrechtsinteressierten aber einen Überblick bieten.

I. Sportrecht im Schlaglicht der Krise

Auch 2021 zeitigte die Pandemie weitreichende Auswirkungen auf den Sport und stellte diesen vor Herausforderungen. Die Verordnungen des Gesundheitsministers hielten stets Regelungen für den Sport bereit. In aller Regel wurde hierbei zwischen Breiten- und Profisport unterschieden. Während Zusammenkünfte im Spitzensport selbst in Zeiten des Lockdowns unter bestimmten Auflagen (Stichwort: „Geisterspiele“) erlaubt waren, wurde das allgemeine Betreten von Sportstätten zum Zweck der Sportausübung (für den Breitensport) phasenweise nicht gestattet; so vor allem zu Jahresbeginn und gegen Jahresende (siehe dazu unser Update Sport und Recht #1).

Es verwundert daher nicht, dass zwischenzeitlich erneut sämtliche Wettbewerbe in ganz Österreichabgebrochen werden mussten. Also wieder eine Spielzeit ohne Auf- und Absteiger. Zermürbend, vor allem für Vereine, die vor dem Abbruch zwei Mal in Folge von der Tabellenspitze lachten. Sportliche Erfolge und finanzielle Aufwendungen wurden dadurch in gleichem Maße entwertet. Abermals standen Klagen im Raum. Die Verbände haben aber die Lehren aus dem Vorjahr gezogen und die Regularien dementsprechend angepasst (siehe dazu unsere Podcast-Folge).

Auch die Veranstalter von Laufevents oder Radrennen sahen sich mit Auswirkungen der Pandemie konfrontiert und suchten nach alternativen Formaten. Damit traten „hybride Sportwettkämpfe“ (Terminologie geprägt von Paul Karner und Patrick Petschinka) zunehmend in Erscheinung. So wurde beispielsweise der beliebte Wings for Life World Run als reiner „App-Run“ abgehalten. Diesbezüglich drängt sich die Frage auf, ob derartige Wettkämpfe als Veranstaltungen zu qualifizieren sind und damit dem klassischen Veranstaltungsrecht unterliegen (siehe dazu unseren Beitrag).

Nicht zuletzt wird angesichts der geplanten Einführung einer allgemeinen Impfpflicht in Österreich auch vermehrt über eine Impfpflicht für Profisportler diskutiert. Unlängst befeuerte die Causa „Kimmich“ die Diskussion. Die Österreichische Basketball-Bundesliga hat bereits eine „Impfpflicht“ etabliert. Rechtlich werden in diesem Dunstkreis einige Fragen aktuell: Ist ein Sportler arbeitsrechtlich verpflichtet, sich impfen zu lassen? Könnte eine entsprechende Pflicht verbandsrechtlich begründet werden? Hat ein ungeimpfter Spieler, der sich in Quarantäne begeben muss oder an COVID-19 arbeitsunfähig erkrankt, Anspruch auf Entgeltfortzahlung? (siehe dazu zB das Interview mit dem deutschen Prof. Philipp Fischinger).

Zum Sportrecht im Schlaglicht der Krise siehe auch die Ausführungen in unserem Jahresrückblick 2020.

II. Von den Gerichten

Vor Jahren wurde noch kolportiert, dass Streitigkeiten im Sport außerhalb von Gerichtssälen ausgetragen werden. Diese Aussage kann heute keinesfalls mehr aufrechterhalten werden. Wenngleich für rechtliche Problemstellungen im Sport primär die Sportsgerichtsbarkeit vorgesehen ist, werden im Zuge von sportrechtlichen Streitigkeiten zunehmend die staatlichen Gerichte bemüht. So gab es auch im Jahr 2021 die eine oder andere spannende Gerichtsentscheidung.

Im März stellte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) fest, dass das Betretungsverbot für Sportbetriebe im Frühjahr 2020 gesetzwidrig war (vgl VfGH 9.3.2021, V 530/2020-11). Den Ausgangspunkt dieser Entscheidung bildete eine Strafe der BH Hartberg-Fürstenfeld gegen den Inhaber eines Fischteichs, der nicht dafür gesorgt hatte, dass das Gelände nicht von fremden Personen betreten werden kann. Grundlage für die Strafe war die COVID-19-Maßnahmenverordnung (BGBl II 2020/96), wonach das Betreten von Sport- und Freizeitbetrieben untersagt war. Dagegen beschwerte sich der Inhaber schließlich beim Landesverwaltungsgericht Steiermark, welches daraufhin beim VfGH den Antrag auf Feststellung der Gesetzwidrigkeit des Betretungsverbots stellte. Der VfGH bestätigte die Gesetzwidrigkeit der Wortfolgen „sowie von Freizeit- und Sportbetrieben“ und „oder der Benützung von Freizeit- und Sportbetrieben“ in § 1 der damals geltenden COVID-19-Maßnahmenverordnung. Denn nach Ansicht des VfGH lassen die vorgelegten Verordnungsakten nicht erkennen, welche Umstände dafür ausschlaggebend waren, das Betreten von Sportbetrieben zu untersagen. Eine entsprechende gründliche Dokumentation ist aber Voraussetzung für die Beurteilung, ob die Verordnung den gesetzlichen Grundlagen entspricht (siehe die Presseaussendung des VfGH).

Nahezu zeitgleich hatte sich ein weiteres Höchstgericht, der Verwaltungsgerichtshof (VwGH), mit der Verantwortung eines Fußballvereins für Fans auseinanderzusetzen (vgl VwGH 15.3.2021, Ra 2021/01/0049). Konkret ging es um ein Spiel der Österreichischen 2. Liga zwischen SKU Amstetten und SK Vorwärts Steyr. Im Vorfeld der Begegnung ordnete die BH Amstetten mit Mandatsbescheid eine besondere Überwachung des Fußballspiels gemäß § 48a Sicherheitspolizeigesetz (SPG) an. Anlass dazu gaben die bisherigen Erfahrungen mit den Gästefans. Daraufhin schöpfte der Gastverein den rechtlichen Instanzenzug bis zum VwGH aus. Dieser hielt dazu Folgendes fest: Ob eine Überwachung eines Fußballspiels notwendig ist, sei eine Prognoseentscheidung, welche die Behörde aufgrund bisheriger Erfahrungen zu treffen hat. Im Rahmen dessen könne auch wegen eines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens von Fans eines Gastvereins auf die Notwendigkeit einer besonderen Überwachung geschlossen werden. Ein allfälliges Verschulden des Gastvereins sei erst im Rahmen des Gebührenvorschreibungsverfahrens nach § 5b SPG zu prüfen. Die Frage, wer schlussendlich die Kosten für den Einsatz zu tragen hat, ließ der VwGH damit offen.

Ebenfalls mit der Verantwortung für Fußballfans hatte sich der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) zu beschäftigen (vgl BGH 4.11.2021, Az I ZB 54/20). Er bestätigt die Rechtmäßigkeit des Vorgehens des DFB, der Vereine (im konkreten Fall: den FC Carl Zeiss Jena) wegen des Fanverhaltens mit Geldstrafen belegt. Die Strafe sei als reine Präventivmaßnahme zu qualifizieren, die auch ohne Verschulden verhängt werden könne. Das verstoße nach Ansicht des BGH nicht gegen die elementaren Grundsätze der Rechtsordnung. Der Ausgang der Entscheidung wurde nicht nur vom betroffenen FC Carl Zeiss Jena und diversen Fanvertretern, sondern vielmehr auch von Sportrechtlern mit großer Spannung erwartet (siehe dazu unseren Beitrag).

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied in diesem Jahr, dass Körperschaftsvorteile für Fußballklubs als juristische Person ohne Gewinnerzielungsabsicht als unzulässige staatliche Beihilfe zu qualifizieren sind (vgl EuGH 4.3.2021, C‑362/19 P). Beteiligt war unter anderem der FC Barcelona, auf den nun erhebliche Steuernachforderungen zukommen könnten (siehe dazu folgenden Bericht). In einem weiteren Verfahren wurde dem EuGH die Frage vorgelegt, ob der italienische Fußball-Dachverband als öffentlicher Auftraggeber im Sinne der RL 2014/4/EU qualifiziert werden könnte (vgl EuGH 3.2.2021, C-155/19). Wenngleich der EuGH die Fragestellung nicht abschließend beantwortet hat (die konkrete Prüfung obliege dem vorliegenden nationalen Gericht), liefert die Entscheidung zumindest einige Anhaltspunkte. Diese könnten weit über den gegenständlichen Fall hinaus von Bedeutung sein.

Der Oberste Gerichtshof (OGH) traf in zwei Entscheidungen wichtige Aussagen zum Doping im Sport (vgl OGH 8.1.2021, 11 Os 49/20w; 27.4.2021, 14 Os 119/20m). Demnach sei die Täuschung über in § 147 Abs 1a StGB („Dopingbetrug“) genannte Umstände, mithin über die Anwendung eines verbotenen Wirkstoffs oder einer verbotenen Methode, jedenfalls sozialinadäquat. Auch die weiteren Tatbestandsmerkmale werden in den Urteilen umfassend behandelt. Im Rahmen der zweiten Entscheidung würdigt der Gerichtshof auch einige Literaturmeinungen zum Doping.

Apropos Doping: Vielen bleibt gewiss auch die dreimonatige Doping-Sperre der FC Red Bull Salzburg-Legionäre Mohamed Camara und Sékou Koïta in Erinnerung. Im Rahmen eines rund zehntägigen Lehrgangs beim malischen Nationalteam erhielten die beiden Akteure ein Mittel gegen Höhenkrankheit, das offenbar einen Wirkstoff enthielt, der auf der Dopingliste steht. Grund für die Einnahme war aller Voraussicht nach das Afrika-Cup-Qualifikationsspiel gegen Namibia, welches in Windhoek auf einer Meereshöhe von rund 1.700 Metern stattfand. Die UEFA eröffnete daraufhin ein Disziplinarverfahren, das unter Anwendung des UEFA-Dopingreglement mit einer dreimonatigen Sperre endete (siehe dazu unseren Beitrag).

III. Aus dem Parlament

Mit der Professionalisierung und Kommerzialisierung im Sport geht eine Verrechtlichung einher. So treten neben die allseits bekannten (verbandsrechtlichen) Spiel- und Sportregeln zunehmend allgemein gültige Rechtsregeln, die überwiegend die Rahmenbedingungen des sportlichen Systems regeln sollen. Obgleich die Verrechtlichung des Sports bereits weit fortgeschritten ist, gibt es doch noch einiges zu tun, um tatsächlich Rechtssicherheit für die Sportler, Vereine und Verbände zu schaffen.

Diesem Ziel versuchte der österreichische Normsetzer auch im abgelaufenen Jahr ein Stück weit näherzukommen. Mit dem Anti-Doping-Bundesgesetz 2021 schuf der Gesetzgeber eine neue Grundlage für das Anti-Doping-Recht in Österreich, welches am 1. 1. 2021 in Kraft trat und das bislang geltende Anti-Doping-Bundesgesetz 2007 ablöste. Im neuen Regime wurden unter anderem Regelungen zum Schutz von Whistleblowern sowie verfahrensökonomische Erleichterungen vorgesehen. Außerdem wurde nun die Möglichkeit geschaffen, mit Freizeitsportlern alternativ umzugehen. Im Zentrum der Reform stand nicht zuletzt die Dopingprävention (siehe dazu auch unsere Podcast-Folge).

Wie bereits im Jahresrückblick 2020 berichtet, wollte der Gesetzgeber im abgelaufenen Jahr auch die rechtlichen Rahmenbedingungen im eSport klären. Diesbezüglich setzte der Sportminister eine Arbeitsgruppe bestehend aus diversen Experten und Stakeholdern ein. In der Arbeitsgruppe sollten die aktuell bestehenden rechtlichen Möglichkeiten erörtert und Überlegungen über die Zukunft angestellt werden. Zu diesem Zweck wurden sieben Untergruppen eingerichtet: Von Arbeitsrecht über Jugendschutz bis hin zum Veranstaltungsrecht. Daneben wurden aber auch Themen wie Gesundheit, Glücksspiel, Integrität und Prävention behandelt. Zu den einzelnen Bereichen tauschten sich jeweils einschlägige Fachexperten aus. Die dabei formulierten Empfehlungen wurden im Sommer an die Politik herangetragen. Der Ball liegt nun in der Spielhälfte des Gesetzgebers.

IV. Kurioses

Mitunter ereignen sich auch kuriose Geschichte im Sport(-recht), die in einem Jahresrückblick ebenfalls nicht fehlen dürfen. Dazu gehört gewiss auch die Erzählung über die Gründung einer europäischen Super League. Es waren zwei Tage im April, die wohl jedem Fußballfan in Erinnerung bleiben werden. Die Ereignisse überschlugen sich praktisch stündlich (siehe dazu unseren Beitrag). Aber nochmals der Reihe nach: In der Nacht vom 18. auf den 19. April 2021 verlautbarten die „Big Six“ aus England (Arsenal FC, Chelsea FC, Liverpool FC, Manchester City, Manchester United und Tottenham Hotspur) sowie drei Spitzenvereine aus Spanien (Atlético de Madrid, FC Barcelona und Real Madrid CF) und aus Italien (AC Milan, FC Internazionale Milano und Juventus FC) die Gründung einer Super League. Was darauf folgte, ist hinlänglich bekannt: Mediale Empörung, Fanproteste und ein Rückzug nach dem anderen. Und nach nicht einmal 48 Stunden schien das Projekt auch schon wieder der Geschichte anzugehören. So zogen sich zuerst die sechs englischen Vereine zurück, ehe ihnen zeitnah nahezu alle anderen Vereine folgten – Ausnahme: FC Barcelona, Real Madrid CF und Juventus FC (gegen die „Abtrünnigen“ wurde ein Disziplinarverfahren eröffnet). Viel Lärm um nichts?

Unabhängig der persönlichen Einstellung zum sportlichen Mehrwert eines solchen Wettbewerbs, machen spannende Rechtsfragen die Befassung mit dem Thema durchaus lohnend. Für die Sportrechtswissenschaft könnte die Causa also ihren Nutzen haben. Die Vereinbarkeit der Monopolstellung von Spitzenverbänden (zB FIFA oder UEFA) mit dem Wettbewerbsrecht der EU war bereits Gegenstand einiger juristischer Abhandlungen. Eine klare Antwort des EuGH ist noch ausständig. Eine solche könnte jedoch demnächst vorliegen. Denn: Das Juzgado de lo Mercantil n.o 17 de Madrid, ein spanisches Gericht, hat den EuGH in Sachen Super League um eine Vorabentscheidung ersucht (siehe die konkreten Vorlagefragen). Die Entscheidung des EuGH bleibt mit Spannung abzuwarten. Sie könnte an den sportrechtlichen Grundstrukturen rütteln (siehe dazu unseren Beitrag).

Nicht weniger spannend war die Entscheidung der F1-Weltmeisterschaft. Bis zum letzten Grand Prix der Saison in Abu Dhabi lieferten sich Max Verstappen und Lewis Hamilton ein heißes Rennen um den Titel. Und selbst in diesem sollte die Entscheidung erst in der letzten Runde fallen. Der Rest ist Geschichte (nachzulesen beispielsweise hier). Angesichts der Dramatik verwundert es nicht, dass das unterlegene Team von Mercedes juristische Schritte in die Wege leitete. Die beiden Einsprüche wurden allerdings abgelehnt (siehe dazu beispielsweise folgenden Beitrag).

Auch das Pokal-Aus des deutschen Bundesligisten VfL Wolfsburg stellte sich durchaus kurios dar. Was ist passiert? In der ersten Runde des DFB-Pokal trafen die „Wölfe“ auswärts auf den Regionallisten Preußen Münster. Der Favorit setzte sich mit 3:1 nach Verlängerung durch. Aufgestiegen ist dennoch der Underdog, da der Sieg den „Wölfen“ am grünen Tisch nachträglich aberkannt wurde. Grund hierfür war ein Wechselfehler des damaligen VfL-Coach Mark Van Bommel, der sechs anstatt der erlaubten fünf Spieler eingewechselt hatte. Nach einem Einspruch von Preußen Münster wurde das Spiel vom DFB-Sportgericht schließlich mit 2:0 für den Regionallisten gewertet (siehe dazu auch die Stellungnahmen der Beteiligten).

Die Fußballsimulation „FIFA“ ist allseits bekannt. Dagegen wird „EA SPORTS FC“ wohl nur den wenigsten ein Begriff sein. Das könnte sich demnächst aber ändern. Denn ausweislich diverser Medienberichte steht die erfolgreiche „FIFA“-Reihe des Publishers EA Sports vor einer Namensänderung (siehe dazu die Pressemitteilung von EA). Heißt die beliebte Fußballsimulation also bald „EA SPORTS FC“? Dokumenten zufolge soll sich der Publisher diesen Namen bereits als Marke gesichert haben. Die unter Umständen anstehende Namensänderung soll den stockenden Verhandlungen mit dem Weltverband, Fédération Internationale de Football Association (FIFA), geschuldet sein (siehe dazu beispielsweise folgenden Beitrag).

V. Sonstiges

Ein sportrechtlicher „Dauerbrenner“ war im Jahr 2021 auch die „50+1“-Regel. Darunter versteht man vereinfach gesagt, dass der Fußballverein zumindest 50 % der Stimmrechte + 1 Stimme, mithin die Stimmenmehrheit, in der (ausgelagerten) Kapitalgesellschaft innehaben muss. Diese Grundregel gilt sowohl in Österreich als auch in Deutschland (siehe dazu unseren Beitrag).

Aufs Tapet wurde das Thema in Österreich unter anderem ob der wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie sowie der Causa „LASK“ gebracht. Ersterenfalls wurde angesichts der finanziellen Schwierigkeiten vieler Fußballvereine in Krisenzeiten laut über das Kippen oder zumindest über eine Modifizierung der Regelung nachgedacht. Letzterenfalls wurde dem oberösterreichischen Fußballklub LASK medial vorgeworfen, sich nicht an die „50+1“-Regel zu halten (siehe dazu unseren Beitrag). Der Senat 5 (Lizenzausschuss) teilte diese Bedenken allerdings nicht.

In Deutschland teilte das Bundeskartellamt Ende Mai seine vorläufige Einschätzung zur „50+1“-Regel der DFL mit. Es geht davon aus, dass die Grundregel von den kartellrechtlichen Verbotstatbeständen ausgenommen sein kann. Als problematisch erachtet es hingegen, dass die einheitliche Anwendung und Durchsetzung der „50+1“-Regel insbesondere in Kombination mit der „Förderausnahme“ nicht sichergestellt ist. Nach der „Förderausnahme“ kann das Präsidium der DFL nämlich eine Ausnahme von der Grundregel bewilligen, wenn ein Investor den Fußballsport des Muttervereins seit mehr als 20 Jahren ununterbrochen und erheblich gefördert hat. Gegenwärtig haben Bayer 04 Leverkusen, TSG Hoffenheim und VfL Wolfsburg eine Ausnahme erhalten. Anderen Vereinen wurde dies verweigert. Das hat vor allem mit dem unsachlich erscheinenden Zeitraum von 20 Jahren zu tun. Wie es mit der „50+1“-Regel weitergeht, wird die Zukunft weisen (siehe dazu und zu weiteren sportrechtlichen Themen im Profifußball unsere Podcast-Folge).

Anfang des Jahres sorgten Ausschlüsse und lebenslange Sperren im Österreichischen Boxverband (ÖBV) für Aufsehen. Nach der Suspendierung des gesamten A-Kaders im Herbst 2020 wurden Ende Jänner 2021 drei Boxer vom ÖBV ausgeschlossen und lebenslang gesperrt (siehe dazu unseren Beitrag). Die lebenslangen Sperren wurden indessen aufgehoben. Gerichtliche Auseinandersetzungen gab es dennoch (siehe dazu beispielsweise folgenden Beitrag).

Einen juristisch ebenfalls nicht unbedenklichen „Ausschluss“ gab es auch in der deutschen Fußball-Bundesliga. Mit Ablauf der Saison 2020/21 musste der beliebte Schiedsrichter Manuel Gräfe seinen Hut nehmen. Denn nach einer Richtlinie des DFB ertönt für Schiedsrichter mit 47 Jahren der „Schlusspfiff“ (in Österreich gab es bis vor wenigen Jahren auch eine solche Altersgrenze für Unparteiische). Im vorliegenden Fall hätte der Betroffene aber „gerne weitergemacht“ und könne sicherlich noch „bis 50 oder länger pfeifen“. Vor diesem Hintergrund bemühte er die Gerichte wegen Altersdiskriminierung (siehe dazu unseren Beitrag).

Rund um die Fußball-Europameisterschaft förderten Regenbogenfarben Debatten zutage: Zuerst die Kapitänsbinde der deutschen Fußballnationalmannschaft, dann die Fassade der Allianz Arena in München. Demnach leitete die UEFA Disziplinarermittlungen gegen die deutsche Nationalmannschaft ein, da deren Kapitän Manuel Neuer in den Spielen gegen Frankreich und Portugal eine Schleife mit Regenbogenfarben anstatt der gelb leuchtenden Binde mit dem UEFA-Logo und der Aufschrift „Respect“ trug. Damit habe der DFB gegen Artikel 58.01 UEFA-EM-Regulativ verstoßen. Die Ermittlungen wurden schließlich eingestellt, zumal die UEFA die Regenbogenschleife als Zeichen der Mannschaft für Vielfalt und damit für einen „good cause“ befand. Anders sah die UEFA den Plan des Münchner Oberbürgermeisters, die Allianz Arena beim letzten Gruppenspiel der Europameisterschaft zwischen Deutschland und Ungarn in Regenbogenfarben zu beleuchten. Grund des Antrags sei eine politische Entscheidung, die vom ungarischen Parlament getroffen wurde (umstrittenes LGBTQ-Gesetz). Die Absage der UEFA zog heftige Kritik nach sich und löste zugleich eine Welle der Solidaritätsbekundungen mit den Münchner Plänen aus. Es handelte sich um Diskussionen, die weit über die Sportwelt hinausreichen. Es ging um Werte sowie das Verhältnis von Sport und Politik (siehe dazu unseren Beitrag).

Auch über das Verbot des Dritteigentums an Spielerrechten (Third Party Ownership – kurz TPO) wurde im abgelaufenen Jahr in Österreich diskutiert. Anlass dazu gab der damlige LASK-Vizepräsident Jürgen Werner, der laut dem Wochenmagazin „News“ an verbotenen Geschäften mit Transferrechten von Spielern beteiligt gewesen sein soll (siehe dazu auch das Interview mit Johannes Mitterecker). Der Senat 5 befasste sich daraufhin intensiv mit den erhobenen Vorwürfen und leitete daraufhin sowohl ein Verfahren gegen Jürgen Werner als auch gegen den LASK ein. Während das Verfahren gegen den LASK in Ermangelung an Beweisen und wegen formalen Erwägungen eingestellt wurde (siehe dazu die Stellungnahme des Senats 5), zog die Angelegenheit für Jürgen Werner schlussendlich eine Sperre von 18 Monaten für sämtliche offizielle Funktionen im österreichischen Fußball nach sich. Diese Sperre wurde indessen vom Senat 2 bestätigt (siehe dazu die Stellungnahme des Senats 2).

Ende des Jahres wurde außerdem publik, dass die österreichische Fußball-Regionalliga Ost von einem Wettskandal betroffen ist. Die Staatsanwaltschaft Graz bestätigte, dass gegen neun bekannte, darunter auch sieben Spieler, und weitere unbekannte Verdächtige ermittelt wird. Sie sollen den Ausgang von Spielen der Regionalliga Ost manipuliert haben, etwa durch „mäßige Leistungen oder spielverzerrende Aktionen“. Auf diese Spiele sei zugleich gewettet worden. Neben strafrechtlichen Konsequenzen (insbesondere §§ 146 f StGB) haben die Beteiligten mit verbandsrechtlichen Sanktionen (bis hin zu einer lebenslangen Sperre – ob eine solche einer Verhältnismäßigkeitsprüfung standhält, sei dahingestellt) zu rechnen (siehe dazu unser Update Sport und Recht #1).

Abschließend noch ein Hinweis für alle Sportsrechtsinteressierten: Seit 2021 gibt es zwei neue sportrechtliche Medien. Mit der SpoPrax (Zeitschrift für Sportrecht und E-Sportrecht in der Praxis) existiert seit April eine dritte sportrechtliche Fachzeitschrift in der D-A-CH-Region. Sie verfolgt den Ansatz, sich in gleichem Maße mit den rechtlichen Implikationen im traditionellen Sport wie auch im eSport auseinanderzusetzen. Im Mai haben wir den LAW MEETS SPORTS-Sportrechtspodcast „Sportrechtscorner“ aus der Taufe gehoben. In unserem neuen Format diskutieren Christina Toth, Sebastian Reifeltshammer und meine Wenigkeit (Patrick Petschinka) mit spannenden Gästen aus der Praxis über Themen an der Schnittstelle zwischen Sport und Recht (siehe zum Konzept unsere Podcast-Folge).

VI. Ausblick

Der Streifzug durch das sportrechtliche Jahr 2021 hat die Vielseitigkeit der Materie Sportrecht einmal mehr unter Beweis gestellt. Selbst wenn die Sportwelt phasenweise stillsteht, sind sportrechtliche Fragestellungen zu klären. Wir bleiben dran und freuen uns bereits auf ein spannendes Jahr 2022! Welche Auswirkungen zeitigt die geplante Impfpflicht auf die Sportwelt? Wie geht der Gesetzgeber mit den eSport-rechtlichen Empfehlungen der Arbeitsgruppe um? Und last, but not least: Wie entscheidet der EuGH in der Causa „Super League“? Mit diesem Ausblick wünschen wir euch ein gesundes und erfolgreiches neues Jahr! Unsere Neujahrsvorsätze: mehr Content (Beiträge und Podcast-Folgen) und hoffentlich das ein oder andere LAW MEETS SPORTS-Event – Bleibt am Ball!

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