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Der sportrechtliche Jahresrückblick 2024

Der vorliegende Beitrag lässt das sportrechtliche Jahr 2024 nochmals Revue passieren. Ein Jahr, in dem vor allem innerhalb der Landesgrenzen der ein oder andere rechtliche Vorfall für Aufregung gesorgt hat. Aber auch auf europäischer Ebene stand allen voran das Diarra-Urteil unter genauer Beobachtung der ExpertInnen. Die folgenden Ausführungen können keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, sollen den Sportrechtsinteressierten aber einen Überblick bieten.

I. Internationales

Vor Jahren wurde noch kolportiert, dass Streitigkeiten im Sport außerhalb von Gerichtssälen ausgetragen werden. Diese Aussage kann heute nicht mehr aufrechterhalten werden. Obwohl für die Streitschlichtung im Sport primär die Sportgerichtsbarkeit vorgesehen ist, werden zunehmend die ordentlichen Gerichte bemüht, so gab es auch in diesem Jahr Gerichtsentscheidungen mit sportrechtlichem Bezug, die mit Spannung verfolgt werden konnten:

An der Spitze der diesjährigen EuGH-Entscheidungen steht wohl die brisante Causa rund um den ehemaligen Fußballprofi Lassana Diarra, dessen Folgen sich erst kürzlich am 23.12.2024 durch eine interimistische Anpassung der Regulations on the Status and Transfer of Players (RSTP oder auch franz. RSTJ), insbesondere hinsichtlich des Art. 17 FIFA-RSTP, äußerten. Dieser vorläufigen Änderung ging das Urteil C-650/22 vom 04.10.2024 voraus, welches sich mit einer Transferproblematik aus dem Jahr 2014 beschäftigte. Diarra stand damals bei Lokomotive Moskau unter Vertrag, nach internen Streitigkeiten kam es zu einer einseitigen Vertragsauflösung ohne wichtigen Grund, woraufhin vom Verein eine Entschädigungsleistung in Höhe von 10,5 Mio. Euro vor der FIFA-Streitschlichtungskammer (CRL) gefordert und zugesprochen wurde. Bestätigt wurde diese Entscheidung im Jahr 2016 durch den Internationalen Sportgerichtshof (CAS).

Aufgrund des Art. 17 FIFA-RSTP gestaltete sich hingegen die Suche nach einem neuen Verein unverhältnismäßig schwer, wodurch Diarra selbst eine Entschädigung in Höhe von 6 Mio. Euro verlangte. Konkret besagte Art. 17 FIFA-RSTP, dass bei einer Vertragsauflösung ohne wichtigen Grund vom neuen Verein eine Entschädigung an den alten Verein zu leisten ist und zudem neben dem Berufsspieler ein neuer Verein gesamtschuldnerisch für die Zahlung haftet. In Art. 17 Abs 4 FIFA-RSTP wurde dies mit der Vermutungsregelung erweitert, dass der neue Verein, sofern nicht das Gegenteil bewiesen werden konnte, den Berufsspieler zur einseitigen Vertragsauflösung angestiftet hat. Sanktioniert wurde dies neben finanziellen Einbußen mit einem zweijährigen Registrierungsverbot für neue Spieler.

Folglich wurde in einem Vorabentscheidungsverfahren durch den EuGH (C-650/22) bestätigt, dass die Transferregelungen der FIFA gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 AEUV und das Kartellverbot nach Art. 101 AEUV auf unionsrechtlicher Ebene verstoßen (mehr dazu in unserem Beitrag). Die FIFA zeigte sich daraufhin bereit, die RSTP entsprechend zu adaptieren und umzugestalten, sodass diese mit dem Unionsrecht vereinbar sind. Dazu gab es vorab einen öffentlichen Aufruf, wodurch Verbesserungsvorschläge an die FIFA herangetragen werden konnten und daraus resultierend ein zwischenzeitliches Regelwerk zu den RSTP kurz vor Weihnachten veröffentlicht wurde.

Darin sind Anpassungen der Berechnung der Entschädigungen bei Vertragsbrüchen, genauso wie Änderungen zur Beweislast bezüglich der gesamtschuldnerischen Haftung für derartige Entschädigungsleistungen bei Vertragsbruch und der Verleitung zu diesem, wie im Fall Diarra dargestellt, enthalten. Zudem gehen aus dem Regelwerk angepasste Bestimmungen zu internationalen Transferzertifikaten hervor (mehr dazu in den FIFA Explanatory Notes). An einer finalen Lösung wird seitens der FIFA aktuell gearbeitet. Die Wogen rund um das Bosman-Urteil 2.0 sind daher noch lange nicht geglättet.

Mittlerweile ein wiederkehrendes Thema in der internationalen Fußballbranche und in den Jahresrückblicken sind die FIFA Football Agents Regulations (FFAR), mit denen der Weltverband gewisse Mindeststandards für Football Agents (Spielervermittler) gewährleisten und die Vereinbarkeit von deren Verhalten mit den Zielen des Transfersystems prüfen wollte. Zu diesem Zweck wurden unter anderem eine Lizenz- und Fortbildungspflicht, ein Bestellerprinzip, ein Verbot von Mehrfachvertretungen sowie Provisionsobergrenzen festgelegt. Nachdem bereits das LG Dortmund und das OLG Düsseldorf den FFAR einen Riegel vorgeschoben haben und diese Rechtssache auch an den EuGH in zwei Vorabentscheidungsersuchen herangetragen wurde, hat unter diversen Landesverbänden beispielsweise auch der ÖFB die Regelungen vorerst ausgesetzt. Daraufhin hat es ihnen die FIFA gleichgemacht und begründet, man werde die Entscheidung des EuGH abwarten.

Nun gibt es aus österreichischer Sicht insofern Neuigkeiten zu den Spielervermittlerregelungen, als dass seit 02.12.2024 ein neues nationales Reglement des ÖFB für Football Agents in Kraft ist. Berücksichtigt wurde hierfür die rechtskräftige einstweilige Verfügung des LG Dortmund (8 O 1/23 (Kart)). Das neu geschaffene ÖFB-Regelwerk soll nun also die international anwendbaren FFAR ergänzen und den österreichischen Markt für Spielervermittler regulieren. Klargestellt wurde unter anderem, dass es für die Tätigkeit eines Spielerberaters in Österreich einer FIFA-Lizenz und der Absolvierung einer Prüfung bedarf. Die Bestimmungen stehen für mehr Transparenz zugunsten der vertretenen Spieler, sehen auch einen Verhaltenskodex für Agenten vor, zudem werden exklusive Vertretungsvereinbarungen als zulässig erachtet und sind diese von anderen Spielerberatern zu berücksichtigen. Nach der weiteren Niederlage der FIFA im Instanzenzug (1. Instanz: LG Dortmund, siehe oben) vor dem OLG Düsseldorf im März 2024 (U (Kart) 2/23) stehen die zwei Entscheidungen des EuGH zu den FFAR-Vorschriften und dem DFB-Reglement für Spielervermittler allerdings noch aus und dürfen im neuen Jahr 2025 erwartet werden.

Eine EuGH-Entscheidung mit Österreich-Bezug ging hingegen bereits am 07.05.2024 über die Bühne. In jenem Rechtsfall (Rs C-115/22) wurde entschieden, dass die österreichische Unabhängige Schiedskommission (USK), welche für die Überprüfung der Entscheidungen der Österreichischen Anti-Doping Rechtskommission (ÖADR) in Anti-Doping-Verfahren zuständig ist, nicht als „Gericht“ im Sinne des Art 267 AEUV einzustufen sei (siehe unser Beitrag). Ausschlaggebend war der Faktor der fehlenden notwendigen Unabhängigkeit, da der Bundesminister für Sport eine Abbestellung der Mitglieder der USK „aus wichtigen Gründen“ erwirken kann, jedoch ohne eine gesetzliche nationale Verankerung dieser Gründe. Es besteht sohin kein Schutz vor äußerlichen Druckmitteln für die Mitglieder (mehr zum Thema Doping unter III).

Vor kurzem war aus europäischer Sicht zudem ein neues „Schmankerl“ zum Thema Super League medial im Umlauf. Wie in unserem Beitrag zu lesen war, wurde der Super League vom EuGH noch keine Zu- bzw. Absage erteilt und ist der Streit um die neue Liga der Giganten noch nicht besiegelt. Umso interessanter ist der Umstand, dass kürzlich von den Befürwortern, rund um die Agentur A22 Sports Management, ein neuer Anlauf mit einem neuen Namen gestartet wurde und bereits ein Anerkennungsvorschlag bei FIFA und UEFA eingelangt ist. Der neue paneuropäische Klubfußballwettbewerb soll unter der Bezeichnung „Unify League“ veranstaltet werden und mit den Bestimmungen der UEFA im Einklang stehen. Benannt ist sie nach einer Streaming-Plattform, die alle Spiele live zeigen soll.

Der offiziellen Gründung solle nichts im Wege stehen, da die Teilnahme offen und meritokratisch (leistungsabhängig) geregelt ist und mit dem Gesamtspielplan im Einklang steht. Neu hinter der Idee ist also ein „überarbeitetes jährliches Qualifikationssystem“. Auch hierzu wird es im Laufe des neuen Jahres Neuigkeiten geben.

II. Nationales

Gerade auf nationaler Ebene gab es außerordentlich viel sportrechtlichen Betrieb im vergangenen Jahr. Auch wenn es für den SK Rapid aktuell einen sportlichen Höhenflug zu verzeichnen gibt, blickt man schmerzlich auf die Derby-Vorfälle im Frühjahr und jüngst auf die schwere Verletzung von Guido Burgstaller als rechtlich relevante Vorkommnisse zurück.

Das Aufeinandertreffen der Wiener Vereine aus Penzing und Favoriten am 25.02.2024 bleibt wohl den meisten österreichischen Fußballfans ein Begriff. Während der SK Rapid nach über 10 Jahren wieder einen Derby-Sieg vor heimischer Kulisse feiert, werfen die Sprechgesänge in den Katakomben des Block West Fragezeichen auf. In einem veröffentlichten Video ist ersichtlich, wie einzelne Vereinsfunktionäre, Spieler und Fans beleidigende Fangesänge sowie homophobe Fangesänge in Richtung der Veilchen von sich geben (mehr dazu in unserem Beitrag).

Auf eine offizielle Entschuldigung an den FK Austria Wien folgte ein Verfahren vor dem Senat 1 der Österreichischen Fußball-Bundesliga. Zu sanktionieren waren dabei nach § 111 der ÖFB-Rechtspflegeordnung die Ehrverletzung durch die Äußerungen von SK Rapid-Geschäftsführer Sport Steffen Hofmann, die Verletzung des Fairplay-Gedankens durch Maximilian Hofmann und Niklas Hedl gemäß § 111a Abs 1 der ÖFB-Rechtspflegeordnung und der Tatbestand der Diskriminierung (herabwürdigende Äußerungen in Bezug auf die sexuelle Orientierung) durch Stefan Kulovits, Guido Burgstaller, Marco Grüll und Thorsten Schick nach § 112 Abs 1 der ÖFB-Rechtspflegeordnung.

Nach Protesterhebung gegen die Entscheidung des Senat 1 in erster Instanz wurden die verhängten Strafen in zweiter Instanz wie folgt abgeändert bzw. bestätigt: Drei-Punkte-Abzug (allesamt bedingt), Funktionssperre für zwei (Steffen Hofmann) bzw. drei (Stefan Kulovits) Monate (davon jeweils ein Monat bedingt), Sperre für sechs Pflichtspiele (Guido Burgstaller, drei davon bedingt), Sperre für fünf Pflichtspiele (Marco Grüll und Thorsten Schick, davon drei bedingt), sowie eine Sperre für drei Pflichtspiele (Maximilian Hofmann, davon zwei bedingt; Niklas Hedl, allesamt bedingt).

Nach einem weiteren Vergehen hinsichtlich sicherheitsrelevanter Aspekte war von Seiten des Strafsenats der Österreichischen Fußball-Bundesliga sogar ein unbedingter Zwei-Punkte-Abzug für die, aktuell bereits laufende, Spielzeit 2024/25 vorgesehen, der jedoch im Juli 2024 vom Ständig Neutralen Schiedsgericht zur Gänze aufgehoben wurde. Der SK Rapid hat somit seine Lehren und Konsequenzen aus den Vorfällen gezogen, wurde aber im Dezember 2024 erneut mit einem ungewöhnlichen Verletzungsschock konfrontiert.

In den frühen Morgenstunden des 14.12.2024 wurde der Rapid-Kapitän Guido Burgstaller nach einem Faustschlag durch einen 23-Jährigen dermaßen schwer verletzt, dass dieser beim Sturz auf den Boden einen Schädelbasisbruch erlitt. Die Ausfallszeit nach der Attacke in der Wiener Innenstadt wurde auf mehrere Monate geschätzt. Zum Motiv des Täters hat sich die Annahme nicht bestätigt, dass fußballbezogene Umstände relevant waren, sondern ein Streitgespräch rund um Burgstallers Begleitung der Auslöser war. Der zunächst unbekannte Täter stellte sich reumütig wenige Tage später der Exekutive und wurde in U-Haft genommen.

Aufgrund der Schwere der Verletzung wurde auch von einem möglichen verfrühten Karriereende gesprochen, kurz vor dem Jahreswechsel durfte Burgstaller das Krankenhaus verlassen und befindet sich weiterhin auf dem Genesungsweg. Der Täter wurde inzwischen aus der U-Haft entlassen, diesem steht ein Gerichtsprozess vor dem Landesgericht für Strafsachen wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB bevor. Zudem geben die Ankündigungen der gewaltbereiten grünen Fangemeinde Grund zur Sorge. Eine Entscheidung in dieser Rechtssache ist also im Jahr 2025 ausständig.

Ein mediales Update gab es auch zum Antrag auf Zuerkennung der Kollektivvertragsfähigkeit beim Bundeseinigungsamt durch die Vereinigung der Fußballer (VdF) zu verzeichnen. Nachdem der Antrag in erster Instanz abgelehnt wurde, kündigte die VdF rund um ihren Vorsitzenden Gernot Baumgartner den Schritt in die zweite Instanz an, der in weiterer Folge auch vollzogen wurde. Die Causa um die Fußballer-Gewerkschaften Younion und VdF bleibt also auch über den Jahreswechsel hinweg beim Bundesverwaltungsgericht aufrecht.

Kurios war indes ein strafrechtlicher Vorfall in Vorarlberg, der sich in der Frauen-Bundesliga ereignet hat und die Unterstützung der VdF notwendig machte. So kam es bei der Spielgemeinschaft Ladies FC Lustenau/FC Dornbirn dazu, dass ein Vereinsfunktionär im Zuge einer Besprechung Spielerinnen mit einer Schusswaffe bedrohte. Dieser wurde folglich von all seinen Aufgaben entbunden, die Aufklärung ist dabei noch im Gange. Nach dem Vorfall wurden bereits fünf Vertragsauflösungen bestätigt, auch der ÖFB wurde informiert, verzichtete allerdings aufgrund des laufenden Verfahrens auf eine Stellungnahme.

Wie einst nach dem Crash im Wiener Derby zwischen Axel Lawaree und Joey Didulica wurde 2024 auf ein Foul im Amateurfußball aufmerksam gemacht, das in Verbindung mit dem Sporthaftungsprivileg steht. Jenes besagt, dass bei der Ausübung des Sports ein gewisses Maß an sportartspezifischen Risiken, besonders im Hinblick auf Verletzungen, von allen Beteiligten in Kauf zu nehmen ist. Somit können erst ab erheblichen Regelverstößen und bei über dieses Risiko hinausgehenden Verletzungen zivilrechtliche Haftungsfälle relevant werden. Das gegenständliche Vergehen reicht bis ins Jahr 2020 zurück und beschreibt einen Zusammenprall zwischen dem Unterliga-Stürmer Amir Abdel-Hamid und dem Torhüter der gegnerischen Mannschaft. Bei diesem erlitt der Tormann eine Nasenbeinfraktur, Verletzungen an den Lippen und eine Zahnverletzung, welcher daraufhin mit einer Klage auf Schmerzengeld und Ersatz der Behandlungskosten reagierte.

Nach einem vierjährigen Hin und Her zwischen den Instanzen wurde der Stürmer von der höchsten Instanz am LG St. Pölten zu einer Schadenersatzleistung von insgesamt 22.000 Euro verpflichtet. Der Aufschrei war groß, zumal nun weitere derartige Schadenersatzklagen befürchtet wurden. Jedoch sei darauf hingewiesen, dass es sich bei derartigen Rechtsfällen um Einzelfallentscheidungen handelt und Beweiswürdigungsfragen den Ausschlag geben. Der gegenständliche Schuldspruch basierte auf den Aussagen einer Linienrichterin, die bei der Foulsituation nach ihrer Wahrnehmung Absicht des Stürmers erkannte. Durch die Beweiswürdigung zugunsten dieser Zeugenaussage griff das Sporthaftungsprivileg nicht mehr und der Stürmer hat nun zivilrechtlich zu haften.

III. Sonstiges

Abgerundet wird der vorliegende Jahresrückblick mit einer Palette an sonstigen Geschehnissen, die sich im Jahr 2024 ereignet haben:

Das vergangene Jahr hatte für Sportinteressierte ein besonderes und breit gefächertes Programm mit der Austragung der Fußball-Europameisterschaft 2024 (EM 2024) in Deutschland und den Olympischen Spielen 2024 in Paris zu bieten. Die Bezeichnung als „Super-Sportjahr“ kommt nicht von ungefähr und wurde aus heutiger Sicht verdientermaßen schon vorab vergeben.

Mit der rot-weiß-roten Brille lässt sich auf eine sehr erfolgreiche EM 2024 beim Nachbar zurückblicken, bei welcher sich die ÖFB-Elf unter der Dirigentschaft von Ralf Rangnick in der vermeintlichen „Todesgruppe“ mit Frankreich, der Niederlande und Polen zum Gruppensieger krönte und die Herzen der österreichischen Fußballfans höher schlagen ließ. Umso schmerzhafter war daraufhin das plötzliche Aus im Achtelfinale (mehr dazu unten), schien doch im Turnierbaum nach dem Gruppensieg alles möglich zu sein. Die Zeit heilte auch diese Wunde und bleibt den Sportbegeisterten eine euphorische Euro in Erinnerung.

Die Bilanz der österreichischen VertreterInnen bei den Olympischen Spielen 2024 kann sich mit zwei Gold-Medaillen und drei Bronze-Medaillen ebenfalls sehen lassen. Das vorhandene Talent konnte dabei vor allem im Wasser- und, wie erwartet, im Klettersport unter Beweis gestellt werden. Wie es auch sein sollte, stand bei beiden Großereignissen der Sport im Vordergrund, wobei folglich rechtliche Zwischenfälle beleuchtet werden sollen.

Auf der Suche nach einer sportrechtlichen Thematik bei der EM 2024 wird man ausgerechnet beim Österreich-Bezwinger Merih Demiral fündig, der mit seinem Doppelpack den Viertelfinal-Einzug der türkischen Nationalmannschaft besiegelte. Der Innenverteidiger sorgte im genannten Spiel mit dem „Wolfsgruß-Jubel“ für Kritik und wurde seitens der UEFA nach den Vorkommnissen ein Untersuchungsverfahren eingeleitet. Dieses basierte auf der verbandsrechtlichen Grundlage, dass die UEFA, vergleichbar mit der FIA im Motorsport oder höherrangig mit der FIFA hinsichtlich der Regenbogen-Debatte bei der WM 2022 in Katar, keine politischen Gesten duldet und für Neutralität einsteht (Art. 1 Abs 1 der UEFA-Statuten). Im Zuge des internen Verfahrens wurde Demiral im laufenden Wettbewerb für zwei Spiele gesperrt und verpasste in weiterer Folge das Viertelfinalspiel gegen die Niederlande.

Begründet wurde dies von der UEFA damit, dass sein Verhalten die grundlegenden Regeln des guten Benehmens verletzte und der Spieler das Sportereignis für eine Kundgebung nicht-sportlicher Art genutzt und somit den Fußballsport in Verruf gebracht habe (siehe Art. 11 Abs 1 lit. a, b, c der UEFA-Rechtspflegeordnung). Eine geplante Beantragung eines Eilverfahrens durch den türkischen Fußballverband beim Internationalen Sportgerichtshof (CAS) wurde bereits vorab durch Art. 63 Abs 1 lit. b der UEFA-Statuten ausgeschlossen, worin festgehalten wird, dass für eine Sperre von zwei Spielen keine Zuständigkeit des CAS gegeben ist.

Bei den Olympischen Spielen 2024 machte aus juristischer Sicht der Boxwettkampf bei den Damen auf sich aufmerksam. Für so manche ergab sich aus den Vorwürfen an die algerische Athletin Imane Khelif ein Deja-vu im Hinblick auf die Causa rund um Caster Semenya. Die Genderproblematik war nämlich insofern gleich geartet, dass bei Semenya der erhobene Testosteronwert deutlich über dem Durchschnitt bei den Damen lag und deshalb Wettbewerbsvorteile unterstellt wurden und bei Khelif ebenfalls ein Geschlechtertest durch die IBA im Jahr 2023 zur Disqualifikation der Sportlerin bei der Box-WM 2023 führte. Da das Internationale Olympische Komitee (IOC) nicht mehr mit der International Boxing Association (IBA) kooperiert und bei den diesjährigen Spielen selbst als Veranstalter auftrat, wurde eine Teilnahme Khelifs möglich, da ausschließlich das im Pass festgestellte Geschlecht als Voraussetzung herangezogen wurde.

Die Kritik um Khelif wurde so weit gespannt, dass sogar Gerüchte verbreitet wurden, bei der Boxerin würde es sich um eine „Transfrau“ handeln, was jedoch auch anhand ihrer Geburtsurkunde keine Bestätigung erfahren hat. Imane Khelif ließ sich trotz der heftigen Diskussionen nicht von ihrem sportlichen Höhenflug abbringen und holte schlussendlich ihre Gold-Medaille im Damen-Boxen ab.

Hinsichtlich des juristischen Erfolgs von Semenya vor dem EGMR, welcher in ihrer Rechtssache (siehe dazu unseren Beitrag aus 2019) beispielsweise Verstöße gegen das Diskriminierungsverbot feststellte, wird das Geschlechterthema, die Kategorisierung von Geschlechterzugehörigkeiten sowie die Balance zwischen dem wettkampfspezifischen Fairnessgedanken und der Diskriminierung wohl auch in Zukunft weiterhin unter Beobachtung bleiben.

In diesem Jahr blieb leider die Tenniswelt nicht von klassischen sportrechtlichen Negativzeilen, die zu diversen Dopingfällen zu lesen waren, verschont. Während sich der diesjährige australische US-Open Sieger im Doppel Max Purcell freiwillig aufgrund eines Dopingvergehens durch eine erhöhte Vitamininfusion im Spital sperren ließ, geht der Dopingfall rund um die aktuelle Nummer 1 der ATP-Weltrangliste Jannik Sinner im neuen Jahr 2025 in die nächste Runde.

Sinner wurde im März zweifach positiv auf das Steroid Clostebol getestet und gab zu seiner Verteidigung ein fehlendes Verschulden sowie die unwissentliche Substanzaufnahme über die Hände seines Physiotherapeuten bei einer Behandlung an. Zunächst wurde der Weltranglistenführende von der International Tennis Integrity Agency (ITIA) freigesprochen, die World Anti Doping Agency (WADA) erhob jedoch Einspruch, womit der Dopingfall 2025 vor dem Internationalen Sportgerichtshof (CAS) in Lausanne entschieden werden soll. Im Raum steht eine Sperre von bis zu zwei Jahren, was dies für das aufstrebende italienische Talent und dessen Karriere bedeuten würde, ist wohl allen Beteiligten bewusst. Es bleibt daher gespannt abzuwarten, wie der CAS diesen Dopingfall einordnen wird.

Bei den Damen wurde hingegen inzwischen die aktuelle Nummer 2 der ATP-Weltrangliste Iga Swiatek nach einem Dopingvorfall, bei dem bei der Athletin ein verbotenes Herzmittel nachgewiesen werden konnte, für ein Monat gesperrt. Das vergleichbar geringe Strafausmaß wurde von der ITIA damit begründet, dass es sich um kein schweres Vergehen handelte. Die polnische Tennisspielerin verbüßte die Dopingsperre im Spätsommer, hatte einen Teil ihrer Preisgelder zurückzuzahlen und ist brandaktuell schon wieder beim United Cup im Einsatz.

IV. Ausblick

Der Streifzug durch das sportrechtliche Jahr 2024 hat die Vielseitigkeit der Materie Sportrecht einmal mehr unter Beweis gestellt. Wir bleiben jedenfalls dran und freuen uns auf ein spannendes Jahr 2025: Welche Änderungen bringt das Diarra-Urteil noch mit sich? Welche Auswirkungen werden die EuGH-Entscheidungen in den Rechtssachen zu den Bestimmungen der FFAR haben? Wird es zu mehr Schadenersatzklagen nach Foulspielen kommen? Wie wird sich die Genderthematik zukünftig weiterentwickeln? Welche Entscheidung trifft der CAS im Dopingfall um Jannik Sinner?

Mit diesem Ausblick wünsche ich euch ein gesundes und erfolgreiches neues Jahr – um es in Hommage an den Autor der bisherigen Jahresrückblick-Reihe Patrick Petschinka zu formulieren – bleibt am Ball!

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Der Fall Diarra: Mücke oder Elefant?

Seit zwei Wochen macht der Name eines Ex-Profifußballers in der Medienwelt die Runde, dessen Causa durch ein EuGH-Urteil vom 04.10.2024 (C-650/22) die Transferregelungen der FIFA auf den Kopf stellen könnte. Die Rede ist natürlich von Lassana Diarra, dessen Transferproblematik aus dem Jahr 2014 nun ein ganzes Jahrzehnt später für Furore sorgt und die Vereinbarkeit des FIFA-Reglements bezüglich Status und Transfer von Spielern (franz. RSTJ) mit dem Unionsrecht auf den Prüfstand stellt. Aber wagen wir zunächst einen Schritt zurück zum Ausgangsfall…

Im Hinblick auf das bevorstehende LIVE-Webinar zum EuGH-Urteil Diarra am 21.10.2024 um 18 Uhr, möchte LAW MEETS SPORTS hiermit einen Problemaufriss vermitteln und vorab auf die mit Spannung erwarteten Meinungen des Experten-Trios rund um MMag. Christina Toth, MSc, Dr. Frank Rybak und Prof. Dr. Philipp S. Fischinger, LL.M. (Harvard) verweisen! (Anmeldung siehe unten)

Die Vorgeschichte

Der ehemalige französische Profifußballer Lassana Diarra (39) war in seiner Karrierelaufbahn unter anderem für Top-Klubs wie den FC Chelsea, Real Madrid CF und den FC Paris Saint-Germain aktiv und hing vor fünf Jahren seine Fußballschuhe an den Nagel. Das nunmehr heiß diskutierte Transferdilemma setzt im Jahr 2014 an, als Diarra in Russland bei Lokomotive Moskau unter Vertrag stand. Zu jener Zeit krachte es zwischen dem Spieler und seinem damaligen Trainer Leonid Kuchuk derart, dass der Verein mit Gehaltskürzungen aus disziplinären Gründen reagierte. Dies schmeckte Diarra natürlich nicht, weshalb dieser einseitig das Vertragsverhältnis für beendet ansah. Daraufhin wurde er im Jahr 2015 von der FIFA-Streitschlichtungskammer (CRL) nach Klage von Lokomotive Moskau zu einer satten Entschädigungsleistung in Höhe von 10,5 Millionen Euro verurteilt. Grund dafür war die Vertragsauflösung ohne wichtigen Grund. Diese Entscheidung wurde in weiterer Folge im Jahr 2016 durch den internationalen Sportgerichtshof (CAS) bestätigt.

Diarra forderte daraufhin im Jahr 2015 seinerseits eine Entschädigungsleistung in Höhe von 6 Millionen Euro von der FIFA und dem belgischen Fußballverband (URBSFA) aufgrund deren Fehlverhalten in der Transfercausa, die ihm einen Schaden verursachten (siehe sogleich). Vom belgischen Handelsgericht wanderte der Fall Diarra im Instanzenzug weiter zur Cour d’appel de Mons (belgisches Berufungsgericht) und landete schlussendlich in einem Vorabentscheidungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Auf den Spuren des Bosman-Urteils

Konkret ging es im Vorabentscheidungsersuchen um die Frage, ob die Transferregelungen der FIFA gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 AEUV und das Kartellverbot nach Art. 101 AEUV auf unionsrechtlicher Ebene verstoßen. Schon nach den gegenständlichen Äußerungen des Generalanwalts war in Erwartung des Urteils für Sportrechtsinteressierte ersichtlich, dass die einschränkenden Bestimmungen Konsequenzen für den Weltfußballverband bedeuten könnten.

Hierbei ist besonders erwähnenswert, dass erstmals seit dem Bosman-Urteil (C-415/93) aus dem Jahr 1995 wieder Bewegung in die Transfergegebenheiten der FIFA kommen könnte. Damals wurden die Ablösesummen nach Vertragsende und die Beschränkung auf eine bestimmte Anzahl an ausländischen Spielern innerhalb eines Vereins für unzulässig erachtet. Die aktuelle Causa ist dahingehend ähnlich gewichtet, als sie wiederum auf das FIFA-Reglement bezüglich Status und Transfer von Spielern (franz. RSTJ) Bezug und dabei insbesondere Art. 17 RSTJ unter die Lupe nimmt. Diese Bestimmung regelt die Folgen einer Vertragsauflösung ohne wichtigen Grund, wie dies bei Lassana Diarra geschehen ist.

Es wird darin festgehalten, dass eine Entschädigung an den alten Verein zu leisten ist und zudem neben dem Berufsspieler ein neuer Verein gesamtschuldnerisch für die Zahlung zu haften hat. Zusätzlich wird nach Art. 17 Abs 4 RSTJ vermutet, dass der neue Verein, sofern nicht das Gegenteil bewiesen wird, den Berufsspieler zur einseitigen Vertragsauflösung angestiftet hat. Dies zieht vor allem neben der finanziellen Belastung eines neuen Vereins auch sportliche Sanktionen mit sich, die sich in einem zweijährigen Registrierungsverbot für neue Spieler beim Verein äußern, der nach der verankerten Vermutungsregel den Vertragsbruch angestiftet haben soll.

Anhand dieser schwerwiegenden Folgen wird klar, inwiefern Diarras Suche nach einem neuen Verein, der ihn nach dem Transferdilemma mit Lokomotive Moskau unter Vertrag nimmt, erheblich erschwert wurde und jene problematisch hinsichtlich der unionsrechtlichen Vorschriften sind. Das EuGH-Urteil vom 04.10.2024 (C-650/22) bestätigte diese mögliche Unvereinbarkeit der FIFA-Transferregeln mit dem Unionsrecht. Er verlautbarte im Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV, dass die Bestimmungen gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit verstoßen und eine Wettbewerbsbeschränkung erzielen könnten. Doch was bedeutet dies nun für die FIFA und den Transfermarkt?

Ein erster Blick in die Glaskugel

Hinsichtlich der Schadenersatzleistung in Höhe von 6 Millionen Euro an Lassana Diarra wird der Ball nun nach Beantwortung der Vorabentscheidungsfrage wiederum an das belgische Gericht zurückgespielt, das darüber entscheiden wird. Interessanter ist aus einem fußballspezifischen Blickwinkel eher, welchen Einfluss dieses EuGH-Urteil nun auf die FIFA und deren Transferbestimmungen nehmen wird.

Einem Medienbericht zufolge zeigt sich die FIFA nun bereit, die Regelungen in den RSTJ entsprechend anzupassen und derart zu gestalten, dass diese mit dem Unionsrecht vereinbar sind. Ob die EuGH-Entscheidung ähnlich große Wellen schlägt wie einst bei Bosman, stellt sich zum aktuellen Zeitpunkt als eher unwahrscheinlich dar. Es bleibt demnach abzuwarten, ob hier aus einer Mücke ein Elefant gemacht wird. Auswirkungen werden sich aber definitiv hinsichtlich der unverhältnismäßigen Strafzahlungen, der benachteiligenden Vermutungsregel und auch der verhängten Registrierungsverbote zeigen, wo es seitens der FIFA nun jedenfalls Handlungsbedarf gibt, um nicht ein weiteres Gegentor durch den EuGH zu kassieren.


Wer nun mehr über mögliche Entwicklungen nach dem EuGH-Urteil rund um Lassana Diarra erfahren möchte, darf hiermit auf das LIVE-Webinar am kommenden Montag, den 21.10.2024 um 18 Uhr hingewiesen werden!

Mehr Infos:

LIVE-Webinar zum EuGH-Urteil Diarra

Revolution des Transferrechts oder Sturm im Wasserglas?

Wann: 21.10.2024 – 18 Uhr

Wo: Online via Zoom

Die Experten:
MMag. Christina Toth, MSc, Rechtsanwältin, Wien
Dr. Frank Rybak, Fachanwalt für Sportrecht, Northeim
Prof. Dr. Philipp S. Fischinger, LL.M. (Harvard), Universität Mannheim

Für die Teilnahme ist eine Registrierung erforderlich!


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Der sportrechtliche Jahresrückblick 2023

Der vorliegende Beitrag lässt das sportrechtliche Jahr 2023 nochmals Revue passieren. Ein Jahr, in dem einiges los war. Besonders die Meldungen vom 21. Dezember aus Luxemburg bergen erhebliche Sprengkraft. Die folgenden Ausführungen können keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, sollen den Sportrechtsinteressierten aber einen Überblick bieten.

I. Von den „Gerichten“

Vor Jahren wurde noch kolportiert, dass Streitigkeiten im Sport außerhalb von Gerichtssälen ausgetragen werden. Diese Aussage kann heute nicht mehr aufrechterhalten werden. Obwohl für die Streitschlichtung im Sport primär die Sportgerichtsbarkeit vorgesehen ist, werden zunehmend die ordentlichen Gerichte bemüht:

Den Anfang machen die rezenten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 21. Dezember in den Rechtssachen „European Superleague Company“ (C-333/21), „International Skating Union/Kommission“ (C-124/21 P) und „Royal Antwerp Football Club“ (C-680/21):

Vorauszuschicken ist, dass der EuGH der Super League entgegen dem Narrativ der Medien weder eine Zusage noch eine Absage erteilt hat; das wird in der Pressemitteilung des Gerichtshofs sogar ausdrücklich betont. Eine deutliche Absage hat der EuGH hingegen der Ansicht des Generalanwalts Rantos erteilt (zu seinen Schlussanträgen siehe unseren Beitrag). Der Gerichtshof hat im Wesentlichen festgestellt, dass die Vorschriften der FIFA und der UEFA über die vorherige Genehmigung von Fußballwettbewerben im Widerspruch zum Unionsrecht stehen, konkret zum Wettbewerbsrecht und zur Dienstleistungsfreiheit. Das bedeutet fürs Erste, dass die FIFA und die UEFA ihre Regeln bezüglich der Genehmigung von Alternativwettbewerben reformieren müssen. Sie haben ein transparentes, objektives, nicht-diskriminierendes und verhältnismäßiges (Genehmigungs-)System zu entwickeln. Ob ihnen das gelingt und ob die neuen Pläne der European Superleague Company die zu entwickelnden Genehmigungskriterien in weiterer Folge erfüllen, steht auf einem anderen Blatt und soll hier beiseitegelassen werden (siehe dazu bereits unseren Beitrag). Der Streit um die Super League ist damit also noch nicht zu Ende.

Im Fall der International Skating Union (ISU) hat der EuGH im Wesentlichen geurteilt, dass die Vorschriften der ISU über die vorherige Genehmigung von Eislaufwettbewerben gegen Unionsrecht verstoßen. Grund hierfür ist die Einschränkung des Wettbewerbs zum Nachteil der Athleten, der Verbraucher und des Publikums. Auch hier verlangt der EuGH ein transparentes, objektives und verhältnismäßiges Regelwerk in Bezug auf die Genehmigung von Alternativwettbewerben. Zudem enthält die Entscheidung spannende Ausführungen zur obligatorischen „CAS-Schiedsklausel“. Diesbezüglich könnte sie ebenfalls weitreichende Auswirkungen zeitigen.

Im Lichte dieser beiden Paukenschläge blieb die dritte sportrechtliche Entscheidung des EuGH vom 21. Dezember (zumindest medial) unter dem Radar: Es handelt sich um den Fall „Royal Antwerp Football Club“, bei dem es inhaltlich um die Unionsrechtskonformität der „Homegrown“-Regelungen der UEFA und des belgischen Fußballverbands geht. Demnach müssen acht von 25 Plätzen auf der Kaderliste für solche Spieler reserviert sein, die unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit mindestens drei Jahre lang im Alter zwischen 15 und 21 Jahren von ihrem Klub oder einem anderen Klub desselben nationalen Verbandes ausgebildet wurden; vier davon müssen vom betreffenden Klub ausgebildet worden sein (so die Bestimmungen der UEFA). Der EuGH hat nun entschieden, dass diese Regelungen gegen Unionsrecht, konkret gegen das Wettbewerbsrecht und die Arbeitnehmerfreizügigkeit verstoßen könnten. Nach Ansicht des Gerichtshofs liegt es aber in der Verantwortung des nationalen Gerichts, dies zu beurteilen. Für die Beurteilung gibt der EuGH dem nationalen Gericht zumindest ein paar Leitlinien an die Hand (zu diesem Fall werde ich in Kürze einen wissenschaftlichen Aufsatz verfassen).

Auch die Causa rund um die Mittelstreckenläuferin Caster Semenya ist um eine Facette reicher. Wir erinnern uns: Im Jahr 2019 hat der Internationale Sportgerichtshof (CAS) festgestellt, dass die „DSD-Bestimmungen“ (Anmerkung: haben Testosteronwerte zum Gegenstand) zwar diskriminierend wären, eine solche Diskriminierung jedoch als „notwendig, angemessen und verhältnismäßig“ zu betrachten sei, wenn damit das höhere Ziel, nämlich die „Integrität der Frauen-Leichtathletik“ geschützt werde (siehe dazu bereits unseren Beitrag). Auch vor dem Schweizerischen Bundesgericht blitzte die Olympiasiegerin aus Südafrika in weiterer Folge ab. Im Jahr 2023 konnte Semenya hingegen einen juristischen Erfolg einfahren: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) stellte in ihrer Sache mehrere Verstöße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) fest, darunter beispielsweise Verstöße gegen das Diskriminierungsverbot, das Recht auf Achtung des Privatlebens und das Recht auf eine wirksame Beschwerde (zur Pressemitteilung des EGMR).

Bitter lief es hingegen für den 1. FC Köln vor dem Sportgerichtshof in Lausanne: Der CAS bestätigt die von der FIFA ausgesprochene Transfersperre für zwei Wechselperioden. Ausgangspunkt war der Transferstreit um den damals 16-jährigen Spieler Jaka Cuber-Potocnik vom NK Olimpija Ljubljana. Dem deutschen Bundesligisten wurde Anstiftung zum Vertragsbruch vorgeworfen. Der CAS hat die Beschwerde des Klubs nunmehr verworfen und die Transfersperre bestätigt (zur Pressemitteilung des CAS). Diese Entscheidung ist nicht zuletzt in Anbetracht der sportlichen Situation des 1. FC Köln (nur zehn Punkte aus 16 Spielen und die Entlassung des Langzeittrainers Steffen Baumgart) fatal.

Weltweit sind zahlreiche Gerichte mit der Einführung des neuen Reglements für Football Agents befasst (zum Reglement unten II.), darunter beispielsweise ein Verfahren vor dem CAS: Dieser hat die Klage der Professional Football Agents Association auf Unvereinbarkeit des neuen Reglements mit dem Unionsrecht mit Schiedsspruch vom 24. Juli abgewiesen (zum Schiedsspruch). Damit ist die Debatte über das Reglement aber keinesfalls beendet. In zahlreichen Ländern sind entsprechende Verfahren anhängig, so beispielsweise auch in Deutschland: Während das Landgericht Dortmund die Regelungen in einem Verfügungsverfahren vorerst ausgesetzt hat, ersucht das Landgericht Mainz den EuGH um eine Vorabentscheidung (siehe dazu folgenden Blogbeitrag). Es geht um grundsätzliche Fragen der Vereinbarkeit des Reglements für Football Agents mit dem europäischen Kartellrecht und der Dienstleistungsfreiheit (zum Vorabentscheidungsersuchen). Die Antworten des EuGH werden die Marschrichtung festlegen.

In Österreich sorgte eine Entscheidung des OLG Linz für Aufsehen: Anlass des Streits zwischen einem Klub der Österreichischen Fußball-Bundesliga und einem Spieler war eine Verschwiegenheitsklausel im Aufhebungsvertrag. Demnach habe sich der Spieler jeglicher kritischen Äußerung über den Klub, dessen Vertreter und Mitarbeiter sowie sein Arbeitsverhältnis mit dem Klub gegenüber Dritten, insbesondere den Medien, zu enthalten (im Folgenden: „Kritikverbot“) und über alle ihm im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis bekannt gewordenen Interna uneingeschränkt und unbefristet strengstens Stillschweigen zu bewahren (im Folgenden: „Geheimhaltungsvereinbarung“). Während das OLG Linz die „Geheimhaltungsvereinbarung“ als grundsätzlich zulässig erachtete, bewertete es das „Kritikverbot“ als sittenwidrig (ausführlich dazu meine Entscheidungsbesprechung in der SpoPrax).

In Deutschland schlug das „Karriereende“ des Schiedsrichters Manuel Gräfe hohe Wellen (zum Sachverhalt siehe unseren Beitrag). Grund für das Aus ist eine interne „Richtlinie“ des Deutschen Fußballbundes (DFB), wonach für Schiedsrichter in der Bundesliga mit Erreichen eines gewissen Alters (in vorliegenden Fall: 47 Jahren) Schicht im Schacht ist. Das wollte der ehemalige Schiedsrichter nicht auf sich sitzen lassen und klagte den DFB vor dem Landgericht Frankfurt am Main wegen Altersdiskriminierung. Das Gericht gab Gräfe grundsätzlich Recht und verurteilte den DFB auf Zahlung einer Entschädigung für den Nichtvermögensschaden in Höhe von EUR 48.500,00 gemäß § 15 Abs 2 Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (zum Urteil).

Ebenfalls in Deutschland hatte sich das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Klassifizierungen im paralympischen Schwimmsport zu beschäftigen und dabei eine wegweisende Entscheidung für den Parasport getroffen. Fußnote: Die Klassifizierung entscheidet über die Einteilung der Athleten in die jeweiligen Klassen. Das Gericht gab der Berufung des brasilianischen Para-Schwimmsportlers André Brasil statt und sprach ihm Schadenersatz in Höhe von EUR 47.178,00 nebst Zinsen zu. Inhaltlich hat es im Wesentlichen festgestellt, dass der vertragliche Ausschluss der gerichtlichen Kontrolle von Klassifizierungsentscheidungen unwirksam ist und der Verband bei Änderung der Klassifizierungsregeln Übergangsfristen zu implementieren hat (zum Urteil).

II. Aus dem „Parlament“

Mit der Professionalisierung und Kommerzialisierung im Sport geht eine Verrechtlichung einher. So treten neben die allseits bekannten (verbandsrechtlichen) Spiel- und Sportregeln zunehmend allgemeingültige Rechtsregeln, die überwiegend die Rahmenbedingungen des sportlichen Systems zum Gegenstand haben. Obwohl die Verrechtlichung des Sports bereits weit fortgeschritten ist, gibt es doch noch einiges zu tun, um tatsächlich Rechtssicherheit für Sportler, Vereine und Verbände zu schaffen. Bevor auf die Vorhaben des österreichischen Gesetzgebers eingegangen wird, erfolgt eine kurze Darstellung zweier Regelwerke der ursprünglichen Regulatoren im Sport:

Die FIFA hat zum Jahreswechsel ein neues Reglement für Football Agents auf den Weg gebracht: „FIFA Football Agents Regulations“ (kurz FFAR). Damit möchte der Weltverband sicherstellen, dass gewisse Mindeststandards für Football Agents bestehen und ihr Verhalten mit den Zielen des Transfersystems vereinbar ist. Zu diesem Zweck wurden unter anderem eine Lizenz- und Fortbildungspflicht, ein Bestellerprinzip, ein Verbot von Mehrfachvertretungen sowie Provisionsobergrenzen festgelegt. Angesichts der Eingriffsintensität kann es nicht überraschen, dass der Vorstoß der FIFA für Aufregung sorgte. Zuallererst ist bereits fraglich, ob der Weltverband überhaupt eine Rechtsetzungskompetenz im Bereich Berufsausübungsregeln für Football Agents besitzt. Als einer der inhaltlichen Hauptkritikpunkte gilt die Einführung der Provisionsobergrenzen (siehe dazu mein Beitrag im PLAYER’S MAGAZINE). Inzwischen wurden bereits diverse Gerichte mit dem Reglement befasst (siehe dazu bereits oben I.). Gewisse Landesverbände haben sich daher entschieden, die entsprechenden Regelungen vorerst auszusetzen (darunter auch der ÖFB). Gestern, am 30. Dezember, ist die FIFA schließlich gleichgezogen. In einem Zirkular teilte der Weltverband mit, dass gewisse Bestimmungen vorübergehend ausgesetzt werden und man die Entscheidung des EuGH abwarten möchte (zum Zirkular Nr. 1873).

Ebenfalls für Schlagzeilen sorgte eine neue Regelung in der Formel 1: Gemäß Artikel 12.2.1.n International Sporting Code der Federation Internationale de l’Automobile (FIA) stellen politische, religiöse und persönliche Äußerungen oder Kommentare, insbesondere jene, die den in den Regularien festgeschriebenen Grundsatz der Neutralität verletzen, einen Regelverstoß dar; es sei denn, der Fahrer hat zuvor eine schriftliche Genehmigung eingeholt. Die vorgesehenen Strafen reichen von Verwarnungen über Geldbußen bis hin zu Suspendierungen und Ausschlüssen (siehe dazu unseren Beitrag). Die Vereinbarkeit der Regelung mit grundrechtlichen Garantien wie der Meinungsfreiheit ist in Zweifel zu ziehen. Damit rückte einmal mehr das umstrittene Verhältnis von Sport und Politik ins Zentrum.

In Österreich wurde der Ministerialentwurf eines Gemeinnützigkeitsreformgesetzes präsentiert. Damit soll die Spendenabzugsfähigkeit auch im Bereich des Sports durch die generelle Anknüpfung an die gemeinnützigen Zwecke im Sinne der Bundesabgabenordnung (BAO) ermöglicht werden. Apropos Gemeinnützigkeit: Die ausdrückliche Klarstellung der Gemeinnützigkeit des eSports lässt trotz Ankündigung von Regierungsvertretern weiterhin auf sich warten.

Und jährlich grüßt die Idee eines Berufssportgesetzes: Am 29. März fassten Abgeordnete des österreichischen Parlaments (erneut) einen entsprechenden Entschließungsantrag. Damit wurde der Sportminister ersucht, unter Einbindung der jeweils zuständigen Ressorts, des organisierten Sports, der Sozialversicherung und der Sozialpartner konkrete Problemfelder für im Berufssport tätige Personen zu identifizieren und Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten. Durch einen neuen rechtlichen Rahmen sollen die Bedingungen für sportspezifische Berufe im Arbeits-, Abgaben- und Sozialversicherungsrecht durch Anerkennung der Spezifika des Sports mit Hilfe von sachgerechten rechtlichen Lösungen verbessert werden (zum Entschließungsantrag). Dass der Gedanke eines gesetzlichen Sonderrechts für den Sport seit Jahrzehnten kursiert, ist allgemein bekannt. Es bleibt zu hoffen, dass 2024 nunmehr Taten folgen.

Gleiches gilt für den eSport: Auch hier ist der österreichische Gesetzgeber gefragt. Die Empfehlungen der ministeriellen Expertengruppe vom Sommer 2021 wurde bislang nicht umgesetzt (siehe dazu unseren Beitrag). Ein Antrag der NEOS, bis zum ersten Quartal 2024 ein „eSport-Gesetzespaket“ vorzulegen, wurde im Dezember im Sportausschuss ebenfalls bloß vertagt.

Auch in der österreichischen Rechtswissenschaft ist der eSport trotz seiner gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Relevanz bislang weitgehend unbehandelt geblieben. Diese Lücke wurde im Oktober mit dem ersten umfassenden Praxiswerk zum eSport-Recht geschlossen (zum Werk). In zehn Kapiteln geben fachkundige AutorInnen einen Überblick über die Einordnung der juristischen Querschnittsmaterie eSport in die österreichische Rechtsordnung. Darunter finden sich neben einer Einführung praxisnahe Kapitel zum Arbeitsrecht, Glücksspiel- und Wettrecht, Kartellrecht, Steuerrecht, Sozialrecht, Urheberrecht, Veranstaltungsrecht, Vereinsrecht und Zivilrecht – #eigenwerbung Ende!

III. Sonstiges

Abgerundet wird der vorliegende Jahresrückblick mit einem bunten Strauß an weiteren sportrechtlichen Themen:

Nachdem sich sämtliche Berufsfußballer der neu gegründeten „VdF – die Spielervereinigung“ angeschlossen haben (siehe dazu unseren Beitrag), stellte die Organisation im April einen Antrag auf Zuerkennung der Kollektivvertragsfähigkeit beim zuständigen Bundeseinigungsamt. Damit kämpfen die Fußballer der Österreichischen Fußball-Bundesliga (ÖFBL) darum, sich in Kollektivvertragsverhandlungen mit der ÖFBL zukünftig selbst vertreten zu können. Nach zwei Verhandlungstagen im November wartet die gesamte Fußballbranche gespannt auf die Entscheidung des Bundeseinigungsamtes.

In Deutschland sorgte der „Investorendeal“ der Deutschen Fußball Liga (DFL) für erhitzte Gemüter. Bei der entsprechenden Abstimmung im Rahmen der DFL-Mitgliederversammlung im Dezember votierten 24 der 36 Fußballklubs der Bundesliga und 2. Bundesliga mit „Ja“, sodass die erforderliche Mehrheit erreicht wurde. Was das Gros der organisierten Fanszene davon hält, ist allgemein bekannt. Ob die Abstimmung ein juristisches Nachspiel haben wird, ist hingegen unklar. Anlass dazu könnte das Abstimmungsverhalten von Hannover 96-Geschäftsführer Martin Kind geben. Dieser hat vom Mutterverein (Hannoverscher Sportverein von 1896 e.V.) die Weisung erhalten, gegen den Einstieg zu stimmen. Ohne sein Abstimmungsverhalten tatsächlich zu kennen, ist zu beobachten, dass der Fall auch eine Debatte über die „50+1-Regel“ losgetreten hat (zur 50+1-Regel siehe unseren Beitrag).

Hierzulande machten Schlagzeilen wie „Toni Polster klagt den Österreichischen Fußball-Bund (ÖFB) auf Anerkennung von Spielen und Tore“ (Kleine Zeitung) kurz vor Weihnachten die Runde. Dass der Rekordtorschütze eines Nationalteams seinen eigenen Verband klagt, ist keinesfalls üblich. Worum geht es? Polster hat insgesamt 47 Länderspieltore erzielt, in der Statistik des ÖFB scheinen jedoch nur 44 Treffer auf; drei Tore wären bei „inoffiziellen“ Länderspielen erzielt worden, die in der Statistik nicht aufscheinen, so der ÖFB. Dies möchte Polster nun mittels Klage ändern (siehe dazu beispielsweise folgenden Beitrag). Im Prozess geht es nun unter anderem um die Frage, wer die Hoheit über die Länderspielstatistik hat – die FIFA oder doch der ÖFB?

Ähnlich stellt sich die Ausgangslage zwischen Leonardo Bonucci und Juventus Turin dar: Der italienische Innenverteidiger stand über 12 Jahre bei der „alten Dame“ unter Vertrag und absolvierte in diesem Zeitraum 357 Spiele. Eine Lovestory, könnte man meinen. Das wird auf den Großteil der Zeit freilich zutreffen, aber wie so oft in Beziehungen: Am Ende geht man im Streit auseinander. So auch hier. Bonucci soll das Training mit der ersten Mannschaft und der Kontakt zum Trainerteam verwehrt worden sein; auch der Zugang zu Teilen des Vereinsgeländes, wie beispielsweise dem Fitnessraum soll tabu gewesen sein. Juventus wollte den Abwehrspieler mit diesen Maßnahmen wohl zu einem Wechsel bewegen. Genauso ist es schließlich auch gekommen, zumal Bonucci im Sommer zu Union Berlin gewechselt ist. Das Verhalten seines ehemaligen Arbeitgebers wollte er allerdings nicht einfach so hinnehmen und zog laut übereinstimmenden Medienberichten rechtliche Schritte in Erwägung (siehe dazu beispielsweise folgenden Beitrag). Es gehe um den Imageschaden, den der italienische Nationalspieler aufgrund der unzureichenden Trainingsbedingungen erlitten hat. Ob eine solche Klage Erfolg hätte, kann hier mangels Kenntnis des italienischen Rechts nicht beurteilt werden. Der Sachverhalt erinnert jedoch etwas an eine höchstgerichtliche Entscheidung des OGH aus dem Jahr 2022, die eine Klage eines Eishockeyspielers aufgrund einer behaupteten Marktwertminderung zum Gegenstand hatte (siehe dazu unseren Beitrag).

Hohe Wellen schlug ferner die Causa Anwar El Ghazi: Der niederländische Angreifer wurde vom 1. FSV Mainz 05 am 3. November aufgrund von propalästinensischen Äußerungen und Posts in den sozialen Medien mit sofortiger Wirkung gekündigt (zur Pressemitteilung des Klubs). Der Klub reagierte auf die Äußerungen El Ghazis zunächst mittels Freistellung und sprach nach mehreren Gesprächen eine Abmahnung aus, weil sich der Spieler gegenüber dem Vorstand deutlich von seinen Äußerungen distanziert haben soll (zur Pressemitteilung des Klubs). Während der Klub El Ghazi folglich eine zeitnahe Rückkehr in den Trainings- und Spielbetrieb in Aussicht gestellt hatte, äußerte sich dieser kurz darauf abermals in den sozialen Medien und distanzierte sich vom Inhalt der Pressemitteilung des Klubs. Infolgedessen hat der Klub das Vertragsverhältnis mit sofortiger Wirkung gekündigt. Medienberichten zufolge soll der Spieler indessen eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Mainz eingereicht haben. Der Streit geht also in die nächste Runde.

Auch dem deutschen Boxer Felix Sturm könnte ein Posting in den sozialen Medien zum Verhängnis werden. Ein Heilpraktiker veröffentlichte im Jänner ein Foto auf Instagram, auf dem der Boxer auf einer Liege liegt und eine Infusion bekommt. Ausweislich medialer Berichterstattung soll diese Infusion zu den für Leistungssportler verbotenen Methoden nach der Verbotsliste der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) gehören (zum Bericht der Sportschau). Das hat die deutsche Nationale Anti-Doping Agentur (NADA) auf den Plan gerufen. Ob Sturm bzw. dem Heilpraktiker nun tatsächlich rechtliche Konsequenzen drohen, ist derzeit noch unklar.

IV. Ausblick

Der Streifzug durch das sportrechtliche Jahr 2023 hat die Vielseitigkeit der Materie Sportrecht einmal mehr unter Beweis gestellt. Wir bleiben jedenfalls dran und freuen uns auf ein spannendes Jahr 2024: Welche Auswirkungen haben die EuGH-Entscheidungen in den Rechtssachen „European Superleague Company“, „International Skating Union/Kommission“ und „Royal Antwerp Football Club“? Dürfen sich die österreichischen Fußballer in Kollektivvertragsverhandlungen mit der ÖFBL zukünftig selbst vertreten? Und bekommen wir endlich ein Berufssportgesetz?

Mit diesem Ausblick wünsche ich euch ein gesundes und erfolgreiches neues Jahr – bleibt am Ball!

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Auswirkungen des Brexits auf den Profifußball

Die Folgen des Austritts des Vereinigten Königreiches aus der Europäischen Union wurden vielfach diskutiert. Im Dezember 2021 trafen sie auch den Interimstrainer von Manchester United, Ralf Rangnick, hart. Aufgrund einer nicht rechtzeitig erteilten Arbeitserlaubnis, die seit dem Brexit notwendig ist, war es diesem nicht möglich bei seinem geplanten Debüt beim Heimspiel seines neuen Clubs am 2. Dezember 2021 gegen den FC Arsenal an der Seitenlinie zu stehen.

Manchester United musste auf Dienstantritt von Ralf Rangnick warten

Ralf Rangnick wurde mit Ende November 2021 offiziell als Interimstrainer von Manchester United eingesetzt. Er soll bis Saisonende als Chef-Trainer agieren und dem Club danach für zwei weitere Jahre als sportlicher Berater zur Seite stehen. Bei seinem geplanten Debüt-Spiel als Trainer durfte er allerdings noch nicht an der Seitenlinie stehen. Grund dafür war, dass die seit dem Brexit notwendige „Arbeitserlaubnis“ noch nicht erteilt wurde. Dies hat einen komplexen Hintergrund:

Innerhalb der Europäischen Union gilt die Personenfreizügigkeit als eine der vier Grundfreiheiten. Zur Personenfreizügigkeit gehört die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art 45 ff AEUV) und die Niederlassungsfreiheit (Art 49 ff AEUV). Die Arbeitnehmerfreizügigkeit bezieht sich auf die Mobilität von unselbständig Erwerbstätigen, also den klassischen Arbeitnehmer. Sie umfasst dabei insbesondere die Abschaffung jeglicher auf Staatsangehörigkeit beruhender unterschiedlicher Behandlung von Arbeitnehmern in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung oder sonstiger Arbeitsbedingungen.

Der Austritt des Vereinigten Königreiches aus der Europäischen Union erfolgte am 31. Jänner 2020. Durch das Austrittsabkommen wurde bis zum 31. Dezember 2020 eine Übergangsphase geschaffen, in welcher die Arbeitnehmerfreizügigkeit für EU-Bürger im Vereinigten Königreich (und umgekehrt) gewährleistet wurde. Seit dem 1. Jänner 2021 gilt das Vereinigte Königreich gegenüber den restlichen EU-Mitgliedstaaten als Drittstaat, was auch den Verlust der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach sich zieht. Dies führt dazu, dass vor allem Spieler, Trainer, Manager sowie überhaupt Bürger aus einem EU-Mitgliedstaat nicht mehr die Freiheit haben, im Vereinigten Königreich eine Beschäftigung aufzunehmen und dass umgekehrt solche Personen aus dem Vereinigten Königreich nicht mehr ohne Weiteres in der EU arbeiten dürfen.

Im britischen Recht befinden sich die Rechtsvorschriften für die Einwanderung vor allem in den Immigration Rules. Für Spieler und Trainer ist insbesondere das Visum für internationale Sportler („International Sportsperson Visa“) einschlägig. Dieses Visum ist für jene Spitzensportler und qualifizierte Sporttrainer vorgesehen, die international etabliert sind und einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung ihres Sports auf höchstem Niveau im Vereinigten Königreich leisten können.

Für das Visum ist Voraussetzung, dass der Sportverband bestätigt, dass der Trainer international auf höchster Ebene tätig ist und dass seine Beschäftigung einen erheblichen Beitrag zur Qualitätssteigerung der betreffenden Sportart auf höchster Ebene bilden wird („Governing Body Endorsement“). Zuständig für die Ausstellung des Governing Body Endorsements für Sportler ist der jeweilige Sportfachverband, für den Fußball in England also die Football Association. Die Anforderungen an die Erteilung eines Governing Body Endorsements werden im Premier League Handbook in der jeweils gültigen Fassung von der Football Association veröffentlicht.

Im Fall von Rangnick ist man davon ausgegangen, dass er die Kriterien der Football Association für eine automatische Erteilung des Governing Body Endorsements nicht erfüllt. Es wurde argumentiert, dass er in den letzten fünf Jahren vor seinem Antritt als Chef-Trainer bei Manchester United insgesamt nicht genug Erfahrung als Trainer in einem europäischen Spitzenklub gesammelt hat (entweder zwei Jahre hintereinander oder drei Jahre zusammengerechnet in den letzten fünf Jahren). Rangnick war in den Spielzeiten 2015/16 und 2018/19 zweimal als Cheftrainer bei RB Leipzig und gleichzeitig als Sportdirektor des FC Red Bull Salzburg tätig. Zuletzt stand er als Geschäftsführer bei Lokomotive Moskau unter Vertrag.

Da er die Anforderungen für die Erteilung des Governing Body Endorsements nicht erfüllt hatte, musste letztendlich – auf Antrag des Clubs – ein von der Football Association bestimmtes dreiköpfiges Exceptions Panel über die Eignung und den sportlichen Wert des Trainers und damit darüber, ob dennoch ein Governing Body Endorsements erteilt werden sollte, entscheiden.

Exkurs Rechtslage in Österreich

Für britische Staatsbürger, die sich zum Zeitpunkt des EU Austritts rechtmäßig in Österreich aufgehalten haben, bestand bis zum 31. Dezember 2021 die Möglichkeit einen Aufenthaltstitel („Art 50 EUV“) zu beantragen. Diese Möglichkeit ist nun ausgelaufen. Britische Staatsbürger – die fortan wie andere Drittstaatsangehörige gelten – müssen nun aus den vorhandenen Aufenthaltstiteln, den für sie zutreffendsten auswählen. Für Sportler und Trainer ist hier insbesondere an die „Rot-Weiß-Rot Karte“ für sonstige Schlüsselkräfte zu denken.

Fazit

Vor dem Brexit war es für den Einzelnen angesichts der Arbeitnehmerfreizügigkeit sehr einfach einer Beschäftigung im Vereinigten Königreich nachzugehen. Jedenfalls mussten keine aufwändigen Verfahren zur Erlangung eines Aufenthaltstitels, einer Beschäftigungsbewilligung etc durchlaufen werden.

Welche Auswirkungen der Brexit auf die Sportwelt hat, zeigt der Fall Rangnick klar auf. Nunmehr ist die Rechtslage noch wesentlich komplexer geworden. Seit 1. Jänner 2021 ist bei einem Wechsel der sportlichen Erwerbstätigkeit in das Vereinigte Königreich die britische Rechtslage zu berücksichtigen. Eine Besonderheit ergibt sich hierbei vor allem im Profifußball: Die Football Association legt dabei (unter anderem gemeinsam mit dem britischen Innenministerium) nähere Regelungen fest, die determinieren, wann die geforderte Erklärung über die sportliche Qualifikation eines Spielers bzw Trainers abgeben werden darf („Governing Body Endorsement“) und sichert sich somit eine weitgehende Mitbestimmung in Immigrationsfragen.

Dass die berufliche Ausübung von Sport und die entsprechende Erteilung von Visa bzw Arbeitserlaubnissen in der Praxis immer wieder zu Schwierigkeiten führt, zeigt nicht zuletzt der brandaktuelle Fall von Novak Djokovic. Hier kommen zusätzlich auch noch Erschwerungen aufgrund der Corona-Krisensituation zu tragen, die grundsätzlich die Einreise- bzw Aufenthaltsbedingungen in Drittstaaten verkomplizieren.

Disclaimer: Wir haben die Recherchen nach unserem besten Wissen und Gewissen durchgeführt, möchten aber klarstellen, dass es sich hierbei um keine Rechtsberatung handelt und wir deshalb auch keine Haftung übernehmen können.

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Im Fokus: Die 2/3-Regelung – Teil 2/2

Die 2/3-Regelung im Fußball ist durch die lebhafte Debatte der vergangenen Monate nahezu jedem Sportinteressierten ein Begriff. Im nachfolgenden Teil 2 unserer Beitragsreihe (Teil 1) soll diese Thematik nochmals aus juristischer Sicht beleuchtet werden.

Vereinbarkeit mit der europarechtlichen Arbeitnehmerfreizügigkeit

Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer ist in Art 45 AEUV geregelt und umfasst, die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen. In der Rechtssache Bosman bejahte der Europäische Gerichtshof (EuGH) sowohl die Arbeitnehmereigenschaft von Profifußballern als auch die Anwendbarkeit der Freizügigkeit auf durch Sportverbände aufgestellte Regeln. Dabei führte er vor allem aus, dass es sich bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit um einen der fundamentalsten Grundsätze der Europäischen Union handelt und dieser daher auch unmittelbar gilt (Drittwirkung entfaltet). Dies soll verhindern, dass Beschränkungen, welche den Mitgliedstaaten untersagt sind, durch Handlungen Privater (hier Vereine) in Ausnutzung ihrer Satzungsautonomie errichtet werden.

Die 2/3-Regelung stellt eine Beeinträchtigung der Arbeitnehmerfreizügigkeit dar, da sie die Spieler daran hindert oder davon abhält, ihre Vereine zu verlassen, um ihre Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat auszuüben. Es liegt eine nicht diskriminierende Beschränkung (unterschiedslos anwendbare Maßnahme) vor, wobei es dem EuGH zufolge keine Rolle spielt, dass diese Regelung nicht direkt die Beschäftigung des Spielers betrifft, sondern lediglich die Möglichkeit des Spielers, bei einem offiziellen Spiel aufgestellt zu werden. Aber gerade die Teilnahme an diesen offiziellen Bewerbsspielen stellt das wesentliche Ziel eines Berufsspielers dar, wodurch es auf der Hand liegt, dass eine Regelung, die diese Teilnahme beschränkt, auch die Beschäftigungsmöglichkeit einschränkt.

Sachliche Rechtfertigung?

Fraglich ist jedoch, ob diese Beschränkung des Freizügigkeitsrechts sachlich gerechtfertigt werden kann? Grundsätzlich können Transferregeln trotz des Verstoßes gegen Art 45 AEUV durch die Sonderstellung des Sports gerechtfertigt sein, sollten sie tatsächlich zur Erreichung eines Allgemeininteresses geeignet, erforderlich und adäquat sein. Eine Beschränkung könnte durch die geschriebenen Ausnahmen in Art 45 Abs 3 AEUV (ordre public), zwingende Gründe des Allgemeininteresses und jedes überwiegende Gemeinwohlinteresse gerechtfertigt werden. Dabei sind auch die Unionsgrundrechte, das Primär- und Sekundärrecht als Schranken-Schranken sowie eine allfällige Verhältnismäßigkeitsprüfung zu beachten.

Der Zweck der 2/3-Regelung ist es, ein gewisses Maß an Flexibilität bei der Planung der sportlichen Tätigkeit sowohl für die Spieler als auch die Klubs zu gewährleisten. Außerdem könnte, wie in der Rechtssache Lehtonen, der geordnete Ablauf von Wettkämpfen und die Vergleichbarkeit der Ergebnisse, als Argument vorgebracht werden. Dem ist aber entgegenzuhalten, dass die Integrität des Wettbewerbs auch ohne die 2/3-Regelung gewährleistet wird. Auf der anderen Seite sprechen einige Argumente gegen eine sachliche Rechtfertigung der Regelung. Als Schranken-Schranken ist das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit (Art 15 GRC) zu nennen. Dieses ist ein besonders schützenswertes Grundrecht. Da ein Spieler auch nicht ewig als Profi tätig sein kann, wäre eine „Wartezeit“ von einem halben Jahr im Hinblick auf die Gesamtdauer einer Profikarriere und somit die sportliche Lebenserwartung des Spielers, meiner Meinung nach unverhältnismäßig. Auch die Qualität und der Marktwert des Spielers würden dadurch sinken.

Folglich liegt kein zulässiger sachlicher Rechtfertigungsgrund für die Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit vor. Zudem überwiegen die Interessen des einzelnen Profis (vor allem die Erwerbsfreiheit) deutlich. Daher wäre die 2/3-Regelung auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung, bezüglich der Eignung und Erforderlichkeit, zu beanstanden. Im Ergebnis stellt die 2/3-Regelung mangels sachlicher Rechtfertigungsgründe eine unzulässige Beschränkung der europarechtlichen Arbeitnehmerfreizügigkeit dar, wodurch eine Anpassung des jetzigen FIFA-Transferreglement erforderlich ist. Eine möglichst zeitnahe Reform wäre zu begrüßen.

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