Law Meets Sports: Jahresrückblick 2020

Das Jahr 2020 war ein besonders herausforderndes Jahr. COVID-19 veranlasste die politischen Verantwortlichen weltweit, gleichsam über Nacht Maßnahmen zu setzen, die in ihrer Tragweite und Intensität einzigartig waren. Sportveranstaltungen wurden abgesagt, Betretungsverbote für Sportstätten verordnet. Die Sportwelt stand (phasenweise) praktisch still. 2020: Ein Jahr zum Vergessen für den Sport?

 

Der vorliegende Beitrag lässt das sportrechtliche Jahr 2020 nochmals Revue passieren. Ein Jahr, das weitgehend von einer Pandemie geprägt war. Eine Pandemie, die auch rechtliche Schwächen in der Sportwelt offenbart hat. Doch auch abseits davon blicken wir auf ein sportrechtlich turbulentes Jahr zurück: Ein ehemaliger UEFA-Präsident zieht vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und das mögliche (juristische) Aus für Manchester City in der Champions League sind nur zwei von vielen sportrechtlichen Schlagzeilen im Jahr 2020. Die folgenden Ausführungen können selbstverständlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, sollen den Sportrechtsinteressierten allerdings einen Überblick bieten.

I. Sportrecht im Schlaglicht der Krise

Die COVID-19-Pandemie zeitigte auch im Bereich des Sports weitreichende Auswirkungen und stellte diesen vor neue Herausforderungen. So mussten Sportveranstaltungen reihenweise abgesagt werden. Jahreshighlights wie die Fußball-Europameisterschaft, die Olympischen Sommerspiele, der Vienna City Marathon oder der Tennis-Klassiker in Wimbledon fielen der Pandemie zum Opfer. Dementsprechend stellte sich die Frage, welche Rechte die Besitzer bereits bezahlter Tickets haben, wenn Sportveranstaltungen behördlich untersagt wurden. In Österreich wurde hierfür das Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetz erlassen (vgl dazu unsere Beiträge vom März und vom September).

Neben dem Reigen von Absagen wurde das Betreten von Sportstätten verboten (gilt auch aktuell). Damit stand sowohl der Profi- als auch der Hobbysportbereich still. Das Betretungsverbot für Sportstätten warf zu Beginn zahlreiche Rechtsfragen auf: Was ist im Konkreten unter einer „Sportstätte“ zu verstehen? Öffentliche Sportanlagen? Gilt das Betretungsverbot für jedermann? Gibt es eine Ausnahme für den Betreiber, sodass dieser notwendige Erhaltungsmaßnahmen vornehmen kann? Die Erhaltungsmaßnahmen des Betreibers fielen unter die Ausnahmebestimmungen der Verordnung (siehe dazu unseren Beitrag vom März). Möglich blieb lediglich die Bewegung im Freien allein oder mit Personen, die im gemeinsamen Haushalt leben – die Sportarten Laufen und Radfahren erfuhren einen regelrechten Boom. Selbst diese Regelung sorgte für so manche Unklarheit, beispielsweise: Darf man mit einem Freund, der nicht im gemeinsamen Haushalt lebt, laufen gehen, wenn der Mindestabstand eingehalten wird?

Mit dem Stillstand der Sportwelt sahen sich selbst Vereine im Breitensport mit rechtlichen Problemstellungen, wie etwa einer allfälligen Rückzahlung von Mitgliedsbeiträgen oder der Auszahlung einer Pauschalen Reiseaufwandsentschädigung (PRAE), konfrontiert (siehe dazu unseren Beitrag vom März). Auch von den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie blieben die Vereine im Breitensport keineswegs verschont. Sie traf es ebenfalls besonders hart, da keine Veranstaltungen durchgeführt werden konnten und vielfach Sponsoren absprangen – es fehlte somit an Einnahmen.

Im Profigeschäft wurde früh über Kurzarbeit für Sportler, die Möglichkeit von Geisterspielen und die Wertung von Meisterschaften diskutiert. Insbesondere ein Gutachten zu letzterem Diskussionspunkt sorgte für Aufsehen. Dieses beschäftigte sich überwiegend mit der Frage, nach welchen Grundsätzen die österreichischen Fußballbewerbe für das Spieljahr 2019/20 zu werten sind, falls infolge der Pandemie die noch ausstehenden Bewerbsspiele nicht mehr oder nicht mehr zur Gänze durchgeführt werden können. Im Fokus der Untersuchung standen sohin Regelungen der lex sportiva (das von den Sportverbänden selbst geschaffene Regelwerk), vor allem die ÖFB-Meisterschaftsregeln. Der Gutachter kam schließlich zum Befund, dass die Meisterschaft nicht zu werten sei, wenn sie abgebrochen wird. Damit könne es nach seiner Auffassung auch keinen Meister sowie keinen Auf- und Absteiger geben (siehe das ganze Gutachten auf der Website des ÖFB).

Die Frage sollte sich schließlich nicht im Bereich der Österreichischen Fußball-Bundesliga und der 2. Liga (zumal diese die Saison unter strikten Auflagen zu Ende spielen konnten) stellen. Schlagend wurde das Problem allerdings im Bereich von der Regionalliga abwärts. Das ÖFB-Präsidium folgte in seiner Entscheidung dem Gutachten und brach alle Bewerbe im Landesverbands-Bereich ab. Folglich gab es im Spieljahr 2019/20 in den österreichischen „Amateur-Fußballligen“ keinen Meister sowie keinen Auf- und Absteiger. Dass eine solche Entscheidung auch Kritik nach sich zieht, liegt auf der Hand (vgl etwa die Ausführungen von Medl/Mühleder). Medienberichten zufolge sollen besonders betroffene Vereinen (etwa Erstplatzierte im Abbruchszeitpunkt) auch rechtliche Schritte in Erwägung gezogen haben.

In einer ähnlichen Lage fanden sich selbst Profiklubs im Ausland wieder. So wurde in den Niederlanden beispielsweise sogar die Meisterschaft in den Profiligen abgebrochen. Einen Meister sowie Auf- und Absteiger gab es ebenfalls nicht. Daraufhin wollten zwei Klubs aus der 2. Liga ihren Aufstieg in die Eredivisie gerichtlich durchsetzen. Das niederländische Gericht schob den Aufstiegsträumen allerdings einen Riegel vor, da der Verband bei einer solchen Entscheidung (Abbruch oder Weiterspielen) die Interessen aller Klubs zu berücksichtigen habe. Dementsprechend gebe es immer Klubs, die Pech haben (so der niederländische Richter bei der Urteilsverkündung).

Nicht zuletzt die (erste) Lockerung der Maßnahmen mit der Privilegierung für Spitzensportler und für Kaderspieler der zwölf Vereine der höchsten Spielklasse der Österreichischen Fußball-Bundesliga sowie der ÖFB-Cup-Finalisten sorgte für hitzige Debatten. Es war bereits der Begriff des Spitzensportlers fraglich. Das Bundes-Sportförderungsgesetz bezeichnet damit Sportler, die Sport mit dem ausdrücklichen Ziel betreiben, Spitzenleistungen im internationalen Maßstab zu erzielen. Darüber hinaus muss der Sportler die Tätigkeit beruflich ausüben, daraus Einkünfte erzielen und bereits an internationalen Wettkämpfen teilgenommen haben. Aber auch daraus resultierten einige Fragen: Was bedeutet „beruflich“ im sportlichen Kontext? Reichen jegliche Einkünfte? Allein die Einschränkung auf Sportler, die bereits an internationalen Wettkämpfen teilgenommen haben, scheint als taugliches Abgrenzungskriterium zu dienen. Unklar blieb beispielsweise auch, ob Spitzensportler im Nachwuchsbereich von der Ausnahme umfasst sind. Ebenfalls unklar war, ob Spitzensportler im Mannschaftsbereich, die laufend an internationalen Wettkämpfen teilnehmen, in den Genuss der Ausnahme kommen. Zu denken ist vor allem an sämtliche Nationalteams.

Den Mannschaften der 2. Liga wurde der Trainingsstart verwehrt. Und das, obwohl die Österreichische Fußball-Bundesliga und die 2. Liga (ansonsten) weitgehend einheitlich behandelt werden. Gibt es in Österreich also den Berufsfußballer „zweiter Klasse“? Eine sachliche Rechtfertigung für diese Differenzierung war zumindest auf den ersten Blick nicht ersichtlich (vgl dazu unseren Beitrag vom April). Vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes hatte der Verordnungsgeber wohl für eine Gleichstellung zu sorgen (was in späterer Folge auch erfolgte).

In den durch die Krise aufgeworfenen Problemstellungen zeigt sich einmal mehr die Bedeutung, die ein Berufssportgesetz haben könnte. Fragen, wie die soeben nur ansatzweise skizzierten, würden sich damit (nahezu) erübrigen. Auch ein Blick über die Grenzen zeigt, dass Sonderregelungen für den Sport durchaus ihre Berechtigung haben (zB in Belgien, Frankreich, Griechenland, Niederlande und Spanien). Jede Krise birgt bekanntlich auch Chancen: Es ist an der Zeit, endlich Rechtssicherheit für Sportler, Vereine und Verbände zu schaffen, indem den Besonderheiten des Sports gesetzlich Rechnung getragen wird. Dazu bedarf es klarer Definitionen und Abgrenzungen sowie adäquater Bestimmungen in den einzelnen Materien (siehe dazu den Aufsatz von Petschinka/Toth).

Auch die verbandsinternen Gremien der Österreichischen Fußball-Bundesliga hatten im abgelaufenen Jahr einige Vorfälle zu beurteilen. Aufsehen erregte vor allem das Verfahren gegen den LASK. Der Senat 1 der Österreichischen Fußball-Bundesliga („Strafsenat“) verhängte gegen den Spitzenreiter aus Linz einen Abzug von sechs Punkten sowie eine Geldstrafe von 75.000 Euro. Grund dafür waren (zu diesem Zeitpunkt noch) verbotene Mannschaftstrainings. Damit haben die Linzer gegen § 111a ÖFB-Rechtspflegeordnung (Verletzung des Fair-Play-Gedankens) verstoßen. Der LASK legte gegen die Entscheidung Protest an das Protestkomitee der Österreichischen Fußball-Bundesliga ein, welches verbandsintern endgültig entscheidet. Das Protestkomitee reduzierte die Strafe schließlich auf vier Punkte. Damit war der verbandsinterne Instanzenzug ausgeschöpft. Den Gang vor das Ständige Neutrale Schiedsgericht trat der LASK danach nicht mehr an.

Aufgrund des vorübergehenden Stillstands der Sportwelt verschob sich das Saisonende der wiederaufgenommenen Ligen nach hinten. Diese Saisonverlängerung brachte vertragsrechtliche Problemstellungen ans Tageslicht. In den Spielerverträgen ist nämlich häufig ein Passus zu finden, dass diese mit 30. Juni auslaufen. Zudem haben manche Spieler schon bei anderen Vereinen für die kommende Saison unterschrieben. Fraglich war nun beispielsweise das tatsächliche Vertragsende. War das gewünschte Ergebnis bereits durch Vertragsauslegung zu erreichen oder bedurfte es dazu Sondervereinbarungen? Die Beantwortung der Frage hängt wesentlich von der konkreten Formulierung der Vertragsklausel ab (siehe für Österreich das Interview mit Toth und für Deutschland das Interview mit Prof. Fischinger).

II. Gerichtliche Entscheidungen

Vor Jahren wurde noch kolportiert, dass der Sport nicht (gerichtlich) klage. Diese Aussage kann heutzutage keinesfalls mehr aufrechterhalten werden. Wenngleich für rechtliche Fragestellungen im Sport primär die Sportsgerichtsbarkeit vorgesehen ist, werden Streitigkeiten zunehmend vor die staatlichen Gerichte gebracht. So gab es auch im Jahr 2020 die eine oder andere spannende Gerichtsentscheidung.

Zu Beginn des Jahres wurde beispielsweise der Sturz eines Motocross-Fahrers vom Verwaltungsgerichtshof (VwGH) nicht als Arbeitsunfall qualifiziert. Dazu fehle es an konkreten Weisungen und an einer Einbindung in die betriebliche Organisation von KTM (vgl VwGH 29. 1. 2020, Ra 2018/08/0028). Der Fall erinnert den einen oder anderen sicherlich an jenen eines Skispringers, wurde jedoch gegenteilig entschieden. Das Höchstgericht hatte sich in einem weiteren Fall mit dem Aufschub des Grundwehrdienstes eines Profi-Eishockeyspielers zu beschäftigen. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, ob sich der Sportler noch in Ausbildung oder in sonstiger Berufsvorbereitung befindet. Im Ergebnis führte der VwGH aus, dass der Profi-Eishockeyspieler nicht mehr in Ausbildung oder in sonstiger Berufsvorbereitung im Sinne des Wehrgesetzes 2001 stehe. Deshalb könne der Eishockeyspieler seinen Grundwehrdienst nicht aufschieben. Im Sommer traf der VwGH eine Entscheidung, die vor allem für die Fanszene von Relevanz ist. Danach umfasse das in Österreich geltende Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz auch das Verhüllen der Gesichtszüge aus nichtreligiösen Gründen. Damit sei auch das Tragen einer Sturmhaube im Zusammenhang mit einer (bevorstehenden) Auseinandersetzung zwischen Anhängern verschiedener Fußballklubs vom Anwendungsbereich erfasst. Die Bestrafung des Fans aufgrund eines Verstoßes gegen das Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz sei somit rechtmäßig.

Auch der Oberste Gerichtshof (OGH) hatte sich im abgelaufenen Jahr mit sportrechtlichen Themen auseinanderzusetzen. Er bestätigte einmal mehr seine Rechtsauffassung, dass Handlungen oder Unterlassungen im Zuge sportlicher Betätigung, durch die ein anderer Teilnehmer in seiner körperlichen Sicherheit gefährdet oder am Körper verletzt wird, insoweit nicht rechtswidrig sind, als sie nicht das in der Natur der betreffenden Sportart gelegene Risiko vergrößern. Ein Foul eines Hobby-Fußballspielers, mit dem er einen Gegenspieler attackierte und gegen die Füße trat, obwohl ihm bewusst war, dass er den Ball nicht mehr erreichen werde, und obwohl er noch die Möglichkeit gehabt hätte, einen Kontakt mit dem Gegenspieler zu vermeiden, sei allerdings nicht mehr als spieltypisch, sondern vielmehr als rechtswidrig zu qualifizieren. Als Beweismittel im Gerichtsverfahren diente unter anderem ein Video – mit Augenzwinkern könnte man sich fragen, ob der Videobeweis nunmehr auch im Amateurbereich angekommen ist. Das gerichtliche Nachspiel wäre jedoch beinahe noch einmal spannend geworden. Denn der Hobbykicker änderte in zweiter Instanz seine Argumentation dahingehend, dass er ein taktisches Foul begangen habe (zuvor: er habe beabsichtigt, den Ball zu spielen). Sohin habe er zwar einen bewussten Regelverstoß begangen, der aber typisch für den Fußballsport und folglich nicht rechtswidrig sei. Der OGH ließ jedoch keine Spannung mehr aufkommen: Da sich der Fußballer in erster Instanz nicht auf das taktische Foul berufen hat, handle es sich um eine unzulässige Neuerung (vgl OGH 25. 6. 2020, 9 Ob 27/20s). Dogmatisch richtig, wenngleich die höchstgerichtliche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen (taktisches Foul) durchaus interessant gewesen wäre.

Haftungsrechtliche Fragen standen auch in zwei weiteren Fällen im Fokus: So bejahte der Gerichtshof die Haftung eines Veranstalters eines Radrennens für die Verletzung eines Teilnehmers. Der Veranstalter wäre im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht zu einer weitergehenden Absicherung der Rennstreckte verpflichtet gewesen. Es hätte einer temporären Absicherung der Zufahrtstraße durch einen Ordnerdienst oder einen besser koordinierten Einsatz der Motorradstaffel bedurft, um Gegenverkehr auf der Rennstrecke auszuschließen. Ein bloßer Hinweis auf die Geltung der Straßenverkehrsordnung ist keinesfalls ausreichend (vgl OGH 6. 8. 2020, 2 Ob 5/20d). Dagegen verneinte der OGH die Haftung eines Skifahrers nach einer Kollision aufgrund eines Sturzes. Der Geschehensablauf sei wegen der weiten und seitlich versetzten Rutschstrecke ungeachtet des für den Sturz ursächlichen Verkantens nicht typisch für ein sorgfaltswidriges Fehlverhalten des Skifahrers vor dem Sturz. Der Unfall sei daher dem Bereich des erlaubten Sportrisikos zuzurechnen (vgl OGH 4. 11. 2020, 3 Ob 73/20m).

Außerdem bestätigte der OGH im Sommer, dass Live-Übertragungen bzw Aufzeichnungen von Fußballspielen als Filmwerke im Sinne des § 4 Urheberrechtsgesetz geschützt sind. Die Bildregie wähle nämlich aus den Aufzeichnungen in eigener, gestalterischer Entscheidung die jeweils besten aus und entscheide auch über den Einsatz von Zeitlupe und Wiederholung. Darüber hinaus erlaube auch der Kommentator eine individuelle Zuordnung (OGH 2. 7. 2020, 4 Ob 86/20f).

Doch nicht nur die österreichischen Höchstgerichte hatten sportrechtliche Sachverhalte zu beurteilen. Neben dem einen oder anderen Dopingprozess sorgte vor allem das Urteil bezüglich der Exklusivitätsvereinbarungen in Spielervermittlungsverträgen für ein mediales Echo. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz wies die Klage der langjährigen Beraterfirma eines Spielers, welche sich auf die im Vermittlungsvertrag verankerte Exklusivitätsklausel berief, unter Verweis auf § 5 Abs 4 Arbeitsmarktförderungsgesetz ab. Danach sind Alleinvermittlungsverträge nur zulässig, soweit eine sachliche Rechtfertigung hierfür besteht. Eine solche sah das Gericht im vorliegenden Fall nicht (vgl dazu unseren Beitrag vom Oktober). Ebenfalls spannend war die Auseinandersetzung des Oberlandesgerichts Wien mit der Pauschalen Reiseaufwandsentschädigung (PRAE). Das Gericht beurteilte die zwischen einem Trainer und einem Sportverband vereinbarte monatliche Entschädigung in Höhe von maximal 540 Euro (PRAE) als ein „aufwandsunabhängiges Entgelt“ im Sinne eines „Fixums“ (vgl dazu die Ausführungen von Reifeltshammer).

Im Mittelpunkt des sportrechtlichen Geschehens steht häufig der Internationale Sportgerichtshof (CAS) mit Sitz im schweizerischen Lausanne. Der CAS ist die letzte Entscheidungsinstanz der Sportgerichtsbarkeit für die Sportverbände und Nationalen Olympischen Komitees in Streitfragen zum internationalen Sportrecht. Im vergangenen Jahr blickte die gesamte Sportwelt gleich zwei Mal mit Spannung auf den Ausgang eines Verfahrens am Genfersee. Das erste Verfahren betraf den Ausschluss von Manchester City für die kommenden zwei Spielzeiten aus der UEFA Champions League (sowie eine Geldstrafe von 30 Millionen Euro). Grund für die Sanktionen waren Verstöße gegen das Financial Fairplay (siehe dazu unseren Beitrag vom Mai). Die Skyblues bekämpften die Entscheidung der UEFA-Finanzkontrollkammer für Klubs beim CAS. Und es kam, wie es kommen musste: Der Sportgerichtshof hob die Europapokal-Sperre gänzlich auf und reduzierte die Geldstrafe von 30 auf 10 Millionen Euro. Eine Champions League-Saison ohne Manchester City? Unvorstellbar! Auch für die Richter des CAS. Der englische Spitzenklub habe die UEFA-Untersuchung wegen angeblicher Verstöße gegen das Financial Fairplay zwar „eklatant“ missachtet, die Verstöße hätten sich nach Ansicht des Sportgerichtshof aber nicht nachweisen lassen oder seien bereits verjährt (vgl CAS 2020/A/6785 Manchester City FC v. UEFA). Die Entscheidung stieß mitunter auf harte Kritik. Wenngleich man diese teilen oder ablehnen kann, hat man sich nun endgültig die Frage nach der Effektivität der Financial Fairplay-Regelungen zu stellen. Ein zahnloses Regime?

Ähnlich brisant war die Auseinandersetzung des Sportgerichtshofs mit der vierjährigen „Doping-Sperre“ Russlands durch die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA). Der CAS halbierte die Sperre schließlich auf zwei Jahre, weshalb Russland wohl von den Olympischen Sommerspielen 2021 in Tokio und den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking ausgeschlossen bleibt. Unbelastete russische Sportler können bei diesen Großereignissen allerdings als neutrale Athleten antreten (vgl CAS 2020/O/6689 WADA v. RUSADA).

Der Gang des ehemaligen UEFA-Präsidenten Michel Platini vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mag auf den ersten Blick verwunderlich erscheinen. Was ist passiert? Ende 2015 sperrte die FIFA-Ethikkommission den Franzosen aufgrund mehrerer Verstöße gegen das FIFA-Ethikreglement (unter anderem wegen der Annahme und Gewährung von Geschenken und sonstigen Vorteilen) für acht Jahre für alle Fußballtätigkeiten. Der ehemalige Mittelfeldspieler wollte diese Sperre nicht auf sich sitzen lassen und durchlief folglich alle möglichen Instanzen. Die FIFA-Berufungskommission reduzierte die Strafe auf sechs, der CAS schließlich um weitere zwei auf nunmehr vier Jahre. Das Schweizerische Bundesgericht, welches zur Überprüfung der CAS-Urteile zuständig ist, bestätigte diese Entscheidung. Auch die juristische Nachspielzeit vor dem EGMR im Frühjahr verlief erfolglos. Michel Platini rügte eine Verletzung von Art 6 EMRK (Recht auf ein faires Verfahren), Art 7 EMRK (keine Strafe ohne Gesetz) und Art 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) durch die Schweizer Justiz. Die Richter in Straßburg entschieden, dass die Sperre „angesichts der Schwere des Fehlverhaltens, der hohen Stellung von Herrn Platini in den Führungsgremien des Fußballs und der Notwendigkeit, den Ruf der Sportart und der FIFA wiederherzustellen, weder übertrieben noch willkürlich erschien“. Im Ergebnis wurde die Beschwerde als unzulässig abgewiesen (vgl EGMR 5. 3. 2020, 526/18, Michel Platini c. La Suisse). Die Lektüre der Entscheidung ist Sportrechtsinteressierten durchaus zu empfehlen, werden darin doch einige Aussagen von grundlegender Bedeutung getroffen.

Der EGMR hatte sich zudem mit dem Schiedsgericht des Türkischen Fußballverbandes auseinanderzusetzen. Dabei kam er zum Ergebnis, dass eine unzureichende Unabhängigkeit vorliege. Nach Ansicht der Richter in Straßburg sei das Schiedsgericht, das über arbeitsrechtliche Fragen im Fußball entscheidet, einem zu starken Einfluss durch das Leitungsgremium des türkischen Fußballverbandes ausgesetzt, welches aus Führungskräften und Mitgliedern der Klubs besteht. Darüber hinaus konnten seine Entscheidungen nicht gerichtlich nachgeprüft werden, sodass eine Verletzung von Art 6 EMRK (Recht auf ein faires Verfahren) vorliege. Der EGMR erteilte der Türkei folglich die Anordnung, das System der Streitschlichtung im Fußball eingehend zu reformieren (vgl EGMR 28. 1. 2020, 30226/10, Ali Riza and Others v. Turkey).

Auf dem gerichtlichen Prüfstand standen Ende des Jahres auch einzelne Regeln der Internationalen Eislauf-Union (ISU), wonach Sportler für die Teilnahme an nicht von der ISU anerkannten Eisschnelllauf-Wettkämpfen mit harten Sanktionen belegt werden. Das Gericht der Europäischen Union (EuG) sah darin einen Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln der Europäischen Union. Es sei zwar legitim, dass die ISU Regeln aufstellte, die sowohl möglichen Wettkampfmanipulationsrisiken infolge von Sportwetten vorbeugen als auch die Konformität der Sportwettkämpfe mit allgemeinen Standards sicherstellen sollen. Nach Ansicht des EuG gehen die Regelungen jedoch über das zur Erreichung dieser Ziele Erforderliche hinaus und sind deshalb als nicht verhältnismäßig zu beurteilen (vgl EuG 16. 12. 2020, T-93/18, International Skating Union/ Kommission).

Zuletzt sei noch auf ein Judikat aus Deutschland hingewiesen. Konkret: Die Klage eines Beachvolleyball-Duos gegen den Deutschen Volleyball-Verband aufgrund der Nichtnominierung für mehrere internationale Turniere und der damit verbundenen finanziellen Verluste. Das Landgericht Frankfurt sprach den Volleyballerinnen rund 14.500 Euro Schadenersatz zu, da der Verband sie ohne sachlich gerechtfertigten Grund anders behandelt habe als die übrigen Nationalteams. Aufgrund der Monopolstellung sei der Verband vielmehr verpflichtet, jeden für Wettkämpfe zu nominieren, der die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung erfülle (siehe dazu den Bericht auf JUVE). Hierbei handelt es sich um einen von bisher wenigen Fällen, indem Sportler vor einem nationalen Gericht gegen ihren eigenen Verband vorgehen.

III. „Gesetzesvorhaben“

Mit der Professionalisierung und Kommerzialisierung im Sport geht eine Verrechtlichung einher. So treten neben die allseits bekannten Spiel- und Sportregeln zunehmend Rechtsregeln, die überwiegend die Rahmenbedingungen des Systems des Sports regeln sollen. Wenngleich die Verrechtlichung des Sports bereits weit fortgeschritten ist, gibt es doch noch einiges zu tun, um tatsächlich Rechtssicherheit für die Sportler, Vereine und Verbände zu schaffen.

Diesem Ziel versuchte der österreichische Normsetzer auch im abgelaufenen Jahr ein wenig näherzukommen. Mit dem Anti-Doping-Bundesgesetz 2021 schuf der Gesetzgeber eine neue Grundlage für das Anti-Doping-Recht in Österreich. Das Gesetz tritt mit 1. 1. 2021 in Kraft. Der Gesetzgeber verfolgt damit im Wesentlichen zwei Ziele: Einerseits erfolgte dadurch die Umsetzung des World Anti-Doping Codes 2021 (WADC 2021). Und andererseits wurden darin die Vollzugserfahrungen des Anti-Doping-Bundesgesetzes 2007 umgesetzt (vgl Anti-Doping-Bundesgesetz 2021).

Ein weiteres Vorhaben des Gesetzgebers betraf die Einrichtung einer Arbeitsgruppe zur Klärung der rechtlichen Rahmenbedingungen im eSport (siehe dazu den im Parlament bereits angenommenen Entschließungsantrag). Dieser Schritt war dringend notwendig, da die Spieler, Vereine, Veranstalter und sonstigen Player der Branche derzeit noch mit einer unklaren Rechtslage konfrontiert sind. Die Arbeitsgruppe hat nun den bestehenden Rechtsrahmen zu analysieren. Im Anschluss daran ist es Aufgabe des Normsetzers, Rechtssicherheit für die Beteiligten zu schaffen. Ziel sollte ein innovationsfreundliches Ökosystem für die aufstrebende Branche sein. Ein solches könnte auch als Booster für die Attraktivität des Wirtschaftsstandort Österreichs dienen.

Grund zur Freude in der Krise hatte der oberösterreichische Boccia Verband. Seit heuer wird Boccia in Oberösterreich offiziell als Sport im Sinne des oberösterreichischen Sportgesetzes anerkannt. Dies erfolgte durch die Aufnahme der Sportart Boccia in die oberösterreichische Sportartenverordnung (vgl Oö Sportartenverordnung 2020).

IV. „Kurioses“

Mitunter ereignen sich auch kuriose Geschichte im Sport(recht), die in einem Jahresrückblick ebenfalls nicht fehlen dürfen. In einem Tweet vom 23. 11. 2020 fragte Zlatan Ibrahimovic, wer EA Sports die Erlaubnis gegeben habe, seinen Namen und sein Gesicht zu verwenden. Er sei sich nicht bewusst, ein Mitglied der FIFPro zu sein, und für den Fall, dass er doch eines sei, dann ohne sein Wissen durch ein seltsames Manöver. Keinesfalls habe er allerdings EA oder der FIFPro erlaubt, mit seinem Namen und Image Geld zu verdienen. In einem Kommentar fügte der Schwede abschließend noch hinzu, dass irgendjemand ohne eine Vereinbarung seit Jahren Geld mit seinem Namen und Gesicht verdiene, was es nun zu untersuchen gelte (siehe den Tweet). Daraufhin meldete sich auch Gareth Bale über Twitter zu Wort und fragte, was die FIFPro überhaupt sei (siehe den Tweet). Dabei handelt es sich nicht um die erste Auseinandersetzung zwischen einem Spieler und EA Sports. Das wohl prominenteste Beispiel ist die deutsche Torwartlegende Oliver Kahn. Der Aufschrei des schwedischen Stürmers mag auf den ersten Blick ein wenig verwunderlich erscheinen, posierte ebendieser vor geraumer Zeit noch mit seiner eigenen FIFA Ultimate-Karte vor der Kamera. Damals schien die Sache für ihn noch unproblematisch. Dennoch könnte „König Zlatan“ einen Punkt getroffen haben, geht es doch um seine Bild- und somit Persönlichkeitsrechte. Angemerkt sei allerdings, dass die Spieler in den Verträgen regelmäßig ihren Klubs die Nutzung der Bildrechte gewähren. Entscheidend ist letztlich, ob eine lückenlose Rechtekette vom Spieler (über Verein, Verband, FIFPro etc) bis hin zum Publisher (hier EA Sports) vorliegt. Ob Zlatan Ibrahimovics Aufschrei somit zu Recht erfolgte, kann ohne Kenntnis der konkreten Verträge wohl nicht beantwortet werden. Wir sind gespannt, ob EA Sports bzw die FIFPro schließlich noch „zlatanisiert“ werden. Denn eines ist klar: Zlatan braucht FIFA nicht – FIFA braucht Zlatan.

Der FC Bayern München hat verloren. Schon allein dieser einfache Satz war im Rekordjahr der Münchner eine Schlagzeile wert. Dabei ging es jedoch nicht um ein Spiel, sondern vielmehr um einen Rechtsstreit. Kurioser als die Schlagzeile war wohl der Gegenstand des Rechtsstreits: Zeichnungen von Franck Ribéry und Arjen Robben, welche der Rekordmeister auf Merchandising-Artikeln abdruckte. Diese sind der Karikatur eines Zeichners („The Real Badman & Robben“) sehr ähnlich. Deswegen machte der Zeichner vor dem Landgericht München I eine Verletzung des Urheberrechts geltend und obsiegte (vgl Landgericht München I 9. 9. 2020, 21 O 15821/19).

Die Maske – unser ständiger Wegbegleiter im Jahr 2020. Sport konnte jedoch weitgehend ohne Maske ausgeübt werden. Eine Ausnahme stellte ein Spiel in der ersten spanischen Handballliga zwischen Ademar León und Balonmano Sinfín dar. In diesem Aufeinandertreffen galt Maskenpflicht im Spitzensport. Ein kurioses Bild, das so schnell nicht in Vergessenheit geraten wird.

V. Sonstiges

Neben der Vereinigung der Fußballer (VdF) gibt es seit heuer auch eine Spielergewerkschaft für die österreichischen BasketballspielerInnen und die österreichischen EishockeyspielerInnen. Die neu gegründeten Spielergewerkschaften  („die BasketballerInnen Vereinigung“  und die „EishockeyspielerInnen UNION“) werden sich ebenfalls unter dem Dach der younion _ Die Daseinsgewerkschaft eingliedern (näher dazu die Presseaussendung der Basketballer sowie jene der Eishockeyspieler).

Auch der österreichische Eishockeyverband (ÖEHV) sorgte für Schlagzeilen. Nach der Wahl des Präsidiums und des dreiköpfigen Schiedsgerichts Ende Juni kam es zu einer Wahlanfechtung. Grund für den Einspruch gegen die Wahl des neuen Verbandspräsidenten war ein Formalfehler. Über solche (verbandsinterne) Streitfragen hat laut den Statuten des ÖEHV das Schiedsgericht zu entscheiden. Nun stellte sich allerdings die Frage, welches Schiedsgericht über die Rechtmäßigkeit der Wahl zu entscheiden hat: das alte Schiedsgericht oder das soeben (mit dem Präsidium gemeinsam) neu gewählte Schiedsgericht (vgl dazu das Interview mit Stelzer).

VI. Ausblick

Der Streifzug durch das sportrechtliche Jahr 2020 hat die Vielseitigkeit der Materie Sportrecht einmal mehr unter Beweis gestellt. Selbst wenn die Sportwelt stillsteht, sind sportrechtliche Fragestellungen zu klären. Wir bleiben dran und freuen uns bereits auf ein spannendes Jahr 2021!Welche Auswirkungen zeitigt der Brexit auf die Sportwelt? Welche Ergebnisse liefert die Arbeitsgruppe im eSport? Bekommen wir endlich ein Berufssportgesetz? Mit diesem Ausblick wünschen wir euch einen guten Rutsch ins neue Jahr! Unsere Neujahrsvorsätze: neue Homepage, mehr Content und ein Podcast – stay tuned!

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Winterreihe Skirecht Teil II: Schiunfall

Der erste Schnee ist gefallen und – soweit es Covid-19 zulässt – wird es auch in dieser Saison wieder unzählige Ski- und Snowboardgäste auf die Pisten verschlagen.
 
 
Normalerweise geht es Nachmittags mit vollgefülltem Magen (oder nach ein Paar heißen Getränken) zurück auf die stark befahrene Piste. Die Kraft in den Beinen lässt schon ziemlich nach, man will aber die letzte Fahrt nochmal so richtig ausnutzen und „Vollgas“ geben. Das war nun doch etwas zu viel des Guten und ein Sturz war unvermeidbar. Aufgrund des Sturzes kam es zu einem Zusammenstoß mit einem anderen Skiläufer, der nicht so ein großes Glück hatte und sich das Bein brach. So schnell kann`s gehen und man steht kurz vor einem möglichen Rechtsstreit. Der zweite Beitrag unserer Winterreihe widmet sich daher dem Thema der Haftung bei einem Skiunfall und den damit im Zusammenhang stehenden Regeln.
 

Grundlagen zum Schadenersatzrecht

Wenn, wie im geschilderten Fall, im Rahmen eines Skiunfalles Körper- und/oder Sachschäden entstehen, könnte der Geschädigte unter Umständen Schadenersatzansprüche (Schmerzengeld, Verdienstentgang, Heilungskosten, Verunstaltungsentschädigung, usw.) gerichtlich geltend machen. Ein bloßer Schaden allein reicht jedoch noch nicht aus – der Schädiger muss den Schaden auch rechtswidrig und schuldhaft verursacht haben. Allein aus der Tatsache, dass ein Skifahrer stürzt und damit einen Zusammenstoß verursacht, kann noch nicht auf ein Verschulden des Stürzenden geschlossen werden. Vorwerfbares Fehlverhalten könnte beispielsweise vorliegen, wenn der Sturz aufgrund eines unangepassten Fahrverhalten, wie eine für das Fahrkönnen oder die Verhältnisse zu hohe Geschwindigkeit, geschieht (wie im Beispielsfall). Diese Haftungsgrundlagen hat der Verletzte zu beweisen. Ein solcher Beweis kann bei Skiunfällen aber oft nicht leicht erbracht werden, denn im Schnee bleiben oft keine Spuren zurück, die eine Rekonstruktion des Unfalls erlauben und Zeugen erinnern sich oft nur verschwommen an die letzten Sekunden vor dem Zusammenstoß. Das Gericht bestellt daher in den meisten Fällen einen Sachverständigen und zieht die FIS- und POE-Regeln heran, um Verstöße gegen die Sorgfaltspflichten und die damit zusammenhängende Frage des Verschuldens zu beurteilen. Diesen Regeln kommt daher große Bedeutung zu.
 

Die wichtigsten Verhaltensregeln auf der Piste – einfach erklärt

Entscheidende Sorgfaltsnormen sind die „FIS-Regeln“ und die eher unbekannteren „POE-Regeln“ (die Regeln des „Pistenordnungsentwurfes des Österreichischen Kuratoriums für alpine Sicherheit“). Diese Regeln sind zwar keine Rechtsnormen (wie etwa Gesetze), bei der Beurteilung der Sorgfaltspflichten von Schifahrern kommt ihnen dennoch erhebliche Bedeutung zu. Sie gelten als Maßstab für sportgerechtes Verhalten eines sorgfältigen und verantwortungsbewussten Skifahrers bzw. Snowboarders. Ein Skifahrer darf auch grundsätzlich darauf vertrauen, dass die anderen Pistenbenützer die Pistenregeln befolgen. Wer selbst gegen diese Regeln verstößt, kann sich aber nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen.

Was gilt für Snowboarder?

Die FIS- und POE-Regeln gelten sinngemäß auch für Snowboarder. Des Weiteren hat die Schweizerische Kommission für Unfallverhütung auf Schneesportabfahrten (SKUS) im Einvernehmen mit den Snowboardverbänden weitere spezifische Regeln geschaffen, die Snowboarder zusätzlich zu beachten haben.

10 FIS-Regeln für Ski- und Snowboarder:

  • Rücksichtnahme auf die anderen Skifahrer und Snowboarder

Jeder Skifahrer und Snowboarder muss sich so verhalten, dass er keinen anderen gefährdet oder schädigt.

WICHTIG: Man ist für die verwendete Ausrüstung selbst verantwortlich. Die Einstellung der Skibindung sollte daher von einem Fachunternehmen erfolgen. Pisten dürfen ausschließlich mit Sportgeräten befahren werden, mit denen die Einhaltung der FIS-Regeln technisch möglich ist. Das Rodeln auf Pisten ist bspw. verboten.

  • Beherrschung der Geschwindigkeit und der Fahrweise

Jeder Skifahrer und Snowboarder muss auf Sicht fahren. Er muss seine Geschwindigkeit und seine Fahrweise seinem Können und den Gelände-, Schnee- und Witterungsverhältnissen sowie der Verkehrsdichte anpassen.

WICHTIG: Fahren auf Sicht bedeutet, dass man nur eine solche Fahrgeschwindigkeit wählen darf, die es ermöglicht, jedenfalls innerhalb der Sichtweite anzuhalten bzw. etwaigen drohenden Hindernissen oder anderen Pistenbenützern auszuweichen. An unübersichtlichen oder stark befahrenen Stellen ist langsam zu fahren, insbesondere an Kanten, am Ende von Pisten und im Bereich von Liften und Seilbahnen.

  • Wahl der Fahrspur

Der von hinten kommende Skifahrer und Snowboarder muss seine Fahrspur so wählen, dass er vor ihm fahrende Skifahrer und Snowboarder nicht gefährdet.

WICHTIG: Wer hinter einem anderen herfährt, muss genügend Abstand einhalten, um dem Vorausfahrenden für alle seine Bewegungen genügend Raum zu lassen.

  • Überholen

Überholt werden darf von oben oder unten, von rechts oder von links, aber immer nur mit einem Abstand, der dem überholten Skifahrer oder Snowboarder für alle seine Bewegungen genügend Raum lässt.

  • Einfahren, Anfahren und hangaufwärts Fahren

Jeder Skifahrer und Snowboarder, der in eine Abfahrt einfahren, nach einem Halt wieder anfahren oder hangaufwärts schwingen oder fahren will, muss sich nach oben und unten vergewissern, dass er dies ohne Gefahr für sich und andere tun kann.

  • Anhalten

Jeder Skifahrer und Snowboarder muss es vermeiden, sich ohne Not an engen oder unübersichtlichen Stellen einer Abfahrt aufzuhalten. Ein gestürzter Skifahrer oder Snowboarder muss eine solche Stelle so schnell wie möglich freimachen.

WICHTIG: Ausgenommen auf breiten Pisten soll der Skifahrer und Snowboarder nur am Pistenrand anhalten und stehen bleiben. Engstellen und unübersichtliche Abschnitte sind ganz freizuhalten. Häufige Fehlverhalten sind ist das Anhalten kurz nach unübersichtlichen Stellen und Kuppen.

  • Aufstieg und Abstieg

Ein Skifahrer oder Snowboarder, der aufsteigt oder zu Fuß absteigt, muss den Rand der Abfahrt benutzen.

WICHTIG: Diese Regel ist wichtig für Tourengeher! Fußspuren beschädigen die Piste und können dadurch Skifahrer und Snowboarder gefährden.

  • Beachten der Zeichen

Jeder Skifahrer und Snowboarder muss die Markierung und die Signalisation beachten.

WICHTIG: Pisten werden nach ihrem Schwierigkeitsgrad schwarz, rot oder blau markiert und auch mit Hinweis-, Gefahr- und Sperrtafeln gekennzeichnet. Von Bedeutung sind hier vor allem die ,,Slow-Tafeln‘‘ sowie die Hinweisschilder über das Ende des gesicherten Skigebietes (Lawinenhang). Grundsätzlich steht es jedem frei die Pisten frei zu wählen, allerdings muss die Wahl gemäß FIS-Regel Nr. 2 den eigenen Fähigkeiten entsprechen. Freerider handeln im Bereich außerhalb des gesicherten Skigebietes auf eigene Gefahr aber grundsätzlich nicht rechtswidrig. Zu beachten sind allerdings strafrechtliche Komponenten bei Auslösung einer Lawine.

  • Hilfeleistung

Bei Unfällen ist jeder Skifahrer und Snowboarder zur Hilfeleistung verpflichtet.

WICHTIG: Diese Pflicht trifft nicht nur den Unfallverursacher, sondern jeden Pistenbenützer, der an einer Unfallstelle vorbeikommt. Das bedeutet die Leistung von Erster Hilfe, die Alarmierung des Rettungsdienstes und das Absichern der Unfallstelle. Wer dies unterlässt, begeht unter Umständen auch einen Straftatbestand (§§ 94 und 95 StGB).

  • Ausweispflicht

Jeder Skifahrer und Snowboarder, ob Zeuge oder Beteiligter, ob verantwortlich oder nicht, muss im Falle eines Unfalles seine Personalien angeben.

WICHTIG: Der Zeugenbeweis ist für die zivil- und strafrechtliche Beurteilung eines Unfalles von großer Bedeutung.

SKUS – Richtlinien für Snowboarder

  • Das vordere Bein muss mit einem Fangriemen fest mit dem Snowboard verbunden sein.
  • An Skiliften und auf Sesselbahnen das hintere Bein aus der Bindung lösen.
  • Vor jedem Richtungswechsel, besonders vor Fersenschwüngen (Heel Turns/Backsideschwünge): Blick zurück, Raum überprüfen.
  • Das Snowboard immer mit der Bindungsseite nach unten in den Schnee legen.
  • Auf Gletschern das Snowboard wegen der Spaltengefahr nicht abschnallen.
  • Fun Parks und Half Pipes nur nach Besichtigung benützen.
  • Bei Sprüngen sicher stellen, dass der Landeraum frei ist.

Beispiele von sorgfaltswidrigem Verhalten

  • Sturz aufgrund eines unangepassten Fahrverhaltens, wie eine für das Fahrkönnen oder die Verhältnisse zu hohe Geschwindigkeit (wie im Beispielsfall);
  • Missachtung allgemein anerkannter FIS-Regeln;
  • Zusammenstoß aufgrund einer unerwarteten Fehlauslösung der Skibindung (FIS-Regel 1; es muss der Nachweis erbracht werden, dass die Einstellung der Bindung nicht mangelhaft war – etwa durch Einstellung eines Fachmannes; der Bindungseinstellschein sollte zu Beweiszwecken jedenfalls aufbehalten werden).

Beide sind schuld

Bei einem Mitverschulden des anderen Unfallteilnehmers, wenn beispielsweise beide unaufmerksam aufeinander zufahren, wird der Schaden gemäß des Ausmaßes des Mitverschuldens nach § 1304 ABGB geteilt.

Wie gehe ich im konkreten Fall am besten vor?

Ist es zu einem Unfall gekommen und wurde jemand verletzt, ist es besonders wichtig, andere Unfallteilnehmer umgehend mit Namen und Adresse festzustellen. Es ist auch wichtig, Beweismittel zu sammeln, wie etwa Zeugen (Kontaktdaten!) oder Fotos von der Unfallstelle.

Zusammenstoß mit einem Tourengeher?

Die FIS-Regel 7 besagt, dass aufsteigende Schifahrer im Allgemeinen nur den Pistenrand benützen dürfen. Es ist aber auch im Falle eines Unfalles das allgemeine Sorgfaltsgebot zu beachten. Geht ein Tourengeher nicht direkt am Rand und kommt es zu einem Zusammenstoß mit einem Skifahrer, werden für das (Mit-)verschulden die Breite, Übersichtlichkeit, Frequenz und Tageszeit auch eine wichtige Rolle spielen.

Teil III beschäftigt sich mit dem Thema der Skigebietserweiterungen. Neuerschließung versus Erweiterung oder Zusammenschluss bestehender Skigebiete.

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Winterreihe Skirecht Teil I: Verkehrssicherungspflichten im Wintersport

Die Sicherheit von Sportlern und möglichen Zusehern bei Veranstaltungen im Wintersport ist zweifelsohne ein wichtiges Thema. Dieser (erste) Beitrag unserer Winterreihe soll einen Überblick über die Rechtsprechung des OGH zu den Pflichten geben, die Sportveranstalter, Pisteninhaber oder sonstige (vertraglich dazu) Verpflichtete sicherstellen müssen. Explizit wird auf die Zumutbarkeit einzelner Maßnahmen eingegangen und dazu werden Einzelfälle zur Haftung kurz skizziert.

Verkehrssicherungspflichten im Wintersport: geprägt von Zumutbarkeit und Einzelfällen

Allgemeine Grundsätze

Vorweg sei gesagt, dass es sich bei den angesprochenen Obliegenheiten um Verkehrssicherungspflichten, genauer um sog Schutz- und Sorgfaltspflichten, handelt, die zu der eigentlichen Hauptleistungspflicht, bspw bei Kauf eines Skipasses die Beförderung in den Skiliften und die Nutzung der Skipisten, hinzutreten. Die Veranstalter von Sportwettbewerben müssen allgemein für die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen sorgen, um die Sicherheit von Teilnehmern und Zuschauern zu gewährleisten. Die vertraglichen Verkehrssicherungspflichten finden jedoch ihre Grenze jedenfalls in der Zumutbarkeit. Welche Maßnahmen nun tatsächlich angemessen, also notwendig und in erster Linie zumutbar sind, ist nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Wer als Veranstalter gilt, wird in den Veranstaltungsgesetzen der Ländern durchaus unterschiedlich definiert. Doch kann man sagen, Veranstalter ist jemand, der Veranstaltungen abhält oder öffentlich bzw gegenüber der Behörde als solcher auftritt, der Veranstaltungen ankündigt oder auf dessen Rechnung sie durchgeführt werden. Bei Sportveranstaltungen ist idR der Sportstätteninhaber auch der Veranstalter.

Den Veranstalter treffen neben der Gewährleistung der erforderlichen Vorkehrungen auch Aufklärungspflichten hinsichtlich der für ihn erkennbaren Sicherheitsrisiken, sodass sich der Sportler der Gefahren bewusst wird und diese abschätzen kann. Beachtenswert ist hier allerdings, dass eine Überspannung dieser Pflichten nicht vorgenommen werden darf, da die Sportaktivität gefördert und nicht unmöglich gemacht werden soll. In Bezug auf die Anbringung von Fangnetzen oder die Abpolsterung der am Rand der Piste stehenden Bäume meint der OGH bspw, dass dies eben eine solche Überspannung der Gewährleistung von Sicherheitsmaßnamen darstelle, da der Skifahrer – in der Meinung, besonders geschützt zu sein – dadurch ein höheres Sturzrisiko eingehen würde. Hinsichtlich den mit der Sportart verbundenen erkennbaren Gefahren, trifft den Veranstalter allerdings keine Warn- oder Belehrungspflicht.

Pflichten bei (professionellen) Skirennen

Der Veranstalter eines professionellen Skirennens ist verpflichtet, die Sicherheitsvorkehrungen so einzurichten, dass im größtmöglichen Umfang Gefahren für die Rennläufer abgewendet werden. Dabei ist insb wegen der hohen Geschwindigkeiten und der immer spezialisierteren Sicherungstechnik ein hohes Maß an Erfahrung erforderlich. Ein Mitverschulden des Rennläufers oder dessen Mannschaftsführers aufgrund eines Fahrfehlers innerhalb des arttypischen Risikos des Rennsports oder fehlender Rüge oder Bemängelung der Sicherheitsvorkehrungen wird idR (von der Rechtsprechung) nicht bejaht, weil von diesem nicht die dem Veranstalter zukommende Sachkunde zu erwarten sei.

Weiters hat der Veranstalter eines Skirennens im freien Gelände Sicherungspflichten, um die Rennläufer vor atypischen Gefahren zu schützen. Atypisch ist eine Gefahr dann, wenn sie bei eigenverantwortlicher Aufmerksamkeit (der Rennläufer) nicht ohne weiteres erkennbar oder bei Erkennbarkeit schwer zu vermeiden ist. Angemerkt sei, dass der Rennläufer bei einem Unfall selbst hier kein Mitverschulden trägt, wenn er nicht auf Sicht, sondern im Renntempo fährt. Der Läufer wird ja gerade vom Veranstalter zu schnellem Fahren aufgefordert. Aus der Rechtsprechung ergeht darüber hinaus, dass die Verkehrssicherungspflichten in Sachen Pistensicherung – bspw bei der Absicherung von Holzstangen zur Abgrenzung der Piste; vor allem bei Stellen mit erhöhter Sturzgefahr – bei einem Pistenhalter von permanenten Rennstrecken strenger als bei gewöhnlichen Skipisten sind.

Wichtige Aspekte für Amateur-Skifahrer

Nicht nur bei professionellen Veranstaltungen, nein auch bei Hobby-Skifahrern tauchen häufig schwierige Haftungsfragen auf – hier ein kleiner Überblick:

  • Haftung der Liftbetreiber

Bei Herausrutschen aus dem Liftsessel eines Sesselliftes im Stationsbereich aufgrund eines minimalen Schwingens, welches durch das sanfte Anhalten des Liftes nach einem Fehlverhalten eines anderen Passagiers eingetreten war, ist die Haftung des Sesselliftbetreibers ausgeschlossen. Nach Ansicht des OGH liegt ein unabwendbares Ereignis iSd § 9 EKHG vor. Diese Schaukelbewegungen können auch bei größter Sorgfalt nicht verhindert werden und es sei Sache des Skifahrers, damit umzugehen und sich festzuhalten, insb bei offenem Sicherungsbügel im Stationsbereich.

Aus den Betriebsvorschriften eines Schleppliftes ging ferner hervor, dass der Betrieb einzustellen ist, wenn es dem Personal aufgrund dichten Nebels nicht mehr möglich ist, die Trasse einzusehen und bei Gefahr im Verzug reagieren zu können. Nach der Meinung des OGH stelle ein Nichteinstellen des Betriebs durch den Schleppliftbetreiber bei Vorliegen von solch dauerhaften schlechten Sichtverhältnissen einen Verstoß gegen seine vertraglichen Verkehrssicherungspflichten dar.

  • Der Kauf einer Skikarte im Pistenverbund (zB Skicirkus Saalbach)

Doch auch die Frage der Passivlegitimation (einfach erklärt: wer kann geklagt werden?) in einem Schadenersatzprozess nach einem Skiunfall ist essenziell. Sofern das Unternehmen, bei dem die Skikarte erworben wird, vor Vertragsabschluss durch die Beförderungsbedingungen das Vertretungsverhältnis offenlegt – der Kauf eines Skipasses für einen Pistenverbund begründet gespaltene Vertragsverhältnisse mit den einzelnen Verbundunternehmen –, ist das einzelne Verbundunternehmen Anspruchsgegner des Verletzten, in dessen Zuständigkeitsbereich es zu dem Unfall gekommen ist. Der Verkäufer der Skikarte ist lediglich für die von ihm selbst betriebenen Anlagen verantwortlich. Anders ist es, wenn keine Offenlegung erfolgt: der Pistenhalter, der die Karte verkauft, ist Vertragspartner des Käufers und kann unabhängig von einer etwaigen Verletzung der Pistensicherungspflichten anderer Verbundunternehmen in Anspruch genommen werden. Die eigentlichen „Schädiger“ werden ihm als Erfüllungsgehilfen (=Erfüllungsgehilfe ist, wer zur Erfüllung einer bestehenden rechtlichen Sonderverbindung als Gehilfe eingesetzt wird) zugerechnet.

  • Haftung der Pistenbetreiber

Der OGH bejaht auch die Haftung eines Pistenbetreibers im Rahmen seiner Pistensicherungspflicht bei einem Unfall eines Kleinkinds, welches in einen Elektranten (Anschlusskasten einer Schneelanze der Beschneiungsanlage) prallte. Entscheidend für die Beantwortung der Haftungsfrage sei, wie die konkrete Piste ausgestaltet ist. In diesem Fall war die Piste flach und der Elektrant stand auf dem aufsteigenden Hang neben der eigentlichen Piste. Der Pistenbetreiber müsse damit rechnen, dass ein Skifahrer bei unabsichtlichem Abkommen durch „Verschneiden“ von der Piste, auf den aufsteigenden Hang gerät, da das Korrigieren des „Verschneidens“ in stärkerem Gefälle einfacher sei als bei einem geringeren Gefälle.

  • Skifahren im freien Gelände (Off-Piste)

Keine Sicherungspflichten treffen den Pistenbetreiber hingegen auf einer sog wilden Abfahrt, dh einer eindeutig als gesperrt gekennzeichneten Skipiste. Sicherheitsvorkehrungen sind also nur im Bereich der Skipiste und der Pistenränder (inklusive Sturzräume) verpflichtend. Dabei ist die deutliche Kennzeichnung des Pistenrandes enorm wichtig, sodass der Pistenbetreiber nicht für Gefahren im freien Gelände haftet. Allgemein ist festzuhalten, dass der Pistenhalter dort entsprechende Schutzmaßnahmen einrichten muss, wo den Skifahrern durch nicht oder nur schwer erkennbare Hindernisse Gefahren drohen.

  • Der Einsatz von Pistenfahrzeugen

Die Schutzmaßnahmen, die im Zuge eines Einsatzes eines Pistenfahrzeugs während des Pistenbetriebs zu garantieren sind, richten sich besonders nach den Umständen des Einzelfalls. Sodann besteht (klarerweise) ein erhöhtes Gefahrenpotential, wenn ein derartiges Fahrzeug rückwärts bergauf auf einer zirka 10m breiten Piste fährt. Den Skifahrern ist in diesen Fällen ein gefahrloses Passieren nicht möglich. Auch das Sichtfeld des Fahrers ist wegen des toten Sichtwinkels, der sich aus der Bauart des Fahrzeugs ergibt, stark eingeschränkt. Angemessen wären hier die kurzfristige Absperrung der Piste oder das Abstellen eines Pistenpostens.

  • Parkplatz

Dem Halter eines Parkplatzes in einem Skigebiet obliegt ebenfalls die Pflicht, zumutbare Maßnahmen im Rahmen seiner vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten zu veranlassen. Doch sieht es der OGH als unzumutbar an, einen großen Parkplatz während eines starken Schneefalles gleichzeitig an allen Stellen zu räumen und zu streuen. Der Benutzer des Parkplatzes müsse sohin mit den neuen Gefahren, welche durch den Neuschnee entstehen können, rechnen und sich darauf einstellen. Dies gelte auch für die Zwischenräume zwischen den geparkten Autos, sollte es zu Mittag an dieser Stelle zu einem Sturz kommen, aber am Vormittag bereits eine umfangreiche Splittstreuung stattgefunden haben. Eine Wiederholung der Splittstreuung ist eben nicht zumutbar.

  • Exkurs für Zuschauer

Speziell auf die Zumutbarkeit der Schutzmaßnahmen, die ein Sportveranstalter zum Schutz der Zuseher gewährleisten muss, ging der OGH ein und sprach aus, dass bei einem Eishockeyspiel auch die Längsseiten des Spielfelds – zB durch taugliche Gitter – zu umranden bzw schützen sind. So sollen das Hinausschießen des Pucks und Verletzungen von Zuschauern verhindert werden. Dabei ist angesichts der Vorsichtsmaßnahmen auf die aktuelle Spieltechnik, also auf die modernste Entwicklung des jeweiligen Sports, abzustellen. Zumutbar ist auch im Zuge einer Skisprungveranstaltung – konkret handelte es sich in dieser Entscheidung um das Neujahrs-Skispringen am 1.1.1984 – die Absicherung des Zuschauerraumes durch einen ausreichend hohen Plastik-Maschenzaun und das Aufstellen von Strohballen in den verbleibenden Zwischenräumen des Zuschauerbereichs. Die Zuseher sollen hierdurch vor – durch einen Sturz des Skispringers – losgelösten Schiern geschützt werden.

Fazit

Die angeführten Beispiele zeigen, dass Fragen zu den Verkehrssicherungspflichten, deren Zumutbarkeit im Einzelfall und schlussendlich die Haftung bei Unfällen einer sehr detaillierten Aufschlüsselung des jeweiligen Sachverhalts bedürfen. Neben den „offensichtlichen“ Vorkehrungen, für die in jedem Fall Sorge getragen werden muss, sind es größtenteils Kleinigkeiten, die zu einer Vertragshaftung führen können, oder eben nicht.

Teil II beschäftigt sich mit Schadenersatz und Schmerzengeldforderungen im Zuge von Skiunfällen.

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Abstellung von Spielern für das österreichische Fußball-Nationalteam

Ein sportrechtlicher Dauerbrenner sorgte kürzlich wieder für Aufsehen. LASK-Trainer Dominik Thalhammer übte wegen einer Verletzung seines Spielers Husein Balic Kritik am ÖFB. Dieser sei nach seinem Debüt gegen Luxemburg mit einer Sprunggelenksverletzung zu seinem Stammverein zurückgekehrt.
 
 
Die Antwort des ÖFB ließ nicht lange auf sich warten. Dies wirft die Frage nach der rechtlichen Grundlage einer Abstellung von Vereinsspielern an das österreichische Nationalteam auf. Gibt es eine Abstellungspflicht, stehen den Stammvereinen Entschädigungszahlungen zu, welche Rechte und Pflichten hat der ÖFB als nationaler Verband und ist es dem Verein – etwa aufgrund einer nicht verheilten Vorverletzung – möglich seinen Spieler vorzeitig abzuziehen? All diese Fragen werden im Zuge dieses Beitrags behandelt.
 
 

Das autonome Recht der Vereine

Der globale Fußball wird durch das sog Ein-Platz-Prinzip bestimmt. Dieses besagt, dass in jedem Land nur ein Verband anerkannt wird, der sich für die gesamte Organisation und Kontrolle des Fußballs in all seinen Formen alleinverantwortlich zeichnet. In Österreich ist das bekanntermaßen der Österreichische Fußball Bund – kurz ÖFB. Das Herzstück für sämtliche Regelungen bildet dabei die Satzung des ÖFB. Diese sieht eine uneingeschränkte Bindung an die von der FIFA vorgegebenen Regelwerke vor. Die Frage der Abstellung von Vereinsspielern an das Nationalteam wird dabei im Anhang 1 und 2 des FIFA-Reglements behandelt. Diese Bestimmungen sind für alle Verbände und Vereine verbindlich und sichern eine einheitliche Anwendung sämtlicher Regularien bis in die untersten Hierarchieebenen. Das Recht der Vereine zur selbständigen Erlassung von Regelungen gründet übrigens auf der sog Vereinsautonomie, die sich aus dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht der Vereins- und Versammlungsfreiheit ableitet.
 

FIFA-Reglement zur Abstellung von Vereinsspielern

Die Vereine sind verpflichtet, bei ihnen registrierte Spieler, die für das Nationalteam einberufen werden, abzustellen. Der nationale Verband muss bei Nominierung eines Spielers den Verein mindestens 15 Tage vor der betreffenden Begegnung informieren. Handelt es sich um ein Freundschaftsspiel, müssen die Spieler mindestens 48 Stunden, bei Qualifikationsspielen vier Tage und bei Endrunden-Turniere 14 Tage vorher zu ihren Nationalteams stoßen. Das FIFA-Reglement sieht dabei keine finanzielle Entschädigung der abstellenden Vereine vor. Immerhin müssen die nationalen Verbände für die Transportkosten aufkommen. Die Kranken- und Unfallversicherung der Spieler obliegt jedoch dem Stammverein. Für die Dauer der Abstellung darf der Spieler keinesfalls für seinen Stammverein auflaufen. Eine Regelung, der, ob der bei Länderspielen naturgemäß stattfindenden Pause der nationalen und internationalen Bewerbe, keiner faktischen Bedeutung zukommt. Zu beachten ist jedoch, dass diese Einschränkung auch dann gilt, wenn der Stammverein den Spieler (unerlaubt) nicht abstellt.
 

Dreiecksverhältnis Spieler – Verein – Nationalteam

Zum besseren Verständnis der Behandlung von aufkommenden Problemen im Zuge einer Einberufung, erscheint eine kurze Erläuterung der (arbeits-)rechtlichen Einordnung von Nationalteamspielern als hilfreich. Aufgrund der Abstellungspflicht der Vereine ergeben sich für den abgebenden Verein vor allem arbeits- und sozialrechtliche Fragen. Der rechtlichen Qualität der Abstellung eines Spielers für die Nationalauswahl kommt eine erhebliche Bedeutung zu. Zu denken ist hierbei vor allem an eine Spielerleihe, ein mittelbares Arbeitsverhältnis oder eine Arbeitskräfteüberlassung. Nach überwiegender Meinung handelt es sich bei der Abstellung eines Spielers für die Nationalmannschaft um eine vorübergehende „Zurverfügungstellung von Arbeitskräften an Dritte“. Es kommt somit zur Anwendung der gesetzlichen Vorschriften des AÜG (Arbeitskräfteüberlassungsgesetz). Der Verein tritt als Überlasser und der ÖFB als Beschäftiger auf. Der Spieler selbst stimmt üblicherweise bereits im Spielervertrag der Überlassung an den ÖFB zu. Es steht dem Spieler jedoch zu, diese Zustimmung in Zukunft einseitig zu widerrufen und dadurch den drohenden Disziplinarmaßnahmen des FIFA-Reglement zu entgehen. Diese sehen auch Strafverifizierungen von Spielen vor, bei denen der betroffene Spieler eingesetzt wurde.
 

Pflichten der Verbände – Rechte der Vereine

Welche Möglichkeiten stehen einem Verein nunmehr zu, wenn er mit der Einberufung oder dem unter Umständen nachteiligen Einsatz seines Spielers nicht einverstanden ist. Durch die bereits festgestellte Abstellungspflicht ist es dem Stammverein untersagt, die Abstellung des betroffenen Spielers grundlos zu verweigern. Der Stammverein könnte als Arbeitgeber bei Verdacht einer Verletzung von Arbeitnehmerschutz- oder von Fürsorgepflichten sogar ein verstärktes Interesse an der vorzeitigen Beendigung der Überlassung haben. Kommt es im Rahmen eines Länderspiels zu einer Verletzung oder Verschlimmerung dieser, sind es neben den sportlichen Konsequenzen vor allem wirtschaftliche Belastungen, die die Vereine durch Entgeltfortzahlungen zu tragen haben. Der OGH hat jedoch bereits festgestellt, dass auch eine im Zusammenhang mit dem verpflichteten Einsatz in einem Länderspiel erlittene Verletzung von der gesetzlichen Unfallversicherung gedeckt ist. Durch die Qualifizierung des Dreieckverhältnisses zwischen Spieler, Verein und Verband als vorübergehende Arbeitskräfteüberlassung, ist der Verein verpflichtet, die Überlassung unverzüglich zu beenden, sobald er weiß oder wissen muss, dass der Verband trotz Aufforderung die Arbeitnehmerschutz- oder Fürsorgepflichten nicht einhält. Den Verband treffen die vollen Pflichten eines Arbeitgebers, die vor allem den Schutz des Lebens und der Gesundheit umfassen. Diese werden dann als gefährdet angesehen, wenn der Spieler trotz des konkreten Risikos einer erheblichen Gesundheitsbeeinträchtigung eingesetzt wird. Die Verletzung der Fürsorgepflicht durch Vornahme von medizinisch nicht anerkannten Therapiemaßnahmen wird in der Praxis kaum eine Rolle spielen. Der Verein hat somit nicht nur das Recht, im Falle der Verletzung von Arbeitnehmerschutz- oder Fürsorgepflichten, die Überlassung zu beenden, sondern sogar die Pflicht dazu. Ob der Spieler – der wohl kaum gerne aus dem Nationalteam ausscheidet – dazu verpflichtet werden kann, ist strittig, sollte jedoch aufgrund der dem Gesundheitsschutz dienenden Vorschriften bejaht werden.
 

Rücktritt aus der Nationalmannschaft

Wird ein Spieler in die nationale Auswahl einberufen, ist dieser verpflichtet, dem Aufgebot auch Folge zu leisten. Was jedoch, wenn der Spieler gar nicht für das Nationalteam auflaufen will? Hier ist zwischen einer Absage infolge einer Verletzung oder Krankheit und einer unbegründeten Absage zu unterscheiden. Kann der Spieler der Einberufung aufgrund einer Verletzung nicht nachkommen, besitzt der Verband das Recht, den Spieler zu einer Untersuchung durch einen vom Verband bezeichneten Arzt zu verpflichten. Die Untersuchung hat auf dem Gebiet des Verbandes zu erfolgen, in dem der Verein des Spielers registriert ist. Dem Spieler steht es auch frei, auf die Teilnahme am Nationalteam zu verzichten. Dieser kann vor Bekanntgabe der Nominierung sowohl für bestimmte Spiele als auch für einen bestimmten Zeitraum gelten.
 

Fazit

Der Verein hat seine Spieler bei erfolgter Einberufung durch den Verband verpflichtend abzustellen. Das dadurch entstehende Dreiecksverhältnis zwischen Spieler, Stammverein und Verband wird als vorübergehende Arbeitskräfteüberlassung qualifiziert. Kommt es im Zuge eines Lehrgangs zur Verletzung von Arbeitnehmerschutz- oder Fürsorgepflichten durch den Verband hat der Stammverein das Recht und die Pflicht die Überlassung zu beenden.
 
Bild: © Shutterstock/Herbert Kratky
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