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Causa Milletich – Ist das (Straf-)Recht die Grenze?

Ein Plädoyer für „Compliance- und Good Governance-Richtlinien im Sport“

von Christina Toth und Patrick Petschinka

(bereits in der LAOLA1-Kolumne „§port und alles was Recht ist“ erschienen)

Gerhard Milletich soll sein Amt als ÖFB-Präsident genutzt haben, um Inserate für das schau-Magazin zu gewinnen. Ein Magazin, dessen Herausgeber Gerhard Milletich ist. Der amtierende ÖFB-Präsident bestreitet den Vorwurf: Er habe seine Funktion niemals missbraucht. Zu allen Unternehmen hätten bereits vor seinem Amtsantritt Geschäftsbeziehungen bestanden. Aussagen von potenziellen Inserenten sollen ein konträres Bild zeichnen.

Vorweg ist festzuhalten, dass wir den Fall Milletich mangels Kenntnis des konkreten Sachverhalts nicht bewerten wollen. Die Causa hat aber viel Staub aufgewirbelt: Mediale Empörung, öffentliche Diskussionen im ÖFB-Präsidium und oberdrein ein Gerichtsverfahren (dazu hier). Der Schaden für den ÖFB ist angerichtet.

Auch der reflexartige Ruf nach Compliance und Good Governance im Sport ließ nicht lange auf sich warten. Worum geht es dabei? Der Begriff „Compliance“ leitet sich aus dem Englischen „to comply with“ ab, worunter wörtlich „befolgen“, „entsprechen“ oder „erfüllen“ zu verstehen ist. Heute wird mit „Compliance“ gemeinhin die Einhaltung von Regeln und Gesetzen beschrieben. Der Begriff „Good Governance“ kommt ebenfalls aus dem Englischen und bedeutet im vorliegenden Kontext „gute Vereinsführung“. Beides Konzepte, die eigentlich selbstverständlich sein sollten, die aber gerade im Spannungsfeld von Ehrenamt und Hauptberuf (gefährlichen) Interpretationsspielraum offenlassen.

Das ÖFB-Präsidium hat inzwischen entschieden, die Causa dem Ethikkomitee der Fußball-Bundesliga zu übergeben. Juristisch wirft der Fall die Frage auf, ob die Verknüpfung von Ehrenamt und Hauptberuf rechtliche Konsequenzen nach sich zieht. Dem wird im Folgenden nachgegangen, wobei die Causa Milletich nur als Aufhänger dient.

Kein strafrechtlich relevantes Verhalten

Der Sport lebt vom Ehrenamt – auf allen Ebenen. Gesellschaftliche Anerkennung und ein interessantes Netzwerk sind oft die Motivation für den unentgeltlichen Einsatz in Sportverbänden und -vereinen. Gerade an die Spitze großer gemeinnütziger Organisationen werden nicht selten einflussreiche Personen gewählt, die ihren Einfluss sodann zugunsten der Organisation geltend machen sollen. So weit, so gut.

Kommen wir zum Juristischen: Das Strafrecht regelt grundsätzlich Fälle, in denen Mittel von Fremden (also auch von Verbänden oder Vereinen) zweckwidrig verwendet werden. Untreue, Betrug und Fördermittelmissbrauch sind nur drei der Tatbestände, die die pflichtwidrige Verwendung von finanziellen Mitteln unter Strafe stellen.

Den medialen Berichten zufolge wurde in der Inseratencausa aber kein strafrechtlich relevantes Verhalten gesetzt. Doch ist das Strafrecht die Grenze?

Nun sag‘, wie hast du’s mit der Moral?

Selbst wenn das staatliche (Straf-)Recht nicht greift, bedeutet das nicht, dass ein Verhalten, mit dem sich jemand einen persönlichen Vorteil verschafft, ohne Konsequenzen bleiben muss. Ganz im Gegenteil: Unsere Gesellschaft hat sich nicht bloß auf Rechtsnormen, sondern auch auf moralische Normen und Werte verständigt. Diesbezüglich sei auf die Aussage des ehemaligen Rechnungshof-Präsidenten Franz Fiedler verwiesen, die dieser im vorliegenden Kontext getroffen hat:

„Korruption beginnt nicht erst mit dem Strafrecht. Das ist eine weltweit anerkannte Tatsache. Sie beginnt im Vorfeld des Strafrechts […].“ Korruption ist freilich ein schwerwiegender Vorwurf. Eine allgemeingültige Begriffsbestimmung von Korruption gibt es nicht. Transparency International arbeitet etwa mit folgender Definition: „Korruption ist der Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil.“ Es ist also nicht jeder persönliche Vorteil, den ein Verbands- oder Vereinsverantwortlicher aus seiner (meist ehrenamtlichen) Funktion zieht, gleich Korruption.

Aber: Der Sport schreibt sich Werte wie Integrität und Fairplay mit freudiger Bereitwilligkeit auf die Fahnen. Dafür sollte er auch abseits des Spielfelds stehen. Doch wie kann das gelingen?

Compliance & Good Governance-Richtlinien

Verbände und Vereine sind nach dem Vereinsgesetz gegründete, demokratische Organisationen, die sich ihre Spielregeln in den Statuten und allfälligen Geschäftsordnungen im Rahmen der Gesetze selbst geben. Die Funktionäre haben ihre Aufgabe im Verein mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Organwalters auszuüben. Dabei haben sie sich an die gesetzlichen Vorschriften, aber auch an die vereinsinternen Regularien und Beschlüsse zu halten. Bei einem schuldhaften Verstoß drohen Schadenersatzforderungen, und/oder andere in den Regularien vorgesehene Konsequenzen.

Dabei ist es Aufgabe der verantwortlichen Organe ebensolche Regularien zu schaffen, um im Falle des Falles auch Konsequenzen ziehen zu können.

Der ÖFB hat eine lange Liste an Bestimmungen, Regulativen und Richtlinien verabschiedet. Regeln für das (persönliche) Verhalten der eigenen Funktionäre und Verantwortlichen gibt es – soweit ersichtlich – nicht. Solche wären aber ein zentrales Vehikel, um imageschädigende Diskussionen wie in der Inseratencausa von vornherein zu verhindern (oder es zumindest zu versuchen). Der ÖFB müsste das Rad auch gar nicht neu erfinden:

Der Österreichische NPO-Governance Kodex (NPO steht für „Non-Profit-Organisation“) macht klare Vorschläge, wie Governance-Regelungen in gemeinnützigen Organisationen im Hinblick auf Interessenkonflikte ausgestaltet sein könnten. Beispielsweise:

  • die Mitglieder des Leitungsorgans haben ihre Aufgaben stets im Interesse der NPO und deren Zweckerreichung auszuüben und dürfen dabei keine Eigeninteressen verfolgen oder Geschäftschancen der NPO für sich selbst nutzen;
  • Mitglieder des Leitungs- oder Aufsichtsorgans haben Interessenkonflikte unverzüglich dem Vorsitzenden des jeweiligen Organs mitzuteilen. Dieser hat Interessenkonflikte den übrigen Organmitgliedern mitzuteilen. Bei einer Beschlussfassung über eine Angelegenheit, in der sie einem Interessenkonflikt unterliegen, sind diese Personen von der Abstimmung ausgeschlossen;
  • bestehen Interessenkonflikte dauerhaft, haben die betroffenen Personen ihr Amt zurückzulegen oder
  • Geschäfte der GeschäftsführerInnen mit der NPO bedürfen der Zustimmung des Leitungsorgans; Geschäfte von Mitgliedern des Leitungsorgans mit der NPO bedürfen der Zustimmung des Aufsichtsorgans; Geschäfte von Mitgliedern des Aufsichtsorgans bedürfen der Beschlussfassung des Aufsichtsgremiums.

Die Vorschläge leuchten ein. Im Wesentlichen geht es darum, mögliche Interessenskonflikte im Vorfeld zu regeln. Damit geht Transparenz in der Verbands- und Vereinsführung einher. Immerhin arbeiten die Verantwortlichen mit Geldern der Mitglieder, mit Sponsorengeldern und nicht zuletzt mit Förder-, also Steuergeldern. Transparenz sollte schon im ureigenen Interesse jedes Sportfunktionärs sein, um nicht einmal den Anschein eines pflichtwidrigen Verhaltens zu erwecken.

Es ist also nicht nur die Aufgabe des einzelnen Funktionärs dem Anstand und der Moral entsprechend zu handeln, sondern der Organisation als Ganzes. Sie hat dafür zu sorgen, dass entsprechende „Spielregeln“ installiert werden. Diese fehlen beim ÖFB offenbar. Doch damit ist er nicht allein – Compliance und Good Governance werden in gemeinnützigen Organisationen in Österreich generell stiefmütterlich behandelt.

Vereinsrechtliche Instrumentarien als Garant für Compliance?

Vereinsfunktionäre können nicht wie Arbeitnehmer „einfach“ gekündigt oder entlassen werden. Die demokratische Struktur von Vereinen ermöglicht es aber, gewählte Organwalter wieder abzuwählen; sei es bei ordentlichen Wahlen oder im Rahmen von außerordentlichen Mitgliederversammlungen. Diese sind laut Vereinsgesetz auf Antrag von zumindest 10 % der Mitglieder einzuberufen. Aus praktischer Erfahrung wissen wir jedoch, dass die Vereinsverantwortlichen (insbesondere jene, die sich mit Kritik konfrontiert sehen) die Einberufung der Gremien, die ihre Abwahl besiegeln sollen, oft verhindern. In manchen Fällen reicht aber bereits die theoretische Möglichkeit zur Abwahl, um selbst den Hut zu ziehen.

Laut den Satzungen des ÖFB kann die Bundeshauptversammlung (die Mitgliederversammlung im Sinne des Vereinsgesetzes) das gesamte Präsidium oder einzelne Mitglieder jederzeit ihres Amtes entheben. Einen ausdrücklichen Verstoß gegen irgendwelche Richtlinien braucht es dafür nicht. Eine Stimmenmehrheit reicht aus. Diese dürfte es, laut Medienberichten, im ÖFB aktuell nicht geben.

Dass sich die Bundeshauptversammlung, die das Präsidium abwählen kann, und das Präsidium selbst aus den gleichen Personen (Landesverbandspräsidenten und Bundesligavertreter) zusammensetzt, ist eine andere (Good Governance-)Geschichte…

Resümee und Ausblick

Die eingangs aufgeworfene Frage lässt sich eindeutig beantworten: Das staatliche (Straf-)Recht bildet selbstverständlich nicht die einzige Grenze für das Handeln von Sportfunktionären. Bei Entscheidungen sind auch das Vereinsgesetz, die Statuten und interne Richtlinien sowie nicht zuletzt moralische Normen zu beachten. Werden diese nicht eingehalten, können Funktionäre unter Einhaltung demokratischer Prozesse ihrer Ämter enthoben und/oder nach den allgemeinen zivilrechtlichen Bestimmungen für ihr Handeln haftbar gemacht werden.

Compliance- und Good Governance-Regeln sollen vor allem die Interessen der Organisation und seiner Mitglieder schützen. Eine medienöffentliche Auseinandersetzung schafft eine „lose-lose-lose-Situation“. Sie schadet nicht nur dem Verband und den einzelnen Beteiligten, sondern auch dem Sport als Ganzes.

Die Inseratencausa sollte seitens der Sportverbände daher zum Anlass genommen werden, um Compliance- und Good Governance-Richtlinien sowie Instrumentarien zu deren Durchsetzung zu implementieren.

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Wenn der vorstehende Beitrag Ihr Interesse am Thema „Compliance und Good Governance im Sport“ geweckt hat, dürfen wir Sie auf folgende Veranstaltung aufmerksam machen:

COMPLIANCE IM SPORT – Know How für Vereine, Veranstalter und Sponsoren

23.2.23, Admiral Arena Prater

Teilnahme kostenlos, Anmeldung hier erforderlich.

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Die Auseinandersetzungen im (Fußball-)Vereinsleben (2/6)

Die Behandlung von Vereinsstreitigkeiten

Dieser Beitrag meiner Reihe widmet sich Vereinsstreitigkeiten und dem Weg zu deren Lösung. Dabei spielen neben den staatlichen Gerichten insb Schlichtungsstellen und Schiedsgerichte eine wichtige Rolle. Die Streitbeilegung in der österreichischen Fußball-Bundesliga (BL) dient dabei als perfektes Beispiel. Ein besonderes Augenmerk wird diesbzgl auf das Ständig Neutrale Schiedsgericht (StNSchG) der BL geworfen.

Die vereinsinterne Schlichtungsstelle

Das österreichische Vereinsrecht fordert, dass „[…]Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis vor einer Schlichtungseinrichtung auszutragen sind“ (§ 8 Abs 1 erster Satz VerG 2002).

Zweck von Schlichtungseinrichtungen (terminologisch fälschlicherweise oftmals „Vereinsgericht“ oder „[Vereins-]Schiedsgericht“ bezeichnet) ist die außergerichtliche interne Beilegung von Vereinsstreitigkeiten. Nicht zuletzt spricht man bei Vereinsverhältnissen zumeist von Sonderbeziehungen, bei denen sich ein verpflichtend durchzuführender außergerichtlicher Lösungsversuch vorab empfiehlt. Demzufolge muss eine Schlichtungseinrichtung verpflichtend eingerichtet und bei Vereinsstreitigkeiten in Anspruch genommen werden. Dies dient letztlich auch der Entlastung ordentlicher Gerichte.

Die wesentliche Funktion einer vereinsinternen Schlichtungseinrichtung liegt in der Schlichtung einer Streitigkeit. IdR „entscheidet“ sie also nicht (verbindlich), vielmehr unterbreitet sie den streitigen Parteien einen Lösungsvorschlag. Wenn die Streitparteien sich mit dem Vorschlag einverstanden erklären, ist der Konflikt gelöst; die Schlichtungsstelle hat ihren Zweck erfüllt und die Streitigkeit ist aus der Welt geschafft. Sollte man keine Einigung erzielen, muss zwischen zwei Arten von Streitigkeiten unterschieden werden, um den weiteren (Verfahrens-)Verlauf bestimmen zu können. Die dabei zu treffende Abgrenzung zwischen reinen Vereinsstreitigkeiten und rechtlichen Vereinsstreitigkeiten kann schwierig, zumindest diffizil oder aber auch undurchführbar sein. Dennoch ist sie von enormer Bedeutung, da wesentliche verfahrensrechtliche Folgen daran anknüpfen.

Reine Vereinsstreitigkeiten werden allein und endgültig (!) von der Schlichtungsstelle entschieden. Der Vereinsstreit wird durch den Schlichtungsspruch somit beendet (Ausnahme: mehrinstanzliches Schlichtungsverfahren im konkreten Verein). Da eben keine rechtsstreitige Angelegenheit vorliegt, ist die Anrufung eines ordentlichen Gerichts bzw die Überprüfung des Spruchs (durch ein ordentliches Gericht) unzulässig und somit der ordentliche Rechtsweg zur Gänze ausgeschlossen. Denn die ordentliche Gerichtsbarkeit ist für bloße Vereinsstreitigkeiten „nicht da“. Solche Streitigkeiten sind etwa Uneinigkeiten über die (Nicht-)Einladung von einem Ehrengast zu einer Veranstaltung des Vereins, die Verleihung von Ehrentiteln, die Terminisierung von Vereinsveranstaltungen, die Einrichtung von Vereinsräumlichkeiten oder die Gewährung des Einsichtsrechts eines Mitglieds in bestimmte Unterlagen bei Verweigerung durch ein Vereinsorgan.

Die Zuständigkeit der Schlichtungsstelle umfasst daneben auch die Behandlung von Rechtsstreitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis. Das sind alle privatrechtlichen Streitigkeiten zwischen Vereinsmitgliedern untereinander sowie jene zwischen ihnen und dem Verein, wenn sie mit dem Vereinsverhältnis in Zusammenhang stehen bzw aus der Vereinsmitgliedschaft entspringen/ihre Wurzeln darin haben (bspw Streitigkeiten über die Leistung der Mitgliedsbeiträge oder anderer vermögenswerter Leistungen, die mit der Mitgliedschaft verknüpft sind sowie Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses eines Mitglieds aus dem Verein oder über das Weiterbestehen von Mitgliedschaftsrechten).

Der Unterschied zu bloßen Vereinsstreitigkeiten liegt zunächst aus verfahrensrechtlicher Sicht darin, dass die Schlichtungsstelle nicht endgültig entscheidet und der ordentliche Rechtsweg nur temporär ausgeschlossen ist. Denn nach dem Modell der sukzessiven Gerichtszuständigkeit bei Rechtsstreitigkeiten ist die Anrufung eines ordentlichen Gerichts möglich, wenn entweder der Schlichtungsversuch gescheitert ist oder die Schlichtungsstelle nicht innerhalb einer sechsmonatigen Frist (ab Anrufung der Schlichtungseinrichtung) über die Angelegenheit entscheidet. Ein Ausschluss des Rechtsweges in Vereinsstatuten ist nur dann zulässig, soweit ein echtes Schiedsgericht iSd §§ 577 ff ZPO besteht.

Die Rolle der staatlichen Gerichte

Ordentliche Gerichte kommen bei Vereinsstreitigkeiten in folgenden Konstellationen zum Zug:

i.) bei Nichtannahme des Schlichtungsversuchs durch die Streitparteien und bei Nichtvorliegen eines Lösungsvorschlags der Schlichtungsstelle innerhalb von sechs Monaten (sukzessive Gerichtszuständigkeit),

ii.) sofern eine sonstige Rechtsstreitigkeit (= Streitigkeit, die nichts mit dem Vereinsverhältnis an sich zu tun hat, sondern lediglich irgendeinen Konnex zu einem Verein aufweist) vorliegt oder

iii.) bei Unzumutbarkeit der Anrufung der Schlichtungsstelle.

Der direkte Gang vor das ordentliche Gericht bei Unzumutbarkeit der Anrufung der vereinsinternen Schlichtungsstelle stellt insoweit eine Ausnahme dar, als hier der ordentliche Rechtsweg eben nicht wie im Regelfall temporär ausgeschlossen ist. Einer betroffenen Partei wird diese Gelegenheit insb dann gegeben, wenn die Grundsätze des fair trial (Art 6 EMRK) missachtet werden. Man beachte in diesem Zusammenhang auch § 8 Abs 2 VerG 2002, wonach eine paritätische Zusammensetzung der Schlichtungsstelle und beiderseitiges Gehör der Streitparteien gewährleistet sein müssen. Eine den Grundsätzen des fair trial widersprechende in Vereinsstatuten getroffene Besetzung der vereinsinternen Schlichtungsstelle ist daher nichtig (bspw wenn der Obmann nach den Statuten zwei Schlichtungsmitglieder namhaft zu machen hat, die in weiterer Folge einen Vorsitzenden benennen und der Verein jedoch selbst Streitpartei ist, eine Streitpartei dem zuständigen Schlichtungsorgan angehört oder bei der Besetzung der Schlichtungsstelle mehr Einfluss als die andere Streitpartei hat).

Schiedsgerichte iSd §§ 577 ff ZPO als Vorbehalt im Vereinsrecht

Im Ausnahmefall kann „[d]ie Anrufung des ordentlichen Gerichts […] nur insofern ausgeschlossen werden, als ein Schiedsgericht nach den §§ 577 ff ZPO eingerichtet wird(§ 8 Abs 1 dritter Satz VerG 2002).

Es handelt sich hierbei nicht um Schlichtungsstellen iSd Vereinsrechts. Grundsätzlich werden durch die (wirksame) Einrichtung eines Schiedsgerichts, das anders als eine Schlichtungseinrichtung bindende und Exekutionstitel bildende Schiedssprüche erlässt, staatliche Gerichte verdrängt. Im Ergebnis heißt dies: Für den Fall, dass die Schlichtungsstelle nicht binnen sechs Monaten nach ihrer Anrufung über die Rechtssache entscheidet oder der Schlichtungsversuch bei den Streitparteien keinen Anklang findet, entscheidet ein Schiedsgericht, sofern es wirksam eingerichtet wurde.

Hierbei darf man allerdings nicht vergessen, dass nur objektiv schiedsfähige Angelegenheiten Inhalt einer Schiedsvereinbarung sein können (vgl § 581 Abs 1 ZPO). Dazu gehören Rechtsstreitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis aber keine reinen Vereinsstreitigkeiten.

Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich, dass ein Schiedsgericht grundsätzlich erst nach einem vereinsinternen Schlichtungsverfahren zum Einsatz kommt. Wenn die Schiedsparteien das Schiedsgericht mit einer Schlichtungskompetenz versehen, die dem tatsächlichen Schiedsverfahren vorgeht und mit sechs Monaten zeitlich begrenzt ist, kann das Schiedsgericht die Schlichtungsstelle substituieren, also anstatt jener berufen werden.

Die Anforderungen an ein „wirksam eingerichtetes“ (echtes) Schiedsgericht finden sich in der ZPO, nicht im Vereinsrecht. Eine Schiedsvereinbarung stellt dabei einen Grundrechtsverzicht dar, der nur bei Einhaltung gewisser Kriterien „wirksam“ ist. Aus der Rsp (EKMR 5.3.1962, 1197/61, X/Deutschland; OGH 1.4.2008, 5 Ob 272/07x) ergeht, dass im Abschluss einer wirksamen Schiedsvereinbarung ein Teilverzicht auf die in Art 6 Abs 1 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte besteht.

Die Behandlung von Vereinsstreitigkeiten spielt natürlich auch im organisierten Fußball Österreichs eine Rolle. Sowohl der ÖFB als auch die BL verfügen über ein eigenes internes Rechtschutzsystem. Im vorliegenden Beitrag wird der Fokus lediglich auf das der österreichischen BL gelegt.

Der Ablauf der Streitbeilegung in der österreichischen BL

Der verbandsinterne Instanzenzug der BL – Senate, Protest- und Ethikkomitee

Zu den Organen der BL zählen ua der Senat 1 (Straf- und Beglaubigungsausschuss), der Senat 2 (Schlichtungs- und Kontrollausschuss), der Senat 3 (Stadienausschuss), der Senat 5 (Lizenzausschuss), das Protestkomitee als Rechtsmittelinstanz für sämtliche von Betroffenen eingebrachte Proteste gegen Entscheidungen der Senate (= interne Schlichtungsstelle iSd Vereinsrechts) und die Ethikkommission, die für die Einhaltung und Durchsetzung der Grundwerte und Ziele des Leitbilds der BL sowie der partnerschaftlichen Begegnung der Mitglieder untereinander und nach außen zuständig ist.

Das Ständige Neutrale Schiedsgericht der BL

Die BL hat von der Ausschlussmöglichkeit des ordentlichen Rechtsweges Gebrauch gemacht und mit dem StNSchG (konstituiert am 23.2.1996 in Wien Vösendorf bei der zweiten ordentlichen Hauptversammlung der BL) ein echtes Schiedsgericht iSv §§ 577 ff ZPO eingerichtet.

Beachtenswert ist, dass das StNSchG kein Organ der BL ist. Demzufolge gehört es nicht zum internen Instanzenzug und ist quasi die Kontrollinstanz für verbandsinterne Entscheidungen, die außerhalb der Streitbeilegung des Vereinsrechts steht. Die vereins-/verbandsinternen Schlichtungsstellen werden deswegen als „Unterinstanz“ bezeichnet, wobei diese natürlich trotzdem eine immense Bedeutung im Vereins-/Verbandsrecht haben. Die Kontrollfunktion liegt aber eben bei den Sportschiedsgerichten.

Vorschriften über die Zuständigkeit und das Verfahren des StNSchG wurden in einer eigenen Verfahrensordnung (= VOStNSchG) getroffen. Die Kompetenzen des StNSchG werden bereits in § 25 der Satzungen der Österreichischen Fußball-Bundesliga (BL-S) geregelt; in § 1 Abs 2 VOStNSchG sind sie weiter und genauer definiert.

Um etwaige Missverständnisse zu beseitigen, sei zunächst festgehalten, dass einzelne Fußballspieler keine Mitglieder der BL sind und aus diesem Grund das StNSchG für diese grundsätzlich (außer im Falle des § 1 Abs 2 lit e VOStNSchG) nicht zuständig ist. Indirekt kann sich die Zuständigkeit natürlich ergeben (etwa bei einer Streitigkeit durch Vereinswechsel eines Spielers).

Darüber hinaus kann eine Schiedsklage erhoben werden, wenn das zuständige Organ nicht innerhalb von sechs Monaten ab Einleitungsantrag über die Angelegenheit entscheidet (Nachbildung von § 8 Abs 1 zweiter Satz VerG 2002). Das StNSchG der BL gilt in der Konsequenz als allerletzte Instanz, welche endgültig entscheidet und weshalb die ordentlichen Gerichte grundsätzlich nicht mehr (ausgenommen die gerichtliche Kontrolle nach § 611 ZPO) angerufen werden können.

Bereits aus dem Namen (Ständige Neutrale Schiedsgericht) lässt sich ableiten, dass das Schiedsgericht grundsätzlich ein institutionelles Schiedsgericht iSd §§ 577 ff ZPO ist. Dies ist wohl aus Praktikabilitätsgründen so, da Streitigkeiten in den beiden höchsten Spielklassen des nationalen Spitzenfußballs häufig auftreten und bedeutsam sind. Daher können sie von einer institutionellen Einrichtung am besten bewältigt werden.

Durch eine dem alljährlichen Lizenzantrag der Vereine angeschlossene Schiedsvereinbarung wird die Zuständigkeit begründet. Dies wird idR so gehandhabt, weil gemäß § 6 Abs 2 BL-S die jährlich neue Mitgliedschaft der Fußballklubs mit dem 1.7. beginnt. In Arbeitsrechtsangelegenheiten bedarf es dagegen einer gesonderten Schiedsvereinbarung für den konkreten Rechtsstreit, also einer „Ad-hoc“-Vereinbarung. Der Schiedsspruch des StNSchG bildet letztlich einen Exekutionstitel.

Fazit und Ausblick

Vereinsstreitigkeiten können grundsätzlich nur dann vor ein ordentliches Gericht gelangen, wenn davor eine Schlichtungsstelle den Parteien einen Lösungsvorschlag unterbreitet hat. Ordentliche Gerichte können wiederum durch Schiedsgerichte ersetzt werden. Dies ist ua im Streitbeilegungssystem der österreichischen BL der Fall.

Im nächsten Artikel der Beitragsreihe geht es um die Verfassungskonformität der Schiedsgerichtsbarkeit.

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Der Sportverein in Österreich und Schiedsgerichte im Sport (1/6)

Vorab: Im Zuge meiner Masterarbeit habe ich mich mit verfassungsrechtlichen Fragen (insb Art 6 EMRK) rund um die Schiedsgerichtsbarkeit im österreichischen Vereinsfußball beschäftigt. Infolgedessen habe ich mich dazu entschieden, für Law Meets Sports eine Beitragsreihe zu schreiben und die wesentlichen Inhalte meiner Recherchen wiederzugeben. Dieser erste Beitrag dient als Einstieg und hat Grundsätzliches zu Sportvereinen und Sportschiedsgerichten zum Inhalt.

Der Verein und seine Rolle in Österreich

Vereine spielen in Österreich traditionell eine große Rolle. Sportvereine stellen dabei sogar die größte Hauptkategorie in der österreichischen Vereinswelt dar.

Die Vereinsfreiheit ergibt sich aus der Vereinigungsfreiheit, welche als Grundrecht (Art 12 StGG; Art 11 EMRK) in Österreich besonderen verfassungsrechtlichen Schutz genießt. Sie umfasst die Gründungsfreiheit, die Beitrittsfreiheit, die Betätigungsfreiheit sowie die Bestandsfreiheit. Daneben wird auch die sog negative Vereinsfreiheit (= das Recht, einem Verein nicht beitreten bzw angehören zu müssen) garantiert. Schließlich ergibt sich aus der Rsp des VfGH (VfSlg 11.199/1986; VfSlg 9366/1982), dass jede rechtswidrige Untersagung einer beabsichtigten Vereinsumbildung (Statutenänderung) gegen die Vereinsfreiheit verstößt.

Das Vereinsgesetz 2002 (VerG 2002) ist die wesentliche Rechtsgrundlage für die Gründung aller ideellen Vereine in Österreich. In § 1 Abs 1 VerG 2002 wurde erstmals der Begriff des ideellen Vereins gesetzlich definiert:

Ein Verein im Sinne dieses Bundesgesetzes ist ein i.) freiwilliger, ii.) auf Dauer angelegter, iii.) auf Grund von Statuten organisierter Zusammenschluss iv.) mindestens zweier Personen zur Verfolgung eines v.) bestimmten, gemeinsamen, ideellen Zwecks. […]“

Eine besondere Rolle spielt dabei der ideelle (= nicht auf Gewinn berechnet) Zweck, der Vereine von anderen Zusammenschlüssen unterscheidet. Auch die Vereine der heimischen Fußball-Bundesliga (BL) verfolgen klarerweise ideelle Zwecke. Hier zwei Beispiele:

FC Red Bull Salzburg: „Der Verein strebt die planmäßige Förderung und Pflege des Fußballsportes an und dient ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken, ist also insbesondere nicht auf Gewinn ausgerichtet. […]“ (Punkt 2. Statuten des Vereines FC Red Bull Salzburg [Stand Mai 2017])

SK Rapid Wien: „Der Verein führt den Namen „Sportklub Rapid“ (kurz „SK Rapid“), hat seinen Sitz in Wien, ist unpolitisch und bezweckt die Pflege und Verbreitung des Fußballsports. Die Tätigkeit erstreckt sich auf das gesamte Bundesgebiet, die sportliche Betätigung auch auf das Ausland.“ (§ 1 Abs 1 Satzungen des Sportklub Rapid [Vereinssatzungen gemäß Beschluss der Hauptversammlung vom 25.11.2019])

Verband und Dachverband als Vereine iSd Vereinsrechts

Das VerG 2002 lässt unterschiedliche Erscheinungsformen von Vereinen zu, ohne spezielle Vorschriften für diese vorzusehen. Daher werden sie im Vereinsrecht nicht anders behandelt wie ein „normaler“ Verein. Verbände sind somit ebenfalls Vereine (bestehend aus einzelnen Vereinen) – siehe dazu § 1 Abs 5 VerG 2002. Gerade im Sportverbandswesen schließen sich Vereine mit jeweils selbstständiger Rechtspersönlichkeit zu (inter-)nationalen Verbänden zusammen.

Auch wenn (Mitglieder-)Vereine und ein Verband grundsätzlich unabhängig voneinander existieren, verfügen Verbände de facto sehr wohl über faktische und rechtliche Einflussmöglichkeiten. Verbände wie der ÖFB (Österreichische Fußball-Bund) als (Dach-)Verband des österreichischen Fußballs wurden gegründet, um berufliche, wirtschaftliche, soziale, kulturelle und wissenschaftlich/technische Interessen der (un-)mittelbaren Mitglieder durchzusetzen. Man spricht hier von der „Verbandsmacht“ bzw der „Macht der Verbände“. Einheitliche Verhaltensmaßregeln und eine koordinierte Verbandstätigkeit helfen dabei, den beschlossenen Zweck zu verfolgen.

Die angesprochene Unabhängigkeit gilt auch im Verhältnis zwischen Verband und Dachverband. Letzterer ist auch einfach „nur“ ein Verein, jedoch mit dem besonderen Merkmal, dass seine Mitglieder bloß Verbände sind. Nationale und internationale Dachverbände im Sportwesen sind bspw der ÖFB als nationaler Dachverband im österreichischen Fußball und die FIFA (Fédération Internationale de Football Association) als internationaler Dachverband, welchem aus Österreich aufgrund seiner Monopolstellung im heimischen professionellen Fußballsport einzig der ÖFB angehört (Stichwort: Ein-Platz-Prinzip).

Der Aufbau des organisierten Sports lässt sich (meistens) mit einer Pyramide vergleichen. Alle Vereine und Verbände einer Sportart müssen durch die Mitgliedschaft an einem übergeordneten Verband/Dachverband das Regelwerk dieses übergeordneten Verbands/Dachverbands annehmen und das Regelwerk dieses übergeordneten Verbands/Dachverbands in ihre Regularien implementieren, sodass diese auch für ihre Mitglieder (un)mittelbar Geltung erlangen. Durch diese Pyramide entsteht ein international einheitliches Regelwerk. Darüber hinaus gleichen sich hierdurch der Aufbau sowie die Organisation der Verbände der jeweiligen Sportart.

Dies gilt auch für die Organisationsstruktur des österreichischen Fußballsports. An dessen Pyramidenspitze steht der ÖFB. Die (ordentlichen) Mitglieder des ÖFB sind die BL und die neun Fußball-Landesverbände Österreichs.

Die BL steht als Mitglied des ÖFB „unter“ diesem und ist gemäß § 1 Abs 2 erster Satz BL-Satzungen „ein […] Zusammenschluss aller Fußballklubs der beiden höchsten Spielklassen des österreichischen Fußballs.“ Momentan (Saison 2020/21) weist die BL 28 Vereinsmitglieder auf. Nämlich 12 Mannschaften aus der höchsten (Tipico Bundesliga) und 16 Mannschaften aus der zweithöchsten (2. Liga) Spielklasse.

Da nun die „Essentials“ zu österreichischen Sport- bzw Fußballvereinen erläutert wurden, wird in der Folge ein Einblick zu den in der Praxis sehr relevanten Sportschiedsgerichten gegeben.

Echte Schiedsgerichte im Sportwesen

Der Sport genießt heutzutage einen höheren wirtschaftlichen Stellenwert in der Gesellschaft als noch in der Vergangenheit und wurde von seiner ständigen Kommerzialisierung und Professionalisierung begleitet. Die (internationalen) Sportverbände verfolgen zudem den Plan, Streitigkeiten innerhalb der entstandenen rechtlichen Verbindungen und somit durch ein selbst geschaffenes, einheitliches Streitbeilegungssystem zu lösen. Sportschiedsgerichte sind sohin ein probates Mittel, um die „Nationalisierung“ der Sportverbandsregelwerke zu verhindern und eine einheitliche Normauslegung zu garantieren. Daraus ergibt sich ein Trend zum Einsatz von Sportschiedsgerichten, der aufgrund der wachsenden Anzahl an Rechtsstreitigkeiten im Sportwesen unumkehrbar scheint. In meinen Augen liegt in diesen Gedanken die Basis für den Einsatz von Schiedsgerichten im Sportwesen.

Der vermehrte Einsatz von eigens eingerichteten Sportschiedsgerichten im organisierten Sport wird insb mit der Entscheidungsfindung durch sportrechtliche Experten (Schiedsrichter) begründet. Der Fußballsport gilt im Gegensatz zu vielen anderen Sportarten als hochentwickelt und ist dabei ein perfektes Beispiel für die zahlreichen und komplexen Streitigkeiten, die im Profisport auftreten können und effektive Instrumente zur Streitbeseitigung erforderlich machen. Eine sachgerechte Entscheidung im Einzelfall hängt dabei von seinen sport(recht)lichen Eigenheiten ab.

Daneben lassen sich allgemeine Vorteile von Schiedsgerichten klarerweise auch ins Sportrecht ummünzen. Dazu zählen etwa die im Vergleich zu einem ordentlichen Gerichtsverfahren geringeren Verfahrenskosten, die nichtöffentlichen Verhandlungen (Geheimhaltungsinteressen), die einer flotten Erledigung der jeweiligen Causa zugutekommen, oder die rasche – weil schnellere Entscheidungsfindung und (grundsätzliche) Nicht-Überprüfbarkeit der Entscheidungen – und formfreie Verfahrensgestaltung. Nach dem Motto „Zeit ist Geld“ ist es gerade im Sport wichtig, dass Rechtsstreitigkeiten binnen kurzer Zeit gelöst werden, um eine Auseinandersetzung nach einem oder (viel schlimmer) während eines sportlichen Wettbewerbs zu verhindern. Daher sollen derartige Causae bereits vor Wettkampf, Meisterschaft oder Qualifikation gelöst/ausgetragen/einer Lösung bzw Entscheidung zugeführt werden.

Zwar überwiegen die Vorteile dieses Systems, doch lassen sich auch Nachteile im Einsatz von Sportschiedsgerichten finden. Der wohl größte Nachteil liegt in der nicht immer gewährleisteten Objektivität der Schiedsrichter eines (Sport-)Schiedsgerichts. Dadurch entsteht eine Überlegenheit des Verbandes gegenüber dem Sportler, der ansonsten (also im ordentlichen Rechtsweg) durch die verfassungsgesetzlich vorgeschriebene Unabhängigkeit und Unparteilichkeit ordentlicher Gerichte bzw Richter geschützter wäre. Zudem können staatliche Gerichte die Urteile von Schiedsgerichten eben nicht ohne weiteres aufheben oder korrigieren.

Fazit und Ausblick

Die verfassungsrechtlich gewährleistete Vereinsfreiheit ist für den Vereinssport das Fundament, wobei österreichische Vereine einen ideellen Zweck haben müssen. Unzweifelhaft ist die organisierte Sportwelt von Verbänden und Dachverbänden (zB BL, ÖFB und FIFA) geprägt (Ein-Platz-Prinzip und Verbandspyramide). Die von den Vereinen/(Dach-)Verbänden eingerichteten Schiedsgerichte sind dabei im Trend. Sie bringen einige Vorteile (aber auch Nachteile) mit sich.

Im zweiten Teil der Beitragsreihe werden Auseinandersetzungen im (Fußball-)Vereinsleben bzw die Behandlung von Vereinsstreitigkeiten und insb der Ablauf der Streitbeilegung in der österreichischen BL beleuchtet.

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Sportlicher Knockout für drei Boxer rechtlich möglich?

Brandaktuell: Ausschlüsse und lebenslange Sperren im österreichischen Boxsport

Der wohl größte Streit in der Boxgeschichte Österreichs geht in die nächste Runde. Denn der Zwist zwischen dem A-Kader des Österreichischen Boxverbandes (ÖBV) und dessen Trainer führte vor kurzem zum nächsten Paukenschlag. Nach der Suspendierung des gesamten A-Kaders im Oktober letzten Jahres wurden nun drei Boxer (Deshire Kurtaj, Umar Dzambekov und Marcel Rumpler) vom Verband lebenslang gesperrt und von diesem ausgeschlossen.

In diesem Beitrag werden rund um die Geschehnisse im österreichischen Boxsport die Fragen beleuchtet, ob eine derartige Sanktion vereinsrechtlich überhaupt möglich ist, und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen. Eine möglicherweise auch arbeitsrechtlich vorzunehmende Beurteilung des Sachverhalts erfolgt im Zuge dieses Beitrags nicht. Aus der Sicht eines Sportlers ist zudem enorm wichtig zu untersuchen, welche Möglichkeiten ihm offenstehen bzw genauer, wie er sich gegen so eine Entscheidung wehren könnte.

Kurz: die Vorgeschichte

Der Wirbel begann im letzten Jahr mit öffentlichen Vorwürfen des gesamten Nationalkaders gegenüber dessen Coach, Daniel Nader. Nader spielt in Österreich wohl eine der Hauptrollen, wenn es um den Boxsport geht, ist er doch Sportdirektor des Wiener Boxverbands, Präsident und sportlicher Leiter des größten Boxklubs Österreichs (Klub Bounce), Trainer seines Bruders Marcos Nader und eben auch Nationaltrainer. Die Anschuldigungen beinhalteten neben sexistischen Beleidigungen, Erpressungen, Diskriminierungen, Drohungen und Mobbingvorfällen etwa die Verringerung von Trainingslagern und die zwanghafte Teilnahme an Naders Boxklub (ist zudem Box-Bundesstützpunkt des ÖBV). Dazu wurde vor allem die mächtige Position Naders kritisiert, dem vorgeworfen wird, als uneingeschränkter Strippenzieher den heimischen Boxsport und die Athleten manipulativ zu seinen Gunsten auszunutzen.

Auffällig in der österreichischen Boxwelt ist zunächst die enge personelle Verflechtung zwischen dem ÖBV als Dachverband, dem Mitgliedsverband und dem Nationaltrainer. Denn Unvereinbarkeitsregeln, Enthaltungsbestimmungen oder Ähnliches sucht man in den Satzungen des Österreichischen Boxverbandes (ÖBV-Satzungen) vergeblich. Im Lichte der Rechtsstaatlichkeit ist fraglich, ob es dem Nationaltrainer selbst möglich sein sollte, als Verbandsfunktionär über den Ausschluss von „seinen“ Sportlern mitzuentscheiden. Unabhängig von dem gegenständlichen Fall sollte man diesbezüglich über Änderungen nachdenken.

Der Abmeldung der Sportler vom Klub Bounce folgte ein Anwaltsbrief von Seiten des ÖBV an die Boxer mit der „Erinnerung“ an die Verschwiegenheitspflicht hinsichtlich Vereinsinterna und eine (von der ÖBV-Führung widerwillig zugelassene) Online-Vorstandssitzung, in der die Betroffenen zwar ihre Sichtweisen schildern durften, ihnen dafür jedoch wohl kaum ausreichend Zeit gegeben wurde. Den Sportlern zufolge sollen sie in der Sitzung sogar stummgeschaltet und somit „mundtot“ gestellt worden sein. Auch einer Beweismappe, in der die behaupteten Geschehnisse dokumentiert sein sollen, wurde angeblich keine Beachtung geschenkt. Nader bestritt die Unterstellungen. Es folgte die Suspendierung aller sechs Boxer mit dem schriftlichen Statement, dass „die Weitergabe von Informationen an Dritte (insbesondere MedienvertreterInnen) als verbandsschädigendes Verhalten gewertet [wird] und zum Ausschluss […] aus dem Verband führt.“

Nun kam es nach einer Vorstandssitzung, an der die Sportler selbst aber nicht teilgenommen hatten, eben zu diesem lebenslangen Ausschluss dreier Mitglieder aus dem Verband, und das ein halbes Jahr vor den Olympischen Spielen in Tokio. Die Entscheidung erfolgte einstimmig (19:0). „[D]er Ausschluss der Sportler erfolgte aufgrund der Feststellung eines massiv schädigenden Verhaltens gegenüber dem ÖBV und dessen FunktionärInnen […].“ (aus der Stellungnahme des ÖBV zum Ausschluss dreier Mitglieder des Nationalkaders).

Wann ist ein Ausschluss überhaupt möglich?

Die rigorose Sanktion des ÖBV ist wohl die härteste (sportliche) Bestrafung, die ein Verein/Verband gegenüber seinen Athleten aussprechen kann. Diese kann auch aufgrund dessen nicht ohne weiteres verhängt werden. Angemerkt sei hier zu Beginn noch verständnishalber, dass es sich beim ÖBV jedenfalls um einen Verein handelt und somit das Vereinsrecht auch für diesen gilt. Doch bevor explizit der Ausschluss und die lebenslange Sperre besprochen werden, ist generell der Verlust der Mitgliedschaft zu erörtern. Also alles der Reihe nach…

Die Möglichkeiten zum Verlust der Vereinsmitgliedschaft

Außer Streit steht, dass die betroffenen Sportler in der Vergangenheit wirksam durch Beitritt(svertrag) jeweils die Mitgliedschaft in ihrem Boxklub erworben haben. Durch die Beitrittserklärung unterwarfen sie sich den Vorgaben des (jeweiligen) Landesverbandes und auch des ÖBV. Man spricht hier vom sog One-Stop-Prinzip: in Österreich bestehen nur ein Nationalverband und jeweils ein Landesverband. Als professioneller Boxer muss man sich somit den Vorgaben des (einzigen) Nationalverbandes unterwerfen. Klar dürfte wohl auch sein, dass die drei Boxer aus dem Verband nicht einseitig ausgetreten sind. Die Mitgliedschaften sind freilich auch nicht von Todes wegen erloschen. Somit bleibt nur der einseitige zwangsweise Ausschluss durch den Verein selbst.

Der Ausschluss aus dem Verein

Allgemein sei gesagt, dass die Zulässigkeit der (schlichten) Kündigungsmöglichkeit einer Vereinsmitgliedschaft durch den Verein (sog Kündigungsklausel, die sich in den Vereinsstatuten befinden kann) äußerst umstritten ist. Aufgrund der Tatsache, dass somit als Endergebnis ein Ausschluss (auch) ohne Begründung möglich wäre, ist mE die Rechtmäßigkeit solcher Klauseln generell anzuzweifeln.

Etwaige Ausschlussgründe, welche in den Vereinsstatuten demonstrativ oder taxativ angeführt sind, sind nach dem VerG 2002 nicht notwendig und spielen in der Wahrheit regelmäßig keine Rolle. Doch sind in den Statuten generalklauselartig umschriebene Ausschlussgründe (bspw „vereinsschädigendes Verhalten“ oder „grobe Verletzung von Mitgliedschaftsrechten“) eng auszulegen. Daher ist ratsam, in den Statuten genau zu definieren, wann und wie oft zB gemahnt werden muss, wenn der Mitgliedsbeitrag nicht bezahlt wird, um einen Ausschluss zu begründen. Auf der anderen Seite sollte man aufpassen, dass die Gründe nicht zu eng gefasst sind, da man ja nicht alle erdenklichen Sachverhalte abdecken kann. Eine sog „Generalklausel“, die alle wichtigen Gründe abdeckt, ist sohin empfehlenswert. Ratsam ist demnach ein gesunder Mix: Einerseits im Einzelnen festgelegte Ausschlussgründe, um bestimmte ungewollte Verhaltensweisen im jeweiligen Verein sanktionieren zu können (zB eben Nichtbezahlen des Mitgliedsbeitrages). Andererseits sollten als Absicherung generalklauselartig formulierte Ausschlussgründe eingefügt werden, weil man als Verein nicht alle unerwünschte Sachverhalte abdecken kann und diese sohin im Einzelfall quasi als Auffangtatbestand dienen.

Selbst wenn keine derartigen Gründe vereinbart und verwirklicht wurden, ist es grundsätzlich jederzeit möglich, ein Mitglied aus wichtigem Grund auszuschließen. Dies ergibt sich aus den Grundsätzen der außerordentlichen Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses. Für eine derartige außerordentliche Kündigung ist ein wichtiger Grund vonnöten, der dem Verein (als kündigende Partei) das Weiterbestehen der Rechtsbeziehung zwischen ihm und dem Mitglied unzumutbar macht. Ein grundloser Ausschluss ist allerdings nicht möglich. Ohne zu sehr in Details einzugehen, sei erwähnt, dass sich die Rsp sogar im Fall des Nichtbestehens solcher Regelungen auf § 1210 ABGB (alte Fassung) stützte, doch auch kein Grund gegen eine analoge Anwendung des § 1210 ABGB (neue Fassung) spricht. Eine Gegenüberstellung der beiden Versionen der Bestimmung ist hier zu finden.

Darüber hinaus muss der „Rausschmiss“ in zeitlichem Zusammenhang mit dem vereinsschädigenden Verhalten erfolgen. So kann ein Ausschluss nicht durch einen weit zurückliegenden Ausschlussgrund gerechtfertigt werden. Da Vereine grundsätzlich nicht so straff wie Unternehmen organisiert sind, ist hier allerdings kein allzu strenger Maßstab anzusetzen. Allgemein ist diese zeitliche Komponente immer im Einzelfall zu beurteilen. Dabei spielt es unter anderem eine Rolle, wie viele Organmitglieder über den Ausschluss entscheiden und vor allem, in welchem zumutbaren Zeitraum das/die Organ(e) darüber entscheiden müssen.

Rechtliches Gehör im Lichte eines fairen Verfahrens

Dem Vereinsmitglied müssen die Absicht des Ausschlusses und die ihm vorgeworfenen Ausschlussgründe vom zuständigen Organ mitgeteilt werden. Der Betroffene muss die Gelegenheit zur Stellungnahme faktisch (schriftlich oder mündlich) so früh als möglich zukommen – also nicht erst vor Gericht bzw bei der (vereinsinternen) Bekämpfung des Ausschlusses. Hier ist wieder einzelfallbezogen darauf zu achten, dass die Vorwürfe klar bezeichnet werden, dass der Beschuldigte nicht von diesen überrumpelt wird und ihm eine ausreichende und angemessene Frist für die (schriftliche oder mündliche) Gegenäußerung zugestanden wird. Alternativ oder zusätzlich kann ein Verhandlungstermin bekanntgemacht werden, um dem Mitglied die Chance zur Darlegung seiner Standpunkte zu ermöglichen. Dh, die grundrechtlich gewährleisteten Verfahrensgrundsätze (insb das rechtliche Gehör) müssen schon im vereinsinternen Verfahren gewahrt sein, da der Ausschluss andernfalls rechtswidrig wäre. Hinsichtlich der Frage, ob in einem bloß vereinsinternen Verfahren bereits die Grundsätze des fairen Verfahrens anzuwenden sind, meint der OGH (in 3 Ob 239/02x) zwar, dass in einem verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren im Allgemeinen strengere Maßstäbe anzusetzen sind als bei einem internen Verfahren über einen Vereinsausschluss. Doch sah er in der fehlenden Mitteilung über die konkreten Ausschlussgründe in der Einladung zu einer Vollversammlung, in der über den Ausschluss eines Vereinsmitglieds abgestimmt werden sollte, einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör (in 6 Ob 20/10z). Anzumerken ist noch, dass die Grundsätze des fair trial nicht explizit Bestand der Statuten sein müssen, um zu gelten.

Der Weg zu Gericht nach dem Ausschluss

Dem ausgeschlossenen Vereinsmitglied steht die Möglichkeit offen, die Überprüfung der Beendigung der Mitgliedschaft durch ein ordentliches Gericht zu verlangen – wenn ein Schiedsgericht iSd §§ 577 ff ZPO eingerichtet ist (bspw Ständig Neutrales Schiedsgericht der Fußball-Bundesliga), kann die Anrufung des ordentlichen Gerichts ausgeschlossen werden (siehe § 8 Abs 1 letzter Satz VerG). Dennoch ist zuvor grundsätzlich der vereinsinterne Instanzenzug auszuschöpfen. Denn gemäß § 3 Abs 2 Z 10 iVm § 8 VerG 2002 ist in den Statuten eines Vereins eine interne Schlichtungseinrichtung vorzusehen, die über Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis vereinsintern endgültig entscheidet. Nach Eintreten der Rechtswirksamkeit ist diese Entscheidung grundsätzlich zu vollziehen. Allerdings kann bei entsprechender Veranlassung durch eine der Streitparteien die Rechtsmäßigkeit des streitigen Beschlusses von einem ordentlichen Gericht (materiell und formell) überprüft werden. Man spricht hier auch von sukzessiver Zuständigkeit. Ein Überspringen der vereinsinternen Schlichtungsinstanz ist grundsätzlich – außer bei Unzumutbarkeit (zB bei eklatanten Verstößen gegen die Grundsätze des fair trial) – nicht möglich.

Sofern die Statuten nichts anderes regeln, darf das (ehemalige) Vereinsmitglied keine Vereinsgeschäfte tätigen und seine Mitgliedschaftsrechte ausüben, bis der Ausschluss erfolgreich bekämpft worden ist.

Der Ausschluss im gegenständlichen Fall

Auch wenn man sich im vorliegenden Fall nur an den Medienberichten orientieren kann, stechen bei dem Ausschluss von Kurtaj, Dzambekov und Rumpler besonders drei rechtliche Thematiken hervor, die noch spannend zu beurteilen sein werden: die Zuständigkeit des den Ausschluss aussprechenden Organs, die Verhältnismäßigkeit und das rechtliche Gehör.

Der Ausschluss wird sich in concreto wohl auf das in § 7 Abs 4 ÖBV-Satzungen geregelte „unehrenhafte Verhalten“ der Mitglieder stützen. Zuständiges Organ für einen Ausschluss und dessen Vollzug ist gemäß § 16 Z 4 iVm § 21 lit c und d ÖBV-Satzungen der Disziplinarausschuss, der demnach über Einzelmitglieder Sperren und Ausschlüsse verhängen kann. Weiters ist ein Rechtszug an den Vorstand nur bei einem Ausschluss möglich (siehe § 21 ÖBV-Satzungen). Diskussionsbedürftig ist sohin, ob überhaupt das richtige Organ – konkret fasste der Vorstand den Beschluss – entschieden hat und demzufolge nicht ohnehin ein formeller Verfahrensfehler vorliegt.

Nach der Beurteilung des „massiv schädigenden Verhaltens“ (die Weitergabe von Informationen, insb an MedienvertreterInnen) – kurze Anmerkung: dieser Grund ist in den ÖBV-Statuten nicht geregelt, was aber grundsätzlich nicht von Bedeutung ist – der drei Boxer ist festzuhalten, dass ihnen der Ausschluss im Zuge der Suspendierung im letzten Jahr durchaus auch angedroht wurde.

ME ist der Ausschluss dennoch nicht rechtmäßig, da ihnen kein ausreichendes rechtliches Gehör zukam. Bereits in der Vorstandssitzung im Oktober 2020 kam es bei den Statements angeblich zu „Schwierigkeiten“ (Stummschalten; geringe Sprechzeit; keine Beachtung der Beweismappe). Laut Medienberichten hatten die Ausgeschlossenen zwar die Möglichkeit der Teilnahme an der jüngsten Sitzung, doch nahmen sie diese, in der Meinung, sie wären wohl wieder spärlich zu Wort gekommen, nicht wahr. Darin kann man einen Verzicht auf eine Stellungnahme sehen. Doch wäre ihnen aufgrund der Wichtigkeit der Entscheidung mE (mündlich oder schriftlich) die Möglichkeit einzuräumen gewesen, ihre Sichtweisen klar und in aller Ruhe darzulegen. Der vorliegende Ausschluss ist überdies keine Lappalie und im Speziellen für die Athleten so kurz vor einem sportlichen Großereignis wie den Olympischen Spielen sportlich, menschlich und finanziell ein Desaster. Aus diesem Grund sollte einerseits vom Vorstand eine umfassende Darlegung der Gründe erfolgen, die zum Ausschluss aus dem ÖBV führten und andererseits sollte ausreichend Zeit für die anschließenden (schriftlichen) Ansichten der Sportler gewährt werden.

Die jedenfalls ausgesprochene lebenslange Sperre gilt grundsätzlich ohnehin als ultima ratio. Im vorliegenden Fall gilt der Grundsatz der Subsidiarität des Ausschlusses, da der ÖBV eine Monopolstellung (sog marktbeherrschende Stellung) im österreichischen Boxsport innehat. Durch die Sperre ist den Sportlern somit die Teilnahme an großen (inter-)nationalen Turnieren auf Lebzeiten genommen worden. Schließlich muss man als Boxer Mitglied des ÖBV sein, um an den Olympischen Spielen teilnehmen zu können. Außerdem wird ihnen (jegliche) Erwerbsbasis genommen. Im Sinne der Verhältnismäßigkeit werden zunächst gelindere Strafen auszusprechen sein, um die Interessen des Vereins zu wahren bzw das vorgeworfene Verhalten der Sportler zu bestrafen. Die lebenslange Sperre wird hingegen mE nicht (einfach) sachlich gerechtfertigt werden können, da der Ausschluss gegenüber dem Verstoß wohl überschießend ist.

Im Falle des (ehemaligen) Fußballers Taboga wurde bspw eine aufgrund von Manipulation von Bundesliga-Spielen verhängte lebenslange Spiel- und Funktionssperre von einem ordentlichen Gericht schlussendlich als unverhältnismäßig angesehen und für nichtig erklärt. Dagegen bestätigte der CAS (Court of Arbitration for Sport) im Jahr 2012 etwa die lebenslange Sperre zweier Tennisspieler wegen „Match-Fixings“, da dies in ihren Fällen eine angemessene Sanktion darstelle. Der Fall um Kurtaj, Dzambekov und Rumpler ist aber mMn nicht annähernd mit diesen zu vergleichen, da vereinsschädigendes Verhalten ohnedies nicht mit einer Spielmanipulation, welche ein strafrechtlich relevantes Delikt darstellt, auf dieselbe Stufe zu stellen ist. Selbst wenn die den Sportlern vorgeworfene „gezielte Medien- und Hetzkampagne“ strafrechtlich verfolgt werden sollte (etwa Üble Nachrede iSd § 111 StGB oder Verleumdung iSd § 297 StGB), wiegt eine Spielmanipulation wohl generell schwerer.

Die Optionen sind nun klar: die eingerichtete verbandsinterne Schlichtungseinrichtung entscheidet über diese aus dem Vereinsverhältnis entstehende Streitigkeit (§ 19 Abs 1 ÖBV-Satzungen), sofern gegen die Entscheidung vorgegangen werden möchte. Laut den Sportlern wurde bereits beim ÖBV die Aufhebung der Ausschlüsse und Sperren beantragt.

Die Schlichtungsstelle des ÖBV setzt sich aus drei ordentlichen Verbandsmitgliedern zusammen. Jeder Streitteil (der Vorstand bzw Kurtaj, Dzambekov und Rumpler) wählt ein Mitglied, die beiden Auserwählten benennen daraufhin das dritte Mitglied. Klarerweise können hier weder einer der drei Boxer noch ein Vorstandsmitglied Teil des Schiedsgerichts sein (§ 19 Abs 2 ÖBV-Satzungen). Entschieden wird schlussendlich „nach Gewährung beiderseitigen Gehörs bei Anwesenheit aller seiner Mitglieder nach bestem Wissen und Gewissen mit einfacher Stimmenmehrheit.“ (§ 19 Abs 3 ÖBV-Satzungen). Sollte der Ausschluss in weiterer Folge verbandsintern endgültig sein, würde noch der Gang zu einem ordentlichen Gericht offenstehen, welches über die Rechtmäßigkeit der Beendigung der Mitgliedschaft entscheiden würde.

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