Wird Neymar tatsächlich gesperrt?

Im Zusammenhang mit Neymars Transfer zum FC Barcelona erscheint vieles Zwielichtig. Die Klage des FC Santos scheint nicht aus der Luft gegriffen zu sein.

Ein lautes Rauschen ging durch den Blätterwald, als letzte Woche bekannt wurde, dass der FC Santos eine Sperre von FC Barcelona und Brasilien Superstar Neymar, sowie Schadenersatzzahlungen fordert. Genauer gesagt fordert Santos eine Sperre von sechs Monaten für den Spieler und Zahlungen von rund 55 Millionen Euro.

Santos stützt sich dabei auf Verfehlungen des Spielers und des FC Barcelona in Zusammenhang mit Neymars Transfer im Jahr 2013. Einerseits geht es um eine vermeintliche Zahlung des FC Barcelona aus dem Jahr 2011, an eine Firma die Neymars Vater (und Berater) gehört in Höhe von rund 10 Millionen €, um sicherzustellen, dass der Spieler in weiterer Folge zum FC Barcelona wechselt. Weiters darum, dass der gesamte Deal vorgeblich nicht um, wie vom FC Barcelona zunächst behauptet 57,1 Mio. €, sondern um 95 Mio. € über die Bühne ging. Der FC Santos sieht darin Verstöße gegen § 17 der „FIFA-Regulations on the Status and Transfer of Players“, sowie gegen § 62 des „FIFA Disziplinarreglements“.

§ 17 der Regulations normiert die Folgen der einseitigen Vertragsauflösung ohne triftigen Grund. Tatsächlich finden sich in den Absätzen 1 und 3 die vom FC Santos geforderten Sanktionen, namentlich Sperren und Entschädigungszahlungen. Allerdings bleibt unklar inwiefern Neymar seinen Vertrag tatsächlich einseitig aufgelöst hat. Santos erklärt dies auch mit keinem Wort, vielmehr wird unter anderem ausgeführt man sei von den Kontakten zwischen Neymar bzw. dessen Beratern und den Verantwortlichen des FC Barcelona nicht informiert worden. Ist dies der Fall, so stellt dies tatsächlich einen Verstoß gegen die Regulations dar, allerdings gegen Art. 18 Absatz 3. Nach diesem hätte der FC Barcelona den FC Santos schriftlich über die Kontaktaufnahme in Kenntnis setzen müssen. Ein Verstoß gegen diese Regelung wird laut dem Gesetzestext mit „angemessenen Sanktionen“ bestraft. Dies eröffnet einen weiten Ermessensspielraum und beinhaltet wohl auch die unter Art. 17 angedrohten Sanktionen.

Zusätzlich  geht es um die Ablösesumme bzw. die Gesamtkosten des Transfers. Laut der offiziellen Seite des FC Barcelona wurden 57,1 Mio. € als Ablösesumme bezahlt. 17,1 Mio. € erhielt demnach der FC Santos, 40 Mio. € gingen an N&N (Neymar da Silva Sr. und Nadine da Silva) also Neymars Juniors Eltern. Nach Erkenntnissen der spanischen Justiz, die wegen Steuerhinterziehung in Zusammenhang mit dem Transfer ermittelt, sollen jedoch weitere Millionen an verschiedene Abnehmer bezahlt worden sein, unter anderem Firmen im Eigentum von Neymars Umfeld, um das Riesentalent von anderen potentiellen Käufern, wie etwa Real Madrid fernzuhalten. Insgesamt sollen demnach 95 Mio. € geflossen sein.

Der FC Santos fühlt sich nun betrogen, da er der Meinung ist, dass ihm an der Gesamtsumme von 95 Mio. € mehr als die bezahlten 17,1 Mio. € zustehen würden. Grundsätzlich ist festzustellen, dass diese 17,1 Mio. € für einen begehrten Spieler wie Neymar heutzutage als sehr niedrig zu bewerten sind und unklar ist warum der FC Santos dieses Angebot annahm. Es scheint als hätte Neymar den Wechsel zum FC Barcelona forciert, um  für sich und sein Umfeld das Maximum herauszuholen. Dies ist jedoch von außen natürlich schwer zu sagen. Klar ist jedoch, dass der vom FC Santos geltend gemachte Verstoß gegen Art 62 des Reglements nach dem Gesagten durchaus Substanz haben dürfte.

Nach dem derzeitigen Stand der Dinge scheint es, als hätten die Verantwortlichen des FC Barcelona gegen Art. 62 Absatz 1 des Reglements verstoßen, indem sie Neymar bzw. dessen Umfeld dafür bezahlten frühzeitig (2011) einem Wechsel zu Barca im Jahr 2013 zu zustimmen. Da Neymars Vertrag beim FC Santos jedoch erst 2014 zu Ende gewesen wäre, hatte er de facto zwei Verträge über den gleichen Zeitraum abgeschlossen, was gegen Art. 18 Absatz 3 der Regulations verstößt. Zudem verschleierten sie die wahre Ablösesumme. Somit haben sie dem Spieler durch Zahlungen an ihn bzw. sein Umfeld zu einem Verstoß gegen FIFA- Regularien bewegt und Art 62 Absatz 1 erfüllt. Da Neymar bzw. dessen Umfeld das Geld dankend annahm wäre, sofern der Sachverhalt sich so zugetragen hat, Artikel 62 Absatz 2 erfüllt.

Als mögliche Sanktionen für  Verstöße gegen Art 62 stehen der FIFA „a) Geldstrafen von mindestens CHF 10 000; b) Verbot jeglicher in Zusammenhang mit dem Fußball stehenden Tätigkeit; c) Stadionverbot“ zur Verfügung. Somit wären auch auf dieser Basis Geldstrafen bzw. Sperren möglich.

Ob es tatsächlich so weit kommt hängt sowohl von Feststellungen der FIFA, als auch der spanischen, sowie letztlich ebenso der brasilianischen Justiz, die gegen Neymar wegen Steuerhinterziehung ermittelt, ab. Bis die jeweiligen Entscheidungen getroffen wurden gilt die Unschuldsvermutung.

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Blatter und Platini: Geheimnis um Suspendierung

Seit der Schweizer Bundesanwalt Michael Lauber gegen den FIFA-Offiziellen Jack Warner ermittelt, sind auch FIFA-Präsident Sepp Blatter und UEFA-Präsident Michel Platini unter Druck. Nun wurden sie suspendiert, es geht um Millionen und Macht.

Der König Sepp Blatter und sein Prinz Michel Platini sind gesperrt, ebenso Generalsekretär Jerome Valcke. Worum es genau geht, darf die unabhängige Ethikkommission unter Leitung von Cornel Borbély allerdings nicht sagen. Das gebietet die Vertraulichkeit des Artikels 36 des FIFA-Ethikreglements: „Nur die endgültigen Entscheidungen, die den betreffenden Parteien bereits bekannt sind, dürfen veröffentlicht werden.“

Die Süddeutsche Zeitung führt als Grund eine zwei Millionen Euro-Zahlung von Blatter an Platini an; aus Insiderkreisen will die SZ weiters erfahren haben, dass die Ethikkommission des Fußballweltverbandes derzeit mit Informationen überschüttet wird, man ortet ein Match „jeder gegen jeden“. Es wird eng, denn sowohl die Ethikkommission als auch der internationale Sportgerichtshof CAS sind derzeit stark mit der FIFA beschäftigt.

Der Hauptgrund, die zwei Millionen Euro-Zahlung, soll laut SZ zudem nach einem Tipp von Valcke aufgeflogen sein. Wo diese zwei Millionen herkommen sollen? Von 1998 bis 2002 war Platini als Berater für die FIFA tätig, bei einem Jahressalär von 300.000 Franken. Des Weiteren sollen gemäß den Ermittlungen der Schweizer Behörden 500.000 Franken an Zusatzahlungen pro Jahr vereinbart worden sein. Diese wurden laut Angaben der Beschuldigten dann im Februar 2011 von einem FIFA-Konto an Platini auf Anweisung Sepp Blatters überwiesen; obwohl der Anspruch auf das Entgelt, der sich in keinem schriftlichen Vertrag befindet, verjährt war. Im Februar 2011 befand sich Blatter zudem im Wahlkampf gegen Mohammad bin Hammam.

Wenn die FIFA-Ehtikkommission gegen Mitglieder ermittelt, dann kann sie gemäß Artikel 83 (Voraussetzungen und Zuständigkeit) vorsorgliche Maßnahmen erlassen. Tut sie dies, ist sie gemäß Artikel 85 (Dauer) des Ethikreglements verpflichtet, Zeitsperren zu verhängen. Bei dieser vorsorglichen Maßnahme wurde das Maximum von 90 Tagen ausgereizt, es kann um weitere 45 Tage verlängert werden.

Im Falle einer so langen Ermittlung plus Ausdehnung der Sperre würde es für die Teilnahme an der Wahl zum FIFA-Präsidenten für alle drei eng werden. Schließlich darf während der Sperre nicht einmal der eigene Schreibtisch besucht oder irgendetwas anderes getan werden, was im Zusammenhang mit der FIFA steht.

Detail am Rande: Artkel 86 Absatz 3 (Berufung gegen die vorsorgliche Maßnahme) sieht vor, dass die Berufungsschrift innerhalb von zwei Tagen ab Zustellung per Telefax übermittelt werden soll. Die genauen Bestimmungen finden sich in den Artikeln 119ff des FIFA-Disziplinarreglements.

Ein Ende nimmt die Untersuchung gemäß Ethikcode Artikel 67 (Abschluss des Untersuchungsverfahrens), wenn der Untersuchungsführer, in konkreten Fall Borbely als Vorsitzender der Kammer und Robert Torres gegen Blatter, Vanessa Allard gegen Platini, die Untersuchung als ausreichend erachtet. Die Entscheidung wird dann gemäß Artikel 77 (Entscheidung) mit der Mehrheit der anwesenden Mitglieder der Ethikkommission getroffen.

Es scheint ein verwirrendes Geflecht aus Macht und Geld zu sein, das sich in den letzten Jahren innerhalb der FIFA abgespielt hat. Valcke, der als Tippgeber fungiert haben soll, wird zudem gar nicht in Zusammenhang mit dieser Zahlung belangt, bei ihm geht es um Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit WM-Tickets. Trotzdem nimmt er als ehemaliger Blatter-Intimus eine Schlüsselrolle ein. Sein Mail-Verkehr soll nun entsiegelt werden. Im Match jeder gegen jeden innerhalb des Fußballweltverbandes musste auch er suspendiert werden.

Der Interimspräsident Issa Haytou aus Kamerun wird übrigens nicht für das Amt des FIFA-Präsidenten kandidieren. Er wird schon wissen warum. Die UEFA sieht darüber hinaus keinen Grund, nicht hinter Präsident Platini zu stehen. Man sehe laut Aussendung „keine Notwendigkeit, Artikel 29 Absatz 5 der UEFA-Statuten anzuwenden […] Das UEFA-Exekutivkomitee kam zu diesem Schluss, da der UEFA-Präsident umgehend alle notwendigen Schritte einleiten wird, um die Entscheidung der FIFA-Ethikkommission anzufechten und seinen guten Ruf wiederherzustellen. “

Das ist interessant, ist die Einleitung des Untersuchungsverfahrens gemäß dem gleichnamigen Artikel 64 Absatz 2 „nicht anfechtbar“, lediglich die vorsorgliche Maßnahme der Suspendierung. Sofern es bei der UEFA funktionierende Telefax-Geräte gibt.

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Warum österreichische Schiedsrichter strenger pfeifen

Fußball ist eigentlich ein einfaches Spiel. Elf gegen elf, zwei Tore, ein Schiedsrichterteam. Trotzdem bekommt man ab und an den Eindruck, hierzulande wird ganz anders gespielt als anderswo.

Also sprach SK Rapid-Trainer Zoran Barisic nach dem 1:2 gegen Red Bull Salzburg: „Vor dem 1:1 war es natürlich ein Foul an Hofmann.“ Und auch Damir Canadi, seines Zeichens Altach-Coach und ebenfalls 1:2 unterlegen: „Über die Schiedsrichterentscheidung vor dem Ausgleich ärgere ich mich maßlos.“ Lassen wir einmal den Punkt beiseite, dass auf besagtes 1:1 von Salzburg ein 80-Meter-Spielzug folgte, den Rapid nicht verteidigen konnte und Altach die überlegene Mannschaft war. Lassen wir beiseite, dass beide Trainer im selben Atemzug auch die eigene Mannschaft in die Pflicht nahmen. Es geht um die Qualität der heimischen Schiedsrichter.

Man braucht nicht um den heißen Brei herum reden. Österreichische Schiedsrichter gehören nicht zur Elite. Konrad Plautz, der seine Karriere 2009 nach dem Pfeifen bei der Heim-Euro beendete, war der letzte viel beachtete und international anerkannte Schiedsrichter Österreichs. Neben dem alle paar Monate stattfindenden Aufhebens wegen Fehlentscheidungen gelten die heimischen Schiris als recht kleinlich. Das macht sich in den Europacupspielen durchaus bemerkbar. Da ist so mancher heimischer Verteidiger erstaunt, wenn der Schiedsrichter aus beispielsweise Montenegro das Foul nicht gibt. Während der eine noch reklamiert, ist das Tor schnell kassiert. Warum wird hier manchmal anders gepfiffen als international?

Fußballregeln als Verordnung oder Richtlinie?

Grundsätzlich ist Fußball ja ein einfaches Spiel. Das offizielle Regelbuch der FIFA umfasst nur 17 Regeln. Das Spiel substantiell betreffend ist eigentlich nur Regel 12: „Fouls und unsportliches Betragen.“ Der Rest sind mehr oder weniger objektive Dinge wie die Größe des Spielfelds, was Abseits ist oder wie ein Eckstoß abzulaufen hat. Wie Fouls gewertet werden, untescheidet sich. Das geflügelte Wort der „britischen Härte“ stimmt freilich. Auf der Insel wird weniger abgepfiffen. Diese Auslegungssache obliegt den nationalen Gremien. Im ÖFB-Regulativ Namens „Organisationsstatut für das ÖFB-Schiedsrichterwesen“ heißt es unter § 4 Aufgabenbereiche der ÖFB-Schiedsrichterkommission unter Punkt 3i): „Verantwortung für die einheitliche Anwendung der Fußballregeln nach Entscheidungen der FIFA und des International Football Association Board für das gesamte Bundesgebiet.“

Soweit zur Zuständigkeit. Die nationalen Verbände sind also, ähnlich wie bei einer EU-Verordnung, direkt verpflichtet, internationales Recht anzuwenden. Wie bei solchen Dingen üblich, muss freilich darauf geachtet werden, wie das umgesetzt wird. Da wird eine EU-Verordnung durch nationale Vorgaben schnell zu einer Richtlinie; also einem Grundsatzgesetz, das nationaler Ausgestaltung bedarf. Wie die Szenen in Österreich bewertet werden, obliegt dem jeweiligen Schiedsrichterbeobachter.Nachdem diese alle Szenen bewerten, müssen die Schiris alles pfeifen; denn sonst besteht die Möglichkeit, bald nicht mehr Bundes- sondern Regionalliga zu pfeifen.

Österreichs Gesicht für die Schiedsrichter ist Fritz Stuchlik, der den Nachlauf bei den Kollegen von Laola1 so beschrieb: „Nach dem Spiel bespricht der Beobachter mit den Schiedsrichtern das Spiel, was ihm positiv und negativ aufgefallen ist, gibt Verbesserungsvorschläge, analysiert manche Szenen mittels TV-Aufzeichnung und alle fahren nach Hause. Der Beobachter verfasst dann einen schriftlichen Bericht und muss ihn auch mit einer Note bzw. Punktewertung versehen. Das wird an das Elite-Komitee und den Schiedsrichter versandt.“ Wer dann über einen längeren Zeitraum eine negative Bewertung bekommt, muss pausieren.

Ein Foulspiel in der Praxis

Diese internen Vorgaben, welche Szenen wie bewertet werden sollen und dann eine positive Beurteilung ergeben können, sind quasi das nationale Gesetz zur FIFA-Grundsatzgesetzgebung. Wie man in England sieht, ist da die nationale Vorgabe hinsichtlich Auslegung der FIFA Regel 12 anders als in Österreich. Wortwörtlich beschreibt die FIFA Regel 12 so: „Ein Spieler verursacht einen direkten Freistoss für das gegnerische Team, wenn er eines der nachfolgend aufgeführten sieben Vergehen nach Einschätzung des Schiedsrichters fahrlässig, rücksichtslos oder brutal begeht: einen Gegner tritt oder versucht, ihn zu treten, einem Gegner das Bein stellt oder es versucht, einen Gegner anspringt, einen Gegner rempelt, einen Gegner schlägt oder versucht, ihn zu schlagen, einen Gegner stösst, einen Gegner angreift. Dem gegnerischen Team wird ebenfalls ein direkter Freistoss zugesprochen, wenn ein Spieler eines der nachfolgenden drei Vergehen begeht: einen Gegner hält, einen Gegner anspuckt, den Ball absichtlich mit der Hand spielt.“ (sic!)

Schlagend für das Spiel selbst sind dabei folgende Punkte: Die Fahrlässigkeit, Rücksichtslosigkeit oder Brutalität im Zusammenhang mit Treten, Beinstellen oder Rempeln. Der Rest sind zumeist ziemlich objektiv bewertbare Kriterien. Die Frage, die sich jeder Schiedsrichter bei Spielsituationen stellen muss, ist, ob Tritt, Beinstellen oder Rempler eben mindestens fahrlässig waren oder nicht. Wie eben bei Naby Keita vs. Steffen Hoffmann beim eingangs erwähnten Spiel (hier bei ca. 2:33).

Zu diesen rechtlichen Überlegungen kommen natürlich noch unzählige Dinge hinzu: Der Standort des Schiedsrichters, die Reaktion des Gefoulten, vorangegangene Foulspiele und – eben! – die nationalen Bewertungsschemata für Schiedsrichter. In Bruchteilen von Sekunden muss der Schiedsrichter hier entscheiden, was Sache ist. Wenn man dann noch dazu zwischen den Polen eines attraktiven Spiels mit möglichst wenig Pfiffen und absoluter Regeltreue steht, kommt heraus, was heraus kommt. Und das ist oftmals ein kleinliches Pfeifen – obwohl es im Sinne der Umlegung der allgemein gültigen Spielregeln durchaus Spielraum für eine andere Spielführung geben würde.

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Verbotene Länderspiele: Wenn es international kriselt

Undurchsichtige Entscheidungen der UEFA verbieten das Aufeinandertreffen gewisser Nationen. Dadurch könnte die UEFA ihre eigenen Regelungen verletzen.   

Als die UEFA im Februar 2014 die Gruppen für die Qualifikation zur EM- Endrunde 2016 ausloste, gab sie bereits im Vorfeld folgendes bekannt: Aserbaidschan und Armenien, sowie Spanien und Gibraltar können aufgrund der politischen Lage nicht in dieselbe Gruppe gelost werden.

Die Grundlage für dieses Vorgehen der UEFA bleibt jedoch weitestgehend undurchsichtig. Es wird lediglich angegeben, dass das UEFA Executive Committee dies so entschieden habe. Regelungen anhand derer Feststellungen darüber getroffen werden, ob Teams gegeneinander spielen können oder nicht gibt es nicht. So bleibt es unklar, warum in etwa die zwar verfeindeten aber derzeit nicht im Krieg befindlichen Nationen Armenien und Aserbaidschan auseinandergehalten werden, obwohl die UEFA, wie in etwa während des Georgien- Konflikts, ein Treffen auf neutralem Boden anordnen könnte, während Russland gegen die Ukraine spielen dürfte.

Es scheint, als würde die UEFA nur intervenieren, solange sie es als unwahrscheinlich befindet, dass beide Mannschaften sich für die EM- Endrunde qualifizieren. Bei dieser wäre es nämlich noch bedenklicher das Aufeinandertreffen zweier Mannschaften zu unterbinden. Bisher musste sich die UEFA mit diesem Fall noch nicht auseinandersetzen.

Mit diesen Entscheidungen greift die UEFA in nicht unbeträchtlichem Ausmaß in den Ablauf des Wettbewerbs ein und kann mitunter die Qualifikation eines Teams für die Endrunde massiv erschweren. So wäre es in etwa denkbar gewesen, dass Aserbaidschan zunächst in eine Gruppe mit Bosnien und Herzegowina, Irland, Polen, Armenien und Gibraltar gelost worden und damit eine Qualifikation für die EM nicht gänzlich unmöglich erschienen wäre. Sodann hätte Aserbaidschan jedoch aufgrund der Zusammenlosung mit Armenien nach dem UEFA EURO 2016 Qualifying Draw Procedure automatisch der nächstfolgenden Gruppe zugelost werden müssen. In dieser Gruppe wäre Aserbaidschan sodann möglicherweise auf wesentlich härtere Gegner wie Deutschland, Kroatien, Serbien, Schottland und Luxemburg getroffen. Eine Qualifikation wäre im Vergleich zur anderen möglichen Gruppe wesentlich unwahrscheinlicher.

Die UEFA könnte mit diesem Eingriff sogar gegen eine ihrer eigenen Regelungen, nämlich gegen Art 12 der UEFA Rechtspflegeordnung verstoßen, welche die Integrität des Wettbewerbs sichern soll. Indem die UEFA, ähnlich wie im oben genannten Beispiel, Armenien, Aserbaidschan, Spanien oder Gibraltar mit der Zuteilung zu einer anderen Gruppe einen Vor-, oder Nachteil verschafft, schadet sie der Integrität des Wettbewerbes. Die Auslosung sollte alleine auf Grundlage der Einteilung in sechs Lostöpfe beruhen. Die Ziehung aus den Töpfen muss prinzipiell, sofern man einen fairen Wettbewerb gewährleisten will einzig und allein auf Zufall basieren.  Sofern Ausnahmen von diesem Prinzip auf nachvollziehbaren und fest vorgegebenen Grundlagen beruhen, sind diese möglicherweise noch als zulässig anzusehen, das derzeitige Vorgehen der UEFA in diesem Punkt ist jedoch ein unzulässiger Eingriff in die EM- Qualifikation.

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Ribéry gegen Platini- Muss man für seinen Heimatverband spielen?

Ein Spieler der für ein Spiel seines Nationalteams nominiert wird, muss der Einberufung Folge leisten. Ausgenommen sind lediglich verletzte Spieler.

Als UEFA- Präsident Michel Platini Franck Ribéry eine Sperre androhte, sollte dieser aus dem Nationalteam zurück treten, erntete er dafür Großteils ein mildes Lächeln und Verwunderung. „Das geht nicht“, war der Tenor unter Fußballfans. Diese Annahme beruht darauf, dass viele Stars die noch wertvoll für ihr Team gewesen wären, wie etwa Francesco Totti für Italien oder Martin Stranzl für Österreich, unbehelligt aus dem Nationalteam „zurücktreten“ konnten.

Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass Platinis Aussage nicht ganz aus der Luft gegriffen ist. Die hier einschlägige Regelung bildet Artikel 3 Abs 1 des 1. Anhanges zum FIFA „REGLEMENT bezüglich Status und Transfer von Spielern“. Dieser besagt in seinem eindeutigen Wortlaut „jeder Spieler, der bei einem Verein registriert ist, ist grundsätzlich verpflichtet, einem Aufgebot für eine Auswahlmannschaft des Verbands des Landes Folge zu leisten, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt.“ „Grundsätzlich“ bezieht sich hier auf die Ausnahme nach Artikel 4 des 1. Anhangs des Reglements, welche verletzte Spieler betrifft. Diese müssen sich auf Verlangen einer medizinischen Untersuchung unterziehen und nachdem ihre Verletzung belegt ist, nicht zum Nationalteam anreisen.

In Artikel 3 Abs 2 des 1. Anhanges zum Reglement sind noch Fristen und Formvorschriften für die Einberufung geregelt. So muss dem Spieler die Einberufung spätestens 15 Tage vor dem ersten Tag des internationalen Fensters schriftlich übermittelt werden. Auch der Verein muss gleichzeitig kontaktiert werden und ist nach Artikel 1 Abs 1 des 1. Anhangs zum Reglement verpflichtet seine Spieler abzustellen. Werden alle Formvorschriften und Fristen eingehalten, muss ein nicht verletzter Spieler seiner Nominierung folgen!

Weigert der Spieler sich dennoch, so sieht Artikel 6 Abs 1 des 1. Anhangs zum Reglement Disziplinarstrafen vor. Diese sind im FIFA Disciplinary Code näher geregelt, wobei für Spieler hier Strafen nach den Artikel 10 und 11 des Codes in Frage kommen. Tatsächlich sieht Artikel 11 c) des Codes auch eine Spielsperre als Sanktion vor, wobei die Anzahl der gesperrten Spiele vom Vergehen abhängig ist. In Bezug auf das einmalige nicht befolgen einer Einberufung, verhängte die FIFA in etwa gegen Diafra Sakho lediglich einen förmlichen schriftlichen Tadel, nach Art 10 b) des Codes als Sanktion. Bei wiederholtem Fernbleiben würde die FIFA jedoch höchst wahrscheinlich auch zu Sperren greifen.

Im vorliegenden Fall bedeutet dies nun, dass es prinzipiell möglich wäre, dass die FIFA Ribéry mit einer Spielsperre belegt. Praktisch ist dies jedoch unwahrscheinlich. Wie Platini selbst angibt, ist der Teamchef dafür verantwortlich Spieler einzuberufen. Sofern Ribéry, seinen Angaben entsprechend, seinen Rücktritt mit dem französischen Nationaltrainer Didier Deschamps abgesprochen hat, dieser ihn akzeptierte und Ribéry folglich nicht mehr einberuft, gibt es nichts was gegen Ribéry vorgebracht werden könnte. Beruft ihn Deschamps dennoch ein, so müsste Ribéry, sofern er jemals wieder verletzungsfrei wird, mit einer Disziplinarstrafe rechnen, wenn er die Einberufung ignoriert.

Auf diesen Entscheidungsprozess des Trainers hat Platini als UEFA- Funktionär keinerlei Einfluss. Auch etwaige Strafen würden von der FIFA verhängt werden. Er persönlich hat also nicht die Möglichkeit eine Strafe gegen Ribéry auszusprechen.

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Der kroatische Fußballverband und seine Fans – eine unglückliche Beziehung

Aufgrund von rechtsradikalen und rassistischen Vorfällen wurde der kroatische Verband abermals bestraft. Bei Wiederholung droht Ausschluss aus der laufenden EM-Quali.

Alles begann am 16. November 2014. Das Auswärtsspiel der Qualifikation zur EM 2016 gegen Italien musste mehrmals unterbrochen werden, da Feuerwerkskörper aus dem kroatischen Fanblock auf den Platz geflogen waren und zudem Gäste-Fans nach Spielende außerhalb des Stadions randalierten. Damals kam der kroatische Verband mit einem blauen Auge davon. EUR 80.000 Geldstrafe, sowie Sperre einer Zuschauertribüne für das nächste Heimspiel gegen Norwegen lautete das milde Urteil der UEFA Disziplinarkommission. „Leider ist das eingetreten, was wir befürchtet haben. Unzählige Male schon musste der kroatische Fußball den Preis für Hooliganismus bezahlen“, meinte Generalsekretär Vrbanovic schon damals geknickt, ehe er fast schon prophetisch meinte, dass die UEFA von einer letzten Warnung gesprochen habe, bevor es „wirklich drastische Sanktionen“ geben werde.

Offenbar zeigte die Strafe keinerlei Wirkung. Am 28. März 2015 folgte der nächste Eklat durch rassistische Fangesange der kroatischen Fans im Heimspiel gegen Norwegen. Neuerliches Urteil durch die UEFA Disziplinarkommission: Ausschluss der Öffentlichkeit im Heimspiel gegen Italien am 12. Juni 2015, sowie EUR 50.000 Strafe für den kroatischen Fußballverband.

Vom Ausschluss der Öffentlichkeit aber nicht eingeschüchtert, passierte beim Geisterspiel gegen Italien genau das, was sich niemand wünschte und markierte den traurigen Höhepunkt dieser Serie an Vorfällen. Unbekannte brannten im Vorfeld des Spiels mit Chemikalien ein Hakenkreuz in die Rasenfläche des Stadions ins Split. Am 15. Juni 2015 hatte die UEFA neuerlich das Disziplinarverfahren gegen den kroatischen Verband eröffnet. Welche Sanktionen drohten dem kroatischen Verband nach diesem neuerlichen Eklat, wenn selbst der kroatische Ministerpräsident Zoran Milanovic UEFA-Präsident Platini in einem Brief um Milde bat?

Die Kontroll-, Ethik- und Disziplinarkammer der UEFA behandelt Disziplinarfälle auf und abseits des Spielfeldes, die sich aus den UEFA-Statuten, -Regularien und den Entscheidungen der UEFA ergeben. Maßgebendes Regulativ für solche Fälle ist dabei die UEFA Rechtspflegeordnung (RPO).

Wirft man einen Blick in Art 14 Z 1. RPO so normiert dieser, dass der verantwortliche Mitgliedsverband bzw. Verein mindestens mit einer Teilschließung des Stadions belegt wird, wenn sich ein oder mehrere Anhänger eines Mitgliedsverbands oder Vereins eines Fehlverhaltens gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen in jeglicher Form u.a. wegen ihrer Hautfarbe, Rasse, Religion oder Ethnie in einer gegen die Menschenwürde verstoßenden Weise herabsetzt oder diskriminiert, schuldig macht.

Erfordern es die Umstände des Falls, so kann gem. Art 14 Z 4. RPO die zuständige Disziplinarinstanz gegen den verantwortlichen Mitgliedsverband oder Verein zusätzliche Disziplinarmaßnahmen verhängen, wie zum Beispiel ein oder mehrere Spiele unter Ausschluss der Öffentlichkeit, Platzsperre, Teilschließung des Stadions, Forfait-Erklärung, Punktabzug oder Ausschluss aus dem Wettbewerb.

Auf Basis dieser Bestimmungen hat die UEFA Kontroll-, Ethik-, und Disziplinarkommission am 23. Juli 2015 entschieden, dass dem kroatischen Team in der laufenden EM-Qualifikation ein Punkt abgezogen wird, die nächsten beiden Heimspiele vor leeren Rängen stattfinden müssen und keines der verbleibenden Qualifikationsspiele mehr in Split stattfinden darf. Darüber hinaus wurde der Verband mit einer Geldstrafe in Höhe von EUR 100.000 belegt. Die politische Intervention zeigte also offenbar Wirkung. In Anbetracht des Strafrahmens und der Häufigkeit derartiger Vergehen hat die Disziplinarkammer der UEFA also ein Urteil gefällt, dass das bisher sportlich tadellose kroatische Nationalteam kaum für die Verfehlungen der Fans büßen lässt.

Für den kroatischen Verband bietet sich noch die Möglichkeit, Berufung beim Berufungssenat (Einspruchskammer) einzulegen, der im Instanzenzug der UEFA bereits die letzte Instanz darstellt. Die Entscheidung des Berufungssenates kann letztlich nur noch beim ständigen internationalen Sportgerichtshof (CAS) in Lausanne angefochten werden. Dass dies durchaus erfolgsversprechend ist, zeigt die Entscheidung des CAS vom 10. Juli 2015, wonach dieser das Urteil der UEFA im Skandalspiel Serbien – Albanien völlig auf den Kopf stellte.

„Der Unsinn von ein paar Idioten kostet uns die EURO“, machte die Zeitung „24Sata“ vor dem Urteil die Angst im Fußballverrückten Land deutlich, die EM 2016 trotzt Tabellenführung in der laufenden Qualifikation zu verpassen. Dies konnte gerade noch abgewendet werden. Sollte der kroatische Verband sein Fan-Problem aber nicht in den Griff bekommen, könnte dies bei einem weiteren Vergehen traurige Realität werden.

 

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