Verbandsstrafen bei Zuschauerausschreitungen

Verbandsstrafen bei Zuschauerausschreitungen –

Kann sich der Verein am störenden Zuschauer regressieren?

Ein Gastbeitrag von Rechtsanwalt Mag. Zvonimir First

Verbandsstrafen sind im österreichischen Fußballsport sowohl im Profi- als auch im Amateurbereich allgegenwärtig und können gerade in der Österreichischen Fußball-Bundesliga beträchtliche Ausmaße annehmen.

So wurden etwa die beiden Wiener Großklubs aufgrund der erneut massiven Zuschauerausschreitungen beim 320. Wiener Derby am 12.02.2017 wegen der Verletzung der Sicherheitsbestimmungen (§§ 116 und 116a der ÖFB-Rechtspflegeordnung) mit hohen Geldstrafen belangt. Der Senat 1 der Bundesliga (Straf- und Beglaubigungsausschuss) verurteilte die Wiener Austria zur Zahlung von EUR 20.000,-. Rapid Wien erhielt als Gastverein eine Geldstrafe von EUR 35.000,-. Die Verbandsstrafen sind nicht rechtskräftig – beide Vereine haben gegen deren Höhe Protest eingelegt.

Für Vereine stellt sich gerade bei derartig hohen Geldstrafen die berechtigte Frage, ob sie hier im Regressweg den jeweiligen störenden Zuschauer, als eigentlichen Schadensverursacher, in Anspruch nehmen können. Denn erst sein störendes Verhalten (etwa Randalieren oder Zünden von Pyrotechnik) hat ja zur Verhängung der Verbandsstrafe geführt. Dadurch ist dem Verein ein zumeist nicht unerheblicher finanzieller Nachteil entstanden, der im Wege des zivilrechtlichen Schadenersatzes auf den Zuschauer überwälzt und von diesem herausverlangt werden könnte.

 

Kaum Judikatur zur Regressfrage in Österreich

In Österreich gibt es bis dato lediglich eine einzige veröffentlichte Entscheidung aus dem Jahr 2011, die derartige Regressansprüche zum Gegenstand hatte. Darin entschied das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien (34 R 163/10p), dass der vom Verein gegenüber dem störenden Zuschauer geforderte Ersatz einer Geldstrafe von EUR 2.000,- unzulässig sei.

Es hielt zwar grundsätzlich fest, dass Schadenersatzansprüche des Vereins wegen erlittener Vermögenseinbußen sehr wohl gegen den störenden Zuschauer geltend gemacht werden können, sofern dieser seine Pflichten aus dem Zuschauervertrag verletzt oder gegen die Stadionordnung verstoßen hat. Die Überwälzung der verhängten Verbandsstrafe auf den randalierenden Fan hat es dagegen verneint: Der ausschließliche Zweck der gegenständlichen Verbandsstrafe bestehe darin, die Vereine zu angemessenen Sicherheitsvorkehrungen bei Meisterschaftsspielen zu veranlassen. Die damit intendierte Präventivwirkung würde jedoch vereitelt werden, wenn sich der sanktionierte Verein von der Strafe befreien könnte, indem er diese in weiterer Folge auf den störenden Zuschauer überwälzt.

Das LGZ Wien kam erst im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung zum Ergebnis, dass eine derartige Überwälzungsvereinbarung zwischen dem Verein und dem Zuschauer nicht mehr vom Schutzzweck des Zuschauervertrags umfasst sei und verneinte schließlich den geltend gemachten Schadenersatzanspruch. Diese Entscheidung wurde in der österreichischen Literatur zu Recht kritisiert.

 

Schadenersatzanspruch in Deutschland vom BGH bestätigt

Im Gegensatz zu Österreich waren in Deutschland bereits mehrfach Regressansprüche des sanktionierten Vereins gegen den störenden Zuschauer Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Die deutschen Gerichte – etwa das Oberlandesgericht Rostock (28.04.2006, 3 U 106/05) – haben den störenden Zuschauer regelmäßig zum Schadenersatz verpflichtet. Nunmehr hat sich erstmals das deutsche Höchstgericht umfassend mit dem Regressanspruch befasst und dessen Zulässigkeit bejaht.

Der Bundesgerichtshof (22.09.2016, VII ZR 14/16) sah – entgegen seiner Vorinstanz (OLG Köln, 17.12.2015, 7 U 54/15), die aus ähnlichen Gründen wie das LGZ Wien einen Schadenersatzanspruch des störenden Zuschauers verneinte – die Überwälzung der Verbandsstrafe als vom Schutzzweck des Zuschauervertrags umfasst an.

Der BGH hielt diesbezüglich fest, dass jeden Zuschauer die Verhaltenspflicht trifft, die Durchführung des Fußballspiels nicht zu stören. Sofern der Zuschauer – wie im gegenständlichen Fall durch das Zünden und Werfen eines Knallkörpers – gegen diese Verhaltenspflicht verstößt, habe er für die daraus folgenden Schäden zu haften und sie zu ersetzen. Das gelte auch für eine dem Verein wegen dieses Vorfalls auferlegte Geldstrafe des DFB.

Der BGH führte weiter aus, dass die überwälzte Verbandsstrafe kein nur „zufällig“ durch das Verhalten verursachter Schaden sei. Sie stehe damit in einem inneren Zusammenhang, weil sie gerade wegen der Störung des Zuschauers verhängt werde. Da die Verbandsregeln ebenso wie die Pflichten des Zuschauervertrags der Verhinderung von Spielstörungen dienten, sei der durch die Verhängung der Geldstrafe entstandene Vermögensschaden des Klubs durch den Zuschauer zu ersetzen.

 

Argumentation des BGH auf Österreich übertragbar

Die rechtlichen Erwägungen des deutschen Höchstgerichts sind meines Erachtens ohne weiteres auf gleichgelagerte österreichische Sachverhalte übertragbar.

Der BGH verdeutlicht, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem störenden Verhalten des Zuschauers und der dadurch gegen den Verein verhängten Verbandsstrafe besteht. Dementsprechend ist es auch legitim, dass der Verein anschließend den störenden Zuschauer aufgrund der Verletzung seiner Pflichten aus dem Zuschauervertrag in Anspruch nimmt und sich an diesem schadlos hält.

Der BGH widerlegt zudem überzeugend die Rechtsansicht des LGZ Wien, indem er aufzeigt, dass eine Überwälzung der Verbandsstrafe gerade nicht zu einer Vereitelung des mit ihr verbundenen Präventionszwecks führt: Zwar soll primär der Verein als unmittelbarer Adressat dazu verhalten werden, angemessene Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, um zukünftige Störungen zu vermeiden. Mittelbar dient die Verbandsstrafe aber selbstverständlich auch dazu, störende Zuschauer davon abzuhalten, in Zukunft derartige Störungen zu verursachen.

Bei genauerer Betrachtung führt die Überwälzungsmöglichkeit sogar dazu, dass die mit der Verbandsstrafe bezweckte Präventionswirkung noch verstärkt wird. Potentielle Störenfriede müssen von vornherein damit rechnen, dass sie für Strafzahlungen des Vereins haften und diese ersetzen müssen. Der drohende Regressanspruch bewirkt daher umso mehr, dass der störende Zuschauer – der in der Regel die eigentliche Ursache des Problems darstellt – diszipliniert wird.

Darüber hinaus ist zu bedenken, dass Verbandsstrafen für Zuschauerausschreitungen durchgehend verschuldensunabhängig ausgesprochen werden. So kann etwa neben dem veranstaltenden Heimverein auch der Gastverein für die ihm zurechenbaren Fans belangt werden, ohne dass dieser für die Sicherheitsvorkehrungen im Stadion verantwortlich war. Allein vor diesem Hintergrund scheint eine Regressmöglichkeit des sanktionierten Vereins notwendig.

Dementsprechend ist der Regress des Vereins meines Erachtens auch nach der Rechtslage in Österreich zulässig und überdies die Überwälzung verhängter Verbandsstrafen bereits aus gesellschaftspolitischen Erwägungen geboten, um eine ausreichende Präventivwirkung gegenüber den störenden Zuschauern entfalten zu können.

Zum Autor:

Mag. Zvonimir First ist selbständiger Rechtsanwalt in Wien und Kooperationspartner der Kanzlei wkk law. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Zivil- und Arbeitsrecht, wobei er gerade in diesen Bereichen regelmäßig mit sportrechtlichen Fragestellungen befasst ist. Zvonimir First ist zudem Vortragender beim Masterstudienlehrgang Sportrecht der Donau-Universität Krems.

In eigener Sache:

Am 20. April 2017 findet das nächste LAW MEETS SPORTS-Event zum Thema Fanausschreitungen statt.

Infos und Anmeldung: Wenn Fans randalieren – Der rechtliche Rahmen und seine Grenzen

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