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Auswirkungen des Brexits auf den Profifußball

Die Folgen des Austritts des Vereinigten Königreiches aus der Europäischen Union wurden vielfach diskutiert. Im Dezember 2021 trafen sie auch den Interimstrainer von Manchester United, Ralf Rangnick, hart. Aufgrund einer nicht rechtzeitig erteilten Arbeitserlaubnis, die seit dem Brexit notwendig ist, war es diesem nicht möglich bei seinem geplanten Debüt beim Heimspiel seines neuen Clubs am 2. Dezember 2021 gegen den FC Arsenal an der Seitenlinie zu stehen.

Manchester United musste auf Dienstantritt von Ralf Rangnick warten

Ralf Rangnick wurde mit Ende November 2021 offiziell als Interimstrainer von Manchester United eingesetzt. Er soll bis Saisonende als Chef-Trainer agieren und dem Club danach für zwei weitere Jahre als sportlicher Berater zur Seite stehen. Bei seinem geplanten Debüt-Spiel als Trainer durfte er allerdings noch nicht an der Seitenlinie stehen. Grund dafür war, dass die seit dem Brexit notwendige „Arbeitserlaubnis“ noch nicht erteilt wurde. Dies hat einen komplexen Hintergrund:

Innerhalb der Europäischen Union gilt die Personenfreizügigkeit als eine der vier Grundfreiheiten. Zur Personenfreizügigkeit gehört die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art 45 ff AEUV) und die Niederlassungsfreiheit (Art 49 ff AEUV). Die Arbeitnehmerfreizügigkeit bezieht sich auf die Mobilität von unselbständig Erwerbstätigen, also den klassischen Arbeitnehmer. Sie umfasst dabei insbesondere die Abschaffung jeglicher auf Staatsangehörigkeit beruhender unterschiedlicher Behandlung von Arbeitnehmern in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung oder sonstiger Arbeitsbedingungen.

Der Austritt des Vereinigten Königreiches aus der Europäischen Union erfolgte am 31. Jänner 2020. Durch das Austrittsabkommen wurde bis zum 31. Dezember 2020 eine Übergangsphase geschaffen, in welcher die Arbeitnehmerfreizügigkeit für EU-Bürger im Vereinigten Königreich (und umgekehrt) gewährleistet wurde. Seit dem 1. Jänner 2021 gilt das Vereinigte Königreich gegenüber den restlichen EU-Mitgliedstaaten als Drittstaat, was auch den Verlust der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach sich zieht. Dies führt dazu, dass vor allem Spieler, Trainer, Manager sowie überhaupt Bürger aus einem EU-Mitgliedstaat nicht mehr die Freiheit haben, im Vereinigten Königreich eine Beschäftigung aufzunehmen und dass umgekehrt solche Personen aus dem Vereinigten Königreich nicht mehr ohne Weiteres in der EU arbeiten dürfen.

Im britischen Recht befinden sich die Rechtsvorschriften für die Einwanderung vor allem in den Immigration Rules. Für Spieler und Trainer ist insbesondere das Visum für internationale Sportler („International Sportsperson Visa“) einschlägig. Dieses Visum ist für jene Spitzensportler und qualifizierte Sporttrainer vorgesehen, die international etabliert sind und einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung ihres Sports auf höchstem Niveau im Vereinigten Königreich leisten können.

Für das Visum ist Voraussetzung, dass der Sportverband bestätigt, dass der Trainer international auf höchster Ebene tätig ist und dass seine Beschäftigung einen erheblichen Beitrag zur Qualitätssteigerung der betreffenden Sportart auf höchster Ebene bilden wird („Governing Body Endorsement“). Zuständig für die Ausstellung des Governing Body Endorsements für Sportler ist der jeweilige Sportfachverband, für den Fußball in England also die Football Association. Die Anforderungen an die Erteilung eines Governing Body Endorsements werden im Premier League Handbook in der jeweils gültigen Fassung von der Football Association veröffentlicht.

Im Fall von Rangnick ist man davon ausgegangen, dass er die Kriterien der Football Association für eine automatische Erteilung des Governing Body Endorsements nicht erfüllt. Es wurde argumentiert, dass er in den letzten fünf Jahren vor seinem Antritt als Chef-Trainer bei Manchester United insgesamt nicht genug Erfahrung als Trainer in einem europäischen Spitzenklub gesammelt hat (entweder zwei Jahre hintereinander oder drei Jahre zusammengerechnet in den letzten fünf Jahren). Rangnick war in den Spielzeiten 2015/16 und 2018/19 zweimal als Cheftrainer bei RB Leipzig und gleichzeitig als Sportdirektor des FC Red Bull Salzburg tätig. Zuletzt stand er als Geschäftsführer bei Lokomotive Moskau unter Vertrag.

Da er die Anforderungen für die Erteilung des Governing Body Endorsements nicht erfüllt hatte, musste letztendlich – auf Antrag des Clubs – ein von der Football Association bestimmtes dreiköpfiges Exceptions Panel über die Eignung und den sportlichen Wert des Trainers und damit darüber, ob dennoch ein Governing Body Endorsements erteilt werden sollte, entscheiden.

Exkurs Rechtslage in Österreich

Für britische Staatsbürger, die sich zum Zeitpunkt des EU Austritts rechtmäßig in Österreich aufgehalten haben, bestand bis zum 31. Dezember 2021 die Möglichkeit einen Aufenthaltstitel („Art 50 EUV“) zu beantragen. Diese Möglichkeit ist nun ausgelaufen. Britische Staatsbürger – die fortan wie andere Drittstaatsangehörige gelten – müssen nun aus den vorhandenen Aufenthaltstiteln, den für sie zutreffendsten auswählen. Für Sportler und Trainer ist hier insbesondere an die „Rot-Weiß-Rot Karte“ für sonstige Schlüsselkräfte zu denken.

Fazit

Vor dem Brexit war es für den Einzelnen angesichts der Arbeitnehmerfreizügigkeit sehr einfach einer Beschäftigung im Vereinigten Königreich nachzugehen. Jedenfalls mussten keine aufwändigen Verfahren zur Erlangung eines Aufenthaltstitels, einer Beschäftigungsbewilligung etc durchlaufen werden.

Welche Auswirkungen der Brexit auf die Sportwelt hat, zeigt der Fall Rangnick klar auf. Nunmehr ist die Rechtslage noch wesentlich komplexer geworden. Seit 1. Jänner 2021 ist bei einem Wechsel der sportlichen Erwerbstätigkeit in das Vereinigte Königreich die britische Rechtslage zu berücksichtigen. Eine Besonderheit ergibt sich hierbei vor allem im Profifußball: Die Football Association legt dabei (unter anderem gemeinsam mit dem britischen Innenministerium) nähere Regelungen fest, die determinieren, wann die geforderte Erklärung über die sportliche Qualifikation eines Spielers bzw Trainers abgeben werden darf („Governing Body Endorsement“) und sichert sich somit eine weitgehende Mitbestimmung in Immigrationsfragen.

Dass die berufliche Ausübung von Sport und die entsprechende Erteilung von Visa bzw Arbeitserlaubnissen in der Praxis immer wieder zu Schwierigkeiten führt, zeigt nicht zuletzt der brandaktuelle Fall von Novak Djokovic. Hier kommen zusätzlich auch noch Erschwerungen aufgrund der Corona-Krisensituation zu tragen, die grundsätzlich die Einreise- bzw Aufenthaltsbedingungen in Drittstaaten verkomplizieren.

Disclaimer: Wir haben die Recherchen nach unserem besten Wissen und Gewissen durchgeführt, möchten aber klarstellen, dass es sich hierbei um keine Rechtsberatung handelt und wir deshalb auch keine Haftung übernehmen können.

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Der „Brexit“ – (K)ein Eigentor für den englischen Fußball?

Gastbeitrag von Meinhardt Schweditsch

Die Bürger des Vereinigten Königreiches haben sich für einen Abschied aus der Europäischen Union entschieden. Nach dem Schlusspfiff durch das Volk wollen die Verantwortlichen der Europäischen Union keine Verlängerung. Nun stellt sich die Frage nach den Folgen eines möglichen Austrittes aus der EU (im Folgenden: „Brexit“) für die Legionäre, die in englischen Ligen ihr Geld als Fußballprofis verdienen oder verdienen wollen. Außerdem sind die Folgewirkungen für englische Profis, die in nicht britischen, europäischen Ligen spielen, näher zu beleuchten.

Das Thema kann in diesem Rahmen nicht abschließend diskutiert werden. Dennoch sollen drei Fragen in diesem Beitrag behandelt werden: Erstens die Frage, ob eine Grundaussage des Bosman Urteils – nämlich das Verbot von Ablösesummen (zum Beispiel das Verbot einer sog „Transferentschädigung“) nach Ablauf der vereinbarten Laufzeit des Vertrages – in England noch Gültigkeit haben wird. Zweitens, ob Profis aus den EU-Mitgliedstaaten weiterhin problemlos nach England wechseln können. Drittens die Frage, was ein „Brexit“ für vielversprechende ausländische Minderjährige bedeutet, die nach England transferiert werden sollen.

Das „Bosman-Urteil“

Das berühmte „Bosman-Urteil“, welches sich 2015 zum 20. Mal jährte, wurde vom EuGH gefällt. Fraglich ist deswegen, ob der Inhalt des Urteils bei einem „Brexit“ weiter anwendbar bleibt. Andernfalls können englische Klubs jedenfalls eine Ablösesumme für ausländische Spieler verlangen. Selbiges würde für Vereine der Union, die englische Spieler beschäftigen, gelten.

Englische Spieler werden künftig in der EU zur Gruppe der Drittstaatsangehörigen zu zählen sein. Die Folgen des „Bosman-Urteiles“ erstrecken sich laut dem Urteil auch auf Spieler aus Ländern, die mit der EU ein Assoziationsabkommen geschlossen haben, sofern sich dieses auf die Grundfreiheiten bezieht. (Streinz, Der Fall Bosman: Bilanz und neue Fragen, ZEuP 2005, 340 (347 f).)

Allerdings könnte es sein, dass England nach vollzogenem „Brexit“ vorerst gar kein vertragliches Verhältnis mit der EU hat. Dies würde bedeuten, dass die Ablösefreiheit nur aus dem FIFA-Reglement bezüglich Status und Transfer von Spielern (im Folgenden: FIFA-Transferregularien) abgeleitet werden könnte, da der englische Fußballverband (FA) der FIFA angehört. Dieses Reglement sieht den Vertrag zwischen Spieler und Verein als beendet an, sobald er ausgelaufen ist. Nachvertragsklauseln mit Sperren oder Ähnlichem sind nicht möglich. Bei triftigem Grund kann der Vertrag von Spielerseite vorzeitig aufgelöst werden ohne dass dieser Folgen befürchten muss. In beiden Fällen ist eine Ablösesumme nach diesen Regularien nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Zwei gegensätzliche Ansichten erscheinen vertretbar:

  1. Das umfassende Verbot von Ablösesummen bei Zeitablauf des Vertrages kann aus Art 14 FIFA-Transferregularien abgeleitet werden. Dieser besagt, dass die Partei, die den Vertrag aus triftigen Gründen vorzeitig löst, keine Sanktionen im Sinne von Entschädigungszahlungen und keine sportlichen Sanktionen erwarten soll. Ziel ist es, die Partei des Vertrages, die die Auflösung nicht verschuldet hat, zu schützen. Endet die vereinbarte Vertragslaufzeit, hat keine der beiden Parteien die Vertragsauflösung verschuldet. Demnach kann auch in einem solchen Fall argumentiert werden, dass keine der beiden Parteien Sanktionen befürchten soll. Insbesondere verbietet Art 14 FIFA-Transferregularien sog Entschädigungszahlungen. Der EuGH verbietet im Bosman-Urteil Transferentschädigungen. Eine Transferentschädigung ist eine Entschädigungszahlung und damit von Art 14 FIFA-Transferregularien erfasst. Dieses Verbot von Entschädigungszahlungen (zB Transferentschädigungen bzw Ablösen) kann also auf Verträge, die nach der vereinbarten Vertragsdauer enden, angewendet werden. In den Regelungen nationaler Verbände, wie dem ÖFB, kommt das des früheren Vereins bei einem Wechsel des Spielers nach Ablauf der vereinbarten Laufzeit des Vertrages klar zum Ausdruck (siehe § 22).
  2. Ist man gegenteiliger Ansicht, gilt das Ablöseverbot bei einem Vertrag dessen Laufzeit geendet hat, welches ursprünglich aus dem Bosman-Urteil abgeleitet wurde, nicht mehr. Englische Klubs können damit auch nach Zeitablauf des Vertrages Ablösesummen verlangen. Umgekehrt können auch europäische Klubs Ablösesummen für englische Spieler, die als Drittstaatsangehörige gelten, im Falle des Ablaufes der vereinbarten Vertragszeit verlangen. Dies liegt daran, dass bei einem „Brexit“ keine vertragliche Beziehung (z.B. Assoziationsabkommen) zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich besteht.

Transfers nur noch mit Arbeitserlaubnis möglich

Eine weitere problematische Tatsache ist, dass bei einem vollständigen „Brexit“ alle ausländischen Spieler, die nach England wechseln wollen, eine Arbeitserlaubnis benötigen würden. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit gilt dann nicht mehr. Das Erfordernis der Arbeitserlaubnis (sowie eines Visums) gilt bis dato nur für Drittstaatsangehörige. Transfers von Drittstaatsangehörigen sind derzeit nämlich nur dann möglich, wenn die Spieler eine gewisse Qualität vorweisen können. Die zu erfüllenden Qualitätskriterien sind dabei sehr hoch angesetzt, da sie an Länderspielteilnahmen in Verbindung mit der Weltrangliste der Nationen anknüpfen.

Je schlechter die Nation in der FIFA-Weltrangliste gereiht ist, desto mehr Länderspielteilnahmen muss der betroffene Spieler nachweisen, um den englischen Anforderungskriterien an eine Arbeitserlaubnis zu genügen. Der Beobachtungszeitraum beträgt dabei in der Regel zwei Jahre vor der Stellung des Antrages auf Arbeitserlaubnis. Diese strengen Regeln des englischen Innenministeriums, welche auf jene des nationalen englischen Fußballverbandes (FA) verweisen, würden bei einer vollständigen Loslösung von der EU nun auch für Spieler aus EU-Mitgliedstaaten zur Anwendung kommen. Das würde einen Wechsel nach England massiv erschweren. Davon ausgenommen sind allerdings jene Spieler aus EU-Ländern, die bereits in England tätig sind.  Für Minderjährige tritt eine besondere Erschwernis hinzu.

Transfers bei Minderjährigen

Grundsätzlich ist für Minderjährige Art 19 FIFA-Transferregularien anzuwenden. Sie dürfen international nur transferiert werden, wenn sie mindestens 18 Jahre alt sind. Bis dato konnte ein Transfer trotzdem stattfinden, sofern eine der folgenden Fälle vorliegt: Erstens, wenn die Eltern des betroffenen ausländischen Spielers den Wohnsitz im Land des neuen Vereins aus Gründen annahmen, die nichts mit dem Fußballsport zu tun haben. Zweitens, wenn der Wechsel innerhalb der EU oder innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) stattfindet. Bei einem Austritt Großbritanniens aus der EU trifft die zweite Alternative nicht mehr zu. Transfers würden dadurch massiv erschwert werden.

Fazit

Bei einem Austritt aus der Union und einem gleichzeitigen Beitritt in den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) wären die weiter oben beschriebenen Probleme mit einem Schlag entschärft. Der Grund liegt darin, dass Länder, die dem EWR beitreten, von der Arbeitnehmerfreizügigkeit profitieren. (Streinz, ZEuP 2005, 340 (347 f).)

Da das EWR-Abkommen jedenfalls mit einem Assoziationsabkommen gleichwertig ist, wäre auch die Rsp. des EuGH anwendbar und englische Spieler in der EU damit geschützt. Im Gegenzug würde die Grundfreiheit der Arbeitnehmerfreizügigkeit auch in England gelten. Zudem sind EWR-Staaten auch von der Ausnahmeregelung des Art 19 FIFA-Transferregularien erfasst.

Sollte Großbritannien jedoch den „Brexit“ vollziehen und nicht in den EWR aufgenommen werden, könnte das britische Innenministerium nur die Anforderungen an eine Arbeitserlaubnis verringern. Dies wäre politisch allerdings problematisch, weil andere Branchen dann ebenfalls eine solche Verringerung der Anforderungen an eine Arbeitserlaubnis einfordern würden. Eine Anpassung der FIFA-Transferregularien im Sinne einer „lex Britain“ als dritte Ausnahmeregelung des Art 19 ist eher denkbar. Das Problem der Ablösesummen müsste dann ebenfalls durch eine Anpassung der FIFA-Transferregularien gelöst werden.

 

Zum Autor:

Mag. Meinhardt Schweditsch ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz.

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