Schlagwortarchiv für: Olympische Winterspiele

Der Fall Valieva und die Ad Hoc Kammer des Internationalen Sportgerichtshofes

Für großes Aufsehen sorgt in diesen Tagen eine Entscheidung der Ad Hoc Kammer des Internationalen Sportgerichtshofes (Court of Arbitration for Sport – kurz: CAS) bei den Olympischen Winterspielen in Peking.

Kurzum: Die erst 15-jährige Eiskunstläuferin Kamila Valieva (Athletin des Russischen Olympisches Komitee – kurz: ROC) durfte trotz einer positiven Dopingprobe an weiteren Wettkämpfen teilnehmen. Dabei hielt die Ad Hoc Kammer des CAS allerdings fest, dass damit nur der vorläufige Ausschluss der Athletin von den Olympischen Spielen vom Tisch gewesen sei. Ob sie durch die positive A-Probe aber gegen den Welt-Anti-Doping-Code (Details dazu hier) verstoßen hat oder nicht, wird noch ermittelt. Kurios dabei: Einerseits wurde die A-Probe am 25.12.2021 abgegeben, das Ergebnis lag jedoch erst am 8.2.2022, und damit nach dem Sieg des ROC im Mannschaftswettbewerb im Eiskunstlauf, vor. Andererseits wird die Siegerehrung für diesen Bewerb nicht während der Olympischen Winterspiele stattfinden, sondern erst, wenn die Ermittlungen in dieser Causa abgeschlossen sind. Die internationale Presse und die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) kritisierten die Entscheidung des Panels um den Vorsitzenden Fabio Iudica und den Schiedsrichtern Jeffrey Benz und Dr. Vesna Bergant Rakočeviċ. Eine kleine Zusatzinfo: Valieva verpasste am letzten Donnerstag (17.2.2022) den Sprung aufs Podest beim Einzelwettbewerb der Damen und holte nur Blech. So kann diese Siegerehrung wenigstens noch in Peking stattfinden. Wäre Valieva auf dem „Stockerl“ gelandet, hätte auch diese Medaillenvergabe verschoben werden müssen.

Vor diesem Hintergrund stellen sich einige Fragen, darunter etwa: Was ist überhaupt ein Ad Hoc Schiedsgericht des CAS? Wann werden sie eingesetzt? Hier ein kurzer Überblick.

Die Ad Hoc Divisions des CAS

Der International Council of Arbitration for Sport (ICAS), das oberste Organ der CAS-Struktur und hauptsächlich zuständig für die Sicherstellung der Unabhängigkeit der Struktur und der Parteienrechte in den Schiedsverfahren, installierte im Zuge der Vorbereitung für die Olympischen Sommerspiele in Atlanta im Jahr 1996 die erste sog Ad Hoc Division. Deren Aufgabe war es, rechtliche Streitfälle während der Sportveranstaltung in maximal 24 Stunden endgültig zu entscheiden. Um dies zu gewährleisten, waren zwei Co-Präsidenten und 12 Schiedsrichter vor Ort, um im Falle des Falles Schiedspanels einzurichten und rasch (=ad hoc) Entscheidungen zu treffen. Dieses erstmalig eingesetzte (einfache, flexible und kostenlose) Sonderverfahren wurde von Teilnehmern in Atlanta sechs Mal in Anspruch genommen. Da sich der Einsatz der Ad Hoc Division bewährte, kam bei jeder Sommer- und Winterolympiade seit 1996, den Commonwealth Games seit 1998, den Europäischen Meisterschaften der UEFA seit 2000 und dem FIFA World Cup seit 2006 jeweils eine Ad Hoc Kammer zum Einsatz.

Rechtliche Grundlage

In der Schiedsordnung für die Ad-hoc-Abteilung des CAS für die Olympischen Spiele finden sich 23 Artikel, wobei die ersten beiden Artikel dabei die Anwendung der Bestimmungen, die Zuständigkeit des CAS und die Ad Hoc Kammer behandeln.

Artikel 1 – Anwendung der vorliegenden Regeln und Zuständigkeit des CAS

Zweck dieser Regeln ist es, im Interesse der Athleten und des Sports die schiedsrichterliche Beilegung von Streitigkeiten […] zu ermöglichen, soweit sie während der Olympischen Spiele oder während eines Zeitraums von zehn Tagen vor der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele entstanden sind. Wird ein Schiedsverfahren gegen eine Entscheidung des IOC, eines NOC, eines Internationalen Verbandes oder eines Organisationskomitees für die Olympischen Spiele beantragt, so muss der Antragsteller vor Einreichung eines solchen Antrags alle internen Rechtsbehelfe ausgeschöpft haben, die ihm nach den Statuten oder Vorschriften der betreffenden Sportorganisation zur Verfügung stehen, es sei denn, die zur Ausschöpfung der internen Rechtsbehelfe erforderliche Zeit würde die Berufung bei der Ad-hoc-Kammer des CAS rechtfertigen.“

Artikel 2 – Ad Hoc Kammer

Für den in Artikel 1 festgelegten Zeitraum errichtet der ICAS eine Ad-hoc-Kammer des CAS […], deren Aufgabe es ist, die von Artikel 1 erfassten Streitigkeiten durch ein Schiedsverfahren vor Panels beizulegen, die in Übereinstimmung mit den vorliegenden Regeln eingerichtet wurden. Die Ad-hoc-Kammer besteht aus Schiedsrichtern, die auf einer Sonderliste stehen, einem Präsidenten, einem Co-Präsidenten und einem Gerichtsbüro.“

Daneben werden unter anderem explizite Vorgaben über die Liste der Schiedsrichter, die Verfahrenssprache, die Inhaltserfordernisse eines Antrags einer natürlichen oder juristischen Person, die Bildung des jeweiligen Panels, die Unabhängigkeit und Qualifikation sowie die Disqualifikation und Abberufung von Schiedsrichtern, den Verfahrensablauf vor dem eingesetzten Panel, das Zeitlimit für das Panel hinsichtlich der zu treffenden Entscheidung, die sofortige Vollstreckbarkeit und den (grundsätzlichen) Rechtsmittelausschluss getroffen.

Fazit

Die Erfindung der Ad Hoc Kammern bei sportlichen Großereignissen bringt einerseits den Vorteil, dass in rechtlichen Streitigkeiten umgehend eine Entscheidung vorliegt und somit Verzögerungen vermieden werden. Andererseits kann dadurch bei den Schiedsrichtern großer Druck entstehen, dem sie sich aber wohl bereits vorher bewusst waren. Gerade der Fall der Eiskunstläuferin Valieva rückte bei der laufenden Winterolympiade in Peking in das Spotlight der Öffentlichkeit. Die dabei ergangene Entscheidung des zuständigen Panels war für viele unverständlich. ME ist sie aber in Anbetracht des Alters der Athletin, der notwendigen (!) Ermittlungen bezüglich der positiven A-Probe und den Auswirkungen bei einer möglichen (im Nachhinein) falschen Entscheidung durchaus vertretbar. Man stelle sich nur vor, man müsse dem russischen Toptalent im Eiskunstlauf nach Ende der olympischen Spiele erklären, sie wurde zu Unrecht von ihren Wettbewerben ausgeschlossen und sie müsse nun vier Jahre auf die nächste Olympiade warten. Da erscheint das gegenwärtige Ergebnis zwar unorthodox, doch muss ja nur eine Siegerehrung nachgeholt werden…

Bild: © Shutterstock/thodonal88
Stock-Foto ID: 398290300

Vannes Mae – Stargeigerin als Dirigentin organisierter Manipulation?

Der CAS hob die 4- jährige Sperre gegen Vanessa Mae auf. Ihre Teilnahme an den olympischen Spielen in Sotschi wurde jedoch nicht für gültig erklärt.

Viel Freude und auch Vergnügen bereiten „Exoten“ aus Ländern in denen der Skisport alles andere als verbreitet ist den Zusehern von olympischen Winterspielen. Weniger Freude bereitet es jedoch wenn diese Athleten, wie im Fall von Vanessa Mae, wohl nur durch Manipulation die notwendigen Voraussetzungen für ihre Teilnahme erbringen können.

 

Im Jänner 2014 wurden auf Anfrage von Maes Management vier Riesentorläufe im slowenischen Skiort Krvavec durchgeführt. Diese wurden vom thailändischen olympischen Komitee organisiert und waren Maes letzte Chance sich für die olympischen Winterspiele in Sotschi zu qualifizieren.  Mae erreichte auch die notwendige Punktezahl und durfte an der Olympiade teilnehmen. Dort wurde Mae, die mit dem Nachnamen ihres Vaters (Vanakorn) antrat,  mit 50 Sekunden Rückstand auf die Siegerin 67., mit elf Sekunden Rückstand auf Platz 66. Möglicherweise aus diesem Grund wurden die Rennen in Krvavec vom slowenischen Skiverband überprüft, welcher seine Ergebnisse an die FIS übermittelte.

 

In dem Bericht wurden Fälle von organisierter Manipulation festgestellt, so wurden unter anderem Zeiten von einer Athletin angegeben, die gar nicht an dem Rennen teilnahm, oder Zeiten absichtlich falsch gemessen.

 

Daraufhin wurde einerseits das Rennen vom FIS Hearing Panel für ungültig erklärt. Es lagen verschiedene Verstöße gegen die FIS BETTING AND OTHER ANTI-CORRUPTION VIOLATIONS RULES vor. Insbesondere  Verstöße gegen Artikel 3.2 (Manipulation von Ergebnissen), genauer gegen die Artikel 3.2.1. und 3.2.4. Durch mehrere Verletzungen von mehreren Sportlerinnen und Offiziellen war die FIS nach Artikel 8.4 des angesprochenen Regelwerks ermächtigt, die Rennen in Krvavec und sämtliche dort erworbenen Punkte etc.  für ungültig zu erklären. Da Mae ohne die dort erworbenen Punkte nicht die nötigen Voraussetzungen für einen Olympiastartplatz hatte, wurde auch ihre Teilnahme für ungültig erklärt. Dieser Teil der Entscheidung wurde vom CAS, der als Berufungsgericht fungierte,  auch aufgrund der Schwere der Verstöße, für richtig befunden.

 

Andererseits wurde gegen Mae selbst eine 4- jährige Sperre bezüglich sämtlicher FIS Rennen weltweit verhängt. Es wurden wiederum Verstöße gegen Artikel 3.2  der FIS BETTING AND OTHER ANTI-CORRUPTION VIOLATIONS RULES geltend gemacht. Mae wurde vorgeworfen, selbst die Manipulation der Ergebnisse angeordnet zu haben, um ihren Olympiastartplatz zu erschleichen. Die Grundlage für die Sperre findet sich in Artikel 8.1 des Regelwerkes. Dieser sieht vor, dass der Panel Sperren zwischen drei Monaten und einer lebenslangen Sperre aussprechen darf. Die genaue Höhe ist nach den folgenden Artikeln unter anderem von der Schwere der Tat und der Wirkung auf den Sport abhängig. In Maes Fall dürfte es auch eine Rolle gespielt haben, dass sie berühmt und vermögend ist. Man wollte wohl verhindern, dass weitere bekannte Persönlichkeiten ihren Reichtum nutzen, um an Olympia teilnehmen zu können und sprach daher eine relativ lange Sperre aus.

 

Dieser Teil der Entscheidung wurde jedoch vom CAS aufgehoben. Dies begründet das Gericht damit, dass „es keine zufriedenstellenden Beweise für eine Manipulation von Vanessa Vanakorn selbst finden konnte, die einen Schuldspruch und eine 4- jährige Sperre rechtfertigen können.

 

Mae dürfte also in der nächsten Saison wieder an FIS rennen teilnehmen. Es ist jedoch mehr als fraglich, ob sie nach den negativen Erlebnissen und den mäßigen Leistungen noch einmal bei einem offiziellen Rennen antritt (Alex Pammer, 8.7.2015).

 

Bild: © Shutterstock/thodonal88
Stock-Foto ID: 398290300