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Die Teilnahme an nationalen Meisterschaften

Nationale Sportverbände sehen oftmals gewisse Teilnahmevoraussetzungen bzw -beschränkungen an nationalen Meisterschaften vor. Mit der europarechtlichen Zulässigkeit von an die Staatsangehörigkeit anknüpfenden Teilnahmebeschränkungen an nationalen Meisterschaften im Amateuersport beschäftigte sich nun auch der Europäische Gerichtshof (EuGH).

Mit dieser Frage hatte sich der EuGH am 13. Juni 2019 in der Rechtssache C-22/18 (TopFit und Biffi) auseinanderzusetzen. Den Ausgangspunkt des Verfahrens bildet eine Klage von Herrn Biffi, einem italienischen Staatsangehörigen, welcher seit 2003 in Deutschland lebt und leidenschaftlicher Läufer ist. Grund für seine Klage war die Änderung der Leichtathletikordnung durch den Dachverband der Deutschen Leichtathletikverbände (DLV). Demnach wurde das Teilnahmerecht an deutschen Meisterschaften für alle drei Kategorien von Athleten (nämlich junge Athleten unter 20 Jahren, junge Athleten im Spitzensport und Senioren) auf deutsche Staatsangehörige beschränkt. Der italienische Staatsangehörige Biffi konnte daher nur mehr „außer Wertung“ bzw „ohne Wertung“ an den Meisterschaften teilnehmen.

Sämtliche Meisterschaften sind grundsätzlich offen für alle Athleten, die die deutsche Staatsbürgerschaft und ein gültiges Startrecht für einen deutschen Verein haben.

So der Wortlaut der strittige Regelung des § 5.2.1. der Leichtathletikordnung.

Vereinbarkeit mit dem Europarecht?

Bis 2016 enthielt die Leichtathletikordnung zudem eine Regelung, wonach auch EU-Bürger unter bestimmten Voraussetzungen teilnahmeberechtigt waren. Diese Regelung wurde am 17. Juni 2016 ersatzlos aufgehoben. Fraglich war im gegenständlichen Fall daher, ob eine derartige Teilnahmebeschränkung an nationalen Meisterschaften auf deutsche Staatsbürger mit den Art 18 AEUV (Diskriminierungsverbot aufgrund der Staatsangehörigkeit), Art 21 AEUV (Unionsbürgerschaft) und Art 165 AEUV (Allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport) vereinbar ist.

  • Art 18 AEUV: Unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge ist in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.
  • Art 21 AEUV: Jeder Unionsbürger hat das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten.
  • Art 165 AEUV: Die Union trägt zur Entwicklung einer qualitativ hoch stehenden Bildung dadurch bei, dass sie die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten fördert und die Tätigkeit der Mitgliedstaaten unter strikter Beachtung der Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Lehrinhalte und die Gestaltung des Bildungssystems sowie der Vielfalt ihrer Kulturen und Sprachen erforderlichenfalls unterstützt und ergänzt. Die Union trägt zur Förderung der europäischen Dimension des Sports bei und berücksichtigt dabei dessen besondere Merkmale, dessen auf freiwilligem Engagement basierende Strukturen sowie dessen soziale und pädagogische Funktion.

Sport als gesellschaftlicher Faktor

Der EuGH hebt hervor, dass sich aus der Zusammenschau der Art 21 und 165 AEUV ergebe, dass die Ausübung eines Amateursports, insbesondere in einem Sportverein, dem Unionsbürger, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist als in dem, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, ermöglicht Verbindungen zur Gesellschaft des Mitgliedstaat aufzubauen oder diese zu festigen. Dies gilt grundsätzlich für die Beteiligung an Sportbewerben jeglichen Niveaus.

Unterliegen Regelungen nationaler Sportverbände dem AEUV?

Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (kurz AEUV) ist zweifelsohne auf Regelungen staatlichen Ursprungs (zB Gesetze) anwendbar. Es stellte sich die Frage, ob auch Regelungen nationaler Sportverbände (hier: Leichtathletikordnung) den Vorschriften des AEUV unterliegen. Dabei verweist der Gerichtshof auf seine ständige Rechtsprechung, wonach die Achtung der Grundfreiheiten und das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit auch für Regelungen nicht öffentlich-rechtlicher Art gelten, die zur kollektiven Regelung unselbständiger Arbeit und der Erbringung von Dienstleistungen dienen (siehe zB die sportrechtlich relevanten Fälle Walrave und Koch, Bosman oder auch Olympique Lyonnais). Daraus folgt, dass auch die strittige Regelung der deutschen Leichtathletikordnung als privatrechtliche Vereinbarung am Maßstab des AEUV zu messen ist. Sohin hatte der EuGH deren Vereinbarkeit mit den europarechtlichen Vorschriften zu prüfen.

Keine Rechtfertigung ersichtlich

Derartige Regelungen – wie die im Ausgangsverfahren fragliche – können die Ausübung von Amateursport für Unionsbürger weniger attraktiv machen und stellen infolgedessen eine Beschränkung der Freizügigkeit im Sinne des Art 21 AEUV dar. Beschränkungen können gerechtfertigt sein, wenn sie auf objektiven Erwägungen beruhen und in einem angemessenen Verhältnis zu dem mit den betreffenden Regelungen legitimerweise verfolgten Zweck stehen.

Die Verleihung des nationalen Meistertitels in einer bestimmten sportlichen Disziplin (hier im Laufen) einem nationalen Staatsangehörigen vorzubehalten, scheint erstmals legitim. Das nationale Element kann nämlich als charakteristisches Merkmal einer nationalen Meisterschaft angesehen werden. Dennoch müssen die Beschränkungen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Der Deutsche Leichtathletikverband brachte vor, dass die Bestimmung des nationalen Meisters dazu diene, den Athleten auszuwählen, der das Land bei internationalen Meisterschaften wie Europameisterschaften vertreten soll. Zudem sei es nicht möglich, nach Altersklassen zu unterscheiden und Senioren von den Regelungen auszunehmen, welche für junge Menschen unter 20 Jahren und den Spitzensport gelten.

Dem EuGH zufolge beruht keiner der vorgebrachten Rechtfertigungsgründe auf objektiven Erwägungen. Denn Athleten der Kategorie „Senioren“ (anders als im Spitzensport) können unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit an internationalen Meisterschaften (zB Europameisterschaften) teilnehmen, wenn sie nur Mitglied eines zum DLV gehörenden Vereins sind und die Leistungskriterien erfüllen. Darüber hinaus gibt es auch keine Notwendigkeit einheitlicher Regelungen für alle Altersklassen.

Im Ergebnis stehen die Art 18, 21 und 165 AEUV einer Regelung eines nationalen Sportverbandes entgegen, wonach ein Unionsbürger, der Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaat und seit vielen Jahren in dem Mitgliedstaat ansässig ist, nicht wie Staatsangehörige des Mitgliedstaats in dieser Disziplin an nationalen Meisterschaften oder nur „außer Wertung“ bzw „ohne Wertung“ teilnehmen kann, ohne Zugang zum Endlauf zu haben und ohne den nationalen Meisterschaftstitel erlangen zu können.

Fazit

Teilnahmebeschränkungen an Sportveranstaltungen – wie im hier vorliegenden Fall – widersprechen wohl in den meisten Fällen europarechtlichen Vorgaben. Es sei denn, die Teilnahmebeschränkung ist durch objektive Erwägungen gerechtfertigt, welche in einem angemessenen Verhältnis zu einem legitimerweise verfolgten Zweck stehen. Dies zu beurteilen ist grundsätzlich Sache des vorlegenden nationalen Gerichts. Es obliegt den Sportverbänden oder Veranstaltern von Meisterschaften angemessene Regelungen (insbesondere zur Sicherung eines geordneten Wettkampfs) zu treffen. Diese dürfen jedoch nicht über das zur Erreichung des verfolgten Zweckes Erforderliche hinausgehen (siehe die ebenfalls sportrechtlich bedeutenden Fälle Deliège und Lehtonen).

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Eine notwendige Diskriminierung

Wieviel Testosteron verträgt der weibliche Wettkampf? Der Einspruch der südafrikanischen Olympiasiegerin und Weltmeisterin über 800 Meter Caster Semenya wurde vom Internationalen Sportgerichtshof (CAS) abgelehnt. – Ein Urteil zwischen Diskriminierung und Notwendigkeit.

In einer kürzlich ergangenen Entscheidung des obersten Sportgerichtshofs CAS, hatte sich dieser mit den sogenannten Testosteron-Grenzwert-Regelungen des Leichtathletik Weltverband IAAF zu beschäftigen. Dabei handelt es sich um eine Regelung, die den maximalen Wert an Testosteronen im Körper von Frauen in eingeschränkten Wettbewerben festlegt. Darunter fallen sämtliche internationale Läufe von 400 Meter bis 1609 Meter. Eben diese Regelung veranlasste die südafrikanische Ahtletin Caster Semenya und den südafrikanischen Leichtathletikverband (ASA) zur Klage gegen den Internationalen Leichtathletik Verband (IAAF).

 

Anlass und Inhalt der Regel

Ein von der IAAF eigens in Auftrag gegebenes Gutachten belegte, dass es in den Lauf-Disziplinen 400 Meter, 400 Meter Hürden, 800 Meter und 1500 Meter sowie der Meile – kurz: eingeschränkte Wettbewerbe – zu einem Vorteil für hyperandrogene Frauen kommt. Hyperandrogenämie bedeutet eine erhöhte Androgenproduktion, die wiederum die Ausbildung sekundärer Geschlechtsmerkmale wie etwa die Muskelentwicklung bedingen. Androgene werden u.a. in den Eierstöcken der Frau produziert.

„Die jüngste Forschung, die wir durchgeführt haben, und Daten, die wir zusammengetragen haben, zeigen, dass es einen Leistungsvorteil bei weiblichen Sportlerinnen mit DSD über die von dieser Regel abgedeckten Streckenabstände gibt“. – Dr. Stephane Bermon (IAAF Medical and Science Department)

Der Fall Chand im Jahr 2014 führte zur Neuregelung

Bereits im Jahre 2014 wurde der CAS durch die indische Sprinterin Dutee Chand mit der von der IAAF eingeführten Regel über einen Grenzwert von dazumals noch 10 Nanomol pro Liter beschäftigt. Dabei hatte der CAS festgestellt, dass das Hormon Testosteron die Hauptursache für die Zunahme der Muskelmasse bei Männern während der Pubertät ist und dass dies männlichen Athleten einen sportlichen Vorteil gegenüber weiblichen Athleten verschaffte. Dies führte zu einer Neuregelung und schließlich zur Neuformulierung der DSD-Regelung.

Neuregelung der DSD-Bestimmungen

Die mit 1. November 2018 geltenden neuen Bestimmungen schreiben vor, dass jede Athletin, mit unterschiedlicher Geschlechtsentwicklung (DSD), das heißt:

  • der Testosteronspiegel (im Serum) fünf (5) nmol / Liter oder mehr beträgt,
  • und Androgen sensibel,

folgende Kriterien für die Teilnahmeberechtigung an eingeschränkten Wettbwerben zu erfüllen hat:

(a) Sie muss entweder als weiblich oder als intersexuell (oder gleichwertig) gesetzlich anerkannt sein
(b) sie muss ihren Blut-Testosteronspiegel für einen kontinuierlichen Zeitraum von mindestens sechs Monaten auf unter fünf (5) nmol / l reduzieren (z. B. durch Verwendung hormoneller Kontrazeptiva); und
c) danach muss sie ihren Blut-Testosteronspiegel kontinuierlich unter fünf (5) nmol / l halten (unabhängig der Teilnahme an Wettbewerben), solange sie als geeignet für die Teilnahme gelten will.

Der IAAF als Hüter des fairen Wettbewerbs

Begründet wird die Vorgehensweise unter anderem auch damit, dass die meisten Frauen (einschließlich der weiblichen Spitzensportlerinnen) einen niedrigen Testosteronspiegel (0,12 bis 1,79 nmol / l im Blut) haben.

„Wir möchten, dass Athleten Anreize erhalten, das große Engagement und die Opferbereitschaft zu leisten, die für eine hervorragende Leistung des Sports erforderlich sind, und neue Generationen dazu zu bringen, sich dem Sport anzuschließen und dieselbe Exzellenz anzustreben.“ – IAAF Präsident Sebastian Coe


„[…] als internationaler Verband haben wir die Verantwortung, gleiche Bedingungen für Athleten zu gewährleisten. Wie bei vielen anderen Sportarten wählen wir zwei Kategorien für unseren Wettbewerb: Herren- und Frauen-Veranstaltungen. Dies bedeutet, dass wir uns über die Wettbewerbskriterien für diese beiden Kategorien im Klaren sein müssen. Unsere Beweise und Daten zeigen, dass Testosteron, entweder natürlich produziert oder künstlich in den Körper eingeführt, signifikante Leistungsvorteile für Sportlerinnen bietet. Bei den überarbeiteten Regeln geht es nicht um Betrug, kein Sportler mit DSD hat betrogen, es geht darum, die Wettbewerbsbedingungen zu verbessern, um einen fairen und sinnvollen Wettbewerb im Leichtathletiksport zu gewährleisten, bei dem der Erfolg eher durch Talent, Engagement und harte Arbeit als durch andere Faktoren bestimmt wird[..]” – IAAF Präsident Sebastian Coe

Demzufolge wird eine Athletin, die an einem internationalen Wettbewerb teilnimmt und über den besagten 5 Nanomol (Vermutung bereits ausreichend!) liegt, aktiv dazu veranlasst ihren Testosteronwert „innerhalb einer durchgehenden Periode“ von mindestens sechs Monaten auf unter fünf Nanomol pro Liter senken. Und dies notfalls auch durch die Einnahme hormoneller Verhütungsmittel. Ein Eingriff in den besonders sensiblen Bereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Athletin scheint naheliegend. Vor allem treten die beiden Grundbedingungen des Sports, einerseits niemanden zu diskriminieren und andererseits jedem die gleichen Chancen zu ermöglichen, zueinander in Konkurrenz.

Antritt in der Männer-Wertung?

Sportlerinnen, die ihren Testosteronspiegel nicht senken möchten steht es offen an Wettbewerben teilzunehmen, die entweder nicht unter die eingeschränkten Wettbewerbe fällt, oder eben rein national organisiert sind. Es gibt auch die Möglichkeit an Wettbewerben teilzunehmen, die eigens für intersexuelle Athletinnen organisiert werden.

Zusätzlich steht es ihnen sogar offen, an der männlichen Wertung teilzunehmen, was angesichts der vorherrschenden Kategorisierungen als eher grotesk wirkt.

CAS bestätigt das Regelwerk des IAAF

Der oberste Gerichtshof in Sportangelegenheiten entschied nach monatelanger Anhörungen von Gynäkologen, Genetikern, Statistikern, Ärzten und weiteren Experten, dass es sich bei den DSD-Bestimmungen zwar um eine Diskriminierung handle, eine derartige Diskriminierung jedoch als „notwendig, angemessen und verhältnismäßig“ zu betrachten sei, wenn damit das höhere Ziel „die Integrität der Frauen-Leichtathletik“ geschützt werde.

Aus der legitimen Trennung zwischen männlichen und weiblichen Athleten folgt zwangsläufig die Notwendigkeit, für objektive, faire und wirksame Teilnahmebedingungen innerhalb dieser zwei Kategorien zu sorgen. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass das legale Geschlecht nicht immer als ausreichendes Mittel zur Bestimmung der Kategorie dient. So ist es die Humanbiologie, die letztendlich bestimmt, welche Personen über die körperlichen Merkmale besitzen, aus denen sich ein unüberwindlicher Vorteil ergibt. Wenn der Zweck der Frauenkategorie darin besteht, eben diesen körperlichen Vorteil männlicher Athleten zu verhindern, erscheint die DSD-Regelung als notwendige Verteidigung dieser Kategorisierung.

Aufgrund der Tatsache, dass die in den Regelungen geforderte Grenze von fünf Nanomol pro Liter durch konventionelle Kontrazeptiva erreicht werden kann, liegt auch keine unverhältnismäßige Maßnahme zur Wahrung der Integrität der Frauen-Leichtathletik vor.

Dennoch äußern die Richter Bedenken bei der Umsetzung sowie Einhaltung der DSD-Bestimmungen unter Verweis auf die in weniger als 6 Monaten beginnende WM in Doha/Katar. Auch wird auf potentielle Fehler bei der Überprüfung der Einhaltung der Vorschriften hingewiesen. Insbesondere bei unbeabsichtigten und unverschuldeten Verstößen.

Am Ende der 165 Seiten starken Entscheidung wird Frau Caster Semenya nochmals ausdrücklich für ihre vorbildliche Verhaltensweise und persönliche Beteiligung während des gesamten Verfahrens gedankt. Frau Semenya hat sich weder falsch verhalten, noch gegen eine Regel verstoßen.

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Der schwierige Kampf gegen das Doping

Es ist schon wieder etwas passiert. Bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Peking wurden die kenianischen Läuferinnen Koki Manunga (400 m Hürden) und Joyce Zakary (400 m) suspendiert. Die ARD und die Sunday Times sprachen nach Prüfung von 12.000 Proben von 5.000 Athletinnen und Athleten von möglichen 800 Dopingfällen. In Österreich würde das mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe bestraft.

1993 hatten die mit Anabolika gedopte Sprintstaffel rund um Andreas Berger mit Franz Ratzenberger, Thomas Renner und Gernot Kellermayr relativ gesehen Glück. Sprinter Elmar Lichtenegger, Läuferin Susanne Pumper, Triathlethin Lisa Hüttahler und die Radfahrer Bernhard Kohl und Christian Pfannberger ebenfalls. Sie alle hatten Glück, „nur“ von der Natinalen Anti-Doping Agentur (NADA) gesperrt zu werden. Denn seit 1. Jänner 2010 ist Doping im § 147 StGB als schwerer Betrug definiert, gemäß Absatz 3 drohen, wenn die „Tat einen 50 000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt“ eine „Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren“. Das geht deutlich und doppelt so weit über die Maximalstrafe von fünf Jahren hinaus, die das Anti-Doping Bundesgesetz 2007 (ADBG 2007) für den Besitz, Handel und Weitergabe vorsieht. Die Straftatbestände sind im § 22a ADBG 2007 idgF geregelt und die Maximalstrafe ergibt sich aus § 22a (5) iVm (4): Fünf Jahre drohen, wenn die Straftat innerhalb der letzten zwölf Monate mindestens drei Straftaten im Sinne des § 22a begangen hat und die Wahrscheinlichkeit auf wiederkehrende Begehung der Straftat besteht der wenn es sich um Minderjährige handelt. Zudem muss eine gewisse Menge vorliegen.

Die strafrechtliche Verfolgung von Doping ist aber umstritten. Denn zunächst ist es so, dass im globalisierten Sport nationale Gesetze ohnehin wenig wirkungsvoll sein können. Wenn Land A hart sanktioniert und Land B nicht, dann ergibt sich eine Schieflage. Hinzu kommt, dass sich Staaten auch im „Krieg gegen Drogen“ nicht unbedingt geschickt anstellen. Besitz und Weitergabe illegaler Substanzen ist schwierig zu sanktionieren und sehr teuer. In den USA sind beispielsweise drakonische mandatory minimum sentences auch für erstmalig mit geringen Mengen von Drogen erwischten Straftäter*innen keine Abschreckung. Sie überfüllen hauptsächlich Gefängnisse und kosten den Staat nur Unmengen an Geld. Wie anders wäre es zu erklären, dass Cannabis in den letzten Jahren nach und nach den Weg in die Legalität findet?

Zudem ist, wie die FAZ bereits vor zwei Jahren anmerkte, Doping bzw. Leistungsoptimierung oder Normierung kein genuin sportliches Problem: „Hochleistungssport fügt sich der Maxime der Leistungssteigerung. Man greift allenthalben zu Arznei- und Suchtmitteln, um Leistungen zu verbessern, physische oder psychische Schwächen zu beseitigen. Unter ADHS leidende Schüler erhalten Ritalin. Viele Schüler und Studierende bereiten sich mit „Brain Boosters“ auf Prüfungen vor.“ Dabei ist auch durchaus die Unterscheidung zwischen Weitergabe und Eigendoping zu unterscheiden. Die FAZ schlussfolgerte, dass der Ball eher den Sportverbänden zugespielt werden sollte.

Die verpflichten sich der Weltantidopingorganisation WADA und den nationalen Antidopingagenturen. Aber auch hierbei gibt es Kritik und rechtliche Probleme. Nachdem Spitzensportler*innen quasi Tag und Nacht für allfällige Dopingkontrollen zur Verfügung stehen müssen, ergeben sich Interferenzen mit Grundrechten, etwa dem Artikel 8 der EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens). Sportler*innen verschiedenster Disziplinen, von der Fußballergewerkschaft FIFPro bis zu Ruderern und Tennispielern, fühlen sich durch die ständige Verfügbarkeit in ihren Rechten eingeschränkt – auch wenn das Internet kurzfristige Änderungen im Tagesablauf mittlerweile zulässt.

Dabei hat man sich noch nicht einmal zu einem Kernproblem des Dopings vorgearbeitet. Denn Sport an sich wird von Nationen sehr gerne als Selbstdarstellungsform gewählt. Legendär in dem Zusammenhang die Vorgänge in der DDR, aber je mehr Zeit vergeht, desto mehr gibt es Offenlegungen und Berichte über systematisches staatliches Doping in vielen auch weltpolitisch relevanten Nationen.

Es ist letztlich weniger eine juristische, denn eine moralische Frage, ob Sportler*innen dopen oder nicht. Hohe Strafen haben schließlich noch kaum jemanden davon abgehalten, eine Straftat zu begehen. Sportler*innen, Funktionäre und Medien tragen sicherlich dazu bei, dass im Streben nach höher, schneller und weiter gedopt wird. Letztlich sind aber auch die Konsument*innen in die Pflicht zu nehmen. Diese lechzen nach immer mehr Wettkämpfen und ergötzen sich an immer außergewöhnlichen Leistungen und üben Druck aus. Immer wieder berichten zudem Sportler*innen, dass heutzutage, etwa im Skifahren oder im Tennis, nur noch die absolute Weltelite reich werden kann. Ab Rang 20 wird es schwierig. Auch im Fußball reichen 15 Profijahre nur noch in den vielleicht zehn Topligen aus, um viel Geld zu verdienen. Ob in dem Zusammenhang die neuen Dopingregeln, die international seit Anfang 2015 gelten, mehr Durchschlagskraft haben, muss dahin gestellt werden.

Ob zwei statt vier Jahre Sperre bei einem Dopingvergehen, drohende wirtschaftliche Bestrafung durch Entzug von Förder- und Sponsorengeldern sowie strafrechtliche Verfolgung in manchen Staaten Doping wirklich bekämpfen werden können, bleibt offen. Das zeigen die jüngsten Ereignisse.

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