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Vergabe von Sportgroßveranstaltungen – Zwischen Licht und Schatten

Angespannte Gesichter, eine elektrisierende Stimmung, tobende Menschenmengen – dies und vieles mehr machen den Reiz, besser gesagt das Phänomen von Sportgroßveranstaltungen aus. Hinter dem sportlichen und eventmäßigen Charakter versteckt sich jedoch ein komplexes Organisations- und Vergabesystem, welches, vor allem im Rahmen der soeben abgeschlossenen Olympischen Spiele in Tokio und der kommenden Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar, immer wieder ins Rampenlicht der Medien gerückt ist. Läuft bei der Vergabe auch wirklich immer alles korrekt ab? Wie transparent sind die dahinterstehenden Systeme? Wer profitiert von jenen? Und wie kommt es überhaupt zu solch immer lauter werdenden Vorwürfen von Unregelmäßigkeiten?

Um diese Fragen beantworten zu können und ein besseres Verständnis für die dahinterstehende Problematik zu entwickeln, lohnt es sich einen genaueren Blick auf das jeweilige Vergabeverfahren selbst zu werfen. So soll in diesem Artikel die Vergabe der Olympischen Spiele etwas genauer beleuchtet werden.

Die Vergabe der Olympischen Spiele

Trotz des im Vordergrund stehenden sportlichen Gehaltes hatten die Olympischen Spiele immer wieder mit Skandalen zu kämpfen. Ein medial breit diskutierter war hierbei jener im Zuge der Vergabe der Olympischen Spiele 2002 an Salt Lake City, als erstmals nachgewiesen wurde, dass eben auch solch eine sportliche „Megaveranstaltung“ nicht immun gegen Korruptionsskandale ist. Damals ging durch einen von der IOC-Ethikkommission veröffentlichten Bericht hervor, dass sich mindestens 24 IOC-Mitglieder (Internationales Olympisches Komitee) bei der finalen Vergabe vom Bewerbungskomitee der Stadt Salt Lake City bestechen lassen hatten. Als Antwort auf diesen Skandal etablierte das IOC ein mehrstufiges Prozedere als Strukturreform, um die Vergabe der Olympischen Spiele transparenter, nachvollziehbarer und vor allem auch so zu gestalten, dass etwaige Korruptionsversuche im Keim erstickt werden. Dieses Prozedere entwickelte sich über die Jahre zum „4-Stufen-Prozess“, der auch heute noch gilt.

Wishing City Phase

Die erste Stufe wird hierbei als „Wishing City“-Phase bezeichnet. In jener haben sich zunächst im Rahmen eines rein nationalen Vorauswahlverfahrens die einzelnen Bewerber gegeneinander durchzusetzen. Das jeweilige nationale olympische Komitee entscheidet dann, welche innerstaatliche Stadt/Region als Kandidat ins Rennen geschickt wird. Mit jener Entscheidung tritt das jeweilige nationale olympische Komitee an das IOC heran und beurkundet offiziell ihr Interesse für den Zuschlag der Olympischen Spiele kandidieren zu wollen.

Apllicant City Phase

Die zweite Phase wird als „Applicant City“-Phase beschrieben, in welcher eine Nominierungskommission (bestehend aus IOC Mitgliedern und externen Experten) im Rahmen eines Auswahlprozesses (sehr rudimentär und beschränkt auf die wichtigsten Faktoren) entscheidet, welche Bewerber nun den offiziellen Kandidatenstatus erhalten. Jene offiziellen Kandidaten haben dann in einem weiteren Schritt 150.000 Dollar als erste Bewerbungsgebühr an das IOC zu bezahlen. Diese Gebühr enthält noch keine Zuschlagsgarantien und soll lediglich die administrativen Ausgaben hinter dem Vergabeprozess decken. Das sich hierbei mit allen Kandidaten zusammengerechnet eine beträchtliche Summe ergibt, bildet einen ersten Kritikpunkt am Vergabeverfahren des IOC. Neben der Gebühr sind noch eine Reihe von Bewerbungsdokumenten bereitzustellen. Diese Dokumente dienen der holistischen Erst-Analyse der jeweiligen Kandidaten. Das Exekutivkomitee entscheidet anhand jener Dokumente, welche Bewerber in die dritte, nämlich in die „Candidate City“-Phase gelangen.

Candidate City Phase

In jener befinden sich meist nur noch wenige Bewerber, die im Rahmen dieser dritten Stufe ein „Bid-Book“ zu erstellen haben – übersetzt: ein sogenanntes Bewerbungsbuch. In jenem sind nun alle für die Bewerbung relevanten Informationen, Stärken, Schwächen, Risiken etc. genauestens darzulegen. Seit Einführung des Vergabeverfahrens hat sich das Bid-Book zu einem immer größer werdenden Instrument entwickelt und wurde letztendlich wegen dieses Übermaßes an Information kritisiert. Neben allerlei Informationen zu Dopingkontrollen, medizinischer Betreuung, Verkehr, Infrastruktur etc. müssen jene Bewerbungsunterlagen ebenso rechtliche als auch finanzielle Zusagen inkludieren, die im Falle eines Vergabe-Zuschlages garantiert werden. Dass dies keine bloße Formalität darstellt, zeigt das Faktum, dass es hierbei meist um Themen wie Steuerfreiheit, Ausfallshaftungen, bzw. generell Haftungen, Garantien, Bürgschaften und Datenschutz geht. In der Vergangenheit ging dies so weit, dass aufgrund der Vergabe der Olympischen Spiele in gewissen Austragungsländern sogar bestehende Gesetze geändert werden mussten. Dieses hohe Maß an Zugeständnissen aber auch die Macht, die dem IOC gewährt wird, bildet einen der Hauptkritikpunkte bei der Vergabe solcher „Megaveranstaltungen“. Letztlich kommt es nach Abgabe und einer detaillierten Beurteilung der Bewerbungsunterlagen iSd Bid Books durch das Exekutivkomitee und eine eigens hierfür eingerichtete Evaluierungskommission, zur Entscheidung welcher Kandidat den Zuschlag erhält. Sind es mehrere Kandidaten, die es bis zu dieser Stufe schaffen, wird solange abgestimmt bis nur noch zwei Austragungsorte im Pool sind. In der abschließenden Abstimmungsrunde erhält letztendlich der Kandidat mit den meisten Stimmen den finalen Zuschlag.

Host City Contract Phase

Damit ist auch die vierte und letzte Phase eingeläutet, nämlich die „Host City Contract“-Phase in welcher der Vertrag unterschrieben wird und die offizielle Vorbereitungsphase auf die Olympischen Spiele beginnt. Dies muss in der Regel zumindest sieben Jahre vor Start der jeweiligen Spiele der Fall sein, um genügend Vorbereitungszeit zu ermöglichen.

Widerstand an diesem langwierigen und aufwendigen Prozess gibt es oftmals von Bürgerbewegungen, Verbänden oder Bewerbern, die aus dem Vergabeprozess herausfallen. Der Grund hierfür ist unter anderem auch, dass in den letzten Jahrzehnten die Vorbereitungs- und Austragungskosten exponentiell gestiegen sind. Als Antwort darauf präsentierte das IOC im Jahr 2018 eine Reform der Vergabe und Ausgestaltung der Olympischen Spiele, die zu einer Flexibilisierung des Bewerbungsprozesses, Vereinfachung der Maßnahmen und generell zur Kostenminimierung führen soll.

Vergabe von Sportgroßveranstaltungen als „black box“

Die Kritik, die sich durch oder trotz dieser Vergabeverfahren weiterhin ergibt, liegt zusammengefasst darin, dass nach wie vor informelle Abläufe, unbekannte Binnenstrukturen, eine fehlende staatliche Rahmengesetzgebung und nicht ganz durchschaubare Vergabekriterien zum Zuschlag führen. In der Literatur wird daher bei der Vergabe von Sportgroßveranstaltungen oftmals von einer „black box“ gesprochen. Hinzu kommt, dass in mehreren Stufen des Vergabeprozesses immer wieder dieselben Funktionäre stimmtragend sind. So sitzen oftmals auch jene Funktionäre, die in den Vorauswahlstufen mitentscheiden, ebenso in der Session (Gesamtgremium des IOC) und haben somit einen großen Einfluss auf das Endresultat der Vergabe. Im schlimmsten Falle können sie ein, von sich aus antizipiertes Vergaberesultat von Anfang an in eine bestimmte Richtung lenken. Dieser Prozess, obwohl nach außen hin als transparent kommuniziert, macht die Vergabe für eine Beeinflussbarkeit iSd Bestechung oder Korruption besonders anfällig.

Strafrechtlich betrachtet bleibt vieles jedoch im Dunkeln. Zwar reagierte die Schweiz, in der das IOC ihren Sitz als nichtstaatliche private Organisation in der Rechtsform eines Vereines hat, 2016 mit der Verabschiedung eines eigenen Strafbestandes, der sogenannten „Lex FIFA“. Das Ziel dahinter war es, aggressiver gegen aktive und passive Privatbestechung vorzugehen. Nichtsdestotrotz bleibt dies ein Tropfen auf dem heißen Stein. Auf internationaler Ebene sind die einschlägigen Abkommen zu zahnlos bzw. fehlen rechtsverbindliche Standards überhaupt. So bleibt den internationalen Sportverbänden eine fast uneingeschränkte Freiheit und Gestaltungsmacht überlassen. Und auch wenn es immer wieder Rufe und eigene Bemühungen von Seiten der internationalen Sportverbände in Richtung Aufarbeitung und mehr Transparenz gibt, sollte man eine Sache bei dieser Diskussion nie aus den Augen verlieren: Für die großen internationalen Sportverbände rechnet sich nicht nur das Geschäft, das sie betreiben – sondern vor allem die Art, wie sie es betreiben.

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IOC-Entscheidung deckt Doping-Unzulänglichkeiten schonungslos auf

Gastbeitrag von David Müller

Der Umgang des Internationalen Olympischen Committees (IOC) mit den massiven Missständen, welche die unabhängigen Ermittler der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) in den letzten Monaten aufgedeckt haben, hat die strukturellen Mängel des derzeitigen Anti-Doping Systems einmal mehr offenbart.

Über die Forderung der WADA und zahlreicher Anti-Doping Organisationen nach einem kollektiven Ausschluss der russischen Delegation bei gleichzeitiger eingehender Evaluierung, welche Sportlerinnen und Sportler trotzdem zu den Olympischen Spielen Rio 2016 zugelassen werden können, kann man sowohl aus juristischer als auch aus moralischer Sicht geteilter Meinung sein.

Tatsache ist, dass durch das fehlende Leadership des IOC die Verantwortung auf die Internationalen Fachverbände abgewälzt und eine einheitliche Vorgangsweise unterbunden wurde. Spannend wird zudem, wie der Internationale Sportgerichtshof (CAS) den Ausschluss bereits einmal gesperrter Sportlerinnen und Sportler bewertet, zumal dies ja bereits vor Jahren als rechtwidrig erkannt wurde. Gut möglich, dass sich die damit implizierte Bestrafung der Whistleblowerin Julia Stepanow für das IOC als schadensersatzrelevanter Bumerang erweist.

Schutz der sauberen Sportlerinnen und Sportler

Letztendlich sind all diese Fragen aber nur von nachrangiger Bedeutung. Um die sauberen Sportlerinnen und Sportler tatsächlich wirkungsvoll zu schützen, bedarf es einer ganzen Reihe an gravierenden Änderungen im Sportsystem und in der Anti-Doping Arbeit. Da eine ausführliche Behandlung aller kurz-, mittel- und langfristigen Ansätze und Ideen, die an anderer Stelle ausführlich dargelegt sind, den Rahmen dieses Beitrages sprengen würden, werden nachfolgend einige der zentralen Forderungen angeführt. 

Unabhängigkeit ist der Schlüssel zum Erfolg

Die repressive Anti-Doping Arbeit in Form von Dopingkontrollen, Ermittlungstätigkeiten, Analysen und Anti-Doping Verfahren kann nur funktionieren, wenn sie von völlig unabhängigen Instanzen durchgeführt wird. In keinem anderen Wirtschaftsbereich wird akzeptiert, dass diejenigen, die ein Produkt verkaufen, gleichzeitig auch dessen Qualität bewerten. Beim „Hochglanzprodukt Sport“ sind die Produzenten aber nicht nur für die Qualitätskontrollen in Form von Dopingproben zuständig, sie entscheiden im Falle eines Verdachtes auf einen Verstoß auch über mögliche Sanktionen. Nicht zuletzt deshalb müssen Verbände und Veranstalter von diesen Aufgaben vollständig entbunden werden, um Einflussnahme, Parteilichkeit, Vertuschung oder Korruption von vornherein auszuschließen.

Zudem müssen strukturelle und personelle Beziehungen zwischen Anti-Doping Organisationen, Dopingkontroll-Laboren und rechtssprechenden Organen verhindert werden. Dies bedeutet auch, dass aktive oder ehemalige Verantwortliche aus Sport, Wirtschaft, Medien oder Politik keine leitenden Positionen in der Anti-Doping Arbeit übernehmen können, oder zumindest erst nach einer längeren „Abkühlphase“.

Gewaltentrennung als rechtsstaatliches Prinzip

Nicht zuletzt als Reaktion auf die bereits vor mehreren Monaten bekannt gewordenen Vorwürfe gegen Russland hat das IOC die WADA aufgefordert, die Verantwortung für die weltweite Durchführung von Dopingkontrollen zu übernehmen. Zwar ist die zugrundeliegende Idee richtig, die WADA ist allerdings der falsche Adressat.

In jeder demokratischen Gesellschaft ist die Gewaltentrennung ein fundamentales Kernstück der Rechtsstaatlichkeit. Die WADA ist derzeit allerdings Legislative (Herausgabe des Welt-Anti-Doping-Codes, der Internationalen Standards und technischen Dokumente), Exekutive (Durchführung von Ermittlungstätigkeiten) und Judikative (Entscheidung über Einsprüche gegen Medizinische Ausnahmegenehmigungen). Um die zwingend notwendige Gewaltentrennung auch in der Anti-Doping Arbeit zu etablieren, bedarf es daher einer Neuausrichtung des Systems. 

In der neu zu entwickelnden Konstellation sind die Nationalen Anti-Doping Organisationen (NADOs) wie bisher für Dopingkontrollen, Medizinische Ausnahmegenehmigungen, Einsprüche gegen Entscheidungen der nationalen Gremien sowie Information und Prävention zuständig. Von diesen Organisationen völlig unabhängige Dopingkontroll-Labore bzw. Instanzen übernehmen die Analyse der Dopingproben bzw. die Rechtsprechung in Anti-Doping Verfahren. 

Eine zugründende Internationale Kontrollorganisation (IKO) ist für Dopingkontrollen in strukturschwachen Gebieten sowie zielgerichtete Dopingkontrollen bei Verdachtslagen zuständig und kann Einsprüche gegen nationale Entscheidungen vornehmen. Die IKO ist somit die derzeit fehlende globale Exekutive, die WADA konzentriert sich auf ihre Kernaufgabe als Legislative und der CAS fungiert weiterhin als oberste sportrechtliche Instanz.

Anti-Doping Fonds bringt Unabhängigkeit

Um die beschriebene Unabhängigkeit und Gewaltentrennung nicht nur auf dem Papier zu leben, bedarf es einer unabhängigen Finanzierung. Dies lässt sich nur über einen internationalen Anti-Doping Fonds bewerkstelligen.

Sämtliche Mittel, die derzeit von den Verbänden, Veranstaltern und Staaten für die Anti-Doping Arbeit aufgewendet werden, müssen diesem Fonds zugewiesen werden. Zudem müssen Sponsoren und Medienanstalten, die maßgeblich vom Produkt des sauberen Sports profitieren, ihren Beitrag leisten. Die Allokation der Gelder muss dann anhand klarer Kriterien vorgenommen werden, um eine Basisförderung anhand eines entsprechenden Förderschlüssels zu gewährleisten und auf situative Notwendigkeiten (z.B. Verdachtslagen, Anti-Doping Arbeit in strukturschwachen Regionen) reagieren zu können.

Durch diese „Internationalisierung“ der Finanzierung wird einerseits die Autonomie der NADOs, Dopingkontroll-Labore und rechtsprechenden Instanzen gestärkt, andererseits auch die immer wieder geforderte weltweite Harmonisierung der Anti-Doping Arbeit gefördert.

Ausbau von Intelligence & Investigation

Doping im Spitzensport ist Betrug, daher muss auch entsprechend dagegen vorgegangen werden. Kriminelle aus anderen Wirtschaftsbereichen, die ihre Konkurrenten um teilweise viel geringere Summen schädigen, müssen mit der vollen Härte des Strafrechts rechnen, dopende Sportlerinnen und Sportler sowie deren Hintermänner genießen hier nach wie vor eine Sonderstellung.

Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass Dopingkontrollen nur eingeschränkt dazu geeignet sind, professionelle Betrüger zu überführen. Zudem können Analysen immer nur einzelne Personen überführen, Ermittlungstätigkeiten aber gleich ganze Gruppen. Daher ist es ein Gebot der Stunde, die entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit staatliche Ermittler und Anti-Doping Organisationen bestmöglich zusammenarbeiten können.

Mediziner sind keine Leistungsoptimierer

Um nicht auf jede neue Entdeckung der Forschung reagieren zu müssen, bedarf es der unmissverständlichen Klarstellung, dass jede Behandlung, jede Medikamentenanwendung und jede Substanzeinnahme strikt verboten ist, sofern sie nicht medizinisch indiziert ist. Auf lange Sicht gesehen sind aber selbst die vorgenannten Änderungen nicht ausreichend, wenn es nicht gelingt, das Bewusstsein zu etablieren, dass die ureigenste Aufgabe der Medizin nicht die Leistungssteigerung und -optimierung ist, sondern die Heilung von kranken oder verletzten Personen. Auch wenn dies in der derzeitigen Konstellation naiv und weltfremd erscheint, ohne die Rückbesinnung auf die zentralen Werte der Medizin wird das Katz- und Mausspiel immer weiter vorangetrieben.

Prävention als Investition in die Zukunft

Aufgrund der Komplexität des Dopingphänomens haben sowohl personenzentrierte als auch strukturelle Präventionsmaßnahmen keinen unmittelbaren Effekt, wodurch sich auch die derzeitige finanzielle Gewichtung erklären lässt. Langfristige Anti-Doping Arbeit kann aber nur Erfolg haben, wenn repressive und präventive Maßnahmen einander sinnvoll ergänzen.

Moderne Präventionsarbeit setzt auf ressourcen- und kompetenzbasierte Konzepte, um jungen Sportlerinnen und Sportlern bereits lange vor dem tatsächlichen Eintreten auf entscheidende Fragen in ihrer Sportkarriere vorzubereiten. Die multidisziplinären Ansätze müssen auf die unterschiedlichen Zielgruppen abgestimmt und entsprechend evaluiert werden.

Das Ziel sämtlicher Bemühungen der Anti-Doping Arbeit ist es, dass sich jede Sportlerin und jeder Sportler selbstbewusst und aus eigener Überzeugung für einen sauberen und gesunden Sport entscheidet. Gemeinsam gilt es, diese Entscheidung so leicht wie möglich zu machen.

 

Zum Autor:

Mag. Dr. David Müller (33) ist promovierter Sportwissenschaftler und seit 2008 Leiter des Bereichs Information & Prävention der Nationalen Anti-Doping Agentur Austria GmbH.

 

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Dopingskandal in Russland – gehen die Leichtathleten jetzt baden?

Ein Beitrag von Dr. Stephanie Bonner, Rechtsanwältin

Riesiger Betrug, historische Konsequenzen: Im aufsehenerregenden Skandal um flächendeckendes und systematisches Doping hat der Leichtathletik Weltverband IAAF mit einer bis dato einzigartigen Strafe reagiert und den russischen Leichtathletikverband vorläufig suspendiert. Zudem hat die World-Anti-Doping-Agency (WADA) die russische nationale Anti-Doping Agentur (RUSADA) suspendiert und dem Anti-Doping Testlabor in Moskau die Akkreditierung entzogen. Unzählige Dopingverfahren gegen Athleten, Trainer und Sportmediziner wurden bereits eingeleitet.

Die IAAF erfüllt damit die Hauptforderung der Untersuchungskommission der WADA. Diese hatte wegen eines Dokumentarfilms des deutschen TV-Senders ARD („Geheimsache Doping – Wie Russland seine Sieger macht“), in dem über systematisches Doping durch russische Leichtathleten berichtet wurde, Ermittlungen aufgenommen und massive Verfehlungen in der russischen Leichtathletik dokumentiert.

Durch die Suspendierung des russischen Leichtathletikverbands besteht bis auf Weiteres ein komplettes Startverbot bei internationalen Wettbewerben. In Sotschi mit 33 Medaillen (13 davon Gold) Nummer eins im Medaillenspiegel, droht Russlands Leichtathleten der Ausschluss von den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro.

Wie sieht es rechtlich aus? Welche Entscheidungsbefugnis hat die WADA?

Das Welt-Anti-Doping-Programm basiert auf dem sog Welt-Anti-Doping-Code (WADC). Dieser wird von der WADA herausgegeben und enthält Dopingdefinitionen, Verstöße und Sanktionen, Doping-Verfahren, Kompetenzen und Aufgaben der jeweiligen Anti-Doping-Organisationen. Der WADC muss von allen Unterzeichnern zwingend angenommen und umgesetzt werden. Die Nichteinhaltung hat weitreichende Konsequenzen.

Die WADA, als internationale Organisation zu weltweiten Maßnahmen gegen Doping im Sport, überwacht ua die Einhaltung des WADC durch die Unterzeichner, kann Akkreditierung und Reakkreditierung von Laboren vornehmen und Untersuchungen von Verstößen gegen Anti-Doping-Bestimmungen einleiten (Artikel 20.7 WADC).

Die eigentliche Sanktionierung (Suspendierung, Sperre, etc) von Athleten oder nationalen Sportfachverbänden obliegt den Sportverbänden, nicht aber der WADA selbst. Sie kann nur eine Empfehlung aussprechen. Ob Russlands Leichtathletik in Rio de Janeiro an den Start gehen darf, liegt also nicht in den Händen der WADA. Da es sich um Olympia handelt, muss das Internationale Olympische Komitee (IOC) über einen etwaigen Ausschluss entscheiden.

Ein automatisches Aus für Rio 2016 bedeutet die Entscheidung der IAAF allerdings nicht. Sollte Russland die geforderten tiefgreifenden Reformen seines Anti-Doping und Leichtathletik-Systems rechtzeitig umsetzen, könnte die Suspendierung noch vor Olympia aufgehoben werden. Wohl das realistischste Szenario, obwohl die Frage für mich bleibt, wie sich eine offenbar tief verwurzelte Sportbetrugskultur in wenigen Monaten ändern soll.

Diese jüngsten Ereignisse in Russland zeigen einmal mehr auf, dass der Kampf gegen Doping im Sport ein Kampf gegen Windmühlen ist. Leider wiedermal auch im österreichischen Skiverband. Eines steht aber fest, Rio 2016 wird jedenfalls ohne ÖSV stattfinden…

 

WEITERE BEITRÄGE DER AUTORIN

Balotelli und die lange Liste der Verbote

 

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