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Super League vor dem Europäischen Gerichtshof

Das Echo war groß, als im April 2021 zwölf europäische Spitzenvereine die Gründung einer europäischen Super League verkündeten. Mediale Empörung und Fanproteste ließen nicht lange auf sich warten. Daraufhin distanzierte sich ein Klub nach dem anderen von diesem Vorhaben, sodass das Projekt binnen 48 Stunden auch schon wieder der Geschichte anzugehören schien. Der FC Barcelona, Real Madrid und Juventus Turin harren jedoch weiterhin am Verhandlungstisch aus. Aus diesem Grund hatte die UEFA Ende Mai 2021 ein Disziplinarverfahren gegen die drei „Abtrünnigen“ eröffnet. Als Disziplinarmaßnahme stand Medienberichten zufolge unter anderem ein Ausschluss der Klubs aus sämtlichen europäischen Klubwettbewerben zur Diskussion. Darüber hinaus wurde den Spielern der entsprechenden Klubs angedroht, nicht bei Europa- oder Weltmeisterschaften teilnehmen zu dürfen.

Obwohl das Disziplinarverfahren indessen eingestellt wurde, ist die Geschichte noch nicht zu Ende geschrieben und geht nunmehr in die juristische Verlängerung. Austragungsort: Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in Luxemburg.

European Super League vs. UEFA/FIFA

Anlass dazu gab eine Feststellungsklage der European Superleague Company, S. L. bei einem Gericht in der spanischen Hauptstadt Madrid. Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass die UEFA und die FIFA „als ein Kartell handeln und ihre beherrschende Stellung auf dem Markt der Veranstaltung internationaler Wettbewerbe für Fußballvereine in Europa und auf dem Markt der Kommerzialisierung der mit diesen Wettbewerben verbundenen Rechte missbrauchen“, wenn sie sich der Gründung der European Super League widersetzen.

Da es im Rechtsstreit zwischen der European Super League und der UEFA/FIFA vor allem um die Auslegung von Unionsrecht geht, hat das spanische Gericht den EuGH um eine Vorabentscheidung ersucht. Das Vorabentscheidungsverfahren ist ein Verfahren, in welchem der EuGH auf Vorlage eines Gerichts eines Mitgliedstaats über die Auslegung des Unionsrechts entscheidet (Art 267 AEUV). Dadurch soll eine einheitliche Anwendung und Auslegung des Unionsrechts in den Mitgliedstaaten sichergestellt werden.

Heute und morgen kommt es diesbezüglich zur mündlichen Verhandlung vor dem EuGH. In dieser tragen die Parteien ihre Argumente in einer öffentlichen Sitzung sowohl den Richtern als auch dem Generalanwalt vor.

Standpunkt der UEFA/FIFA

Der europäische Sport ist im Allgemeinen nach dem sogenannten Ein-Platz-Prinzip organisiert. Demnach ist für jede Sportart (von wenigen Ausnahmen abgesehen) weltweit nur ein internationaler Verband für die Festlegung von Regeln und die Organisation von Wettbewerben zuständig. In diesem kann wiederum nur ein Verband pro Staat als Mitglied aufgenommen werden. Der Aufbau und die Struktur des Sportverbandswesens gleichen somit einer hierarchischen Pyramide. Damit wird insbesondere sichergestellt, dass die Regularien des jeweiligen Spitzenverbandes bis auf die unterste Ebene der Pyramide gelten und die Sportarten sohin überall nach einheitlichen Regeln gespielt werden.

An der Spitze der „Fußballverbandspyramide“ steht die FIFA. Die UEFA ist als eine der sechs Konföderationen für Europa zuständig. Beide Organisationen sind privatrechtliche Vereine im Sinne des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs. Als solche legen sie in ihren Statuten einen Vereinszweck, Zielsetzungen und Aufgaben fest. Dazu zählen unter anderem „das Organisieren von internationalen Wettbewerben“ sowie „die Überwachung und Kontrolle des Fußballs“.

Nach den Statuten dürfen internationale Spiele und Wettbewerbe ohne vorangehende Zustimmung der FIFA, der Konföderationen und/oder der Mitgliedsverbände nicht stattfinden. Die FIFA und die regionalen Konföderationen, im gegenständlichen Fall die UEFA, haben also ein Monopol für die Genehmigung und Veranstaltung internationaler Wettbewerbe im Profifußball.

Die nationalen Verbände sind als Mitglieder der UEFA und der FIFA an diese Vorschriften gebunden. Die entsprechenden Bestimmungen werden in weiterer Folge von den nationalen Verbänden in deren eigenen Satzungen und Reglements übernommen. Zuletzt unterwerfen sich auch die einzelnen Klubs (in Österreich beispielsweise im Rahmen des Lizenzierungsverfahrens) diesen Regelwerken.

Insofern haben sich die Klubs an die Regularien der UEFA und der FIFA zu halten, andernfalls haben sie mit Sanktionen zu rechnen.

Standpunkt der European Super League

Die European Super League soll ausweislich eigener Angaben der erste europäische Wettbewerb außerhalb der UEFA werden, der jährlich stattfindet und an dem Fußballspieler und Vereine auf höchstem sportlichem Niveau teilnehmen; darunter nach dem ursprünglichen Plan zumindest die zwölf Gründervereine sowie andere Klubs, die sich für den Wettbewerb qualifizieren. Geht es nach den Initiatoren, würde der Wettbewerb die teilnehmenden Klubs auch nicht daran hindern, weiterhin an ihren jeweiligen nationalen Wettbewerben und heimischen Ligen teilzunehmen.

Dass für die Gründung eines neuen europaweiten Vereinswettbewerbs eine vorherige Genehmigung der UEFA und FIFA erforderlich ist, widerspricht nach Ansicht der Gründer der European Super League dem Unionsrecht (insbesondere dem Kartellrecht und den Grundfreiheiten).

Bemängelt wird insbesondere, dass es kein auf der Grundlage objektiver, transparenter und nicht-diskriminierender Kriterien geregeltes Verfahren hinsichtlich einer allfälligen Genehmigung zur Veranstaltung internationaler Wettbewerbe gibt. Außerdem würde der bei der UEFA und FIFA gegebenenfalls bestehende Interessenskonflikt gänzlich unberücksichtigt bleiben.

Die gegenüber Spielern und Klubs angedrohten Sanktionen, für den Fall einer Teilnahme an einem solchen Wettbewerb (beispielsweise der Ausschluss von UEFA- und FIFA-Wettbewerben), sind rechtlich ebenfalls nicht haltbar.

Quo vadis?

Vereinfacht gesagt geht es also um die Frage, ob die Untersagung der Gründung eines eigenständigen Wettbewerbs außerhalb der Strukturen der UEFA und der FIFA rechtmäßig ist. Oder anders gesagt: ob die Monopolstellung von Spitzenverbänden mit unionsrechtlichen Bestimmungen vereinbar ist. Das hat nun der EuGH im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens zu beurteilen.

Die Gemengelage erinnert den Sportinteressierten höchstwahrscheinlich an die aktuelle Situation im Golfsport, wo die PGA Tour angekündigt hat, alle Spieler zu suspendieren, die an Turnieren der LIV Golf, auch als Super Golf League bekannt, abschlagen (näher dazu hier).

Wenngleich der Ausgang des Vorabentscheidungsverfahrens in der Causa „European Super League vs. UEFA/FIFA“ freilich nicht vorhergesagt werden kann, wagt der Autor abschließend eine rechtliche Einschätzung: Das Verfahren hat das Potenzial, an den sportrechtlichen Grundstrukturen zu rütteln. So stellt das Vorabentscheidungsersuchen nicht weniger als das europäische Sportmodell (Ein-Platz-Prinzip und Sportverbandspyramide) auf die Probe. Dieses wird sich jedoch im Wesentlichen vor dem Gerichtshof behaupten – wir bleiben am Ball!

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The Super League: zwischen Moral und Juristerei

„THE BEST CLUBS. THE BEST PLAYERS. EVERY WEEK.“ Das ist der Slogan der Super League. Dass die Ankündigung der Gründung dieser neuen Fußballliga überall auf der Welt für heiße Diskussionen sorgt, muss nicht extra thematisiert werden. Vor allem, weil das Projekt nach dem Rückzug der englischen Clubs und einer Rücktrittswelle einiger namhafter Clubführer wohl nach nicht einmal 48h wieder vor dem Aus steht. Doch ist hierbei generell zwischen der sportpolitischen/moralischen und der juristischen Thematik zu unterscheiden. Klammert man ebendiese moralischen Überlegungen aus, stellen sich für Juristen momentan vorrangig folgende Fragen: Dürfen die Clubs die Super League gründen? Darf die UEFA diese Vereine und ihre Spieler aus den Bewerben ausschließen?

Die Gründung der Super League?

Die „Big Six“ aus England (Arsenal FC, Chelsea FC, Liverpool FC, Manchester City, Manchester United und Tottenham Hotspur) sowie drei Spitzenvereine aus Spanien (Atlético de Madrid, FC Barcelona und Real Madrid CF) und Italien (AC Milan, FC Internazionale Milano und Juventus FC) sind die 12 Gründungsmitglieder der Super League (Stand 20.04.2021), drei weitere sollen folgen. Aus welchen Interessen (wie etwa die Rettung des Fußballs oder doch die Gier nach Geld und Macht) die Spitzenvereine ihre eigene Eliteliga gründen wollen, ist aus juristischer Sicht unbedeutend. Dr. Paul Lambertz, deutscher Fachanwalt für Sportrecht, bestätigt in einem Interview ganz klar: „Ja, die Vereine dürfen die Super League gründen!“ Es wäre unbedenklich, neben den Wettbewerben des europäischen Fußball-Monopolisten UEFA ein eigenes Turniersystem ins Leben zu rufen, um Geld zu verdienen. Diesem Statement ist zuzustimmen, ist es ja auch einem Kunden (Fußballvereine) erlaubt, seine Lebensmittel beim Händler X (UEFA) oder beim Händler Y (Super League) zu kaufen. Händler X kann und darf dies nach den Grundsätzen des fairen Wettbewerbs nicht ver- oder behindern.

Der Ausschluss der Spieler und Vereine?

Die Spieler, die in der Super League auflaufen, werden keine EM und WM mehr spielen können, sie werden nicht mehr ihre Nationalmannschaft vertreten können.“ Aleksander Čeferin (UEFA-Präsident und ausgebildeter Rechtsanwalt). Wäre eine solche Vorgehensweise rechtmäßig?

Vorab sei festgehalten, dass die Spieler der Mitglieder (Vereine) keine Mitbestimmungsbefugnisse in dieser Causa haben bzw nichts gegen die Gründung der Super League unternehmen können. Denn das Vertragsverhältnis zum jeweiligen Verein zwingt die Spieler jedenfalls zur Arbeitsleistung, egal in welchem Wettbewerb. Bei Weigerung drohen arbeitsrechtliche Folgen. Generell ist es gerade aufgrund der Unschuld der Spieler an der Situation ungerecht, sie in die Streitigkeit hineinzuziehen. Ihnen kann ja kaum vorgeworfen werden, dass sie aufgrund ihrer sportlichen Stärken bei einem Spitzenverein, der Teil der neuen Super League sein soll, engagiert sind.

Eine dementsprechende Satzungsregelung der UEFA, die einen Ausschluss der Spieler nach einem Auftritt in einer Konkurrenzliga ermöglicht, bestehe laut Dr. Lambertz nicht. Der Kölner Hochschullehrer Prof. Dr. Jan F. Orth sehe aber kein Problem für einen Ausschluss, sofern eine solche Ermächtigungsgrundlage vorliegen sollte, wobei die Basis dafür, das sog Ein-Platz-Prinzip (= Prinzip, dass in der internationalen Sportorganisation vom obersten Sportverband bis zur untersten regionalen Einheit es für jede Sportart nur einen Verband gibt), umstritten sei. Der Dortmunder Sport- und Wirtschaftsrechtler Prof. Dr. Markus Buchberger meint in diesem Zusammenhang, dass selbst bei Vorliegen eines vertraglichen Ausschlusses von Parallelwettbewerben sich ein kartellrechtliches Problem ergeben könnte.

Daneben ist auch an das Wettbewerbsrecht zu denken: die UEFA ist als Dachverband in Fußball-Europa der einzige Anbieter von Fußballwettbewerben für Spieler und Vereine (siehe Ein-Platz-Prinzip). Sie hat hier marktbeherrschende, ja sogar Monopolstellung. Zweck des Kartellrechts ist es, den Wettbewerb vor eine Reduzierung bzw Ausschaltung der wettbewerblichen Rivalität sowie vor Verfälschungen und Behinderungen zu schützen. Wettbewerbsbeschränkungen sollen verboten und Marktmächte begrenzt werden, um die Funktionsfähigkeit des Marktes am Leben zu halten. Ein Rauswurf der Spieler und Vereine aus dem Verband wäre eine missbräuchliche Ausnutzung dieser Marktmacht und somit ein Verstoß gegen das europäische Kartellrecht (explizit wohl gegen Art 102 AEUV). Das gleiche dürfte für den angedachten Ausschluss aus den nationalen Ligen bzw Verbänden gelten, da diese ebenso nationale Monopole darstellen. Zu diesen Ausführungen siehe die Stellungnahmen von Dr. Lambertz und Mark E. Orth, einem Kartellrechtexperten aus München. Auch der Berliner Sportrechtsexperte Fabian Reinholz spricht von einem Zugangsverbot, das reinen Sanktionscharakter und daher wettbewerbsbeschränkende Wirkung hätte. Die Juristen nennen letztlich ähnliche bereits entschiedene Fälle, wie bspw den um die Internationale Eislaufunion (ISU) (siehe EuG, 16.12.2020 – T-93/18 und die dazugehörige Pressemitteilung), in denen schlussendlich der Verband das Nachsehen hatte.

Der bereits für Freitag (23.4.2021) angekündigte Rauswurf aus den laufenden europäischen Wettbewerben wird ebenfalls schwierig, da bisher nur eine Pressemitteilung vorliegt, die das Bestehen der Super League in der Zukunft voraussagt und der Ausschluss in der Zukunft ja erst (rechtlich) geklärt werden muss. Im Umkehrschluss: Chelsea FC, Manchester City und Real Madrid CF werden also um den heurigen Titel weiterkämpfen können. Dr. Lambertz bezeichnet die Drohung übrigens als „vogelwild“.

Fazit

Neben den moralischen Bedenken hinsichtlich der Super League ergeben sich auch spannende rechtliche und hier vor allem kartellrechtliche Überlegungen. Es wird abzuwarten sein, wie sich die Situation nach der „Flucht“ einiger Mitglieder entwickelt bzw ob der Plan nicht doch ein Rohrkrepierer war…

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