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Ernst Happel und der Denkmalschutz

Gastkommentar von Rechtsanwalt Dr. Peter Sander, NHP Rechtsanwälte

Laut Medienberichten träumt der ÖFB von einem Nationalstadion, der ORF hat auch schon eine Umfrage gestartet, ob das Ernst-Happel-Stadion “nur” umgebaut oder sogar weggerissen und neu errichtet werden soll. Und ehe man sich versah, hat sich auch gleich der Wiener Landeskonservator zu Wort gemeldet und auf die Rahmenbedingungen des Denkmalschutzes hingewiesen.

Richtig gelesen, das Ernst-Happel-Stadion steht unter Denkmalschutz. Nur was bedeutet das denn wirklich?

Die Fakten: Denkmale, also von Menschen geschaffene unbewegliche und Bewegliche Gegenstände von geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung (§ 1 Denkmalschutzgesetz; DMSG) sollen aus Gründen des öffentlichen Interesses erhalten werden. Erhaltung bedeutet vor allem Bewahrung vor Zerstörung und Veränderung. Normalerweise erfolgt die Unterschutzstellung eines Denkmals durch einen Bescheid des Bundesdenkmalamtes, also nach Durchführung eines konkreten Verfahrens, im Rahmen dessen abgewogen wird, welche Gründe für und welche gegen eine Unterschutzstellung sprechen (§ 3 DMSG). Betroffene, also die Eigentümer von solchen (möglichen) Denkmälern, haben in einem solchen Verfahren nicht nur Mitspracherechte sondern auch die Möglichkeit, eine gerichtliche Überprüfung der Unterschutzstellung zu erwirken. Sie wissen aufgrund dieses Verfahrens auch, warum und in welchem Ausmaß die Unterschutzstellung (Zerstörungs- und Veränderungsverbot) erfolgt.

Bei Denkmalen, die im Eigentum von zB einem Bundesland stehen, sieht § 2 DMSG eine sogenannte gesetzliche Vermutung der Schutzwürdigkeit vor: Bei ihnen gilt das öffentliche Interesse an der Erhaltung so lange als gegeben, als das Bundesdenkmalamt nicht (nach Durchführung eines Verfahrens) darüber entscheidet, ob es tatsächlich unter Schutz zu stellen ist. Bei solchen Denkmalen kann das Bundesdenkmalamt auch durch eine Verordnung (also ohne Durchführung eines konkreten Verfahrens) festlegen, dass es unter Denkmalschutz steht. So ist dies für das Ernst-Happel-Stadion im Jahr 2001 geschehen. Das Stadion steht im Eigentum der Stadt Wien und mit Verordnung wurde eine vorläufige Unterschutzstellung angeordnet.

Rechtlich bedeutet dies, dass eine Zerstörung sowie jede Veränderung des Ernst-Happel-Stadions einer Bewilligung des Bundesdenkmalamtes bedarf (§ 5 DMSG). Dies unabhängig von weiteren bau-, gewerbe- und veranstaltungsrechtlichen Bewilligungen oder allenfalls sogar der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung.

Auf dieser Basis gilt es nun mit einigen medial bereits verbreiteten Missverständnissen und Unschärfen aufzuräumen:

1. Der gesetzlich vermutete und durch die Verordnung festgelegte Status des Ernst-Happel-Stadions bedeutet nur, dass für den Fall einer verfahrensmäßigen Prüfung die Feststellung des tatsächlichen Bestehens des öffentlichen Interesses an der Erhaltung mit Wahrscheinlichkeit (also “nur” mehr als 50 %) zu erwarten ist/war.

2. Eine tatsächliche (im Rahmen eines Verfahrens durchgeführte) abschließende Beurteilung, ob das Ernst-Happel-Stadion unter Denkmalschutz steht oder stehen zu hat, ist bis dato nicht erfolgt. Gleiches gilt für die Frage, ob das Stadion zu Gänze oder nur bestimmte Teile davon zu Recht unter Denkmalschutz steht/stehen.

3. Überhaupt keine valide Aussage lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt darüber treffen, ob ein (Teil-)Um- oder Ausbau oder sogar ein Abriss und ein Neubau aus Gründen des Denkmalschutzes möglich oder unmöglich wären.

So gesehen darf man daher zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls weiterträumen und weiterwünschen, ja sogar geistig weiterplanen. Hinsichtlich der Frage eines Aus- oder Umbaus müsste man sich nämlich zunächst die Frage stellen, ob ein solcher nicht ohnehin einer Genehmigung nach § 5 DMSG zugänglich wäre.

Dazu müsste das Bundesdenkmalamt erst einmal abwägen, ob nicht die Gründe für den Aus- oder Umbau gewichtiger sind, als jene Gründe, die für eine unveränderte Erhaltung des Denkmals, also des Ernst-Happel-Stadions in seiner jetzigen Form, sprechen. Auch ein gänzlicher Abriss und die Errichtung eines neuen (National-)Stadions sind nicht a priori ausgeschlossen. Diesbezüglich müsste nämlich die selbe Abwägung der Pro- und Contra-Argumente erst einmal durchgeführt werden. Wesentlich ist dabei, dass dem Faktum der “dauernden wirtschaftlich gesicherten Erhaltung des Objektes” besondere Bedeutung zukommt. Und auf genau diese wirtschaftlichen Überlegungen zielen freilich Aussagen ab, dass man beim derzeitigen (meiner Meinung nach berechtigten) Hype um die Österreichische Nationalmannschaft beispielsweise wesentlich mehr zahlende Zuschauer und Fans in das Stadion brächte, als es die bisherige Sitzplatzkapazität hergibt.

Somit ist aus rechtlicher Sicht alles offen. Zu bedenken ist dabei freilich auch, dass das Ernst-Happel-Stadion seit seiner Errichtung in der Zwischenkriegszeit anfänglich nicht nur anders ausgesehen hat, sondern auch ca. 60.000 Zuschauer fasste. Nach dem 2. Weltkrieg wurde umgebaut und eine Zuschauerkapazität von über 90.000 Personen erreicht. Noch beim Finalspiel des Europapokals der Landesmeister (heute UEFA Champions League) 1964 (Inter Mailand/Real Madrid) zählte man rund 72.000 Zuschauer, bis in den 1980er Jahren wieder umgebaut und vor allem ein Dach aufgesetzt wurde.

Zuletzt wurden anlässlich der Adaptierungen zur Durchführung der Euro 2008 umfangreiche (teils temporäre) Adaptierungen vorgenommen, die wiederum Auswirkungen auf die Kapazität und das Erscheinungsbild (im Inneren) des Stadions hatten. Mit anderen Worten: Eine allenfalls auf dem Weg zu einem (National-)Stadion im Wiener Prater liegende denkmalschutzrechtliche Beurteilung wird sich wohl auch an den gesellschaftlich und kulturell massiven Veränderungen unterliegenden Bedeutungen und Wahrnehmungen von Spitzensport in Österreich und Europa aber auch international zu orientieren haben.

Ein alternativer Standort für ein neueres, größeres und besseres (National-)Stadion – und hier sei ein persönlicher Aspekt eines gebürtigen Wieners eingebracht – wäre jedenfalls nur die zweitbeste Option. Jeder, der schon “Trabantenstadien” wie beispielsweise die Münchner Allianz Arena, das Londoner Wembley Stadion oder jenes der New York Giants besucht hat, wird zu schätzen wissen, was die innerstädtische Lage (mit der U-Bahn in die Wiener Innenstadt in weniger als sieben Minuten!) wert ist. Es wäre schon fahrlässig, einen solchen Standort aufzugeben. Aber da träume und wünsche ich jetzt genauso, wie beispielsweise der ÖFB-Präsident oder die über 35.000 Teilnehmer am eingangs bereits abgesprochenen ORF-Voting …

 

Zum Autor:

Peter Sander ist Rechtsanwalt und Partner der auf öffentliches Wirtschaftsrecht spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei NHP Rechtsanwälte. Sie erreichen den Autor unter peter.sander@nhp.eu. Weitere Informationen finden Sie auf www.nhp.eu.

 

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