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Der sportrechtliche Jahresrückblick 2024

Der vorliegende Beitrag lässt das sportrechtliche Jahr 2024 nochmals Revue passieren. Ein Jahr, in dem vor allem innerhalb der Landesgrenzen der ein oder andere rechtliche Vorfall für Aufregung gesorgt hat. Aber auch auf europäischer Ebene stand allen voran das Diarra-Urteil unter genauer Beobachtung der ExpertInnen. Die folgenden Ausführungen können keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, sollen den Sportrechtsinteressierten aber einen Überblick bieten.

I. Internationales

Vor Jahren wurde noch kolportiert, dass Streitigkeiten im Sport außerhalb von Gerichtssälen ausgetragen werden. Diese Aussage kann heute nicht mehr aufrechterhalten werden. Obwohl für die Streitschlichtung im Sport primär die Sportgerichtsbarkeit vorgesehen ist, werden zunehmend die ordentlichen Gerichte bemüht, so gab es auch in diesem Jahr Gerichtsentscheidungen mit sportrechtlichem Bezug, die mit Spannung verfolgt werden konnten:

An der Spitze der diesjährigen EuGH-Entscheidungen steht wohl die brisante Causa rund um den ehemaligen Fußballprofi Lassana Diarra, dessen Folgen sich erst kürzlich am 23.12.2024 durch eine interimistische Anpassung der Regulations on the Status and Transfer of Players (RSTP oder auch franz. RSTJ), insbesondere hinsichtlich des Art. 17 FIFA-RSTP, äußerten. Dieser vorläufigen Änderung ging das Urteil C-650/22 vom 04.10.2024 voraus, welches sich mit einer Transferproblematik aus dem Jahr 2014 beschäftigte. Diarra stand damals bei Lokomotive Moskau unter Vertrag, nach internen Streitigkeiten kam es zu einer einseitigen Vertragsauflösung ohne wichtigen Grund, woraufhin vom Verein eine Entschädigungsleistung in Höhe von 10,5 Mio. Euro vor der FIFA-Streitschlichtungskammer (CRL) gefordert und zugesprochen wurde. Bestätigt wurde diese Entscheidung im Jahr 2016 durch den Internationalen Sportgerichtshof (CAS).

Aufgrund des Art. 17 FIFA-RSTP gestaltete sich hingegen die Suche nach einem neuen Verein unverhältnismäßig schwer, wodurch Diarra selbst eine Entschädigung in Höhe von 6 Mio. Euro verlangte. Konkret besagte Art. 17 FIFA-RSTP, dass bei einer Vertragsauflösung ohne wichtigen Grund vom neuen Verein eine Entschädigung an den alten Verein zu leisten ist und zudem neben dem Berufsspieler ein neuer Verein gesamtschuldnerisch für die Zahlung haftet. In Art. 17 Abs 4 FIFA-RSTP wurde dies mit der Vermutungsregelung erweitert, dass der neue Verein, sofern nicht das Gegenteil bewiesen werden konnte, den Berufsspieler zur einseitigen Vertragsauflösung angestiftet hat. Sanktioniert wurde dies neben finanziellen Einbußen mit einem zweijährigen Registrierungsverbot für neue Spieler.

Folglich wurde in einem Vorabentscheidungsverfahren durch den EuGH (C-650/22) bestätigt, dass die Transferregelungen der FIFA gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 AEUV und das Kartellverbot nach Art. 101 AEUV auf unionsrechtlicher Ebene verstoßen (mehr dazu in unserem Beitrag). Die FIFA zeigte sich daraufhin bereit, die RSTP entsprechend zu adaptieren und umzugestalten, sodass diese mit dem Unionsrecht vereinbar sind. Dazu gab es vorab einen öffentlichen Aufruf, wodurch Verbesserungsvorschläge an die FIFA herangetragen werden konnten und daraus resultierend ein zwischenzeitliches Regelwerk zu den RSTP kurz vor Weihnachten veröffentlicht wurde.

Darin sind Anpassungen der Berechnung der Entschädigungen bei Vertragsbrüchen, genauso wie Änderungen zur Beweislast bezüglich der gesamtschuldnerischen Haftung für derartige Entschädigungsleistungen bei Vertragsbruch und der Verleitung zu diesem, wie im Fall Diarra dargestellt, enthalten. Zudem gehen aus dem Regelwerk angepasste Bestimmungen zu internationalen Transferzertifikaten hervor (mehr dazu in den FIFA Explanatory Notes). An einer finalen Lösung wird seitens der FIFA aktuell gearbeitet. Die Wogen rund um das Bosman-Urteil 2.0 sind daher noch lange nicht geglättet.

Mittlerweile ein wiederkehrendes Thema in der internationalen Fußballbranche und in den Jahresrückblicken sind die FIFA Football Agents Regulations (FFAR), mit denen der Weltverband gewisse Mindeststandards für Football Agents (Spielervermittler) gewährleisten und die Vereinbarkeit von deren Verhalten mit den Zielen des Transfersystems prüfen wollte. Zu diesem Zweck wurden unter anderem eine Lizenz- und Fortbildungspflicht, ein Bestellerprinzip, ein Verbot von Mehrfachvertretungen sowie Provisionsobergrenzen festgelegt. Nachdem bereits das LG Dortmund und das OLG Düsseldorf den FFAR einen Riegel vorgeschoben haben und diese Rechtssache auch an den EuGH in zwei Vorabentscheidungsersuchen herangetragen wurde, hat unter diversen Landesverbänden beispielsweise auch der ÖFB die Regelungen vorerst ausgesetzt. Daraufhin hat es ihnen die FIFA gleichgemacht und begründet, man werde die Entscheidung des EuGH abwarten.

Nun gibt es aus österreichischer Sicht insofern Neuigkeiten zu den Spielervermittlerregelungen, als dass seit 02.12.2024 ein neues nationales Reglement des ÖFB für Football Agents in Kraft ist. Berücksichtigt wurde hierfür die rechtskräftige einstweilige Verfügung des LG Dortmund (8 O 1/23 (Kart)). Das neu geschaffene ÖFB-Regelwerk soll nun also die international anwendbaren FFAR ergänzen und den österreichischen Markt für Spielervermittler regulieren. Klargestellt wurde unter anderem, dass es für die Tätigkeit eines Spielerberaters in Österreich einer FIFA-Lizenz und der Absolvierung einer Prüfung bedarf. Die Bestimmungen stehen für mehr Transparenz zugunsten der vertretenen Spieler, sehen auch einen Verhaltenskodex für Agenten vor, zudem werden exklusive Vertretungsvereinbarungen als zulässig erachtet und sind diese von anderen Spielerberatern zu berücksichtigen. Nach der weiteren Niederlage der FIFA im Instanzenzug (1. Instanz: LG Dortmund, siehe oben) vor dem OLG Düsseldorf im März 2024 (U (Kart) 2/23) stehen die zwei Entscheidungen des EuGH zu den FFAR-Vorschriften und dem DFB-Reglement für Spielervermittler allerdings noch aus und dürfen im neuen Jahr 2025 erwartet werden.

Eine EuGH-Entscheidung mit Österreich-Bezug ging hingegen bereits am 07.05.2024 über die Bühne. In jenem Rechtsfall (Rs C-115/22) wurde entschieden, dass die österreichische Unabhängige Schiedskommission (USK), welche für die Überprüfung der Entscheidungen der Österreichischen Anti-Doping Rechtskommission (ÖADR) in Anti-Doping-Verfahren zuständig ist, nicht als „Gericht“ im Sinne des Art 267 AEUV einzustufen sei (siehe unser Beitrag). Ausschlaggebend war der Faktor der fehlenden notwendigen Unabhängigkeit, da der Bundesminister für Sport eine Abbestellung der Mitglieder der USK „aus wichtigen Gründen“ erwirken kann, jedoch ohne eine gesetzliche nationale Verankerung dieser Gründe. Es besteht sohin kein Schutz vor äußerlichen Druckmitteln für die Mitglieder (mehr zum Thema Doping unter III).

Vor kurzem war aus europäischer Sicht zudem ein neues „Schmankerl“ zum Thema Super League medial im Umlauf. Wie in unserem Beitrag zu lesen war, wurde der Super League vom EuGH noch keine Zu- bzw. Absage erteilt und ist der Streit um die neue Liga der Giganten noch nicht besiegelt. Umso interessanter ist der Umstand, dass kürzlich von den Befürwortern, rund um die Agentur A22 Sports Management, ein neuer Anlauf mit einem neuen Namen gestartet wurde und bereits ein Anerkennungsvorschlag bei FIFA und UEFA eingelangt ist. Der neue paneuropäische Klubfußballwettbewerb soll unter der Bezeichnung „Unify League“ veranstaltet werden und mit den Bestimmungen der UEFA im Einklang stehen. Benannt ist sie nach einer Streaming-Plattform, die alle Spiele live zeigen soll.

Der offiziellen Gründung solle nichts im Wege stehen, da die Teilnahme offen und meritokratisch (leistungsabhängig) geregelt ist und mit dem Gesamtspielplan im Einklang steht. Neu hinter der Idee ist also ein „überarbeitetes jährliches Qualifikationssystem“. Auch hierzu wird es im Laufe des neuen Jahres Neuigkeiten geben.

II. Nationales

Gerade auf nationaler Ebene gab es außerordentlich viel sportrechtlichen Betrieb im vergangenen Jahr. Auch wenn es für den SK Rapid aktuell einen sportlichen Höhenflug zu verzeichnen gibt, blickt man schmerzlich auf die Derby-Vorfälle im Frühjahr und jüngst auf die schwere Verletzung von Guido Burgstaller als rechtlich relevante Vorkommnisse zurück.

Das Aufeinandertreffen der Wiener Vereine aus Penzing und Favoriten am 25.02.2024 bleibt wohl den meisten österreichischen Fußballfans ein Begriff. Während der SK Rapid nach über 10 Jahren wieder einen Derby-Sieg vor heimischer Kulisse feiert, werfen die Sprechgesänge in den Katakomben des Block West Fragezeichen auf. In einem veröffentlichten Video ist ersichtlich, wie einzelne Vereinsfunktionäre, Spieler und Fans beleidigende Fangesänge sowie homophobe Fangesänge in Richtung der Veilchen von sich geben (mehr dazu in unserem Beitrag).

Auf eine offizielle Entschuldigung an den FK Austria Wien folgte ein Verfahren vor dem Senat 1 der Österreichischen Fußball-Bundesliga. Zu sanktionieren waren dabei nach § 111 der ÖFB-Rechtspflegeordnung die Ehrverletzung durch die Äußerungen von SK Rapid-Geschäftsführer Sport Steffen Hofmann, die Verletzung des Fairplay-Gedankens durch Maximilian Hofmann und Niklas Hedl gemäß § 111a Abs 1 der ÖFB-Rechtspflegeordnung und der Tatbestand der Diskriminierung (herabwürdigende Äußerungen in Bezug auf die sexuelle Orientierung) durch Stefan Kulovits, Guido Burgstaller, Marco Grüll und Thorsten Schick nach § 112 Abs 1 der ÖFB-Rechtspflegeordnung.

Nach Protesterhebung gegen die Entscheidung des Senat 1 in erster Instanz wurden die verhängten Strafen in zweiter Instanz wie folgt abgeändert bzw. bestätigt: Drei-Punkte-Abzug (allesamt bedingt), Funktionssperre für zwei (Steffen Hofmann) bzw. drei (Stefan Kulovits) Monate (davon jeweils ein Monat bedingt), Sperre für sechs Pflichtspiele (Guido Burgstaller, drei davon bedingt), Sperre für fünf Pflichtspiele (Marco Grüll und Thorsten Schick, davon drei bedingt), sowie eine Sperre für drei Pflichtspiele (Maximilian Hofmann, davon zwei bedingt; Niklas Hedl, allesamt bedingt).

Nach einem weiteren Vergehen hinsichtlich sicherheitsrelevanter Aspekte war von Seiten des Strafsenats der Österreichischen Fußball-Bundesliga sogar ein unbedingter Zwei-Punkte-Abzug für die, aktuell bereits laufende, Spielzeit 2024/25 vorgesehen, der jedoch im Juli 2024 vom Ständig Neutralen Schiedsgericht zur Gänze aufgehoben wurde. Der SK Rapid hat somit seine Lehren und Konsequenzen aus den Vorfällen gezogen, wurde aber im Dezember 2024 erneut mit einem ungewöhnlichen Verletzungsschock konfrontiert.

In den frühen Morgenstunden des 14.12.2024 wurde der Rapid-Kapitän Guido Burgstaller nach einem Faustschlag durch einen 23-Jährigen dermaßen schwer verletzt, dass dieser beim Sturz auf den Boden einen Schädelbasisbruch erlitt. Die Ausfallszeit nach der Attacke in der Wiener Innenstadt wurde auf mehrere Monate geschätzt. Zum Motiv des Täters hat sich die Annahme nicht bestätigt, dass fußballbezogene Umstände relevant waren, sondern ein Streitgespräch rund um Burgstallers Begleitung der Auslöser war. Der zunächst unbekannte Täter stellte sich reumütig wenige Tage später der Exekutive und wurde in U-Haft genommen.

Aufgrund der Schwere der Verletzung wurde auch von einem möglichen verfrühten Karriereende gesprochen, kurz vor dem Jahreswechsel durfte Burgstaller das Krankenhaus verlassen und befindet sich weiterhin auf dem Genesungsweg. Der Täter wurde inzwischen aus der U-Haft entlassen, diesem steht ein Gerichtsprozess vor dem Landesgericht für Strafsachen wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB bevor. Zudem geben die Ankündigungen der gewaltbereiten grünen Fangemeinde Grund zur Sorge. Eine Entscheidung in dieser Rechtssache ist also im Jahr 2025 ausständig.

Ein mediales Update gab es auch zum Antrag auf Zuerkennung der Kollektivvertragsfähigkeit beim Bundeseinigungsamt durch die Vereinigung der Fußballer (VdF) zu verzeichnen. Nachdem der Antrag in erster Instanz abgelehnt wurde, kündigte die VdF rund um ihren Vorsitzenden Gernot Baumgartner den Schritt in die zweite Instanz an, der in weiterer Folge auch vollzogen wurde. Die Causa um die Fußballer-Gewerkschaften Younion und VdF bleibt also auch über den Jahreswechsel hinweg beim Bundesverwaltungsgericht aufrecht.

Kurios war indes ein strafrechtlicher Vorfall in Vorarlberg, der sich in der Frauen-Bundesliga ereignet hat und die Unterstützung der VdF notwendig machte. So kam es bei der Spielgemeinschaft Ladies FC Lustenau/FC Dornbirn dazu, dass ein Vereinsfunktionär im Zuge einer Besprechung Spielerinnen mit einer Schusswaffe bedrohte. Dieser wurde folglich von all seinen Aufgaben entbunden, die Aufklärung ist dabei noch im Gange. Nach dem Vorfall wurden bereits fünf Vertragsauflösungen bestätigt, auch der ÖFB wurde informiert, verzichtete allerdings aufgrund des laufenden Verfahrens auf eine Stellungnahme.

Wie einst nach dem Crash im Wiener Derby zwischen Axel Lawaree und Joey Didulica wurde 2024 auf ein Foul im Amateurfußball aufmerksam gemacht, das in Verbindung mit dem Sporthaftungsprivileg steht. Jenes besagt, dass bei der Ausübung des Sports ein gewisses Maß an sportartspezifischen Risiken, besonders im Hinblick auf Verletzungen, von allen Beteiligten in Kauf zu nehmen ist. Somit können erst ab erheblichen Regelverstößen und bei über dieses Risiko hinausgehenden Verletzungen zivilrechtliche Haftungsfälle relevant werden. Das gegenständliche Vergehen reicht bis ins Jahr 2020 zurück und beschreibt einen Zusammenprall zwischen dem Unterliga-Stürmer Amir Abdel-Hamid und dem Torhüter der gegnerischen Mannschaft. Bei diesem erlitt der Tormann eine Nasenbeinfraktur, Verletzungen an den Lippen und eine Zahnverletzung, welcher daraufhin mit einer Klage auf Schmerzengeld und Ersatz der Behandlungskosten reagierte.

Nach einem vierjährigen Hin und Her zwischen den Instanzen wurde der Stürmer von der höchsten Instanz am LG St. Pölten zu einer Schadenersatzleistung von insgesamt 22.000 Euro verpflichtet. Der Aufschrei war groß, zumal nun weitere derartige Schadenersatzklagen befürchtet wurden. Jedoch sei darauf hingewiesen, dass es sich bei derartigen Rechtsfällen um Einzelfallentscheidungen handelt und Beweiswürdigungsfragen den Ausschlag geben. Der gegenständliche Schuldspruch basierte auf den Aussagen einer Linienrichterin, die bei der Foulsituation nach ihrer Wahrnehmung Absicht des Stürmers erkannte. Durch die Beweiswürdigung zugunsten dieser Zeugenaussage griff das Sporthaftungsprivileg nicht mehr und der Stürmer hat nun zivilrechtlich zu haften.

III. Sonstiges

Abgerundet wird der vorliegende Jahresrückblick mit einer Palette an sonstigen Geschehnissen, die sich im Jahr 2024 ereignet haben:

Das vergangene Jahr hatte für Sportinteressierte ein besonderes und breit gefächertes Programm mit der Austragung der Fußball-Europameisterschaft 2024 (EM 2024) in Deutschland und den Olympischen Spielen 2024 in Paris zu bieten. Die Bezeichnung als „Super-Sportjahr“ kommt nicht von ungefähr und wurde aus heutiger Sicht verdientermaßen schon vorab vergeben.

Mit der rot-weiß-roten Brille lässt sich auf eine sehr erfolgreiche EM 2024 beim Nachbar zurückblicken, bei welcher sich die ÖFB-Elf unter der Dirigentschaft von Ralf Rangnick in der vermeintlichen „Todesgruppe“ mit Frankreich, der Niederlande und Polen zum Gruppensieger krönte und die Herzen der österreichischen Fußballfans höher schlagen ließ. Umso schmerzhafter war daraufhin das plötzliche Aus im Achtelfinale (mehr dazu unten), schien doch im Turnierbaum nach dem Gruppensieg alles möglich zu sein. Die Zeit heilte auch diese Wunde und bleibt den Sportbegeisterten eine euphorische Euro in Erinnerung.

Die Bilanz der österreichischen VertreterInnen bei den Olympischen Spielen 2024 kann sich mit zwei Gold-Medaillen und drei Bronze-Medaillen ebenfalls sehen lassen. Das vorhandene Talent konnte dabei vor allem im Wasser- und, wie erwartet, im Klettersport unter Beweis gestellt werden. Wie es auch sein sollte, stand bei beiden Großereignissen der Sport im Vordergrund, wobei folglich rechtliche Zwischenfälle beleuchtet werden sollen.

Auf der Suche nach einer sportrechtlichen Thematik bei der EM 2024 wird man ausgerechnet beim Österreich-Bezwinger Merih Demiral fündig, der mit seinem Doppelpack den Viertelfinal-Einzug der türkischen Nationalmannschaft besiegelte. Der Innenverteidiger sorgte im genannten Spiel mit dem „Wolfsgruß-Jubel“ für Kritik und wurde seitens der UEFA nach den Vorkommnissen ein Untersuchungsverfahren eingeleitet. Dieses basierte auf der verbandsrechtlichen Grundlage, dass die UEFA, vergleichbar mit der FIA im Motorsport oder höherrangig mit der FIFA hinsichtlich der Regenbogen-Debatte bei der WM 2022 in Katar, keine politischen Gesten duldet und für Neutralität einsteht (Art. 1 Abs 1 der UEFA-Statuten). Im Zuge des internen Verfahrens wurde Demiral im laufenden Wettbewerb für zwei Spiele gesperrt und verpasste in weiterer Folge das Viertelfinalspiel gegen die Niederlande.

Begründet wurde dies von der UEFA damit, dass sein Verhalten die grundlegenden Regeln des guten Benehmens verletzte und der Spieler das Sportereignis für eine Kundgebung nicht-sportlicher Art genutzt und somit den Fußballsport in Verruf gebracht habe (siehe Art. 11 Abs 1 lit. a, b, c der UEFA-Rechtspflegeordnung). Eine geplante Beantragung eines Eilverfahrens durch den türkischen Fußballverband beim Internationalen Sportgerichtshof (CAS) wurde bereits vorab durch Art. 63 Abs 1 lit. b der UEFA-Statuten ausgeschlossen, worin festgehalten wird, dass für eine Sperre von zwei Spielen keine Zuständigkeit des CAS gegeben ist.

Bei den Olympischen Spielen 2024 machte aus juristischer Sicht der Boxwettkampf bei den Damen auf sich aufmerksam. Für so manche ergab sich aus den Vorwürfen an die algerische Athletin Imane Khelif ein Deja-vu im Hinblick auf die Causa rund um Caster Semenya. Die Genderproblematik war nämlich insofern gleich geartet, dass bei Semenya der erhobene Testosteronwert deutlich über dem Durchschnitt bei den Damen lag und deshalb Wettbewerbsvorteile unterstellt wurden und bei Khelif ebenfalls ein Geschlechtertest durch die IBA im Jahr 2023 zur Disqualifikation der Sportlerin bei der Box-WM 2023 führte. Da das Internationale Olympische Komitee (IOC) nicht mehr mit der International Boxing Association (IBA) kooperiert und bei den diesjährigen Spielen selbst als Veranstalter auftrat, wurde eine Teilnahme Khelifs möglich, da ausschließlich das im Pass festgestellte Geschlecht als Voraussetzung herangezogen wurde.

Die Kritik um Khelif wurde so weit gespannt, dass sogar Gerüchte verbreitet wurden, bei der Boxerin würde es sich um eine „Transfrau“ handeln, was jedoch auch anhand ihrer Geburtsurkunde keine Bestätigung erfahren hat. Imane Khelif ließ sich trotz der heftigen Diskussionen nicht von ihrem sportlichen Höhenflug abbringen und holte schlussendlich ihre Gold-Medaille im Damen-Boxen ab.

Hinsichtlich des juristischen Erfolgs von Semenya vor dem EGMR, welcher in ihrer Rechtssache (siehe dazu unseren Beitrag aus 2019) beispielsweise Verstöße gegen das Diskriminierungsverbot feststellte, wird das Geschlechterthema, die Kategorisierung von Geschlechterzugehörigkeiten sowie die Balance zwischen dem wettkampfspezifischen Fairnessgedanken und der Diskriminierung wohl auch in Zukunft weiterhin unter Beobachtung bleiben.

In diesem Jahr blieb leider die Tenniswelt nicht von klassischen sportrechtlichen Negativzeilen, die zu diversen Dopingfällen zu lesen waren, verschont. Während sich der diesjährige australische US-Open Sieger im Doppel Max Purcell freiwillig aufgrund eines Dopingvergehens durch eine erhöhte Vitamininfusion im Spital sperren ließ, geht der Dopingfall rund um die aktuelle Nummer 1 der ATP-Weltrangliste Jannik Sinner im neuen Jahr 2025 in die nächste Runde.

Sinner wurde im März zweifach positiv auf das Steroid Clostebol getestet und gab zu seiner Verteidigung ein fehlendes Verschulden sowie die unwissentliche Substanzaufnahme über die Hände seines Physiotherapeuten bei einer Behandlung an. Zunächst wurde der Weltranglistenführende von der International Tennis Integrity Agency (ITIA) freigesprochen, die World Anti Doping Agency (WADA) erhob jedoch Einspruch, womit der Dopingfall 2025 vor dem Internationalen Sportgerichtshof (CAS) in Lausanne entschieden werden soll. Im Raum steht eine Sperre von bis zu zwei Jahren, was dies für das aufstrebende italienische Talent und dessen Karriere bedeuten würde, ist wohl allen Beteiligten bewusst. Es bleibt daher gespannt abzuwarten, wie der CAS diesen Dopingfall einordnen wird.

Bei den Damen wurde hingegen inzwischen die aktuelle Nummer 2 der ATP-Weltrangliste Iga Swiatek nach einem Dopingvorfall, bei dem bei der Athletin ein verbotenes Herzmittel nachgewiesen werden konnte, für ein Monat gesperrt. Das vergleichbar geringe Strafausmaß wurde von der ITIA damit begründet, dass es sich um kein schweres Vergehen handelte. Die polnische Tennisspielerin verbüßte die Dopingsperre im Spätsommer, hatte einen Teil ihrer Preisgelder zurückzuzahlen und ist brandaktuell schon wieder beim United Cup im Einsatz.

IV. Ausblick

Der Streifzug durch das sportrechtliche Jahr 2024 hat die Vielseitigkeit der Materie Sportrecht einmal mehr unter Beweis gestellt. Wir bleiben jedenfalls dran und freuen uns auf ein spannendes Jahr 2025: Welche Änderungen bringt das Diarra-Urteil noch mit sich? Welche Auswirkungen werden die EuGH-Entscheidungen in den Rechtssachen zu den Bestimmungen der FFAR haben? Wird es zu mehr Schadenersatzklagen nach Foulspielen kommen? Wie wird sich die Genderthematik zukünftig weiterentwickeln? Welche Entscheidung trifft der CAS im Dopingfall um Jannik Sinner?

Mit diesem Ausblick wünsche ich euch ein gesundes und erfolgreiches neues Jahr – um es in Hommage an den Autor der bisherigen Jahresrückblick-Reihe Patrick Petschinka zu formulieren – bleibt am Ball!

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