Bundesheer und Sport: Fördern ohne Fundament?
Gastbeitrag von Benedikt Winkler (Universitätsassistent am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien)
Alessandro Hämmerle, Wolfgang Kindl, Jessica Pilz, sowie Lara Vadlau und Lukas Mähr: Namen, die jedem sportbegeisterten Österreicher ein Begriff sind. So vollbringen diese Athleten Jahr für Jahr Höchstleistungen in ihren jeweiligen Sportarten und konnten dadurch von ihren jeweils letzten olympischen Spielen mit (zumindest) einer Medaille im Gepäck heimkehren. Aber sie haben noch einen anderen Umstand gemein, so sind sie allesamt Heeressportler und damit Soldaten des Österreichischen Bundesheeres. Dass Sport und Bundesheer grundsätzlich eng miteinander verknüpft sind liegt auf der Hand und jene, die selbst den Grundwehrdienst abgeleistet haben, werden dies zweifelsfrei bestätigen können. Im Speziellen kommt dem Österreichischen Bundesheer va im Zuge der athletenspezifischen Spitzensportförderung eine große Rolle im System der nationalen Sportförderung zu. Ein Modell, das Früchte trägt. So waren bei den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking rund 44 % und bei den Olympischen Sommerspielen 2024 in Paris rund 60 % der österreichischen Olympioniken Soldaten. Doch nicht nur durch die Möglichkeit der Anstellung als Heeressportler leistet das Bundesheer einen wesentlichen Anteil für die Förderung nationaler Spitzensportler. So kommt es weiters durch Erleichterungen bei der Ableistung des – für männliche Staatsbürger verpflichtend zu absolvierenden – Präsenzdienstes zur Unterstützung von Nachwuchstalenten, um deren Entwicklungsprozess keine Steine in den Weg zu legen. Das Bundesheer fördert damit den nationalen Spitzensport. Doch gibt es dafür überhaupt eine rechtliche Grundlage?
(Verfassungs-)Rechtliche Rahmenbedingungen
Verfassungsrechtliche Kernaufgabe des Bundesheeres ist gem Art 79 Abs 1 B-VG die militärische Landesverteidigung. Als weitere Aufgaben kommen Assistenzaufgaben gem Art 79 Abs 2 B-VG in Betracht, die jedoch allesamt keinen Bezug zur Förderung von Sportlern aufweisen. Weitere Aufgaben des Bundesheeres sind gem Art 79 Abs 3 B-VG durch Bundesverfassungsgesetze zu regeln. Dabei sind die im KSE-BVG normierte Entsendung von Einheiten und einzelnen Personen ins Ausland sowie die Exekution einzelner Erkenntnisse des VfGH gem Art 146 Abs 2 B-VG zu nennen. Auch bei diesen Aufgaben fehlt der Bezug zum Sport. Selbst die Aufzählung der Aufgaben des Bundesheeres in § 2 Wehrgesetz (WG) wiederholt bloß die bereits verfassungsgesetzlich angeführten Aufgaben und lässt jeglichen Sportbezug vermissen. Die einzige – im einfachen Gesetzesrang stehende – Erwähnung des Zusammenhangs von Bundesheer und Sport ergibt sich aus § 41 Abs 1 Bundes-Sportförderungsgesetz 2017 (BSFG). Dabei wird die „Förderung der Sportausübung von […] Angehörigen des Präsenz-, Miliz-, und Reservestandes oder Ausbildungsdienst Leistenden durch den nach der Ressortzuständigkeit zuständigen Bundesminister“ vom Anwendungsbereich des BSFG ausgenommen. Eine Gegenausnahme davon besteht wiederum gem § 41 Abs 1 S 2 BSFG 2017 für die Förderung von Angehörigen der Heeres-Sport-Zentren bei Betreibung von Leistungssport. All diese soeben angeführten Aspekte sind dabei bloß als deklarativ anzusehende Tatsachen einzustufen, die jedoch kein tragfähiges rechtliches Fundament liefern können; eine Aufgabe des Bundesheeres muss nämlich – wie bereits angeführt – im Verfassungsrang normiert sein.
Ansicht des BMLV
Das Bundesministerium für Landesverteidigung (BMLV) wählt einen pragmatischen Ansatz und subsumiert die Sportförderung unter den Aspekt der militärischen Landesverteidigung. So führen sie auf ihrer Website an: „Zur Erfüllung der dem Österreichischen Bundesheer primär übertragenen Aufgabe der militärischen Landesverteidigung sind nicht nur geistige, sondern auch körperliche Spitzenleistungen von Angehörigen des Bundesheeres ständig erforderlich. Herausragende körperliche Spitzenleistungen entsprechen den Erfordernissen der militärischen Landesverteidigung, stellen im Sinne einer sozialintegrativen Landesverteidigung („Wir Österreicher“) ein bedeutendes Instrument der Öffentlichkeitsarbeit dar und tragen allgemein zum Ansehen der Republik Österreich bei.“
Darüber hinaus wird auf die langjährige Mitgliedschaft des Bundesheeres beim Internationalen Militärsportverband (CISM) verwiesen und dadurch der „tiefere Sinn der militärischen Leistungssportförderung“ begründet. Weiters wird eine parlamentarische Entschließung aus dem Jahr 1997 angeführt, in der das Verteidigungsministerium ersucht wurde „in seinem Vollziehungsbereich den Leistungssport im Österreichischen Bundesheer intensiv zu fördern und insbesondere Spitzensportler durch die Realisierung von Förderungsprogrammen besonders zu unterstützen.“
Ergebnis
Inwieweit der Ansicht des BMLV zu folgen ist, muss jedoch in Zweifel gezogen werden. Der Begriff der „militärischen Landesverteidigung“ wird iVm Art 9a Abs 1 B-VG als „die Abwehr von äußeren Gefahren für die Unabhängigkeit, die Existenz und die immerwährende Neutralität des Staates mit militärischen Mitteln“ zu sehen sein (vgl Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts11 [2015] Rz 750). Neben dem eigentlichen Einsatz wird das Bundesheer Großteils im Zuge der Einsatzvorbereitung tätig. Diese wird wiederum in eine „unmittelbare Einsatzvorbereitung“ und eine „allgemeine Einsatzvorbereitung“ unterteilt (Ulrich, Handbuch Wehrrecht [2008] 72). Während sich Erstere allen voran auf interne Organisationsanweisungen bzw -tätigkeiten bezieht, zählen zur zweiten Kategorie va die Planung und Vorbereitung der Organisationsstrukturen, die Lagebeobachtung, die Bewaffnung und Ausstattung des Bundesheeres, die Übungstätigkeit im In- und Ausland sowie die Aus- und Weiterbildung von Soldaten. Eben unter den letzten Punkt könnte man die Förderung von Spitzensportlern subsumieren, wobei dabei mE zwischen den Sportarten welche „mit dem militärischen Dienst im Zusammenhang stehen“ und jenen, für die dies nicht zutrifft, unterschieden werden muss. Erstere sind dabei die sog Schwerpunktsportarten des Österreichischen Bundesheeres: Orientierungslauf, Fallschirmspringen, Militärischer Fünfkampf, Biathlon, Langlauf, Schießen mit Pistole und Gewehr sowie Skibergsteigen. Die Einordnung der Förderung anderer Sportarten unter die Aufgabe der militärischen Landesverteidigung gelingt kaum und das Bundesheer bewegt sich dabei zumindest im Grenzbereich der ihm verfassungsrechtlich zugeschriebenen Aufgaben. Dieses ernüchternde Ergebnis soll aber keineswegs die – zweifelsfrei zu befürwortende – Praxis der Spitzensportförderung durch das Bundesheer diskreditieren. All jene, welche sich in der damit im Zusammenhang stehenden rechtlichen Fragestellung von Profisport und Wehrpflicht vertiefen wollen, finden Antworten in meinem Beitrag in der Zeitschrift SpoPrax 2024, 377.
Hinweis: Der vorliegende Beitrag basiert auf einem Ausschnitt aus der Seminararbeit des Autors, welche im Rahmen des Seminars „Sport im öffentlichen Recht“ bei ao. Univ.-Prof. Dr. Gerhard Muzak vorgelegt wurde.
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