Entfall von Miete- und Pacht auch für Betreiber von Sportanlagen?
Allein die Bundeshauptstadt Wien hat rund 9,8 Millionen Quadratmeter Sportflächen (ohne Donauinsel, Marchfeldkanal, Prater etc.). Insgesamt gibt es mehr Sportflächen, als die Fläche der 5 kleinsten Bezirke zusammen. Nun haben die Folgen der COVID-19 Pandemie auch die Immobilienwirtschaft erreicht.
Die Frage, inwieweit Mieter und Pächter von Geschäftsräumen, die von der behördlich verfügten Schließung u.a. von Sportbetrieben betroffen sind, zu einer Mietzinsbefreiung bzw. –minderung berechtigt sind, hat medial bereits breite Aufmerksamkeit erfahren. Die derzeitige Situation ist nicht nur für die betroffenen Mieter und Vermieter neu, sondern auch für die Gerichte. Vieles wird am Ende des Tages von deren Entscheidung abhängen, ob und in welcher Höhe eine Mietzinsminderung gerechtfertigt ist.
Definition der Sportstätte
Der Artikel beschäftigt sich konkret mit den Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf die Mietzinsverpflichtung eines Betreibers von Sportanlagen. Diesbezüglich bedarf es einer näheren Erläuterung des Begriffes der Sportstätte:
Sportstätte ist ein Sammelbegriff für sämtliche Gebäude und Einrichtungen, die zur Ausübung von einer oder mehreren Sportarten dienen. Meist gehören zu Sportstätten neben den Anlagen zur sportlichen Betätigung auch Tribünen für Zuschauer.
Schon anhand dieser sehr allgemein gehaltenen Definition lässt sich erkennen, dass der Betreiber – zumeist der Sportverein – einer Sportanlage, neben der für die Ausübung der Sportart notwendigen Flächen, auch andere vom täglichen Sportbetrieb unabhängige Bereiche unterhält. Darunter können beispielsweise neben den Büros auch eine Kantine oder Lagerräume für sämtliche Materialen fallen.
Miete und Pacht trotz behördlich angeordneter Schließung?
Auch wenn derzeit immer wieder schlagwortartig zu lesen ist, dass in Zeiten von „Corona“ keine Miete zu bezahlen ist, bilden stets die Umstände des Einzelfalles, insbesondere aber auch die Vereinbarungen des Mietvertrages, die Basis für etwaige Ansprüche. Betreiber von Sportanlagen, deren Tätigkeit durch die gegenwärtige Situation beeinträchtigt wird, kommen von Gesetzes wegen Möglichkeiten der Mietzinsminderung bis hin zur gänzlichen Mietzinsbefreiung zu. Das betrifft zumindest die Bereiche eines Sportbetriebes, die aufgrund behördlicher Anordnungen vollständig zu schließen sind, sodass die Möglichkeit einer Restnutzung gänzlich ausgeschlossen werden kann. Dabei gilt es jedoch zu beachten, dass die gesetzlichen Regelungen nicht zwingend sind und vertraglich abbedungen werden können. Es ist daher in jedem Einzelfall zu überprüfen, ob und inwieweit im jeweiligen Bestandvertrag vom gesetzlichen Modell abgewichen wurde.
Zu beachten sind auch die Unterschiede zwischen Miet- und Pachtverträgen. Bei (Betriebs)pachtverträgen, die über einen längeren als einjährigen Zeitraum abgeschlossen wurden, sieht § 1105 ABGB nur bei gänzlicher, nicht aber bloß bei beschränkter Brauchbarkeit eine Zinsminderung vor. Für die rechtliche Qualifikation, ob im konkreten Fall Miete oder eine Pacht vorliegt, sind die tatsächlichen Umstände und nicht die Bezeichnung im Vertrag ausschlaggebend.
Coronavirus als außerordentlicher Zufall
Rechtsgrundlage für einen Befreiungsanspruch sind die Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB), und zwar die §§ 1104 und 1105 ABGB.
Wenn „die in Bestand genommene Sache wegen außerordentlicher Zufälle, als Feuer, Krieg oder Seuche, großer Überschwemmungen, Wetterschläge, (…)“ gar nicht gebraucht oder benutzt werden kann, ist gem. § 1104 ABGB auch kein Mietzins zu entrichten. Bei einer nur noch teilweisen Nutzung entfällt der Mietzins gem. 1105 ABGB im Ausmaß und Dauer der Beeinträchtigung.
Es besteht kaum Zweifel, dass der Tatbestand des außergewöhnlichen Zufalls im Sinne des § 1104 ABGB in der vorliegenden Situation, nicht zuletzt aufgrund der von der Regierung beschlossenen Maßnahmen die zur Anordnung von Betretungsverboten geführt haben, als außerordentlicher Zufall anzusehen ist.
Ausmaß der Unbrauchbarkeit
Als weitere Voraussetzung für die Zinsminderung gilt die zumindest teilweise Unbrauchbarkeit bzw. Unbenützbarkeit des Mietgegenstandes. Die Frage, wann ein Mietgegenstand als (teilweise) benutzbar zu beurteilen ist, bedarf einer differenzierten Betrachtung:
- gänzliches Betretungsverbot – Betreten zur Gänze verboten (§ 3 Covid-VO; zB Gastgewerbe)
- teilweises Betretungsverbot – bestimmte Flächen sind betroffen (§ 2 Covid-VO; zB Betriebe mit Kundenbereich aber auch Freizeit- und Sportbetriebe)
- kein Betretungsverbot – Mietgegenstände ohne Parteienverkehr (zB Büros)
Bei kompletter Schließung des Betriebes aufgrund der angeordneten Maßnahmen, wird auch der Mietgegenstand zur Gänze unbenutzbar. Dies gilt jedoch nur dann, wenn eine Restnutzung gänzlich ausgeschlossen werden kann.
Bei einem teilweisen Betretungsverbot wird darauf abzustellen sein, wie stark eine (objektive) Nutzung des Bestandsobjekts – zur Ausübung der sportlichen Aktivitäten – beeinträchtigt ist und zu welchem Zweck und Gebrauch der Bestandvertrag tatsächlich geschlossen wurde. Es wird im Einzelfall zu prüfen sein, inwieweit der Mieter/Pächter nicht doch eine beschränkte Brauchbarkeit behält, die einen gänzlichen Entfall des Bestandzinses ausschließt. Zu berücksichtigen wird sein, wenn etwa das Mietobjekt als Backoffice, Lagerfläche oder im Sportbereich auch für die sehr beliebten Online-Kurse dient.
Für die von der gesetzlich angeordneten Schließung betroffenen Bereiche, wie etwa Umkleideräume oder die Sportlerkantine – falls nicht doch für etwaige Mitarbeiter geöffnet – kann sich eine Minderung jeweils abweichend auswirken. Nicht jedoch für Bereiche über die kein Betretungsverbot angeordnet wurde und die nach wie vor genutzt werden können. Dabei ist auf eine objektive Nutzungsmöglichkeit abzustellen.
Höhe der Mietzinsminderung
Die Höhe der Mietzinsminderung ist jeweils einzelfallbezogen nach Ausmaß und zeitlicher Dauer der Untauglichkeit zum Gebrauch zu beurteilen. Dabei ist zu betrachten, inwieweit die tatsächlich noch mögliche Nutzung hinsichtlich dem normalerweise möglichen Nutzungsumfang zurückbleibt. Soweit also der Mieter einen zumindest noch beschränkten Gebrauch des Mietgegenstandes machen kann, ist der Mietzins auch noch teilweise zu bezahlen. Zu den weiter oben zitierten §§ 1104 und 1105 ABGB gibt es – soweit überblickbar – mangels vergleichbarer Ereignisse – erfreulicherweise – kaum aussagekräftige Judikatur.
Vorsicht bei der eigenmächtigen Einstellung von Mietzinszahlungen!
Der genaue Umfang eines möglichen Mietzinsminderungsanspruchs ist somit immer im konkreten Einzelfall auf Basis der konkreten Gebrauchsbeeinträchtigung unter Berücksichtigung der vertraglichen Grundlagen zu ermitteln. Der verkürzte Schluss, dass Geschäftsraummieter im Bereich des Handels, der Dienstleistungsunternehmen und der Freizeit- und Sportbetriebe, deren Betriebstätten unmittelbar von der (teilweise oder gänzlichen)„Sperrverpflichtung“ gemäß der Verordnung über vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19-Verordnung betroffen sind, jedenfalls einen gänzlichen Mietzinsbefreiungsanspruch hätten, ist deshalb mit höchster Vorsicht zu genießen.
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