Warum österreichische Schiedsrichter strenger pfeifen

Fußball ist eigentlich ein einfaches Spiel. Elf gegen elf, zwei Tore, ein Schiedsrichterteam. Trotzdem bekommt man ab und an den Eindruck, hierzulande wird ganz anders gespielt als anderswo.

Also sprach SK Rapid-Trainer Zoran Barisic nach dem 1:2 gegen Red Bull Salzburg: „Vor dem 1:1 war es natürlich ein Foul an Hofmann.“ Und auch Damir Canadi, seines Zeichens Altach-Coach und ebenfalls 1:2 unterlegen: „Über die Schiedsrichterentscheidung vor dem Ausgleich ärgere ich mich maßlos.“ Lassen wir einmal den Punkt beiseite, dass auf besagtes 1:1 von Salzburg ein 80-Meter-Spielzug folgte, den Rapid nicht verteidigen konnte und Altach die überlegene Mannschaft war. Lassen wir beiseite, dass beide Trainer im selben Atemzug auch die eigene Mannschaft in die Pflicht nahmen. Es geht um die Qualität der heimischen Schiedsrichter.

Man braucht nicht um den heißen Brei herum reden. Österreichische Schiedsrichter gehören nicht zur Elite. Konrad Plautz, der seine Karriere 2009 nach dem Pfeifen bei der Heim-Euro beendete, war der letzte viel beachtete und international anerkannte Schiedsrichter Österreichs. Neben dem alle paar Monate stattfindenden Aufhebens wegen Fehlentscheidungen gelten die heimischen Schiris als recht kleinlich. Das macht sich in den Europacupspielen durchaus bemerkbar. Da ist so mancher heimischer Verteidiger erstaunt, wenn der Schiedsrichter aus beispielsweise Montenegro das Foul nicht gibt. Während der eine noch reklamiert, ist das Tor schnell kassiert. Warum wird hier manchmal anders gepfiffen als international?

Fußballregeln als Verordnung oder Richtlinie?

Grundsätzlich ist Fußball ja ein einfaches Spiel. Das offizielle Regelbuch der FIFA umfasst nur 17 Regeln. Das Spiel substantiell betreffend ist eigentlich nur Regel 12: „Fouls und unsportliches Betragen.“ Der Rest sind mehr oder weniger objektive Dinge wie die Größe des Spielfelds, was Abseits ist oder wie ein Eckstoß abzulaufen hat. Wie Fouls gewertet werden, untescheidet sich. Das geflügelte Wort der „britischen Härte“ stimmt freilich. Auf der Insel wird weniger abgepfiffen. Diese Auslegungssache obliegt den nationalen Gremien. Im ÖFB-Regulativ Namens „Organisationsstatut für das ÖFB-Schiedsrichterwesen“ heißt es unter § 4 Aufgabenbereiche der ÖFB-Schiedsrichterkommission unter Punkt 3i): „Verantwortung für die einheitliche Anwendung der Fußballregeln nach Entscheidungen der FIFA und des International Football Association Board für das gesamte Bundesgebiet.“

Soweit zur Zuständigkeit. Die nationalen Verbände sind also, ähnlich wie bei einer EU-Verordnung, direkt verpflichtet, internationales Recht anzuwenden. Wie bei solchen Dingen üblich, muss freilich darauf geachtet werden, wie das umgesetzt wird. Da wird eine EU-Verordnung durch nationale Vorgaben schnell zu einer Richtlinie; also einem Grundsatzgesetz, das nationaler Ausgestaltung bedarf. Wie die Szenen in Österreich bewertet werden, obliegt dem jeweiligen Schiedsrichterbeobachter.Nachdem diese alle Szenen bewerten, müssen die Schiris alles pfeifen; denn sonst besteht die Möglichkeit, bald nicht mehr Bundes- sondern Regionalliga zu pfeifen.

Österreichs Gesicht für die Schiedsrichter ist Fritz Stuchlik, der den Nachlauf bei den Kollegen von Laola1 so beschrieb: „Nach dem Spiel bespricht der Beobachter mit den Schiedsrichtern das Spiel, was ihm positiv und negativ aufgefallen ist, gibt Verbesserungsvorschläge, analysiert manche Szenen mittels TV-Aufzeichnung und alle fahren nach Hause. Der Beobachter verfasst dann einen schriftlichen Bericht und muss ihn auch mit einer Note bzw. Punktewertung versehen. Das wird an das Elite-Komitee und den Schiedsrichter versandt.“ Wer dann über einen längeren Zeitraum eine negative Bewertung bekommt, muss pausieren.

Ein Foulspiel in der Praxis

Diese internen Vorgaben, welche Szenen wie bewertet werden sollen und dann eine positive Beurteilung ergeben können, sind quasi das nationale Gesetz zur FIFA-Grundsatzgesetzgebung. Wie man in England sieht, ist da die nationale Vorgabe hinsichtlich Auslegung der FIFA Regel 12 anders als in Österreich. Wortwörtlich beschreibt die FIFA Regel 12 so: „Ein Spieler verursacht einen direkten Freistoss für das gegnerische Team, wenn er eines der nachfolgend aufgeführten sieben Vergehen nach Einschätzung des Schiedsrichters fahrlässig, rücksichtslos oder brutal begeht: einen Gegner tritt oder versucht, ihn zu treten, einem Gegner das Bein stellt oder es versucht, einen Gegner anspringt, einen Gegner rempelt, einen Gegner schlägt oder versucht, ihn zu schlagen, einen Gegner stösst, einen Gegner angreift. Dem gegnerischen Team wird ebenfalls ein direkter Freistoss zugesprochen, wenn ein Spieler eines der nachfolgenden drei Vergehen begeht: einen Gegner hält, einen Gegner anspuckt, den Ball absichtlich mit der Hand spielt.“ (sic!)

Schlagend für das Spiel selbst sind dabei folgende Punkte: Die Fahrlässigkeit, Rücksichtslosigkeit oder Brutalität im Zusammenhang mit Treten, Beinstellen oder Rempeln. Der Rest sind zumeist ziemlich objektiv bewertbare Kriterien. Die Frage, die sich jeder Schiedsrichter bei Spielsituationen stellen muss, ist, ob Tritt, Beinstellen oder Rempler eben mindestens fahrlässig waren oder nicht. Wie eben bei Naby Keita vs. Steffen Hoffmann beim eingangs erwähnten Spiel (hier bei ca. 2:33).

Zu diesen rechtlichen Überlegungen kommen natürlich noch unzählige Dinge hinzu: Der Standort des Schiedsrichters, die Reaktion des Gefoulten, vorangegangene Foulspiele und – eben! – die nationalen Bewertungsschemata für Schiedsrichter. In Bruchteilen von Sekunden muss der Schiedsrichter hier entscheiden, was Sache ist. Wenn man dann noch dazu zwischen den Polen eines attraktiven Spiels mit möglichst wenig Pfiffen und absoluter Regeltreue steht, kommt heraus, was heraus kommt. Und das ist oftmals ein kleinliches Pfeifen – obwohl es im Sinne der Umlegung der allgemein gültigen Spielregeln durchaus Spielraum für eine andere Spielführung geben würde.

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