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St. Pölten vs Kapfenberg – eine Sportgroßveranstaltung?

Ist ein Testspiel zwischen dem SKN St. Pölten und dem SV Kapfenberg in Hollenburg als Sportgroßveranstaltung iSd § 49c SPG zu qualifizieren? Mit dieser Frage hatte sich der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) in einer vor kurzem ergangenen Entscheidung auseinanderzusetzen.

Was ist passiert?

Im vorliegenden Fall wurde dem Revisionswerber aufgetragen bei der Polizeiinspektion vorstellig zu werden (Meldeauflage iSd § 49c SPG), weil er bei einem Testspiel zwischen dem SKN St. Pölten und dem SV Kapfenberg in Holleburg mehrmals auf eine andere Person eingeschlagen, dieser dabei auch mit der Faust ins Gesicht geschlagen und dabei die Schneidezähne ausgeschlagen hatte. Dadurch hatte er einen gefährlichen Angriff unter Anwendung von Gewalt iSd § 49c SPG begangen.

„Zweifellos bedeutendes Spiel hochrangiger Mannschaften“

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich qualifizierte zwei Fußballspiele – darunter auch das verfahrensgegenständliche – als Sportgroßveranstaltungen iSd § 49c SPG. Begründend führte es dabei aus, dass das gegenständlichen Spiel ein „zweifellos bedeutendes Spiel hochrangiger Mannschaften“ sei, zumal eine Mannschaft aus der höchsten Spielklasse (SKN St. Pölten) auf ein Team aus der zweithöchsten Spielklasse (SV Kapfenberg) traf. Auch der Umstand, dass es sich lediglich um ein Testspiel gehandelt habe, vermöge daran nichts zu ändern, weil Mannschaften mit überregionaler Bedeutung unterschiedlicher Bundesländer aufeinandergetroffen seien, argumentierte das Landesverwaltungsgericht weiter. Zudem habe erhebliches Publikumsinteresse an der Begegnung bestanden.

Dagegen führte der Revisionswerber aus, dass es sich beim gegenständlichen Fußballspiel nur um ein – sportlich bedeutungsloses“ – Testspiel vor wenigen Zuschauern gehandelt habe. Es sei kein Eintrittsgeld verlangt worden und das Medieninteresse „gleich null“ gewesen. Da zum Begriff der Sportgroßveranstaltung keine Rechtsprechung des VwGH vorliegt, sei die außerordentliche Revision zulässig.

VwGH: zum Begriff der Sportgroßveranstaltung iSd § 49c SPG

Der 3. Abschnitt des SPG regelt in seinen §§ 49a – 49c „Besondere Befugnisse zur Verhinderung von Gewalt und Rassismus bei Sportgroßveranstaltungen“. Dabei statuiert § 49c SPG präventive Maßnahmen (Meldeauflage, Belehrung, zwangsweise Vorführung und Anhaltung) iZm Sportgroßveranstaltungen. Der Begriff „Sportgroßveranstaltung“ wird im Gesetz jedoch nicht näher definiert. Unter „Sportveranstaltungen“ versteht die Judikatur grundsätzlich solche „Veranstaltungen, in deren Rahmen dem Publikum Leistungen auf dem Gebiet des Sports dargeboten werden“. Eine Sportveranstaltung ist demnach eine „öffentliche Darbietung, bei der eine der körperlichen Ertüchtigung von Menschen dienende körperliche Betätigung im Vordergrund steht […]; in der Regel handelt es sich dabei um einen organisierten Wettkampf, der vor Publikum ausgetragen wird“. Der Begriff der Sportveranstaltung ist im Zusammenhang mit dem verfahrensgegenständlichen Spiel als erfüllt anzusehen.

Ob es sich dabei auch um eine Sportgroßveranstaltung gehandelt hat, hatte das Höchstgericht sodann zu beurteilen. Die Gesetzesmaterialien führen zur Vorgängerbestimmung aus, dass insbesondere die Besucherzahl maßgeblich sei, wobei naturgemäß keine bestimmte Grenze angegeben wird, nicht zuletzt um der Vollziehung eine flexible Handhabung zu ermöglichen. Den Materialien zufolge kann auf nationaler Ebene beispielsweise auch ein Fußballspiel der ersten Liga eine Sportgroßveranstaltung sein.

Der VwGH erörterte, dass man das Vorliegen einer Sportgroßveranstaltung im Regelfall bei einer erwarteten Zuschaueranzahl von wenigstens 3.000 Personen annehmen kann. Zu diesem Ergebnis gelangt er durch eine Statistik, wonach in der Bundesligasaison 2017/2018 bei den drei Mannschaften mit den geringsten Besucherzahlen ein Zuschauerschnitt von weniger als 3.000 Personen ausgewiesen ist. Entscheidend ist jedenfalls nicht, wie viele Zuschauer tatsächlich kamen, sondern vielmehr mit welcher Anzahl ex ante gerechnet werden konnte. Daneben können jedoch auch andere Faktoren für die Qualifizierung als Sportgroßveranstaltung ausschlaggebend sein. Das Höchstgericht nannte unter Heranziehung der juristischen Literatur insbesondere:

  • die (sonstige) Bedeutung der Sportveranstaltung in gesamtösterreichischer oder überregionaler bzw in sportlicher, wirtschaftlicher und medialer Hinsicht,
  • das Vorliegen besonderer (Begleit-)Umstände der Sportveranstaltung (zB bei Derbys),
  • die voraussichtlich erforderlichen – erhöhten – Organisationsmaßnahmen der Durchführung der Veranstaltung, oder
  • die voraussichtlich erforderliche – erhöhte – Anzahl von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes.

Der VwGH sprach aus, dass die vom Landesverwaltungsgericht getroffenen Feststellungen – zwei Mannschaften der höchsten österreichischen Spielklassen und erhebliches Publikumsinteresse – sich für die Qualifikation des in Rede stehenden Fußballspiels als Sportgroßveranstaltung nicht als tragfähig erweisen. Aus dem Erkenntnis gehe nicht hervor, von welchen konkreten Zuschauerzahlen bei einer ex-ante-Beurteilung auszugehen war bzw welche sonstigen besonderen Umstände die Annahme das Vorliegen einer Sportgroßveranstaltung gerechtfertigt hätten. Im Ergebnis hob der VwGH das angefochtene Erkenntnis wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit auf.

Fazit

Sodann kann die eingangs (im Titel) erwähnte Frage nicht pauschal beantwortet werden. Das Vorliegen einer Sportgroßveranstaltung iSd § 49c SPG hängt insbesondere von der ex-ante erwarteten Zuschaueranzahl (Grenze: rund 3.000 Personen) ab. Daneben können jedoch auch noch andere Faktoren ausschlaggebend sein. Die Behörde und in nächster Instanz das Landesverwaltungsgericht haben bei der Beurteilung einer Sportgroßveranstaltung sämtliche Umstände zu berücksichtigen und ausreichend zu würdigen. Im Ergebnis könnte somit auch ein Fußballtestspiel bei Vorliegen  der – oben näher besprochenen Voraussetzungen als Sportgroßveranstaltung iSd § 49c SPG zu qualifizieren sein.

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