Die Causa Fredi Bobic: Ein verhängnisvolles Interview
Wie so oft in den vergangenen Jahren war die Hertha wieder das bestimmende Thema in den Sportgazetten. Der Grund: Geschäftsführer Fredi Bobic war nach seinen wutgeladenen Äußerungen gegenüber einem Reporter des Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) nach der 0:2 Derby-Niederlage gegen Union mutmaßlich fristlos entlassen worden. Bobic wehrt sich nun wohl vor Gericht gegen seine Entlassung. Mit Recht?
Die Alte Dame und die Negativschlagzeilen: In der jüngeren Vergangenheit eine im Boulevard gern gesehene Liaison. Von „HaHoHe, euer Jürgen“ bis zu Salomon Kalou, der die Missachtung der Corona-Auflagen per Instagram-Livestream abfilmte. Fredi Bobic, der nach seiner erfolgreichen Zeit als Frankfurt-Manager eigentlich als Hoffnungsträger für die Kehrtwende geholt wurde, reiht sich nun in diese Chronik ein.
Unmittelbar nach der Derby-Niederlage gegen den Stadtrivalen Union Berlin war Bobic (wohl nicht zum ersten Mal) auf die Tragbarkeit von Trainer Sandro Schwarz angesprochen worden. Seine Antwort: „Wenn du nochmal fragst, kriegst du eine gescheuert.“ Noch am selben Abend gab der Klub auf seiner Homepage bekannt, Bobic „mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben zu entbinden.“ Bobic entschuldigte sich indessen kurz nach dem Vorfall: „Es tut mir sehr leid, da habe ich zu emotional reagiert.“
Die deutsche BILD-Zeitungvermeldet nun, dass der Klub gut zwei Wochen später eine fristlose Kündigung zugeschickt hatte. Als Begründung stützt man sich wohl auf „vereinsschädigendes Verhalten“. Im gleichen Artikel berichtet das Medium, dass sich Bobic hiergegen beim Arbeitsgericht Berlin mit einer Kündigungsschutzklage zur Wehr setzt. Bühne frei für den rechtlichen Schlagabtausch!
Die Kündigung: Befristungsfeindlich
Bobic ist als Geschäftsführer wohl als leitender Angestellter von Hertha BSC zu qualifizieren. Dort besitzt er laut übereinstimmenden Medienberichten einen bis zum 30. Juni 2024 befristeten Arbeitsvertrag. Im Mikrokosmos-Profifußball ist es weitgängige Praxis und für Spieler sogar verbandsgesetztes Recht (implizit zB Art 13 FIFA Regulations on the Status and Transfer of Players), zwingend eine zeitliche Befristung des Arbeitsverhältnisses zu vereinbaren.
In Österreich fließt aus den Grundwertungen des Arbeitsrechts, dass eine ordentliche Kündigung innerhalb der Befristung nur unter äußerst strengen Voraussetzungen möglich ist (sogenannte Höchstbefristungen). In Deutschland schließt § 15 Abs 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) eine ordentliche Kündigung ohne einzel- oder tarifvertragliche Bestimmung gänzlich aus. Der Grund hierfür ist, dass einem befristeten Arbeitsverhältnis innerhalb der Befristung eine höhere Bestandskraft zukommen soll als einem auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Arbeitsvertrag.
Bobics Arbeitsverhältnis endet somit mit Ablauf der vereinbarten Zeit zum 30. Juni 2024. Oder eben durch außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund. Über diese entzündet sich nun ein spannender Rechtsstreit.
Anforderungen an die außerordentliche Kündigung
Auch bei befristeten Arbeitsverhältnissen ist eine Kündigung durch den Arbeitgeber zulässig, sofern der Arbeitnehmer einen wichtigen Grund setzt, der die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber schlicht unzumutbar macht. Zudem gilt (im österreichischen Recht) grundsätzlich der Unverzüglichkeitsgrundsatz: Die vorzeitige Auflösung muss ohne schuldhafte Verzögerung vorgenommen werden. Andernfalls signalisiert der Arbeitgeber durch das zu langfristige Untätigbleiben, dass die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung wohl nicht im erforderlichen Ausmaß besteht. Dies judiziert der österreichische Oberste Gerichtshof (OGH) in ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0029249).
Die BILD vermeldet, dass Hertha BSC die „fristlose Kündigung“ rund zwei Wochen später zugestellt hat. Im österreichischen Recht wäre der Grundsatz der Unverzüglichkeit hiermit möglicherweise verletzt und die Auflösung des Vertragsverhältnisses ungültig. Das deutsche Recht schreibt jedoch in § 626 Abs 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) eine zweiwöchige Erklärungsfrist vor.
Somit stellt sich die Frage, ob die wutentbrannten Äußerungen von Fredi Bobic gegenüber dem Reporter des rbb einen wichtigen Grund für die vorzeitige Entlassung darstellen. Pascal Croset, Fachanwalt für Arbeitsrecht, stuft die Erfolgschancen aus Sicht des Klubs im BILD-Interview als gering ein: „Der Spruch ist nicht ausreichend, um große Irritationen auszulösen. Direkt nach dem Spiel sind immer Emotionen im Spiel, da kann eine Aussage schon mal etwas schnodderig ausfallen. (…) Fußball ist ein Sport, bei dem es auch mal rauer zugeht.“
Sicher kratzen diese Aussagen am Kern der Tatsachen und ein rauerer Ton in Interviews (vor allem On-Field direkt nach dem Spiel) „passiert“ im Adrenalinrausch schneller als anderswo. Allerdings ist nicht zu verkennen, dass sich Fredi Bobic in seiner Funktion als Geschäftsführer des Klubs wohl an anderen Maßstäben messen lassen muss als Spieler oder auch Mitglieder des Trainerstabs. Zwar kommt allen genannten Funktionen eine hohe Repräsentationskraft im Hinblick auf die Reputation des Klubs zu, allerdings ist Bobic in seiner Funktion als Geschäftsführer-Sport eine größere Contenance im Umgang mit Medienvertretern zuzumuten.
Für den österreichischen Entlassungstatbestand, dass sich der Arbeitnehmer „einer Handlung schuldig macht, die ihn des Vertrauens des Dienstgebers unwürdig erscheinen lässt“ (§ 27 Z 1 Angestelltengesetz [AngG]) judiziert der OGH einen strengeren Maßstab für Angestellte mit einer gehobenen Vertrauensstellung im Vergleich zu „herkömmlichen“ Angestellten (RIS-Justiz RS 0029341). Es scheint sachgerecht, diese Wertung auf die Entlassungstatbestände im Allgemeinen umzumünzen, da leitenden Angestellten üblicherweise ein größerer Einfluss auf die Reputation des Arbeitgebers zukommt.
Gemessen an diesem Maßstab könnte Hertha BSC durch die Aussagen Bobics gegenüber dem Reporter also durchaus ein massiver Imageschaden entstanden sein, der einen wichtigen Grund zur vorzeitigen Entlassung rechtfertigt. Es bleibt abzuwarten, ob die Causa Bobic durch das Arbeitsgericht Berlin entschieden wird oder doch, wie im Sport oft üblich, eine Einigung am grünen Tisch erfolgt.
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