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Marktwertminderung eines Profisportlers als Schaden

Vor kurzem endete ein jahrelanger Rechtsstreit zwischen einem ehemaligen Profi-Eishockeyspieler und dem Dornbirner Eishockeyclub. Der Spieler machte einen Vermögensschaden geltend, der sich aus der Minderung seines „Marktwertes“ als Eishockeyspieler ergeben soll. Er stützte sich dabei unter anderem auf das Recht eines Profisportlers auf Beschäftigung. Der Spieler behauptete aufgrund des in der bet-at-home ICE Hockey League (höchste Spielklasse im österreichischen Eishockeysport) praktizierten Punktesystems keinen neuen Arbeitsvertrag bekommen zu haben. Die Klage scheiterte schließlich insbesondere am Problem der „Bezifferung des Schadens“.

Das Punktesystem und die Altersdiskriminierung

In Österreichs höchster Eishockeyliga wurde bis zum Frühjahr 2022 ein eigenes mittlerweile abgeändertes Punktesystem verwendet. Dieses sah vor, dass jeder Spieler je nach Qualifizierung einen bestimmten Punktwert bekommt. Die Summe aller gemeldeten Spieler eines Klubs dürfen dabei eine bestimmte Punktegrenze nicht übersteigen. Dadurch soll ein gewisses Kräftegleichgewicht sichergestellt werden. Dabei spielte neben der Staatsbürgerschaft insbesondere das Alter eines Spielers eine Rolle. Für Jugendliche (hier: Spieler bis 24 Jahre) sah das System eine gewisse Begünstigung vor, nämlich in Form von null Punkten. Das System sollte somit eine Art „Salary Cap“ darstellen, indem das Gehalt durch Punkte ersetzt wird.

Der Spieler behauptete, dass die Regelung eine Altersdiskriminierung darstelle. Das Gericht verneinte dies und hielt fest, dass eine spezielle Regelung zur Förderung junger inländischer Spieler nicht rechtswidrig sei. Auch im unionsrechtlichen Antidiskriminierungsrecht wird nach Art 6 RL 2000/78/EG die Möglichkeit einer Jugendförderung anerkannt, sofern sie verhältnismäßig ist.

Marktwertminderung als Schaden?

In einem zweiten Schritt stellte sich die Frage, ob eine Marktwertminderung als Schaden geltend gemacht werden kann. Ein Schadenersatzanspruch hat den Zweck, dem Geschädigten einen Ausgleich für die erlittene Einbuße zukommen zu lassen. Der Schädiger hat den Geschädigten dazu grundsätzlich so zu stellen, wie er ohne schuldhaftes Verhalten gestellt wäre. Der Schaden ist durch eine Differenzrechnung zu ermitteln, wobei zunächst der hypothetische heutige Vermögensstand ohne das schädigende Ereignis zu ermitteln und von diesem Betrag der heutige tatsächliche Vermögenswert abzuziehen ist.

Im konkreten Fall behauptete der Spieler, dass allein wegen des angewendeten Punktesystems eine Verlängerung bzw Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses mit einem Klub aus der höchsten österreichischen Eishockeyliga scheiterte. Denn aufgrund seines Alters kam er bestimmungsgemäß nicht mehr in den Genuss der im angewendeten Punktesystem vorgesehenen Begünstigung für Jugendspieler. Die Folge waren Jahre in Österreichs zweithöchster Eishockeyliga und damit einhergehend der Ausfall eines qualifizierten Trainings. Dies führte zu Verlusten der körperlichen und der mentalen Fitness – beides entscheidende Kriterien für die Berechnung seines „Marktwertes“.

An eben diesem „Marktwert“ scheiterte letztlich auch das Rechtsmittel der Berufung. Ein Marktwertverlust muss nämlich anhand konkret vorzubringender Berechnungsprämissen rechnerisch nachvollzogen werden können müssen. Der Kläger machte einen Vermögensschaden geltend, der sich aus der Minderung seines abstrakten „Marktwertes“ als Eishockeyspieler ergeben soll. Dabei übersieht er laut Gericht jedoch, dass sich der „Marktwert“ einer Person nicht als konkreter Vermögenswert darstelle, sondern als die Summe von Fähigkeiten, wie etwa Talent, Erfahrung, Fitness und Eigenschaften wie etwa Bekanntheit, Beliebtheit und Vermarktungswert, die es im Rahmen des bestehenden Angebots und Nachfrage, dem betreffenden Sportler bzw seinem Verein ermöglicht, vermögenswerte Vorteile zu lukrieren.

Marktwert ist nicht gleich Vermögenswert

Dementsprechend stellt nicht der Verlust des „Marktwertes“ als solches, mag dieser gelegentlich auch in Geld ausgedrückt werden, den schadenersatzrechtlich relevanten Vermögensnachteil einer Person dar, sondern der Verlust oder die Verminderung der daraus resultierenden Möglichkeit, einen Verdienst im weitesten Sinn zu erwerben. Da der Spieler aber nur eine Summe für die Verminderung des „Marktwertes“ genannt hat, ohne zu konkretisieren, inwiefern sich diese exakt in seinem Vermögen ausgewirkt hat, wurde der Klage in diesem Teil nicht stattgegeben. Der OGH bewertet den Marktwert eines Spielers somit nicht als eigenständiges Rechtsgut. Vielmehr ist auf den, damit indirekt zusammenhängenden künftigen Verdienstentgang abzustellen.

Das Problem mit der Rechtswidrigkeit

Weitere Voraussetzung des Schadenersatzes ist die Rechtswidrigkeit des Handelns des Schädigers. Hier gilt der Grundsatz, dass jemand, der sich im Rahmen des Erlaubten verhält, grundsätzlich (bis auf wenige Ausnahmen) keinen Schadenersatz leisten muss. Doch welches unerlaubtes Verhalten setzte der Arbeitgeber im konkreten Fall?

Hier machte der Spieler eine Verletzung der (nachvertraglichen) Fürsorgepflicht gemäß § 1157 ABGB geltend, da der Verein ihm nicht vor Ende der Befristung mitgeteilt habe, dass sein Vertrag nicht verlängert werde. Dem entgegnete das Gericht, dass bei im Eishockey üblichen „Try-Out-Verträgen“ vom Spieler nicht erwartetet werden dürfe, dass der Vertrag verlängert werde. Darüber hinaus wurde die Nichtverlängerung bzw Nichtabschluss eines weiteren Arbeitsvertrages nicht als Altersdiskriminierung qualifiziert. Somit gelang es im gegenständlichen Verfahren nicht, ein den Schadenersatzanspruch begründendes rechtswidriges Verhalten nachzuweisen.

Fazit

Das höchstgerichtliche Urteil bestätigt zunächst die Möglichkeit der Einführung von Punktesystemen im professionellen Sport, die auch eine Jugendförderung beinhaltet. Diesbezüglich sollte auf transparente und nachvollziehbare Leistungsparameter geachtet werden. Die Frage der Ersatzfähigkeit von Schäden aufgrund von Marktwertverlusten wurde nicht abschließend geklärt. Hier ist vor allem an die im Fußballbereich teilweise praktizierte Verweigerung der Trainingsteilnahme von Spielern bei der Profimannschaft zu denken. Der damit einhergehende Verlust von Fertigkeiten stellt eine Verminderung des Marktwerts dar. Das viel zitierte Recht eines Profifußballers auf Beschäftigung wird unter anderem mit einer drohenden Beeinträchtigung seines „Marktwertes“ begründet (siehe auch Fall Markus Schopp, OGH 9 ObA121/06v, oder die Fälle SKN St. Pölten und Tomasz Wisio bzw Daniel Beichler). In diesem Zusammenhang ist jedoch auch auf den im Sportbereich einzigartigen Kollektivvertrag der Fußball-Bundesliga hinzuweisen, der ein Recht auf Teilnahme am Training der Kampfmannschaft vorsieht.

Im konkreten Fall hätte der Spieler also nachweisen müssen, dass er aufgrund der Nichtverlängerung bzw Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses mit einem Klub aus der höchsten österreichischen Eishockeyliga einen Verdienstentgang erlitt. Ein „Marktwert“ eines Spielers kann zu vermögenswerten Vorteilen führen, die im Falle eines behaupteten Schadenersatzanspruches jedoch konkret zu belegen sind. Hier ist vordergründig an einen Verdienstentgang zu denken.

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Berufssportler und der Grundwehrdienst

In einer jüngst ergangenen Entscheidung hatte sich der Verwaltungsgerichtshof mit dem Aufschub des Grundwehrdienstes eines Profi-Eishockeyspielers zu beschäftigen. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, ob sich der Sportler noch in Ausbildung oder sonstiger Berufsvorbereitung befindet.

Die Ausgangslage erinnert etwas an die Causa Heung-min Son. Dem südkoreanischen Fußballprofi vom Londoner Fußballklub Tottenham Hotspur stand der Wehrdienst (Dauer: 21 bis 24 Monate) in seiner Heimat unmittelbar bevor. Bloß ein Turniersieg bei den Asienspielen konnte ihn von seiner regulären Wehrpflicht befreien und der „Lücke“ in seiner Spielerkarriere einen Riegel vorschieben. Dies sollte dem südkoreanischen Team rund um Son im Jahr 2018 auch gelingen. Mit dem Turniersieg wurde der Offensivspieler von dem bis zu zwei Jahren dauernden Wehrdienst befreit – ein großer Sieg, zumal seine Profikarriere dadurch unmittelbar fortgesetzt werden konnte. Eine dreiwöchige Grundausbildung blieb ihm dennoch nicht erspart. Diese absolvierte er in der – durch COVID-19 bedingten – Fußballpause. Kurze Notiz am Rande: Son beendete die Grundausbildung mit Glanzleistung (Medienberichten zufolge unter den besten fünf der 157 Teilnehmer).

Der Fall eines österreichischen Profi-Eishockeyspielers

Ein österreichische Eishockeyspieler erhielt einen Einberufungsbefehl, der den Einrückungstermin 2. Oktober 2017 vorsah. Mit einem Schreiben bat er die belangte Behörde um Aufschub seines Grundwehrdienstes. Begründend führte er an, dass sich sein Lebensmittelpunkt in der Schweiz befinde und er ein aktiver hauptberuflicher Eishockeyspieler mit laufendem Spielervertrag sei. Aus diesen Gründen könne er den Grundwehrdienst zum geplanten Zeitpunkt nicht antreten.

Die belangte Behörde wies den Antrag des Eishockeyspielers auf Aufschub des Grundwehrdienstes ab. Der Antragsteller habe in seinem Schreiben keine Ausbildungsgründe (Anm: diese fordert jedoch das Gesetz für einen Aufschub) geltend gemacht, sondern bloß auf seinen Auslandsaufenthalt und seinen Beruf als Eishockeyspieler hingewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht trat dieser Ansicht entgegen und gewährte dem Eishockeyspieler den Aufschub.

Gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts richtete sich die Revision der belangten Behörde. Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hatte sich daher mit der Frage zu beschäftigen, „ob es sich bei der Tätigkeit als Eishockeyspieler um eine ‚Ausbildung‘ oder eine ’sonstige Berufsvorbereitung‘ im Sinne des § 26 Abs 3 Wehrgesetz 2001 (WG 2001) handelt„.

Aufschub des Grundwehrdienstes

Ein Aufschub des Grundwehrdienstes ist gemäß § 26 Abs 3 WG 2001 grundsätzlich möglich, wenn der Wehrpflichtige (in diesem Fall der Eishockeyspieler) durch eine Unterbrechung einer bereits begonnen Schul- oder Hochschulausbildung, oder sonstigen Berufsvorbereitung einen bedeutenden Nachteil erleiden oder die Unterbrechung einer weiterführenden Ausbildung eine außerordentliche Härte bedeuten würde. Ein Aufschub ist nur auf Antrag des Wehrpflichtigen zu verfügen und darf bis zum Abschluss der jeweiligen Berufsvorbereitung gewährt werden, längstens jedoch bis zum Ablauf des 15. Septembers jenes Kalenderjahres, in dem der Wehrpflichtige das 28. Lebensjahr vollendet.

Noch in Ausbildung oder in sonstiger Berufsvorbereitung?

Für einen Aufschub müsste sich der Eishockeyspieler sohin noch in Ausbildung oder in sonstiger Berufsvorbereitung befinden. Darüber hinaus müsste er durch die Unterbrechung einen bedeutenden Nachteil erleiden. Der VwGH verneinte die Frage der Ausbildung bzw sonstigen Berufsvorbereitung. Die Verträge mit den Eishockeyklubs wurden jeweils ausdrücklich als „Spielervertrag“ bezeichnet. Darin wurde unter anderem eine Entlohnung und eine Meldepflicht betreffend Militärdienste sowie „andere berufliche Tätigkeiten“ vereinbart. Dies spricht nach Ansicht des Gerichtshofs für eine Berufstätigkeit (und nicht bloß für eine Ausbildung oder sonstige Berufsvorbereitung) des Eishockeyspielers. Ob dieser ohne den beantragten Aufschub einen bedeutenden Nachteil iSd Gesetzes erleiden würde, war – mangels Vorliegens einer Ausbildung oder sonstigen Berufsvorbereitung – nicht mehr zu prüfen.

Das Argument, die Tätigkeit als Eishockeyspieler sei „seine einzige berufliche Grundlage“, die bei der Ableistung des Wehrdienstes wegfiele und seine Aussicht auf eine Profikarriere gefährden würde, war für den VwGH nicht stichhaltig; ebenso das Vorbringen, der Eishockeyspieler werde seine Ausbildung bzw sonstige Berufsvorbereitung mit Vollendung des 26. Lebensjahres (im Jahr 2022) abgeschlossen haben. Denn an der gegenständlichen Berufstätigkeit des Eishockeyspielers ändert auch der Umstand nichts, dass sich der Spieler in ständiger Weiterbildung und täglichem Training befindet. Dies trifft nämlich auf nahezu alle Berufssportler zu.

Vergleich mit Balletttänzer?

Im Laufe des Verfahrens stellte sich auch die Frage, ob der gegenständliche Fall mit dem – vom VwGH im Jahr 2014 entschiedenen – Fall eines Balletttänzers vergleichbar ist. Dieser wurde aufgrund besonders rücksichtwürdiger wirtschaftlicher Interessen vom Wehrdienst befreit. Denn müsste der Balletttänzer seinen Grundwehrdienst zum damaligen Zeitpunkt ableisten, könnte er seine seit der Kindheit (hier über einen Zeitraum von mehr als 11 Jahren) erlernten Ballettfertigkeiten nur deshalb beruflich nicht mehr verwerten, weil diese Fertigkeiten durch die Leistung des Grundwehrdienstes – dauerhaft – beeinträchtigt würden. Auch der Einsatz als „Systemerhalter“, wäre nach Ansicht des VwGH für den Balletttänzer rechtlich nicht durchsetzbar und zudem viel zu unbestimmt.

Wenngleich eine gewisse Vergleichbarkeit hinsichtlich eines mit der Ausübung des Grundwehrdienstes verbundenen Trainingsrückstands eines Sportlers gegeben ist, sprechen für den VwGH doch zwei Gründe gegen die Gleichbehandlung der beiden Fälle. Einerseits geht es im gegenständlichen Verfahren nicht um eine Befreiung (und somit um besonders rücksichtwürdige wirtschaftliche Interessen), sondern um einen Aufschub. Und andererseits wäre der Profi-Eishockeyspieler im Gegensatz zum genannten Balletttänzer körperlich in der Lage, den Grundwehrdienst unbeschadet auszuüben. Nachsatz: Aber auch er hätte während des Grundwehrdienstes nicht die Möglichkeit, sich als Eishockeyspieler weiterzuentwickeln bzw nur sein Niveau zu halten.

Fazit

Zusammenfassend führte der VwGH aus, dass der Profi-Eishockeyspieler nicht in Ausbildung oder in sonstiger Berufsvorbereitung iSd WG 2001 steht. Deshalb kann der Spieler seinen Grundwehrdienst nicht aufschieben.

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