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Die Folgen des Austritts der Fußballer aus dem ÖGB

Der Kollektivertrag der Fußballer* ist eine Errungenschaft, um die uns international viele Kolleginnen und Kollegen beneiden. Viele arbeitsrechtliche Unklarheiten, die dem Sport aufgrund seiner Besonderheiten immanent sind (Arbeit findet vorwiegend abends und an Wochenenden statt, befristete Arbeitsverhältnisse, verbandsrechtliche Vorgaben hinsichtlich Transfers etc.), werden im Kollektivvertrag fair und umfassend geregelt.

* Der Kollektivvertrag heißt im Original: Kollektivvertrag für Fußballspieler/innen der Österreichischen Fußball-Bundesliga. Nachdem es in der Österreichischen Fußball-Bundesliga aber keine Frauen gibt (die Bundesliga der Damen wird vom ÖFB und nicht von der Fußball-Bundesliga organisiert), wird nicht aus Gründen der Lesbarkeit, sondern aufgrund der Tatsache, dass die Thematik aktuell ausschließlich den Männerfußball betrifft, im Text auch ausschließlich die männliche Form verwendet.

Zum Verständnis: ein Kollektivvertrag wird zwischen kollektivvertragsfähigen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern abgeschlossen und regelt die arbeitsrechtlichen Mindeststandards, die für eine Branche zusätzlich zu oder abweichend von den allgemeinen arbeitsrechtlichen Bestimmungen gelten. Von diesen Mindeststandards darf im Arbeitsvertrag nicht zum Nachteil von Arbeitnehmern abgewichen werden.

Mindestlöhne sind nur ein Teil der Regelungen. Gerade im Fußball trifft der Kollektivvertrag so viele wesentliche Regelungen mehr, weil mit den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen zu Arbeitszeit, Urlaubszeit, Optionen etc. kein sinnvoller Sportbetrieb möglich wäre. Andere Sportarten, die keinen Kollektivvertrag haben – also alle anderen Sportarten – „wursteln“ sich meist mehr schlecht als recht durch den Dschungel des Arbeitsrechts durch. Folge: Rechtsunsicherheit sowohl für die Vereine als auch die SpielerInnen.

Das gehört im Fußball seit vielen Jahren der Vergangenheit an. 2008 wurde erstmals der Kollektivvertrag für Fußballer abgeschlossen.

Vertragspartner des Kollektivvertrags für Fußballer sind übrigens die Fußball-Bundesliga als Arbeitgeber- und die Younion – die Daseinsgewerkschaft für die Fachgruppe Vereinigung der Fußballer (VdF) als Arbeitnehmervertreter. Nun sind aber bekanntlich sämtliche Berufsfußballer aus der Younion ausgetreten und haben sich einer neu gegründeten Spielervereinigung angeschlossen. Es ist davon auszugehen, dass auch zahlreiche der übrigen 900 Mitglieder diesem Schritt folgen.

Es stellt sich somit die Frage, wer – und ob überhaupt jemand – zukünftig das Recht hat, auf Arbeitnehmerseite Kollektivverträge für den Profifußball abzuschließen.

Langer Weg der Fußball-Bundesliga zur Kollektivvertragsfähigkeit

Gesetzlich geregelt ist, dass die Arbeiterkammer, die Wirtschaftskammer und die Kammern der freien Berufe (z.B. Ärzte, Anwälte) Kollektivverträge abschließen dürfen. Darüber hinaus kann das Österreichische Bundeseinigungsamt aber auch freiwilligen Berufsvereinigungen der Arbeitgeber oder Arbeitnehmer die Kollektivvertragsfähigkeit verleihen.

In der Praxis ist der ÖGB mit seinen sieben Teilgewerkschaften die mit Abstand größte freiwillige Berufsvereinigung, die anstelle der Arbeiterkammer Kollektivverträge auf Seiten der Arbeitnehmer verhandelt. Durch die Einbindung der VdF in den ÖGB 1988 waren die Fußballer schon früh gewerkschaftlich organisiert und vertreten. Auch die Kollektivvertragsfähigkeit war durch diese Kooperation unbestritten.

Schwieriger war es, einen kollektivvertragsfähigen Partner auf der Arbeitgeberseite zu finden. Die Fußball-Bundesliga ist ebenso wenig wie der ÖFB eine Kammer, die von Gesetzes wegen Kollektivverträge abschließen dürfte. Also blieb nur ein Antrag auf Zuerkennung der Kollektivvertragsfähigkeit beim Bundeseinigungsamt. Dieser Antrag wurde vor knapp 30 Jahren gestellt. Damals wie heute sind dafür einige gesetzliche Voraussetzungen zu erfüllen. Die Freiwilligkeit der Mitgliedschaft ist eine davon. Dieser Punkt wurde für die Fußball-Bundesliga nahezu zum Stolperstein, denn das Bundeseinigungsamt war der Meinung, dass es sich bei der Mitgliedschaft der Vereine in der Bundesliga um eine Zwangsmitgliedschaft handelt.

Der VwGH hat dazu aber entschieden, dass ein Fußballverein seine Tätigkeit (sprich: Teilnahme an Fußballbewerben) auch ausüben kann, ohne gezwungen zu sein, dies als Mitglied der Fußball-Bundesliga zu tun. Er kann zwar nicht an der 1. oder 2. Liga teilnehmen, sehr wohl aber in den Ligen darunter. Deshalb und weil auch alle anderen gesetzlichen Voraussetzungen vorlagen, hat die Fußball-Bundesliga schlussendlich doch die Kollektivvertragsfähigkeit erlangt. Einzigartig im österreichischen Sport und ein Meilenstein für den Berufsfußball.

Was bedeutet nun aber der Rückzug der VdF aus der Younion? Fällt der Vertragspartner der Fußball-Bundesliga weg?

Gute Chancen für neue Spielervereinigung auf Erteilung der KV-Fähigkeit

Neben der Freiwilligkeit der Mitgliedschaft hat eine Berufsvereinigung nach dem Arbeitsverfassungsgesetz noch folgende Voraussetzungen zu erfüllen, wenn sie die KV-Fähigkeit erlangen möchte:

  • Sie muss es sich zur Aufgabe machen, die Arbeitsbedingungen innerhalb ihres Wirkungsbereiches zu regeln;
  • Sich mit ihrer Tätigkeit auf einen größeren fachlichen und räumlichen Wirkungsbereich beziehen;
  • Aufgrund ihrer Mitgliederzahl und des Umfangs der Tätigkeit eine maßgebende wirtschaftliche Bedeutung haben; und
  • in der Vertretung der Arbeitgeber- oder der Arbeitnehmerinteressen gegenüber der anderen Seite unabhängig sein.

Wie medial bereits berichtet, sind sämtliche Bundesliga-Spieler, die bisher Mitglied des ÖGB waren, bei diesem aus- und der neuen Spielervereinigung beigetreten. Insofern vertritt die Spielervereinigung aktuell alle in einer freiwilligen Berufsvereinigung organisierten Berufsfußballer Österreichs. Damit dürfte sie sowohl fachlich, räumlich als auch wirtschaftlich die relevante Anzahl an Mitgliedern vertreten. Alles andere wäre schwer zu argumentieren, wenn doch auf der Gegenseite die Fußball-Bundesliga als Arbeitgebervertreter offenbar ebendiese Voraussetzungen erfüllt.

Dass das Ziel der Spielervereinigung die Regelung der Arbeitsbedingungen der Fußballer ist, und dass dieser Umstand auch in den Statuten verankert ist, davon ist auszugehen. Auch an der Unabhängigkeit der Vereinigung wird es nicht scheitern.

Plädoyer für eine Lösung im Sinne des Sports

Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen vor, so besteht Anspruch auf Erteilung der KV-Fähigkeit. Auf den ersten Blick spricht also nichts dagegen, dass der Spielervereinigung als neue Berufsvertretung der Fußballer die Kollektivvertragsfähigkeit zuerkannt wird.

Unklar ist, wie sich die Younion als bisheriger Kollektivvertragspartner der Fußball-Bundesliga in dieser Angelegenheit positioniert. Denn Medienberichten zufolge dürfte die Loslösung der VdF von der Younion ja nicht im besten Einvernehmen erfolgt sein.

Das Arbeitsverfassungsgesetz regelt zwar den Fall, dass eine gesetzliche Berufsvereinigung automatisch die Kollektivvertragsfähigkeit für eine Branche verliert, wenn es eine kollektivvertragsfähige freiwillige Berufsvereinigung gibt. Nicht ausdrücklich geregelt ist hingegen der Fall, dass es zwei freiwillige Berufsvereinigungen gibt, die den Anspruch auf Kollektivvertragsfähigkeit für eine Branche erheben.

Im Sinne des Sports wäre es dringend angeraten, so rasch wie möglich eine tragfähige Lösung zu finden, die sowohl die Akzeptanz der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber findet. Nachdem die Berufsfußballer vollzählig von der Younion zur Spielervereinigung „gewandert“ sind, wird die neue Vereinigung wohl als die legitime Interessensvertretung der Fußballer anzuerkennen sein.

Bleibt jedenfalls zu hoffen, dass das Erfolgsmodell „Kollektivvertrag der Fußballer“ nicht einem gewerkschaftlichen Machtkampf zum Opfer fällt.

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