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Ausbildungsentschädigung – auf wackeligen Beinen

Gastbeitrag von Lukas Bono Berger (Universitätsassistent am Institut für Verwaltungsrecht und Verwaltungslehre der JKU Linz)

Hinweis: Der Beitrag ist bereits im Fußballmagazin "ballesterer" erschienen.

Wechselt ein Spieler ohne Zustimmung des abgebenden Vereins, wird meist eine Ausbildungsentschädigung fällig. Die Regelung des ÖFB sorgt nicht nur für Interessenskonflikte, sondern ist rechtlich umstritten. Eine juristische Annäherung.

Training oder Ausbildung?

Die Ausbildungsentschädigung ist für uns eine wichtige Einnahmequelle“, sagt Rainer Schütz, Obmann des ASKÖ Donau Linz. 5.160 Euro bekommt der Klub dank der Regelung etwa für einen Spieler, der seit dem neunten Lebensjahr beim Verein gespielt hat und mit 18 in die Regionalliga wechselt. Geht ein 14-Jähriger, der ebenfalls seit dem neunten Lebensjahr dem Verein angehört, zu einem Bezirksligisten, werden nur 900 Euro fällig. Die Höhe der Ausbildungsentschädigungen ist vom ÖFB pauschal geregelt, sie schwankt zwischen 40 und 10.880 Euro. Wie viel sie ausmacht, hängt vom Alter des Spielers und der Spielklasse des aufnehmenden Vereins ab. Bis zum 23. Lebensjahr erhöht sich die Summe, ab dem 28. Lebensjahr ist bei einem Wechsel keine Ausbildungsentschädigung mehr zu entrichten. Grundsätzlich dient die Regelung dazu, auch dann Wechsel zu ermöglichen, wenn sich die beteiligten Vereine nicht über die Modalitäten einigen können. Nachzulesen sind alle Details in § 9 ÖFB-Regulativ mit dem Titel „Nationaler Vereinswechsel ohne Freigabeverfahren für Amateure oder Zwangserwerb“.

So genau die Eventualitäten vorgegeben sind, so unbefriedigend ist die Regelung für viele Beteiligte. So mancher Verein mit einer guten Jugendarbeit ist mit der Höhe der finanziellen Entschädigung unzufrieden, gleichzeitig profitieren Vereine, bei denen Spieler nur stehen oder verliehen werden. Neben Interessenskonflikten über die Ausgestaltung der Regel gibt es eine Reihe juristischer Probleme. Denn die Ausbildungsentschädigung des ÖFB hat den Anforderungen des Zivil- und Arbeitsrechts zu entsprechen. Aufgrund der monopolistischen Organisation des Sportverbands wird auch eine Grundrechtsbindung desselben diskutiert, relevant könnten hier die Vereinsfreiheit, die Erwerbsfreiheit und das Recht auf freie Gestaltung der Lebensführung gemäß Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention sein.

Qualität und Quantität

Die Ausbildungsentschädigung beschäftigt immer wieder Gerichte. 2012 traf der Oberste Gerichtshof eine Grundsatzentscheidung, als er sie nicht per se als sittenwidrig einstufte. Er betonte aber auch, dass Ausbildungsleistungen von erheblicher Relevanz erbracht werden müssen, die in einem angemessenen Verhältnis zur Entschädigung stehen. Zudem dürfen die Rechte der Spieler nicht maßgeblich beschränkt werden.

Daraus lässt sich ableiten, dass Qualität und Quantität der Ausbildung berücksichtigt werden müssen. Das fordert auch der auf Sportrecht spezialisierte Anwalt Wolfgang Rebernig: „Die Trainingshäufigkeit und die absolvierten Spiele müssen die Höhe der Ausbildungsentschädigung beeinflussen“, sagt er. „Sonst besteht die Gefahr der ungerechtfertigten Bereicherung.“ Auch Rainer Schütz befürwortet die Einbeziehung von Qualität und Quantität der Ausbildung in die Berechnung. In die Kriterien des ÖFB fließt das bislang allerdings nicht ein. Der Verband stützt seine Regelung auf das Bosman-Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 1995, das vom Eventualitäts- und Zufallscharakter der Entschädigung spricht. Vereinfacht gesagt, bedeutet das, dass zwischen der Qualität der Ausbildung und einem künftigen Vereinswechsel kein Zusammenhang angenommen wird. Demgegenüber könnte man argumentieren, dass besseres und häufigeres Training die Qualität der Fußballer verbessert und Wechsel wahrscheinlicher macht.

Auch der Verbleib beim ausbildenden Verein müsste in die Berechnung der Entschädigung einfließen. Ab einem gewissen Zeitpunkt überwiegen nämlich die Erträge, die der Verein durch den Spieler lukriert, die Kosten, die dieser verursacht. Während im Nachwuchsfußball der Aufwand mutmaßlich höher als der Ertrag ist, hilft der Spieler im Erwachsenenfußball, höhere Einnahmen durch Eintrittsgelder und Sponsoren zu erwirtschaften. Einem ähnlichen Effekt trägt der Ausbildungskostenrückersatz im Arbeitsrecht Rechnung, wonach sich dieser in der Zeit, die der Arbeitnehmer nach der Ausbildung im Unternehmen verbleibt, verringert. Im Fußball steigt die Höhe der Ausbildungsentschädigung jedoch bis zum 23. Lebensjahr. Laut Rebernig ist das zu lange, ab dem 21. Lebensjahr überwiege der Nutzen des Spielers für den Verein gegenüber den Kosten: „Die Ausbildung ist zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen.“

Ausbildungspauschale

Um die Ausbildungsentschädigung nicht zum Geschäft werden zu lassen, müsste sich ihre Höhe zudem an den angefallenen Kosten orientieren. Grundsätzlich sind Pauschalierungen zulässig, jedoch wird die unterschiedliche Qualität der Ausbildung – abgesehen von den Akademien – in den ÖFB-Berechnungen nicht berücksichtigt. Das indiziert einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz, wonach Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln ist, und wäre demnach verfassungswidrig. „Wir wünschen uns eine faire Berechnung der Ausbildungsentschädigung“, sagt Schütz. Er sieht sich als Verlierer der pauschalierten Berechnung, da Donau Linz eine überdurchschnittlich gute Ausbildung anbiete.

Problematisch ist auch die Nichteinbeziehung der Ausbildungsbeiträge der Eltern. Sollten diese über Vereinsmitgliedsbeiträge hinausgehen, da beispielsweise Trainer oder Materialen finanziert werden, würde der Erhalt der Ausbildungsentschädigung dem Entschädigungsgedanken der Vorschrift zuwiderlaufen. Jurist Rebernig erkennt auch hier eine Bereicherungsmöglichkeit des abgebenden Vereins. Die Gelder, die ein Klub aus der Ausbildungsentschädigung erhält, würden zur Finanzierung des Erwachsenenfußballs herangezogen. Dem widerspricht Donau-Linz-Obmann Schütz nicht: „Die Ausbildungsentschädigung wird nicht zweckgebunden für den Nachwuchs verwendet, sondern dort, wo sie gebraucht wird.“

Auch hinsichtlich der vom Obersten Gerichtshof gestellten Anforderung, dass die Rechte des Spielers nicht maßgeblich beschränkt werden dürfen, gibt es Schwierigkeiten. Man stelle sich einen 23-jährigen vereinslosen Profi vor, für den ein potenzieller Arbeitgeber in der zweithöchsten Spielklasse knapp 10.000 Euro an Ausbildungsentschädigung zu zahlen hätte. Diese Hürde stellt einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Erwerbsfreiheit dar.

Falsche Konkurrenz

Während die bisher dargestellten Punkte juristisch unterschiedlich bewertet werden können, stellen die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen zwingendes Recht dar, sie können also durch Einzelverträge nicht umgangen werden. Das Arbeitsrecht regelt unter anderem den Ausbildungskostenrückersatz sowie die Konkurrenzklausel, die über eine Zusatzvereinbarung im Arbeitsvertrag einen direkten Wechsel innerhalb derselben Branche untersagt. Die Ausbildungsentschädigung ist vor diesem Hintergrund problematisch. Schließlich verunmöglicht sie, dass Spieler ohne Weiteres von einem Verein zum anderen wechseln, damit gleicht sie der Konkurrenzklausel mit Vertragsstrafe. Doch diese arbeitsrechtliche Bestimmung hat eindeutige Voraussetzungen, denen bei der Ausbildungsentschädigung nicht entsprochen wird. Eine Konkurrenzklausel darf nämlich nicht mit Minderjährigen vereinbart werden, sie darf den Zeitraum von einem Jahr nicht übersteigen, das Fortkommen des Arbeitnehmers nicht unbillig erschweren und nur bei einem Bruttogehalt von über 3.900 Euro abgeschlossen werden. Für viele Spieler der zweiten Liga dürften diese Kriterien nicht zutreffen, die Ausbildungsentschädigung wäre in diesen Fällen also rechtswidrig.

Das ist aber nicht das einzige arbeitsrechtliche Problem. Der Ausbildungskostenrückersatz, der das Aufkommen des Arbeitsnehmers für die Kosten der Ausbildung vorsieht, kann auch bei Fußballern angenommen werden, sofern man das Training als Ausbildung wertet. Das wird in der Literatur jedoch überwiegend verneint, da die Aneignung von sportlichen Fertigkeiten nicht als Ausbildung gewertet wird. Dabei wird verkannt, dass durch das Training Spezialkenntnisse vermittelt werden, die zu einer Marktwertsteigerung führen und bei anderen Arbeitgebern verwertet werden können. Auch Anwalt Rebernig sieht im Training eine nicht geregelte Ausbildung, er spricht sich daher für die Anwendung der Ausbildungsrückersatzklausel aus. Sollte das Training als Ausbildung gewertet werden, ergibt sich daraus die Pflicht zur pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bei Minderjährigen. Wenn diese einen Jungprofivertrag vorgelegt bekommen, müsste also ein Richter zustimmen. Außerdem wäre die Ausbildungsentschädigung nicht anzuwenden, wenn das Arbeitsverhältnis, also der Vertrag, durch zeitliche Befristung endet. Die im Ausbildungskostenrückersatz festgesetzte Aliquotierung der Ausbildungskosten würde bedeuten, dass bei der vorzeitigen Beendigung durch den Arbeitnehmer nur eine anteilige Aufwandsentschädigung zu leisten wäre.

Der ÖFB hat mit der Novellierung der Ausbildungsentschädigung 2017 zwar für ein beweglicheres System gesorgt, indem er die bis dahin geltenden pauschalen Entschädigungssätze durch altersbedingte Abstufungen näher aufschlüsselte. Alter und Ausbildungsdauer haben seither mehr Einfluss auf die Höhe der Entschädigung. Rechtlich sicher ist das Konstrukt aber immer noch nicht, die Ausbildungsentschädigung steht auf wackeligen Beinen. Sollten Spieler oder Vereine gegen die Regelung klagen, würde wohl erst ein höchstgerichtliches Urteil Klarheit in der Thematik bringen.

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Amateurfußball – Rechtliche Abklärung von Nöten

Fußballer gelten rechtlich als Arbeiter, Arbeitgeber ist der Verein. Anders als andere Arbeiter unterliegen sie Einschränkungen, etwa im Sinne des Wechsels des Arbeitsplatzes. Während aber der Profifußball gut durch organisiert ist, gibt es im Amateurfußball große Probleme, wie Dr. Rudolf Novotny von der Fußballer Gewerkschaft VdF (Vereinigung der Fußballer) erklärt.

Der Sport hat dank des EU-weiten Grundrechts der Verbandsautonomnie (Art 12 GRC, Art 11 EMRK, innerstaatlich Art 12 StGG) große Freiheiten, die Angelegenheiten den Verband betreffend selbst zu regeln. „Damit lässt sich auch das Transferfenster im Profifußball erklären“, so Rudolf Novotny, „da hier mit der Integrität des Wettbewerbs argumentiert werden kann.“ Dennoch sieht der Gewerkschafter, geschäftsführender Sekretär und für Recht zuständig, einige Widersprüche zwischen Arbeitsrecht und Bestimmungen des ÖFB. Eine Entscheidung hat die EU dem ÖFB beispielsweise schon abgenommen, nämlich die Ausländerbeschränkung im gesamten Fußballbereich. Das Regualtiv des Fußballbundes beschränkte bis zum Beginn der Saison 2013/14 die EU-Ausländer (und solche aus EU-assozierten Staaten) auf drei. Diese Regelung war diskriminierend.

Novotny formuliert aber noch drei Regelungen, die sich ehebaldigst ändern sollten. Die erste betrifft § 7 des „Regulativs für die dem ÖFB angehörigen Vereine und Spieler“. § 7 (1) lit a) besagt: „Die Übertrittszeiten der Landesverbände sind von 5. bis 15. Juli (Sommerübertrittszeit) und vom 1. bis 31. Jänner (Winterübertrittszeit).“ Die Landesverbände, also von der dritten Leistungssufe (Regionalliga abwärts), haben also ein viel kleineres Transferfenster als die Profiklubs. „Das ist an der Realität vorbei“, so Novotny. Schließlich gebe es bis in die Gebietsligen hinein Spieler, die als Vertragsspieler rechtlich eigentlich Profis sind. Der ÖFB sollte hier proaktiv handeln, bevor das Recht auf einen Wechsel bis 31. August, wie lit b) für Profis regelt, eingeklagt wird.

Weitere zwei Punkte betreffen Ausbildungsentschädigungen. Zunächst die zu zahlenden. Diese fallen nur innerösterreichisch an. „Wechselt ein Spieler von im Amateurfußball von Villach nach Tarvis, muss keine Ausbildungsentschädigung gezahlt werden. Geht es von Villach zu Spittal an der Drau, schon“, erklärt der VdF-Experte. Geregelt ist das in § (2) des Regulativs. Und es stellt Vereine immer wieder vor Probleme. Die Formulierung „Vom erwerbenden Verein werden pauschal jene Kosten abgegolten, die er für die Ausbildung dieses Spielers bisher nicht aufwenden musste.“ gilt für alle Spieler, ungeachtet des Alters. „Logisch, dass das zu zahlen ist. Aber auch im Amateurbereich?“, fragt Novotny. Und das gilt nur im Amateurbereich. Bei den Profis in den höchsten zwei Spielklassen gibt es den Anspruch nur bis zum 23. Lebensjahr. (vgl. § 25 Spielbetriebsrichtlinien der Bundesliga.). Das Regulativ widerspricht laut Entscheidung des OGH (29.11.2012, 2 Ob 157/12w) auch nicht den „guten Sitten“ iSd § 879 ABGB.

Dieser Punkt greift über in die Frage, wer und ob überhaupt Ausbildungsentschädigung zu zahlen ist. „Da sollte es eine Verdienstgrenze geben“, meint Rudolf Novotny. Wechsel in der siebten Liga widersprechen da in Novotnys Auffassung der Idee einer „Ausbildungsentschädigung“. Anders gelagert sei der Fall aber, wenn der Spieler Profi werde – hier eben ab einer Verdienstgrenze, möglicherweise über den 540 Euro monatlich, die es im Fußball steuerfrei als pauschale Aufwandsentschädigung gibt. Denn dann hat der Spieler tatsächlich eine Ausbildung genossen. Sollte er von der Landesliga in die Bundesliga wechseln, solle er das möglicherweise selbst zahlen. „Das kann man mit der Pilotenausbildung vergleichen“,sagt Novotny. Auch da müssen die, die sich als Pilot ausbilden lassen, die Ausbildung vorstrecken, bekommen sie nur dann gezahlt, wenn sie später auch als Pilot arbeiten müssen. Bei einem 31-Jährigen wäre das sinnlos.

Es gibt hier also einigen rechtlichen Abklärungsbedarf.

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