Gehaltsobergrenzen à la NFL im Profifußball? Ein rechtliches Gedankenspiel
Der Fußball, so sagen einige, hat seine Romantik verloren. Heute, da ist das Qatar Airways Logo auf den linken Trikotärmel gestickt, oder Feinkost Popp, oder Cargo Bank. Heute, da wechselt das Tafelsilber der österreichischen Fußball-Bundesliga millionenschwer zu einem Mittelschwergewicht auf die britische Insel. Von der Romantik, so könnte man meinen, sind nur YouTube Videos geblieben. Von Basler, Schuster oder Dede. Oder eben ein Rapid-Graffiti am Donaukanal. Memoiren auf abgeblättertem Beton.
Der Fußball, so fordern fast alle abseits der Ölmillionen und kometenhaft angestiegenen Fernsehgelder, braucht strengere Regeln, was seinen Wirtschaftsmarkt angeht. Von Umverteilung ist da die Rede, oder eben von Gehaltsobergrenzen. Salary Caps, wie im US-Amerikanischen Profisport. Eine romantische Vorstellung eigentlich, doch wäre das rechtlich überhaupt umsetzbar?
Die Pandemie hat dem Profifußball seine wirtschaftliche Maßlosigkeit aufgezeigt. Etliche Vereine, wie auch den FC Schalke 04, hat sie an die Grenzen der Existenz gebracht. Klar ist also, dass die Forderungen nach Reformen im wirtschaftlichen System immer lauter werden. DFL-Geschäftsführer Christian Seifert hält das Gedankenspiel einer Deckelung von Spielergehältern für durchaus plausibel, Ulli Hoeneß hingegen sprach sich im Gespräch mit der FAZ klar dagegen aus. „Das wird nicht funktionieren“, sagte er. Ein Meinungsstreit, der sich auch durch den rechtlichen Diskurs zu diesem Thema zieht.
Was sind Gehaltsobergrenzen eigentlich?
Hier gilt es zu erwähnen, dass es verschiedenste Möglichkeiten zur Ausgestaltung einer solchen Gehaltsobergrenze gibt. Das Modell „Salary Caps“ bewegt sich nicht in einem Schwarz-Weiß Rahmen, sondern könnte in der Praxis verschiedenste Schattierungen annehmen. Absolute Gehaltsobergrenzen (sog. Hard Caps) geben eine ligaweit einheitliche Höchstgrenze an Spielergehältern vor, die von den Vereinen nicht überschritten werden darf. Relative Gehaltsobergrenzen (sog. Soft Caps) hingegen orientieren sich prozentual am Jahresumsatz des jeweiligen Ligamitglieds. Der konkrete Höchstwert an Spielergehältern, die ausbezahlt werden dürften, würde also von Verein zu Verein differieren.
Einige Juristen sehen im just 2015 eingeführten und seither vielzitierten Financial Fair Play System bereits mittelbar eine Gehaltsobergrenze. Das System fußt dabei grundsätzlich auf dem Prinzip der sogenannten „Break-Even-Regel“. Dies bedeutet vereinfacht gesagt, dass die Vereine im Durchrechnungszeitraum von drei Spielzeiten nicht mehr ausgeben dürfen, als sie einnehmen. Nun könnte man natürlich argumentieren, dass diese Break-Even-Regel, auch wenn sie in ihrer konkreten Ausgestaltung nicht der oben genannten Definition einer Gehaltsobergrenze entspricht, faktisch wie eine solche wirken könnte. Zweifelsohne werden dadurch auch ausufernde Spielergehälter gewissermaßen beschränkt. Die Zielsetzung der UEFA in ihrem Katalog in Art. 2 der FFP-Objectives lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass dadurch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Vereine und eine sportliche Ausgeglichenheit im Wettkampf bewirkt werden soll. Ein Ziel, das Gehaltsobergrenzen doch gerade verfolgen sollten.
Unionsrechtliche Beurteilung:
Eine Gehaltsobergrenze im europäischen Profifußball wäre insbesondere am Maßstab des Unionsrechts zu messen. Dabei ist vor allem das europäische Wettbewerbsverbot zu berücksichtigen. Selbiges fußt auf dem Grundprinzip des Leistungswettbewerbs: Innerhalb des Binnenmarktes der EU sollten Unternehmen lediglich auf Basis der Qualität ihrer Leistungen, nicht aufgrund von leistungsfremden und externen Faktoren, in Konkurrenz treten.
Jeder leistungsfremde Eingriff ist nur dann zulässig, wenn er gerechtfertigt werden kann. Zu erwähnen ist hier insbesondere das Kartellverbot in Art. 101 AEUV. Der Absatz 2 dieser Regelung statuiert nämlich, dass jeder Rechtsakt, der dem Kartellverbot entgegensteht, grundsätzlich nichtig und somit nicht anwendbar ist.
Erfasst vom kartellrechtlichen Tatbestand sind alle Formen der Koordinierung eines Marktverhaltens von Unternehmen, die einen Zwischenstaatsbezug aufweisen und zu einer Wettbewerbsbeschränkung führen oder führen könnten.
Verhaltenskoordinationen im Sinne des Kartellrechts manifestieren sich wohl entweder in Form einer konkreten Vereinbarung oder einer sonstigen faktischen Verhaltensabstimmung auf dem Markt. Eine Regel, mit der von Verbandsebene aus nach dem Top-Down Prinzip eine Gehaltsobergrenze für die Mitgliedsvereine oder –verbände der UEFA erlassen würde, würde wohl die Form einer konkreten Vereinbarung in Form eines Beschlusses oder eines Vertrages annehmen.
Eine Salary Cap Regelung würde in der Praxis wohl am ehesten von der UEFA als kontinentaleuropäischem Fußballverband erlassen werden. Schlussfolgernd müsste die UEFA also ein Unternehmen im Sinne des Unionsrechts sein. Das Unionsrecht erfasst als Unternehmen grundsätzlich jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform. Geht man von der regen wirtschaftlichen Tätigkeit der UEFA bezüglich des Sponsorings ihrer Wettbewerbe (Champions- und Europa League) aus, nur um ein Beispiel zu nennen, ist die UEFA also zweifelsohne ein Unternehmen im Sinne des Unionsrechts – weitere wirtschaftliche Tätigkeiten des Verbandes mit eingeschlossen.
Auch ist es auf diese Bewerbe zurückzuführen, dass hier spürbar eine Zwischenstaatlichkeitsschwelle überschritten werden könnte. Die bestplatzierten zwei bis sieben Vereine jeder nationalen Meisterschaft treten jährlich in einem von der UEFA organisierten und europaweit ausgetragenen Kräftemessen in Champions- und Europa League an.
Eine Wettbewerbsbeschränkung könnte nun als Beschränkung der individuellen wirtschaftlichen Handlungsfreiheit eines Unternehmens am Markt definiert werden. Gerade eine Gehaltsobergrenze (in ihrer oben genannten Definition) würde dabei die wirtschaftliche Autonomie der Vereine im europäischen Profifußball faktisch bewirken.
Rechtfertigung:
Auch wenn Gehaltsobergrenzen nun theoretisch vom Kartellverbot des Unionsrechts erfasst sein könnten, könnten sie dennoch zulässig sein. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seinem Urteil Meca-Medina aus 2006 klargestellt, dass ein solcher „Verstoß“ gegen den Art. 101 AEUV gerechtfertigt werden kann, wenn er 1) ein legitimes Ziel verfolgt, er dabei 2) erforderlich und 3) auch verhältnismäßig ist. Darüber hinaus hat er in derselben Rechtssache entschieden, die Wettbewerbsregeln der Union grundsätzlich auch auf die Beschlüsse und Satzungen von Sportverbänden anzuwenden.
Ein legitimes Ziel ließe sich hier unproblematisch bejahen. Gehaltsobergrenzen möchten gerade wirtschaftliche Ungleichheiten beseitigen, dabei die finanzielle Schere zwischen den europäischen Klubs und Ligen etwas verkürzen und im Ergebnis zu einem ausgeglicheneren Wettbewerb im Profifußball führen.
In puncto Erforderlichkeit ist wohl unbestritten, dass ein Missstand im „Wirtschaftssystem-Profifußball“ vorliegt. Vereine abseits der Ölmilliarden und der Fernsehgelder in utopischen Höhen sind am heutigen Transfermarkt kaum noch wettbewerbsfähig. Die Brisanz dieser Thematik hat die UEFA bereits mit der Einführung des Financial Fair Play aufgegriffen und bestätigt.
Auf der Stufe der Verhältnismäßigkeit wäre nun noch zu prüfen, ob die von einer Gehaltsobergrenze angestrebten Ziele auch mit milderen und für die einzelnen Clubs weniger intensiven Beschränkungen ebenso effektiv erreicht werden könnten. Hier würden sich durchaus einige Alternativen bieten.
Für das oben genannte Ziel ist das Financial Fair Play in seiner jetzigen Ausgestaltung wohl nicht effektiv genug. Auch von einer anderen und faireren Einnahmenverteilung aus den europäischen Clubbewerben ist die Rede. Eine Umverteilung könnte jedoch nicht gleich effektiv sein wie eine Gehaltsobergrenze. Würden Prämien und Gelder aus Champions- und Europa League anders verteilt, könnten mächtigere und presigeträchtigere Vereine noch immer auf anderweitige Einnahmen zurückgreifen. Fernsehgelder aus den nationalen Ligen, Ticketeinnahmen oder Finanzspritzen eines Investors blieben von einer Umverteilung der Prämien im Internationalen Bewerb unberührt.
In zahlreichen Publikationen zu diesem Thema werden noch weitere Ansätze genannt. Von Luxussteuern ist da die Rede, oder vom Verbot von entgeltlichen Spielertransfers. Im Ergebnis könnte man eine Gehaltsobergrenze im europäischen Profifußball jedoch durchaus rechtfertigen. Dies käme ganz auf die konkrete Gestaltung eines solchen Salary Caps an.
Die möglichen Regelungsebenen:
Ein Salary Cap, sofern er denn gerechtfertigt ist, könnte nun auf verschiedensten Ebenen eingeführt werden.
Eine gesetzliche Regelung auf nationaler Ebene würde jedoch keinesfalls dem Kartellverbot standhalten. Würde theoretisch nur in der deutschen Bundesliga eine Gehaltsobergrenze eingeführt, so würden eben die deutschen Vereine in den Internationalen Bewerben benachteiligt werden. Gleiches gilt für die Konkurrenzfähigkeit dieser Vereine am Transfermarkt. Ein solches Vorgehen wäre also zweifelsohne wettbewerbswidrig.
Auf Unionsebene könnte durchaus ein Rechtsakt erlassen werden. Gemäß Art. 6 lit. e. AEUV und Art. 165 AEUV besäße die EU die Kompetenz, Themen des Sports durch Richtlinien oder Verordnungen zu regeln. Problematisch wäre hierbei jedoch gerade der Umstand, dass die Vereine der englischen Premier League nicht von einem solchen Rechtsakt erfasst wären. Gerade die Clubs auf der Insel tragen und haben seit jeher zum Problem des ungesunden Wirtschaftens im Profifußball beigetragen.
Somit käme als sinnvollste Lösung eine Regelung auf Verbandsebene durch die UEFA selbst in Betracht. Hierbei ist jedoch auf das Problem der Rechtsdurchsetzung hinzuweisen, das sich bereits im Verfahren gegen Manchester City vor dem Internationalen Sportgerichtshof (CAS) in Lausanne gezeigt hatte. Der Krösus aus dem Industriegürtel im Nordosten Englands war dabei wegen Verstößen gegen die Break-Even-Regel des Financial Fair Play belangt worden – eine Sanktion scheiterte jedoch. Zwei von drei Schiedsrichtern vor dem CAS wurden von City selbst ausgewählt, wobei auch von einer Befangenheit die Rede hätte sein können.
Fazit:
Im Ergebnis wäre eine Einführung von Gehaltsobergrenzen im europäischen Profifußball nach diesem Gedankenspiel unionsrechtlich also durchaus möglich. Problematisch erscheint jedoch, dass eine Regelung auf Verbandsebene von den Vereinen durch gewiefte rechtliche Schlupflöcher und anderweitige (Bonus-)Vereinbarungen umgangen werden könnte oder es schlichtweg an einer effektiven Sanktionsmöglichkeit gegen den jeweiligen Club scheitern könnte. Außerdem sei natürlich auch darauf hinzuweisen, dass das Fußball-Ligensystem in Europa fast ausschließlich ein offenes mit Auf- und Abstiegen ist. Diese Grundstruktur (als Gegensatz zu den US-Profiligen), könnte ein Salary Cap System ebenso erschweren.
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Patrick studiert zurzeit Rechtswissenschaften an der Universität Wien. Früher wollte er erst Eishockeyspieler werden, dann Journalist. Die Leidenschaft am Sport und am Schreiben ist jedoch bis heute an ihm kleben geblieben. Für Law Meets Sports versucht er nun als Autor, seine drei Passionen unter einem Dach zu vereinen.