Von Mbappé zu den neuen Financial Sustainability Regulations
Die Transfer-Saga um den Topstürmer Kylian Mbappé hat spätestens mit der offiziellen Meldung von Paris Saint Germain (PSG) bzw der Verkündung im Parc des Princes unmittelbar vor dem letzten Saisonspiel gegen den FC Metz am 21. Mai (vorerst) ein Ende gefunden. Auch wenn Details nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind und in der Medienwelt verschiedene Bedingungen kolportiert werden, dürfte der 23-jährige Franzose seinen Vertrag beim Meister der Ligue 1 zu (finanziell) durchaus attraktiven Konditionen bis 2025 verlängert haben. Dies stößt nicht nur bei Real Madrid CF auf Unverständnis und Unmut – der Wechsel von Mbappé zu den Königlichen stand unmittelbar vor dem Abschluss, letztlich entschied sich der Angreifer aber für die Verlängerung bei PSG –, sondern auch beim spanischen Ligaverband La Liga, in Person von Präsident Javier Tebas. Man werde beim europäischen Fußball-Dachverband UEFA, den französischen Verwaltungs- und Steuerbehörden und der Europäischen Union Beschwerde einlegen. Laut La Liga (Details hier) sei die Vertragsverlängerung eine unmögliche Investition, da der Verein inakzeptable Gehaltskosten und große finanzielle Verluste in früheren Saisons gehabt habe. Außerdem verstoße die Vertragsverlängerung unter anderem gegen die geltenden Regeln der UEFA – womit wohl die zu dem Zeitpunkt geltenden Regeln des Financial Fairplay (FFP – näheres dazu hier) gemeint sind. Vincent Labrune (Präsident der französischen Ligue-1) ließ mit seinem verbalen Rückschlag nicht lange auf sich warten.
Während diese Auseinandersetzung sicherlich noch für weitere (mediale und womöglich rechtliche) Schlagzeilen sorgen wird, gelten in Sachen Finanzen und Ausgaben ab Juni 2022 neue Regelungen im europäischen Fußball. In Nyon beschloss das Exekutivkomitee der UEFA am 7. April (siehe hier) die UEFA Club Licensing and Financial Sustainability Regulations (FSR), die das laut UEFA-Präsident Aleksander Čeferin aufgrund „der Entwicklung der Fußballindustrie“ und „den unvermeidlichen finanziellen Auswirkungen der Pandemie“ reformbedürftige FFP ersetzen werden. Hier ein kleiner Aufriss.
Die wichtigsten Regeln der Financial Sustainability (finanzielle Nachhaltigkeit)
Die als Ziel vorgegebene finanzielle Nachhaltigkeit soll durch Solvenz, Stabilität und Kostenkontrolle erreicht werden.
Art 80–83 der FSR regeln die Solvency requirements. Ziel der Vorschriften in puncto überfälliger Verbindlichkeiten (gegenüber Fußballvereinen, Arbeitnehmern, Sozialversicherungsträgern bzw Steuerbehörden sowie der UEFA) ist ein höherer Gläubigerschutz, wobei die Fußballvereine vierteljährlich kontrolliert werden und Zahlungsverzüge geahndet werden sollen.
Die Stability requirements (Art 84–91 FSR) haben in der Berechnung ihre Basis in der bestehenden Break-even-Vorschrift. Die Steigerung der „annehmbaren Abweichung” (= Defizit zwischen Einnahmen und Ausgaben, die ein Investor ausgleichen darf) von EUR 30 Mio auf EUR 60 Mio jeweils über drei Jahre, soll durch strengere Anforderungen bezüglich des Fair Value der Transaktionen entschärft werden. Finanziell gesunden Clubs steht unter gewissen Voraussetzungen eine annehmbare Abweichung von bis zu zusätzlich EUR 10 Mio zu.
Die wohl massivste und umstrittenste Änderung betrifft die Cost control requirements (Art 92–94 FSR). Die Kaderkosten (Gehälter, Transfers und Beraterkosten) werden mit 70 % der Vereinseinnahmen begrenzt. Verstöße hiergegen werden je nach Schwere und Häufigkeit über einen Zeitraum von vier Jahren schrittweise (finanziell und sportlich) sanktioniert.
Die FSR sind mit 1. Juni 2022 in Kraft getreten, wobei den Vereinen eine schrittweise Umsetzung über einen Zeitraum von drei Jahren eingeräumt wird. Ein sog Salary Cap (feste Gehaltsobergrenze), wie bspw von der Deutschen Fußball Liga (DFL) gefordert wurde, stieß hingegen auf zu großen Gegenwind und fand keinen Platz.
Stimmen zum neuen Reglement
Oliver Kahn, Vorstandsvorsitzender der FC Bayern München AG und Vizepräsident der European Club Association (ECA), spricht von einem Meilenstein, zumal er hofft, dass die FSR eine leichte Bremse bei den Gehältern und Ablösesummen mit sich bringe.
Laut Dr. Marc Lenz (Zuständiger für Internationale Angelegenheiten der DFL) seien die neuen Regularien ein Kompromiss unter Berücksichtigung verschiedener europäischer Perspektiven, der die finanzielle Stabilität und die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Clubs stütze. Bezüglich Investorengeldern gehen die Sichtweisen innerhalb Europas weiterhin stark auseinander, wobei die Regularien an entscheidenden Stellen im Sinne des deutschen und auch europäischen Profifußballs positiv beeinflusst worden seien. Konsequente Umsetzung und Sanktionierung seien gefragt, sodass die finanzielle Stabilität des europäischen Fußballs gestärkt werde.
Wanja Greuel, Geschäftsführer des schweizerischen Clubs Young Boys Bern und Vorstandsmitglied der ECA, sieht keinen Sinn hinter der Sanktion der „Luxussteuer”. Denn Clubs wie Manchester City, PSG oder den FC Chelsea jucken Geldstrafen wenig, zumal es statt den 70 % bei der Höchstgrenze der Kaderkosten bzw der Orientierung am Umsatz des jeweiligen Clubs einen absoluten Wert brauche. 70 % von Endlos seien immer noch endlos, so Greuel. Auch in Deutschland wird die Sinnhaftigkeit der „Luxussteuer” hinterfragt. So stehen zum Teil die finanzstärksten Länder der Welt als Investoren hinter gewissen Clubs. Sie verfolgen andere Interessen (zB Imagegewinn) als die klassische Rendite und verhalten sich dementsprechend „verschwenderisch” was ihre Geldmittel betrifft. Nicht zuletzt gilt in Österreich und Deutschland (noch) die „50+1”-Regel, die eine Übernahme durch Investoren grundsätzlich verhindert. Aufgrund dessen könnte die finanzielle Schere zwischen Deutschland/Österreich und anderen Ländern im internationalen Vergleich wohl noch weiter auseinander gehen. Dem Ökonom Henning Vöpel ist die Rolle der UEFA als Regulator des Systems sowie als Veranstalter der europäischen Clubwettbewerbe ein Dorn im Auge, da sie mit der Sanktionierung „ihrer” Clubs letztlich „ihrem” Wettbewerb schade und sie daher nicht mehr autonom handeln könne.
Einordnung des Mbappé-Deals
Der Mbappé-Deal ließ die Wogen im Fußball-Business wieder einmal hochgehen, gerade weil in diesen Tagen die neuen FSR der UEFA in Kraft getreten sind. Für den deutschen Sportrechtler M. Stopper lassen sich die immensen Mengen an Geld, die dem Pariser Stürmer zukommen sollen, weder mit dem alten FFP noch mit dem neuen FSR in Einklang bringen. Beide Regularien beinhalten den sog Fair-Value-Paragraphen, wonach ein Geldzufluss an einen Verein einen angemessenen Gegenwert haben müsse (bspw Trikotsponsoring). Ein solcher Gegenwert fehle in diesem Fall, wonach mit Strafen zu rechnen sei. Der Sportjurist G. Reiter widerspricht in diesem Punkt, weil die Sanktionen gerade im FSR strenger seien. Er hält den Zeitpunkt der Verlängerung (bekanntlich vor dem 1. Juni 2022) für keinen Zufall, da das alte FFP wackelig sei und er Sanktionen der UEFA für PSG auf Basis dessen bezweifle (siehe dazu FAZ vom 27.5.2022). Letzterem ist zuzustimmen, zumal die mangelhafte Durchsetzbarkeit der Strafen wegen Verstößen gegen das FFP kein Geheimnis ist – so hielt auch der Champions-League-Ausschluss von Manchester City vor dem Internationalen Sportgerichtshof nicht stand. Ein Verstoß gegen die FSR hingegen wäre Neuland, das man bei einer Personalie wie Mbappé wohl nicht betreten wollte.
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