Die Krux mit der Ausstiegsklausel
Ausstiegsklauseln sind in aller Munde. So wechselte zuletzt Takumi Minamino für kolportierte 8,5 Mio. EUR von RB Salzburg zum amtierenden Champions League Sieger FC Liverpool. Ein Schnäppchen, ermöglicht durch eine vertraglich verankerte Ausstiegsklausel?
Apropos RB Salzburg, neben Minamino soll auch das Arbeitspapier des zukünftigen Superstars Erling Haaland eine solche Klausel enthalten. Tagtäglich wird über die Höhe der zum Ausstieg berechtigenden Ersatzzahlung gerätselt. Im Gegenzug erlebt die Fußballwelt immer wieder Fälle von Spielern, die einen Transfer gegen den Willen ihres bisherigen Klubs durchsetzen wollen. Können im Vertrag vereinbarte Ausstiegsklauseln dies verhindern? Erleben wir bald Ausstiegsklauseln in Milliardenhöhe? In Spanien sind Ausstiegsklauseln in Spielerverträgen jedenfalls bereits Pflicht. Der folgende Beitrag beleuchtet die Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Schadenersatzes bei einseitigem Vertragsbruch im Profifußball unter Berücksichtigung von Ausstiegsklauseln. Nach einer kurzen Darlegung der Voraussetzungen zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses – unter Beachtung der Spezialität von Berufsspielern – wird auf die gesetzlichen Möglichkeiten der Beendigung eines Spielervertrages eingegangen.
Entstehung des Spielervertrages
Ein jedes Arbeitsverhältnis – und somit auch ein Spielervertrag – unterliegt den Schranken des österreichischen Arbeitsrechts. In diesem Zusammenhang ist auf den für Fußballspieler/innen der Österreichischen Fußball-Bundesliga abgeschlossenen Kollektivvertrag zu verweisen, der auch hinsichtlich der Beendigung von Spielerverträgen unter § 7 Regelungen vorsieht. Darüber hinaus sind auch die von der FIFA im Reglement bezüglich Status und Transfer von Spielern – kurz FIFA-RSTS vorgesehenen Regelungen zur Vertragsstabilität (Artikel 13 ff) zu beachten.
Ein – im Fußballsport verpflichtend vorgesehenes – befristetes Arbeitsverhältnis kann grundsätzlich auf vier Arten enden:
- Fristablauf
- Einvernehmliche Auflösung
- Kündigung
- Einseitige Auflösung
Endet ein Vertrag mit Fristablauf und somit nach Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer, bedarf es keiner besonderen Auflösungserklärung. Eine einvernehmliche Auflösung ist natürlich jederzeit möglich. Die Befristung eines Arbeitsverhältnisses schließt eine Kündigungsmöglichkeit grundsätzlich aus. Eine Kündigung ist nur dann möglich, wenn eine Kündigungsmöglichkeit ausdrücklich vereinbart wurde und die Kündigungsmöglichkeit zur Dauer der Befristung und der Länge der Kündigungsfrist in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen.
Der (un-)berechtigte vorzeitige Austritt durch Spieler oder Verein
Zunächst gilt es festzuhalten, dass ein vorzeitiger Austritt egal, ob er berechtigt oder unberechtigt ist das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung beendet. Kommt es jedoch zu einem unberechtigten Austritt drohen gravierende negative Konsequenzen, die auch Schadenersatzforderungen beinhalten können.
Wurde nichts anderes vereinbart, kann ein Spielervertrag dann einseitig gelöst werden, wenn Entlassungsgründe beziehungsweise Gründe für einen vorzeitigen Austritt vorliegen. Ein Spieler ist insbesondere dann zum vorzeitigen Austritt berechtigt, wenn der Klub trotz Mahnung und Nachfristsetzung mit der Bezahlung der geschuldeten Bezüge im Rückstand bleibt. Der Klub wiederum ist zur Entlassung berechtigt, wenn der Spieler trotz vorangegangener Ermahnung seine im Kollektivvertrag normierten Dienstpflichten beharrlich verletzt und daher die Fortsetzung des Dienstverhältnisses dem Dienstgeber nicht zumutbar ist.
Die Regeln der FIFA zur Vertragsstabilität
Kündigt ein Spieler seinen Arbeitsvertrag ohne das Vorliegen eines hierzu berechtigten Grundes, um zu einem anderen Klub zu wechseln, stellt dies einen Bruch des Arbeitsvertrags dar. Gehört der aufnehmende Klub einem anderen Verband an als der geschädigte Klub, liegt ein internationaler Sachverhalt vor, sodass das FIFA-Reglement bezüglich Status und Transfer von Spielern Anwendung findet. Zentrale Vorschrift ist hierbei Art. 17 FIFA-RSTS: Sie setzt voraus, dass ein Berufsspieler seinen Arbeitsvertrag einseitig und ohne das Vorliegen eines Grundes brechen kann. Bricht der Spieler den Arbeitsvertrag, führt dies dazu, dass der Vertrag aus verbandsrechtlicher Sicht als beendet gilt, der Spieler jedoch zum Schadenersatz verpflichtet ist. Daher nennt Art. 17 FIFA-RSTS objektive Kriterien, anhand derer die finanzielle Entschädigung zu bestimmen ist, und räumt der FIFA die Befugnis ein, sportliche Sanktionen zu verhängen, wenn der Vertragsbruch während der Schutzzeit erfolgte. Die Schutzzeit beträgt im Falle eines Vertragsschlusses vor dem 28. Geburtstag einen Zeitraum von drei Spielzeiten bzw. drei Jahren. Wurde der Vertrag erst nach dem 28. Geburtstag eines Spielers geschlossen, so verkürzt sich die Schutzzeit auf zwei Jahre.
Wird in diesem gesondert geschützten Zeitraum ein Vertrag durch einen Spieler gebrochen, so hat dies für diesen in erster Linie sportliche Folgen. Er muss mit einer Beschränkung seiner Spielberechtigung für die nächste Saison im neuen Klub rechnen. Auch den neuen Verein des vertragsbrüchigen Spielers können aufgrund der Vermutung der Anstiftung zum Vertragsbruch sportliche Folgen treffen, da die FIFA gem. Art. 17 Abs 4. RSTS ermächtigt ist, dem Verein die Verpflichtung neuer Spieler für bis zu zwölf Monate zu untersagen. Der SKN St. Pölten lässt grüßen.
Ausstiegsklauseln als pauschalierter Schadenersatz
Ein Vertragsbruch, unabhängig davon, ob inner- oder außerhalb der sogenannten Schutzzeit führt folglich stets zu einem Anspruch auf Schadenersatz. Durch die Vereinbarung einer Ausstiegsklausel kann die Anspruchshöhe parteiautonom festgelegt werden. Demzufolge tritt anstelle eines Schadenersatzanspruches des Klubs eine Vertragsstrafe des Spielers.
Die vertraglich festgelegte Ausstiegsklausel bezeichnet und regelt den Fall, dass ein Spieler die Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten verweigert sowie einseitig und ohne das Vorliegen eines Grundes das Arbeitsverhältnis kündigt und für dieses Verhalten eine vereinbarte Entschädigung zahlen muss.
Der Vorteil dieser Klausel liegt darin, dass sich die Parteien bereits zu Beginn auf einen Betrag einigen und diesen vertraglich festlegen. Durch Hinterlegung dieses Betrags zugunsten des Klubs kann der Spieler den Arbeitsvertrag einseitig auflösen. Da die Parteien mit der Ausstiegsklausel dem Spieler die Möglichkeit geben, jederzeit ohne stichhaltigen Grund, d. h. auch während der Schutzzeit, aus dem Vertrag auszusteigen, können gegen den Spieler wegen vorzeitiger Vertragsauflösung keine sportlichen Sanktionen verhängt werden.
Eine Ausstiegsklausel gibt einem Spieler die Möglichkeit, vor dem Ende seiner vorgesehenen Vertragslaufzeit zu festgelegten Konditionen seinen Verein zu verlassen, ohne dass sich diesem eine rechtliche Möglichkeit bietet, einzuschreiten. Zwar einigen sich die Klubs regelmäßig auf die Wechselmodalitäten eines Spielers, dennoch kommt es während einer Transferperiode zu Vertragsbrüchen. Deswegen versuchen Klubs sich vor Vertragsbrüchen zu schützen, indem sie Ausstiegsklauseln mit den Spielern vereinbaren. Die Höhe einer Ausstiegsklausel soll den Spieler vor einem Vertragsbruch und interessierte Klubs vor der Anstiftung zum Vertragsbruch abschrecken. In der Literatur gilt die Höhe einer Ausstiegsklausel solange als angemessen, solange sie den tatsächlich eingetretenen Schaden nicht um mehr als das Doppelte überschreitet. Der CAS musste bisher noch nicht über die Angemessenheit einer Ausstiegsklausel entscheiden.
Exkurs: Anreiz zum Vertragsbruch durch Artikel 17 FIFA-RSTS
Bei genauerer Betrachtung der unter Artikel 17 FIFA-RSTS geregelten Möglichkeit der einseitigen Auflösung des Vertrags stellt sich – auch unter Heranziehung des Fall Andrew Webster – die Frage ob es überhaupt einer Ausstiegsklausel bedarf.
Nicht zuletzt versuchte Neymar mithilfe der Vorschriften der FIFA einen Weg zu finden, seinen Vertrag bei PSG aufzulösen. Artikel 17 im FIFA-Reglement erlaubt es Spielern seit 2001, ihren Vertrag mit einem Verein einseitig aufzukündigen. In einem solchen Fall legt die FIFA die Summe der zu zahlenden Entschädigung für die Kündigung fest. Die Neymar-Anwälte schätzten diese angeblich auf 170 Mio. Euro. Ab 2020 erfüllt Neymar demnach die rechtlichen Voraussetzungen für ebenjenen Ausweg, ohne Sanktionen befürchten zu müssen. Dann hätte der Angreifer die erforderlichen drei Spielzeiten (Ablauf der Schutzfrist) bei PSG verbracht.
Sollte es tatsächlich soweit kommen würde die Streitkammer der FIFA den Betrag festlegen, den Neymar für die Vertragsauflösung an PSG zu entrichten hätte. Die übrige Vertragsdauer, die Höhe der 2017 an den FC Barcelona gezahlten Ablöse (222 Mio. EUR) und weitere Variablen wären bei der Fixierung dieser Summe relevant. Danach müsste die FIFA den Fall an den Internationalen Sportgerichtshof CAS zur finalen Klärung weiterleiten.
Fazit
Das Modell Ausstiegsklausel kann Klubs zwar viel Geld bringen, ihnen aber auch Planungssicherheit nehmen. Auf rechtlicher Ebene sind Ausstiegsklauseln als pauschalierter Schadenersatz zu werten, der bei Vertragsbruch ohnehin zu entrichten wäre. Die auf internationaler Ebene drohenden sportlichen Sanktionen – bei einem Vertragsbruch innerhalb der Schutzzeit von zwei bzw. drei Jahren – können dadurch jedoch vermieden werden.
Finanzstärkere Vereine mit sportlich aussichtsreicher Perspektive verzichten großteils auf Ausstiegsklauseln. Für kleinere Vereine wiederum, ist es oft die einzige Möglichkeit hochtalentierte Spieler zu verpflichten. Es stärkt jedenfalls die ohnehin – seit dem Bosman-Urteil – bereits bestehende Machtposition der Berufsspieler gegenüber dem einzelnen Klub.
Bild: © Shutterstock/Bits And Splits
Stock-Foto ID: 335684642