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Winterreihe Skirecht Teil I: Verkehrssicherungspflichten im Wintersport

Die Sicherheit von Sportlern und möglichen Zusehern bei Veranstaltungen im Wintersport ist zweifelsohne ein wichtiges Thema. Dieser (erste) Beitrag unserer Winterreihe soll einen Überblick über die Rechtsprechung des OGH zu den Pflichten geben, die Sportveranstalter, Pisteninhaber oder sonstige (vertraglich dazu) Verpflichtete sicherstellen müssen. Explizit wird auf die Zumutbarkeit einzelner Maßnahmen eingegangen und dazu werden Einzelfälle zur Haftung kurz skizziert.

Verkehrssicherungspflichten im Wintersport: geprägt von Zumutbarkeit und Einzelfällen

Allgemeine Grundsätze

Vorweg sei gesagt, dass es sich bei den angesprochenen Obliegenheiten um Verkehrssicherungspflichten, genauer um sog Schutz- und Sorgfaltspflichten, handelt, die zu der eigentlichen Hauptleistungspflicht, bspw bei Kauf eines Skipasses die Beförderung in den Skiliften und die Nutzung der Skipisten, hinzutreten. Die Veranstalter von Sportwettbewerben müssen allgemein für die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen sorgen, um die Sicherheit von Teilnehmern und Zuschauern zu gewährleisten. Die vertraglichen Verkehrssicherungspflichten finden jedoch ihre Grenze jedenfalls in der Zumutbarkeit. Welche Maßnahmen nun tatsächlich angemessen, also notwendig und in erster Linie zumutbar sind, ist nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Wer als Veranstalter gilt, wird in den Veranstaltungsgesetzen der Ländern durchaus unterschiedlich definiert. Doch kann man sagen, Veranstalter ist jemand, der Veranstaltungen abhält oder öffentlich bzw gegenüber der Behörde als solcher auftritt, der Veranstaltungen ankündigt oder auf dessen Rechnung sie durchgeführt werden. Bei Sportveranstaltungen ist idR der Sportstätteninhaber auch der Veranstalter.

Den Veranstalter treffen neben der Gewährleistung der erforderlichen Vorkehrungen auch Aufklärungspflichten hinsichtlich der für ihn erkennbaren Sicherheitsrisiken, sodass sich der Sportler der Gefahren bewusst wird und diese abschätzen kann. Beachtenswert ist hier allerdings, dass eine Überspannung dieser Pflichten nicht vorgenommen werden darf, da die Sportaktivität gefördert und nicht unmöglich gemacht werden soll. In Bezug auf die Anbringung von Fangnetzen oder die Abpolsterung der am Rand der Piste stehenden Bäume meint der OGH bspw, dass dies eben eine solche Überspannung der Gewährleistung von Sicherheitsmaßnamen darstelle, da der Skifahrer – in der Meinung, besonders geschützt zu sein – dadurch ein höheres Sturzrisiko eingehen würde. Hinsichtlich den mit der Sportart verbundenen erkennbaren Gefahren, trifft den Veranstalter allerdings keine Warn- oder Belehrungspflicht.

Pflichten bei (professionellen) Skirennen

Der Veranstalter eines professionellen Skirennens ist verpflichtet, die Sicherheitsvorkehrungen so einzurichten, dass im größtmöglichen Umfang Gefahren für die Rennläufer abgewendet werden. Dabei ist insb wegen der hohen Geschwindigkeiten und der immer spezialisierteren Sicherungstechnik ein hohes Maß an Erfahrung erforderlich. Ein Mitverschulden des Rennläufers oder dessen Mannschaftsführers aufgrund eines Fahrfehlers innerhalb des arttypischen Risikos des Rennsports oder fehlender Rüge oder Bemängelung der Sicherheitsvorkehrungen wird idR (von der Rechtsprechung) nicht bejaht, weil von diesem nicht die dem Veranstalter zukommende Sachkunde zu erwarten sei.

Weiters hat der Veranstalter eines Skirennens im freien Gelände Sicherungspflichten, um die Rennläufer vor atypischen Gefahren zu schützen. Atypisch ist eine Gefahr dann, wenn sie bei eigenverantwortlicher Aufmerksamkeit (der Rennläufer) nicht ohne weiteres erkennbar oder bei Erkennbarkeit schwer zu vermeiden ist. Angemerkt sei, dass der Rennläufer bei einem Unfall selbst hier kein Mitverschulden trägt, wenn er nicht auf Sicht, sondern im Renntempo fährt. Der Läufer wird ja gerade vom Veranstalter zu schnellem Fahren aufgefordert. Aus der Rechtsprechung ergeht darüber hinaus, dass die Verkehrssicherungspflichten in Sachen Pistensicherung – bspw bei der Absicherung von Holzstangen zur Abgrenzung der Piste; vor allem bei Stellen mit erhöhter Sturzgefahr – bei einem Pistenhalter von permanenten Rennstrecken strenger als bei gewöhnlichen Skipisten sind.

Wichtige Aspekte für Amateur-Skifahrer

Nicht nur bei professionellen Veranstaltungen, nein auch bei Hobby-Skifahrern tauchen häufig schwierige Haftungsfragen auf – hier ein kleiner Überblick:

  • Haftung der Liftbetreiber

Bei Herausrutschen aus dem Liftsessel eines Sesselliftes im Stationsbereich aufgrund eines minimalen Schwingens, welches durch das sanfte Anhalten des Liftes nach einem Fehlverhalten eines anderen Passagiers eingetreten war, ist die Haftung des Sesselliftbetreibers ausgeschlossen. Nach Ansicht des OGH liegt ein unabwendbares Ereignis iSd § 9 EKHG vor. Diese Schaukelbewegungen können auch bei größter Sorgfalt nicht verhindert werden und es sei Sache des Skifahrers, damit umzugehen und sich festzuhalten, insb bei offenem Sicherungsbügel im Stationsbereich.

Aus den Betriebsvorschriften eines Schleppliftes ging ferner hervor, dass der Betrieb einzustellen ist, wenn es dem Personal aufgrund dichten Nebels nicht mehr möglich ist, die Trasse einzusehen und bei Gefahr im Verzug reagieren zu können. Nach der Meinung des OGH stelle ein Nichteinstellen des Betriebs durch den Schleppliftbetreiber bei Vorliegen von solch dauerhaften schlechten Sichtverhältnissen einen Verstoß gegen seine vertraglichen Verkehrssicherungspflichten dar.

  • Der Kauf einer Skikarte im Pistenverbund (zB Skicirkus Saalbach)

Doch auch die Frage der Passivlegitimation (einfach erklärt: wer kann geklagt werden?) in einem Schadenersatzprozess nach einem Skiunfall ist essenziell. Sofern das Unternehmen, bei dem die Skikarte erworben wird, vor Vertragsabschluss durch die Beförderungsbedingungen das Vertretungsverhältnis offenlegt – der Kauf eines Skipasses für einen Pistenverbund begründet gespaltene Vertragsverhältnisse mit den einzelnen Verbundunternehmen –, ist das einzelne Verbundunternehmen Anspruchsgegner des Verletzten, in dessen Zuständigkeitsbereich es zu dem Unfall gekommen ist. Der Verkäufer der Skikarte ist lediglich für die von ihm selbst betriebenen Anlagen verantwortlich. Anders ist es, wenn keine Offenlegung erfolgt: der Pistenhalter, der die Karte verkauft, ist Vertragspartner des Käufers und kann unabhängig von einer etwaigen Verletzung der Pistensicherungspflichten anderer Verbundunternehmen in Anspruch genommen werden. Die eigentlichen „Schädiger“ werden ihm als Erfüllungsgehilfen (=Erfüllungsgehilfe ist, wer zur Erfüllung einer bestehenden rechtlichen Sonderverbindung als Gehilfe eingesetzt wird) zugerechnet.

  • Haftung der Pistenbetreiber

Der OGH bejaht auch die Haftung eines Pistenbetreibers im Rahmen seiner Pistensicherungspflicht bei einem Unfall eines Kleinkinds, welches in einen Elektranten (Anschlusskasten einer Schneelanze der Beschneiungsanlage) prallte. Entscheidend für die Beantwortung der Haftungsfrage sei, wie die konkrete Piste ausgestaltet ist. In diesem Fall war die Piste flach und der Elektrant stand auf dem aufsteigenden Hang neben der eigentlichen Piste. Der Pistenbetreiber müsse damit rechnen, dass ein Skifahrer bei unabsichtlichem Abkommen durch „Verschneiden“ von der Piste, auf den aufsteigenden Hang gerät, da das Korrigieren des „Verschneidens“ in stärkerem Gefälle einfacher sei als bei einem geringeren Gefälle.

  • Skifahren im freien Gelände (Off-Piste)

Keine Sicherungspflichten treffen den Pistenbetreiber hingegen auf einer sog wilden Abfahrt, dh einer eindeutig als gesperrt gekennzeichneten Skipiste. Sicherheitsvorkehrungen sind also nur im Bereich der Skipiste und der Pistenränder (inklusive Sturzräume) verpflichtend. Dabei ist die deutliche Kennzeichnung des Pistenrandes enorm wichtig, sodass der Pistenbetreiber nicht für Gefahren im freien Gelände haftet. Allgemein ist festzuhalten, dass der Pistenhalter dort entsprechende Schutzmaßnahmen einrichten muss, wo den Skifahrern durch nicht oder nur schwer erkennbare Hindernisse Gefahren drohen.

  • Der Einsatz von Pistenfahrzeugen

Die Schutzmaßnahmen, die im Zuge eines Einsatzes eines Pistenfahrzeugs während des Pistenbetriebs zu garantieren sind, richten sich besonders nach den Umständen des Einzelfalls. Sodann besteht (klarerweise) ein erhöhtes Gefahrenpotential, wenn ein derartiges Fahrzeug rückwärts bergauf auf einer zirka 10m breiten Piste fährt. Den Skifahrern ist in diesen Fällen ein gefahrloses Passieren nicht möglich. Auch das Sichtfeld des Fahrers ist wegen des toten Sichtwinkels, der sich aus der Bauart des Fahrzeugs ergibt, stark eingeschränkt. Angemessen wären hier die kurzfristige Absperrung der Piste oder das Abstellen eines Pistenpostens.

  • Parkplatz

Dem Halter eines Parkplatzes in einem Skigebiet obliegt ebenfalls die Pflicht, zumutbare Maßnahmen im Rahmen seiner vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten zu veranlassen. Doch sieht es der OGH als unzumutbar an, einen großen Parkplatz während eines starken Schneefalles gleichzeitig an allen Stellen zu räumen und zu streuen. Der Benutzer des Parkplatzes müsse sohin mit den neuen Gefahren, welche durch den Neuschnee entstehen können, rechnen und sich darauf einstellen. Dies gelte auch für die Zwischenräume zwischen den geparkten Autos, sollte es zu Mittag an dieser Stelle zu einem Sturz kommen, aber am Vormittag bereits eine umfangreiche Splittstreuung stattgefunden haben. Eine Wiederholung der Splittstreuung ist eben nicht zumutbar.

  • Exkurs für Zuschauer

Speziell auf die Zumutbarkeit der Schutzmaßnahmen, die ein Sportveranstalter zum Schutz der Zuseher gewährleisten muss, ging der OGH ein und sprach aus, dass bei einem Eishockeyspiel auch die Längsseiten des Spielfelds – zB durch taugliche Gitter – zu umranden bzw schützen sind. So sollen das Hinausschießen des Pucks und Verletzungen von Zuschauern verhindert werden. Dabei ist angesichts der Vorsichtsmaßnahmen auf die aktuelle Spieltechnik, also auf die modernste Entwicklung des jeweiligen Sports, abzustellen. Zumutbar ist auch im Zuge einer Skisprungveranstaltung – konkret handelte es sich in dieser Entscheidung um das Neujahrs-Skispringen am 1.1.1984 – die Absicherung des Zuschauerraumes durch einen ausreichend hohen Plastik-Maschenzaun und das Aufstellen von Strohballen in den verbleibenden Zwischenräumen des Zuschauerbereichs. Die Zuseher sollen hierdurch vor – durch einen Sturz des Skispringers – losgelösten Schiern geschützt werden.

Fazit

Die angeführten Beispiele zeigen, dass Fragen zu den Verkehrssicherungspflichten, deren Zumutbarkeit im Einzelfall und schlussendlich die Haftung bei Unfällen einer sehr detaillierten Aufschlüsselung des jeweiligen Sachverhalts bedürfen. Neben den „offensichtlichen“ Vorkehrungen, für die in jedem Fall Sorge getragen werden muss, sind es größtenteils Kleinigkeiten, die zu einer Vertragshaftung führen können, oder eben nicht.

Teil II beschäftigt sich mit Schadenersatz und Schmerzengeldforderungen im Zuge von Skiunfällen.

Bild: © Shutterstock/gorillaimages
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