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Kunstrasenplätzen vor dem Aus?

In den Medien kursierten die letzten Tage Berichte über ein etwaiges Aus von Kunstrasenplätzen. Grund hierfür soll ein Vorstoß der Europäischen Union zur Vermeidung von Mikroplastik sein. Dieses Vorhaben könnte sich sodann auch auf den Fußball bzw den Sport generell auswirken.

Nahezu jedes österreichische und deutsche Medium berichtete in den letzten Tagen über das geplante Mikroplastik-Verbot der Europäischen Union und dessen Auswirkungen auf den Fußball, insbesondere das Aus von Kunstrasenplätzen. Diese Berichte sorgten für eine hitzige Debatte in der Gesellschaft. Dabei meldete sich sogar der deutsche Innenminister Horst Seehofer zu Wort. Er sprach sich persönlich für eine Übergangsfrist aus. „Als Sportminister werbe ich für einen vernünftigen Ausgleich zwischen Umweltschutz und den berechtigten Interessen des Sports„, erklärte er in einem Interview gegenüber der „Welt am Sonntag“.

Kunstrasenplatz: überlebensnotwendig für Vereine?

259 Kunstrasenplätze gibt es laut Angaben des Österreichischen Fußball-Bundes (ÖFB) in Österreich. In Deutschland sind es dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) zufolge sogar rund 5.000. Diese Plätze sind neben den Naturrasenplätzen enorm wichtig – wenn nicht sogar überlebensnotwendig – für die Vereine, „um trotz Platzmangels den Trainings- und Spielbetrieb der Kinder- sowie Kampfmannschaften aufrechtzuerhalten„, erklärte ÖFB-Generalsekretär Thomas Hollerer. Ihm zufolge könne ein Naturrasen einer solchen Belastung nicht standhalten. Auch der ehemalige deutsche Fußballprofi Mike Rietpietsch erachtet ein allfälliges Aus von Kunstrasenplätzen als „Genickbruch“ für zahlreiche Vereine. Aber nicht nur Fußballvereine sind davon betroffen. Auch bei anderen Sportarten, wie zB Tennis, wird auf Kunstrasenplätzen gespielt und trainiert.

Granulat ist das heiße Thema

In der teils hitzigen Debatte wird allerdings vielfach übersehen, dass es nicht um den gesamten Kunstrasenplatz als solchen geht, sondern lediglich um das Gummigranulat, mit welchem der Platz aufgefüllt wird. Laut einer Studie des deutschen Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik ist das Granulat die drittgrößte Quelle für Mikroplastik in Deutschland – bis zu 11.000 Tonnen gelangen jährlich in die Umwelt. Durch die Witterung, Bewegungen des Balls, Spieler und deren Kleidung sowie vor allem die Schneeräumung findet das Gummigranulat sodann seinen Weg in die Umwelt. Nun stellt man sich (berechtigterweise) die Frage, welchen Zweck das mikroplastikhaltige Füllmaterial eigentlich erfüllt? Das Granulat soll grundsätzlich das Verletzungsrisiko der Spieler verringern und das Bewegungsverhalten des Balls verbessern.

Kork als Alternative?

Als Alternative zum Gummigranulat und somit zum Mikroplastik könnte Kork dienen. Darauf setzt man nun auch in Söll (Tirol). Mit ein Grund für diesen Vorstoß ist die Tiroler Landesregierung, welche künftig nur noch Plätze fördern will, die ohne Gummigranulat auskommen. „Kunstrasenplätze sind bei uns wesentlich, um beispielsweise Fußball überhaupt in dem Ausmaß ausüben zu können. Durch die Schneeschmelze und die ständige Aufbereitung und Reinigung der Kunstrasenplätze gelangt das Gummigranulat häufig in Böden und Gewässer, was wiederum eine große Belastung für Natur und Umwelt darstellt. Die möglichen Risiken für die Ökologie können und wollen wir nicht mittragen. Kunstrasenplätze mit verfülltem Granulat sind für uns daher nicht mehr förderwürdig“, erklärte Tirols Landeshauptmann Günther Platter. Das umweltschonendere Korkgranulat ist jedoch um ein Vielfaches teurer und zudem nur begrenzt verfügbar. Dennoch sieht sich die Gemeinde Söll in der Verantwortung für eine umweltschonende Sportplatzsanierung und -erhaltung. Als weitere Alternative zum Gummigranulat wird teilweise auch Quarzsand verwendet.

Fazit

Die mediale Diskussion führte vielfach zu Panik bei Vereinsverantwortlichen, Verbänden und sogar Politikern. Dabei wird vielfach vergessen, dass es in der Debatte nicht um Kunstrasenplätze als solche, sondern vielmehr um das mikroplastikhaltige Füllmaterial (Gummigranulat) geht. Unabhängig der Entscheidung und der weiteren Vorgehensweise in der Europäischen Union hinsichtlich Mikroplastik, ist die eingangs im Titel gestellte Frage „Kunstrasenplätze vor dem Aus?“ zu verneinen.

Zudem ist festzuhalten, dass die Europäische Union noch keine Entscheidung getroffen hat. Aber selbst bei einem Verbot von Mikroplastik könnten Ausnahmeregelungen für Sportplätze udgl im Rechtsetzungsverfahren vorgesehen werden. Das Resultat sollte eine praktikable Lösung für Sportvereine und -verbände sein, welche auch den heutigen Anforderungen an den Umweltschutz gerecht wird. Im Bundesland Tirol zB werden schon heute umweltschonendere Alternativen eingesetzt. In diesem Sinne kann auch der Fußball (bzw Sport) seinen Beitrag zum Umweltschutz leisten.

Aufgrund der hitzigen Debatte in den Medien hat die EU-Kommission bereits klargestellt, dass ein grundsätzliches Verbot von Kunstrasenplätzen derzeit nicht zur Diskussion steht. Ob das Gummigranulat, welches auf den Plätzen aktuell vermehrt als Füllmaterial zum Einsatz kommt, langfristig verboten werden soll, ließ man jedoch offen. Primär wolle man das gesundheitsschädliche Mikroplastik vermindern. Die EU sei sich sehr wohl der großen Bedeutung von Kunstrasenplätzen bewusst – eine verhältnismäßige Entscheidung sei prioritär.

Auch die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) nimmt der Diskussion den Wind aus den Segeln. Ihr zufolge gehe es nicht um den – wie von vielen befürchteten – Abriss von bestehenden Sportplätzen und somit das Überleben zahlreicher Vereine, sondern lediglich um neue Kunstrasenplätze sowie das Nachfüllen von Gummigranulat. Es sollen insbesondere die Auswirkungen des mikroplastikhaltigen Füllmaterials als auch Alternativen untersucht und geprüft werden.

Die bestehenden Kunstrasenplätze stehen aktuell nicht zur Debatte. Das weitere Vorhaben der EU hinsichtlich Mikroplastik und dessen etwaige Auswirkungen auf den Sport bleiben aber mit Spannung abzuwarten – wir bleiben dran!

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