IOC-Entscheidung deckt Doping-Unzulänglichkeiten schonungslos auf

Gastbeitrag von David Müller

Der Umgang des Internationalen Olympischen Committees (IOC) mit den massiven Missständen, welche die unabhängigen Ermittler der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) in den letzten Monaten aufgedeckt haben, hat die strukturellen Mängel des derzeitigen Anti-Doping Systems einmal mehr offenbart.

Über die Forderung der WADA und zahlreicher Anti-Doping Organisationen nach einem kollektiven Ausschluss der russischen Delegation bei gleichzeitiger eingehender Evaluierung, welche Sportlerinnen und Sportler trotzdem zu den Olympischen Spielen Rio 2016 zugelassen werden können, kann man sowohl aus juristischer als auch aus moralischer Sicht geteilter Meinung sein.

Tatsache ist, dass durch das fehlende Leadership des IOC die Verantwortung auf die Internationalen Fachverbände abgewälzt und eine einheitliche Vorgangsweise unterbunden wurde. Spannend wird zudem, wie der Internationale Sportgerichtshof (CAS) den Ausschluss bereits einmal gesperrter Sportlerinnen und Sportler bewertet, zumal dies ja bereits vor Jahren als rechtwidrig erkannt wurde. Gut möglich, dass sich die damit implizierte Bestrafung der Whistleblowerin Julia Stepanow für das IOC als schadensersatzrelevanter Bumerang erweist.

Schutz der sauberen Sportlerinnen und Sportler

Letztendlich sind all diese Fragen aber nur von nachrangiger Bedeutung. Um die sauberen Sportlerinnen und Sportler tatsächlich wirkungsvoll zu schützen, bedarf es einer ganzen Reihe an gravierenden Änderungen im Sportsystem und in der Anti-Doping Arbeit. Da eine ausführliche Behandlung aller kurz-, mittel- und langfristigen Ansätze und Ideen, die an anderer Stelle ausführlich dargelegt sind, den Rahmen dieses Beitrages sprengen würden, werden nachfolgend einige der zentralen Forderungen angeführt. 

Unabhängigkeit ist der Schlüssel zum Erfolg

Die repressive Anti-Doping Arbeit in Form von Dopingkontrollen, Ermittlungstätigkeiten, Analysen und Anti-Doping Verfahren kann nur funktionieren, wenn sie von völlig unabhängigen Instanzen durchgeführt wird. In keinem anderen Wirtschaftsbereich wird akzeptiert, dass diejenigen, die ein Produkt verkaufen, gleichzeitig auch dessen Qualität bewerten. Beim „Hochglanzprodukt Sport“ sind die Produzenten aber nicht nur für die Qualitätskontrollen in Form von Dopingproben zuständig, sie entscheiden im Falle eines Verdachtes auf einen Verstoß auch über mögliche Sanktionen. Nicht zuletzt deshalb müssen Verbände und Veranstalter von diesen Aufgaben vollständig entbunden werden, um Einflussnahme, Parteilichkeit, Vertuschung oder Korruption von vornherein auszuschließen.

Zudem müssen strukturelle und personelle Beziehungen zwischen Anti-Doping Organisationen, Dopingkontroll-Laboren und rechtssprechenden Organen verhindert werden. Dies bedeutet auch, dass aktive oder ehemalige Verantwortliche aus Sport, Wirtschaft, Medien oder Politik keine leitenden Positionen in der Anti-Doping Arbeit übernehmen können, oder zumindest erst nach einer längeren „Abkühlphase“.

Gewaltentrennung als rechtsstaatliches Prinzip

Nicht zuletzt als Reaktion auf die bereits vor mehreren Monaten bekannt gewordenen Vorwürfe gegen Russland hat das IOC die WADA aufgefordert, die Verantwortung für die weltweite Durchführung von Dopingkontrollen zu übernehmen. Zwar ist die zugrundeliegende Idee richtig, die WADA ist allerdings der falsche Adressat.

In jeder demokratischen Gesellschaft ist die Gewaltentrennung ein fundamentales Kernstück der Rechtsstaatlichkeit. Die WADA ist derzeit allerdings Legislative (Herausgabe des Welt-Anti-Doping-Codes, der Internationalen Standards und technischen Dokumente), Exekutive (Durchführung von Ermittlungstätigkeiten) und Judikative (Entscheidung über Einsprüche gegen Medizinische Ausnahmegenehmigungen). Um die zwingend notwendige Gewaltentrennung auch in der Anti-Doping Arbeit zu etablieren, bedarf es daher einer Neuausrichtung des Systems. 

In der neu zu entwickelnden Konstellation sind die Nationalen Anti-Doping Organisationen (NADOs) wie bisher für Dopingkontrollen, Medizinische Ausnahmegenehmigungen, Einsprüche gegen Entscheidungen der nationalen Gremien sowie Information und Prävention zuständig. Von diesen Organisationen völlig unabhängige Dopingkontroll-Labore bzw. Instanzen übernehmen die Analyse der Dopingproben bzw. die Rechtsprechung in Anti-Doping Verfahren. 

Eine zugründende Internationale Kontrollorganisation (IKO) ist für Dopingkontrollen in strukturschwachen Gebieten sowie zielgerichtete Dopingkontrollen bei Verdachtslagen zuständig und kann Einsprüche gegen nationale Entscheidungen vornehmen. Die IKO ist somit die derzeit fehlende globale Exekutive, die WADA konzentriert sich auf ihre Kernaufgabe als Legislative und der CAS fungiert weiterhin als oberste sportrechtliche Instanz.

Anti-Doping Fonds bringt Unabhängigkeit

Um die beschriebene Unabhängigkeit und Gewaltentrennung nicht nur auf dem Papier zu leben, bedarf es einer unabhängigen Finanzierung. Dies lässt sich nur über einen internationalen Anti-Doping Fonds bewerkstelligen.

Sämtliche Mittel, die derzeit von den Verbänden, Veranstaltern und Staaten für die Anti-Doping Arbeit aufgewendet werden, müssen diesem Fonds zugewiesen werden. Zudem müssen Sponsoren und Medienanstalten, die maßgeblich vom Produkt des sauberen Sports profitieren, ihren Beitrag leisten. Die Allokation der Gelder muss dann anhand klarer Kriterien vorgenommen werden, um eine Basisförderung anhand eines entsprechenden Förderschlüssels zu gewährleisten und auf situative Notwendigkeiten (z.B. Verdachtslagen, Anti-Doping Arbeit in strukturschwachen Regionen) reagieren zu können.

Durch diese „Internationalisierung“ der Finanzierung wird einerseits die Autonomie der NADOs, Dopingkontroll-Labore und rechtsprechenden Instanzen gestärkt, andererseits auch die immer wieder geforderte weltweite Harmonisierung der Anti-Doping Arbeit gefördert.

Ausbau von Intelligence & Investigation

Doping im Spitzensport ist Betrug, daher muss auch entsprechend dagegen vorgegangen werden. Kriminelle aus anderen Wirtschaftsbereichen, die ihre Konkurrenten um teilweise viel geringere Summen schädigen, müssen mit der vollen Härte des Strafrechts rechnen, dopende Sportlerinnen und Sportler sowie deren Hintermänner genießen hier nach wie vor eine Sonderstellung.

Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass Dopingkontrollen nur eingeschränkt dazu geeignet sind, professionelle Betrüger zu überführen. Zudem können Analysen immer nur einzelne Personen überführen, Ermittlungstätigkeiten aber gleich ganze Gruppen. Daher ist es ein Gebot der Stunde, die entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit staatliche Ermittler und Anti-Doping Organisationen bestmöglich zusammenarbeiten können.

Mediziner sind keine Leistungsoptimierer

Um nicht auf jede neue Entdeckung der Forschung reagieren zu müssen, bedarf es der unmissverständlichen Klarstellung, dass jede Behandlung, jede Medikamentenanwendung und jede Substanzeinnahme strikt verboten ist, sofern sie nicht medizinisch indiziert ist. Auf lange Sicht gesehen sind aber selbst die vorgenannten Änderungen nicht ausreichend, wenn es nicht gelingt, das Bewusstsein zu etablieren, dass die ureigenste Aufgabe der Medizin nicht die Leistungssteigerung und -optimierung ist, sondern die Heilung von kranken oder verletzten Personen. Auch wenn dies in der derzeitigen Konstellation naiv und weltfremd erscheint, ohne die Rückbesinnung auf die zentralen Werte der Medizin wird das Katz- und Mausspiel immer weiter vorangetrieben.

Prävention als Investition in die Zukunft

Aufgrund der Komplexität des Dopingphänomens haben sowohl personenzentrierte als auch strukturelle Präventionsmaßnahmen keinen unmittelbaren Effekt, wodurch sich auch die derzeitige finanzielle Gewichtung erklären lässt. Langfristige Anti-Doping Arbeit kann aber nur Erfolg haben, wenn repressive und präventive Maßnahmen einander sinnvoll ergänzen.

Moderne Präventionsarbeit setzt auf ressourcen- und kompetenzbasierte Konzepte, um jungen Sportlerinnen und Sportlern bereits lange vor dem tatsächlichen Eintreten auf entscheidende Fragen in ihrer Sportkarriere vorzubereiten. Die multidisziplinären Ansätze müssen auf die unterschiedlichen Zielgruppen abgestimmt und entsprechend evaluiert werden.

Das Ziel sämtlicher Bemühungen der Anti-Doping Arbeit ist es, dass sich jede Sportlerin und jeder Sportler selbstbewusst und aus eigener Überzeugung für einen sauberen und gesunden Sport entscheidet. Gemeinsam gilt es, diese Entscheidung so leicht wie möglich zu machen.

 

Zum Autor:

Mag. Dr. David Müller (33) ist promovierter Sportwissenschaftler und seit 2008 Leiter des Bereichs Information & Prävention der Nationalen Anti-Doping Agentur Austria GmbH.

 

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„Das wird man doch wohl noch sagen dürfen – oder?“

Gastbeitrag von Ulrike Zeller

Enthüllungen und Abrechnungen mit Gegnern oder Prominenten erhöhen die Auflage. Die freie Meinungsäußerung stößt aber oft an – berechtigte – Grenzen.

Das Recht auf freie Meinungsäußerung (und Information) ist ein durch die Verfassung geschütztes Grundrecht, das jede/r für sich in Anspruch nehmen kann. Demgegenüber steht das Recht und Interesse jedes und jeder Einzelnen in der Öffentlichkeit nicht bloßgestellt oder diskreditiert zu werden. Wie, was und vor allem über wen eine Veröffentlichung in Medien zulässig ist, ist vor allem auch davon abhängig, wie die Abwägung der jeweiligen Interessen ausfällt.

Tatsachenvorwurf oder Werturteil?

Es gibt einen Unterschied, ob jemand den Eindruck erweckt, eine Tatsachenbehauptung, somit vermeintliche „Wahrheiten“ (die allenfalls bewiesen werden könnten) zu verbreiten, oder seine Meinung in Form einer Bewertung abzugeben (Werturteil).

Beispielsweise wird die Bezeichnung von Herrn Polzer als „Fußball-Sissi“ bzw. als „jammerndes runzliges Grinzinger Klageweib“ im Online-Artikel der Münchner Tageszeitung vom durchschnittlichen Leser wohl kaum als Behauptung aufgefasst, dass Herr Polzer wie die legendäre Kaiserin mit Strass-Sternen im geflochtenen Haar auftrat, sondern als Beurteilung der Art der Kommentierung, die der Autor offensichtlich nicht mochte.

Die Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen ist grundsätzlich unzulässig, weshalb auch Journalisten, Blogger, Poster etc. die Pflicht trifft, zu überprüfen, was sie in ihren Veröffentlichungen behaupten. Nur wenn sie ausreichende Gründe haben, ihre Behauptungen für wahr zu halten, ist die Veröffentlichung zulässig.  Auch dann ist aber immer noch ausschlaggebend, inwiefern dadurch der Betroffene beeinträchtigt wird.

Werturteile sieht die Rechtsprechung grundsätzlich als zulässig an. Trotzdem ist darauf Rücksicht zu nehmen, ob die Interessen des Betroffenen das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiegen. Es besteht also kein Freibrief für herabsetzende und beleidigende Bemerkungen. Was eine Beleidigung ist, haben die Gerichte leider nicht einheitlich beantwortet. So wurde das Wort „Trottel“ einerseits als Beleidigung angesehen, andererseits als adäquate Kommentierung einer Aussage eines Politikers.

Werden Interessen des Betroffenen beeinträchtigt?

Die genannte Interessensabwägung wird durch Bestimmungen des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (§ 1330 ABGB) sowie Vorschriften des Mediengesetzes teilweise spezifiziert, wobei immer auf die Schädigung des Rufes oder des weiteren Fortkommens der Person abgestellt wird. Das unterliegt natürlich auch dem gesellschaftlichen Wandel.

Eine Lobeshymne auf das Talent eines Fußballers aus der Regionalliga, die dieser nicht „abgesegnet“ hat, wird diesen wohl kaum im Hinblick auf seinen Ruf und seine Tätigkeit stören. Die Berichterstattung, welche Korruptionsvorwürfe gegen den ehemaligen Finanzminister Grasser in den Raum stellt, mag wiederum zwar für diesen nicht angenehm oder für seine Karriere förderlich sein, allerdings ist wohl das Interesse der Öffentlichkeit daran unbestritten sehr groß, weshalb sie zulässig ist.

Inwiefern sich jemand gefallen lassen muss, öffentlich kritisiert oder überhaupt erwähnt zu werden, ist auch zu einem wesentlichen Teil davon abhängig, wie sehr er der Öffentlichkeit bekannt ist, somit eine sogenannte „Person des öffentlichen Lebens“ ist. Beispielsweise muss sich Herr Polzer, der als Kommentator naturgemäß regelmäßig in der Öffentlichkeit auftritt, ebenso wie (ehemalige) Politiker gefallen lassen, dass ein erhöhtes Interesse an seiner Person besteht und daher auch vermehrte und kritischere Berichterstattung zulässig ist.

Absolute Grenzen

Ein gewisser Schutz vor der Öffentlichkeit wird aber jedem und jeder Einzelnen, unabhängig von Beruf, Bekanntheit etc. zuerkannt. So ist der höchstpersönliche Lebensbereich (Familie, Krankheit, Themen der Sexualität etc.) grundsätzlich tabu, sofern die Person die Informationen nicht selbst Preis gibt. Außerdem bestehen ein besonderer Schutz der Unschuldsvermutung sowie ein Recht auf Anonymität für Opfer von gerichtlich strafbaren Handlungen.

Fazit

Schlussendlich kommt es – wie bei juristischen Themen so oft – immer auf die genaue Formulierung und die Umstände an. „Das wird man wohl noch sagen dürfen“ ist in Bezug auf Wertungen (z.B.: der Art ein Spiel zu kommentieren) richtig, kann aber nicht automatisch mit „Alles wird wohl noch sagen dürfen“ gleichgesetzt werden.

 

Zum Autor:

Mag. Ulrike Zeller ist Rechtsanwältin in Wien bei Suppan & Spiegl Rechtsanwälte GmbH und seit mehreren Jahren u.a. im Bereich des Medienrechts und Persönlichkeitsschutzes tätig. Aus den weiteren Schwerpunkten der Kanzlei, wie beispielsweise Vereins- oder Unternehmensrecht ergeben sich in der Beratung immer wieder Synergieeffekte.

 

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Renato Sanches Alter – ein juristischer Problemfall?

Gastbeitrag von Dr. Daniel Stanonik 

Im Mai dieses Jahres unterschrieb der junge portugiesische Nationalspieler Renato Júnior Luz Sanches einen Fünfjahresvertrag beim FC Bayern München. Er wechselte für eine Ablösesumme in der Höhe von (kolportierten) zunächst Euro 35 Millionen von seinem Stammverein Benfica Lissabon an die Isar. Dieser Betrag kann sich durch Bonuszahlungen um bis zu Euro 45 Millionen auf Euro 80 Millionen erhöhen.

Eine stolze Summe – bedenkt man jedoch, dass er durch sein jetziges Können und aufgrund seiner erst 18 Jahre noch ein großes Entwicklungspotenzial hat, relativiert sich diese Ablösesumme wieder im Verhältnis zu den übrigen Transfers im Weltfußball. Doch hat er wirklich dieses große Entwicklungspotential, bedingt durch sein junges Alter? Gerüchte kamen auf, dass Renato Sanches bereits 23 oder sogar 24 Jahre alt sei. Welche Konsequenzen dieser Umstand in Österreich für einen Fußballer haben kann, wird nachfolgend demonstrativ kurz erörtert, wobei auf Fragen bezüglich Volljährigkeit oder der Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte aufgrund der Überprüfung seines Altes nicht Bezug genommen wird:

Aus arbeitsrechtlicher Sicht:

Auch ein Profifußballer ist Arbeitnehmer im Sinne der einschlägigen arbeitsrechtlichen Bestimmungen. Dementsprechend ist der Profifußballer auch angehalten, sich vertrauenswürdig gegenüber seinem Arbeitsgeber zu verhalten. Somit ist der Profifußballer auch verpflichtet, seinem zukünftigen Arbeitgeber alle essenziellen Informationen bei der Vertragsunterzeichnung bekannt zu geben. Mehr als in anderen Branchen ist das Alter im Profifußball von entscheidender Bedeutung. Die Transfersumme, das monatliche Gehalt, die Bonuszahlungen etc. richten sich im Profifußball – abgesehen von seinem Leistungsvermögen – stark nach dem Alter des jeweiligen Fußballers. Es versteht sich von selbst, dass ein jüngerer Spieler einen höheren Marktwert hat und somit in weiterer Folge auch höhere Gehaltsforderungen stellen kann. Macht der Profifußballer falsche Angaben bezüglich seines Alters gegenüber seinem Verein, verhält er sich vertrauensunwürdig. Als Konsequenz sieht der Gesetzgeber bei einem nachgewiesenen vertrauensunwürdigen Verhalten die Entlassung vor. Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass diese Entlassung sofort nach Bekanntwerden der Vertrauensunwürdigkeit ausgesprochen werden muss. Der jeweilige Verein müsste somit sofort reagieren.

Aus strafrechtlicher Sicht:

Betrug ist in diesem Zusammenhang denkbar. Der Profifußballer kann durch die falsche Angabe (seines Alters) auf betrügerische Weise sein Gehalt verbessern und damit den Fußballverein durch Täuschung unrichtiger Tatsachen am Vermögen schädigen. Auch eine allfällige Urkundenfälschung wäre denkbar. Sollte nämlich der Profifußballer sein Alter mittels eines Dokuments (Urkunde) beim Arbeitgeber (Fußballverein) unrichtig angeben, erfüllt der Profifußballer unter Umständen den Tatbestand der Urkundenfälschung.

Haftung und/oder strafrechtliche Verantwortlichkeit des Vorgängervereins und/oder Spielervermittlers:

Eine wesentliche Rolle in diesem Zusammenhang spielen natürlich auch der Vorgängerverein und der Spielervermittler. Sollte nämlich der Vorgängerverein und/oder der Spielervermittler über das tatsächliche Alter des Profifußballers Bescheid wissen und dem Käuferverein diese Information unterschlagen, macht sich der Vorgängerverein und/oder Spielervermittler gegenüber dem Käuferverein schadenersatzpflichtig – dies unter anderem in Hinblick auf die Transfersumme. Auch Betrug ist in diesem Zusammenhang wieder denkbar.

Das Verschweigen des tatsächlichen Alters sollte im eben dargestellten Zusammenhang von allen Seiten tunlichst unterlassen werden. Im Anlassfall Renato Júnior Luz Sanches jedoch war die Angabe des Alters beim Vertragsanschluss mit dem FC Bayern München nach neuesten Erkenntnissen anscheinend korrekt. Wir können uns daher uneingeschränkt auf seine fußballerischen Künste beim FC Bayern bzw auf die kommende Saison des FC Bayern freuen.

 

Zum Autor:

Dr. Daniel Stanonik ist Partner bei Stanonik Rechtsanwälte in Wien und Mitbegründer der Sportagentur SportsRocks. Er ist ua. vermehrt im Sportrecht tätig.

 

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Wanderson, quo vadis – Entscheidung der FIFA steht an

Gastbeitrag von Berhard Folta

Anfang Juli vermeldete RB Salzburg den Transfer von Wanderson. Dabei dürfte Salzburg aber die Rechnung ohne den Wirt, nämlich den bisherigen Verein von Wanderson (Primera Division-Absteiger Getafe CF) gemacht haben, der bis dato die Freigabe verweigert.

Ablauf eines internationalen Transfers

Nachdem ein Spieler nur bei einem Verein / Nationalverband registriert sein kann, darf dieser erst für einen neuen Verein spielen, wenn der ehemalige Verband einen internationalen Freigabeschein ausstellt. Zu diesem Zweck beantragt der neue Verein (RB Salzburg) über seinen Verband (ÖFB) die Spielerfreigabe beim Verband (RFEF) seines bisherigen Vereins (Getafe CF). Der bisherige Verband kann aufgrund dieses Ersuchens einen internationalen Freigabeschein ausstellen oder diesen verweigern, weil der Spieler z.B. vertraglich gebunden ist.

Streitpunkt: Gültigkeit des Vertrages

Während RB Salzburg die Ansicht vertritt, dass der bisherige Vertag von Wanderson nur für die Primera Division Gültigkeit hat, geht Getafe CF von einem aufrechten Vertragsverhältnis auch für die zweite Liga aus. Demzufolge lehnte der RFEF das Salzburger Ansuchen auf Ausstellung eines internationalen Freigabescheins ab. Nachdem gerade Streitigkeiten über den Inhalt bzw. die Wirksamkeit von Verträgen oft Monate bis Jahre in Anspruch nehmen können und dies unweigerlich mit einer Hinderung des Sportlers an der Berufsausübung einhergeht, sieht das Transfer-Reglement der FIFA die Möglichkeit einer provisorischen Registrierung vor. Eine provisorische Registrierung wurde beispielsweise im Fall Karim Onisiwo (FSV Mainz 05) genehmigt, dessen Verfahren gegen seinen ehemaligen Verein (SV Mattersburg) bis dato anhängig ist.

Entscheidung der FIFA

Auch im konkreten Fall stellte RB Salzburg bei der FIFA einen Antrag auf Genehmigung der provisorischen Registrierung. Bei seiner Entscheidung hat der Einzelrichter die Interessen des Spielers (Schutzbedürftigkeit – Berufseinschränkung) sowie des ehemaligen Vereins gegeneinander abzuwägen und die Erfolgsaussichten der Klage zu beurteilen. Aufgrund der einschneidenden Auswirkungen und des allfälligen irreparablen Schadens für den Spieler ist „im Zweifel für den Spieler“ zu entscheiden. Darüber hinaus entspricht es dem Rechtsverständnis der FIFA, dass ein Spieler nicht gezwungen werden kann, am Arbeitsvertrag festzuhalten; vielmehr haftet er für den entstandenen Schaden oder wird mit sportlichen Sanktionen belegt. Demzufolge sind die Chancen einer positiven Entscheidung für RB Salzburg bzw. Wanderson als durchaus gut einzustufen.

Mögliche Sanktionen bei Vertragsbruch

Ungeachtet der Entscheidung der FIFA (Genehmigung / Verweigerung) steht Getafe CF aber die Möglichkeit offen, ein Verfahren wegen Vertragsbruchs einzuleiten. Art. 17 des Transfer-Reglements der FIFA sieht im Falle eines Vertragsbruches neben finanziellen Sanktionen (Schadenersatz) auch sportliche Strafen (Spielersperre von 4 bis 6 Monaten) für den Spieler vor. Daneben können auch über den neuen Verein sportliche Sanktionen (worst case: Transfersperre für 2 Registrierungsperioden) verhängt werden, sofern dieser den Spieler zum Vertragsbruch angestiftet hat; der Gegenbeweis ist dabei vom neuen Verein zu erbringen.

Kurzum es bleibt spannend in der Causa Wanderson und auch die Genehmigung der provisorischen Registrierung des Spielers bedeutet nicht, dass dieser Transfer für RB Salzburg bzw. Wanderson nicht noch mit Nachwehen verbunden sein kann.

 

Zum Autor:

Mag. Bernhard Folta ist Rechtsanwalt in Baden bei Wien und neben dem Arbeits- und Wirtschaftsrecht auf Sportrecht spezialisiert. Sie erreichen ihn unter b.folta@gruboeck.com.

 

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Trikotgate um Andreas Ulmer: Keine rechtlichen Folgen

Gastbeitrag von Fabian Reinholz

Die UEFA hat den Fauxpas mit vertauschten Trikots in der Champions League Qualifikation zwischen RB Salzburg und FK Liepaja durchgehen lassen. Man habe den Vorgang wieder geschlossen, wurde den Salzburgern mitgeteilt.

Was war geschehen? Andreas Ulmer, Spieler von RB Salzburg, lief in der 2. Halbzeit des Qualifikationsspiels mit einem Trikot des deutschen „Schwestervereins“ RB Leipzig auf. Das fiel zunächst gar nicht auf, da die Heimtrikots beider Mannschaften identisch sind und sich die Clublogos nur im Stadtnamen unterscheiden. Selbst der Spielername stand korrekt auf dem Trikotrücken. Offenbar hatte sich ein Trikot bei der Belieferung durch den Hersteller verirrt.

Nach den Trikotpannen während der WM, war das Trikotgate von Salzburg eine willkommene Pressestory. Rechtliche Folgen mussten aber weder Club noch Spieler befürchten.

Sollte jemand dabei ans Markenrecht denken, weil die Vereinslogos in der Regel markenrechtlich geschützt sind: Das hier ist kein Fall einer Markenverletzung. Sie setzt eine Täuschung der Verbraucher über die Herkunft (den Hersteller) des mit der Marke versehenen Produkts voraus. Im vorliegenden Fall wurde aber schon niemand getäuscht, jedenfalls nicht über die beteiligten Vereine. Zudem diente das falsche Trikot nicht dem Produktabsatz.

Näher lag ein Verstoß gegen UEFA-Regularien. Die gibt es aber im Ergebnis nicht.

Bei Spielen der Champions League Qualifikation gilt das UEFA-Ausrüstungsreglement, sofern die Regelungen der nationalen Verbände (für RB Salzburg der ÖFB) keine Bestimmungen vorsehen, was hier wohl der Fall ist.

Im UEFA Reglement gibt es keine Vorschrift, die den Fall eines falschen Trikots regelt; vermutlich weil so ein Fall bisher nicht denkbar war. Nach Art. 6.02 des UEFA-Ausrüstungsreglements kann der UEFA-Spieldelegierte zwar „fragwürdige Ausrüstungsgegenstände“ beschlagnahmen und diese der UEFA-Administration zur Ergreifung geeigneter Maßnahmen vorlegen. Was das für Maßnahmen sein sollen, ist unklar. Genauso unklar ist, ob ein falsches Trikot ein „fragwürdiger“ Ausrüstungsgegenstand ist. Offenbar hat man das auch bei der UEFA so gesehen.

 

Zum Autor:

Fabian Reinholz ist Partner von Härting Rechtsanwälte in Berlin und dort unter anderem im Wettbewerbs-, Werbe-, Marken- und Sportrecht tätig. Fabian publiziert regelmäßig zu sportrechtlichen Themen auf härting.sport. Sie erreichen ihn unter reinholz@haerting.de.

 

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Dmitrovic und Third Party What?

Gastbeitrag von Dr. Georg Petritsch

Mascherano, Tevez, Dmitrovic – Auf den ersten Blick scheinen die argentinischen Stars mit dem 20-jährigen Goalie, gerade am Sprung zu Sturm Graz, nicht viel gemeinsam zu haben. Auf den zweiten Blick verbindet sie ein Schlagwort – Third Party Ownership (TPO).

TPO – was versteht man eigentlich darunter?

Im Zuge der Verhandlungen rund um die Verpflichtung von Filip Dmitrovic musste Sturm Graz feststellen, dass die „Transferrechte“ von Austria Klagenfurt im Jänner diesen Jahres an den LASK (oder die Spieleragentur „Stars and Friends“) verkauft wurden um rasch etwas Geld für den in Notlage geratenen Verein zu lukrieren. Der Verkauf von Transferrechten oder Ablöseansprüchen ist eine Praxis, die insbesondere im südamerikanischen Fußball weit verbreitet ist und auch im Zuge der Transfers von Carlos Teves und Javier Mascherano bereits vor einigen Jahren aufgedeckt wurde.

Vereine bieten Investoren Beteiligungen am zukünftigen (Weiter-)Verkauf der Spieler an. Problematisch ist dabei nicht nur der wirtschaftliche Druck von dritter Seite auf die Vereine, sondern insbesondere die häufig geforderte Mitsprache bei den Transfers und die damit verbundene Einflussnahme auf den sportlichen Wettbewerb. In den vergangenen Jahren hat sich das System jedoch in vielen Ländern, auch in Europa, als wichtige Einnahmequelle der Vereine etabliert.

Das FIFA Regelwerk

Der FIFA selbst sind die Beteiligungen und die mögliche Beeinflussung von Transferabläufen durch Dritte ein Dorn im Auge. Nachdem zunächst 2008 eine eher zahnlose Bestimmung Eingang ins FIFA Statut fand, trat am 1. Mai 2015 trat Artikel 18ter  des FIFA Reglements bezüglich Status und Transfer von Spielern in Kraft.

Damit wurde ein ausdrückliches Verbot von TPO im Fußball festgelegt und der Abschluss von Verträgen mit Drittparteien zur Weitergabe „eines gänzlichen oder partiellen Anspruches auf Entschädigung oder „beliebiger Rechte im Zusammenhang mit einem künftigen Transfer oder einer Transferentschädigung“ untersagt.

FIFA und UEFA sehen die Integrität des Sports gefährdet, da es sich nicht nur um eine moralisch fragwürdige Vorgehensweise handelt, sondern durch undurchsichtige Beteiligungen und Einflussnahmen von Investoren auch die Gefahr der Wettbewerbsverzerrung steigt. Bei Nichteinhaltung drohen jedenfalls saftige Strafen.

Freier Wettbewerb vs. moderne Sklaverei

Aber auch außerhalb der FIFA wird das System kritisch gesehen. So betrachtet FIFPro General Theo Van Seggelen das System als „moralisch verrückt“ und Richard Scudamore (Premier League) sprach gar von moderner Sklaverei“.  

Nichtsdestotrotz gibt es Stimmen, denen ein generelles Verbot von TPO zu weit geht und der Effekt der Einflussnahme von dritter Seite mit gelinderen Mitteln erreicht werden könnte. Insbesondere  Vereine der iberischen Halbinsel und aus Osteuropa sehen auf Grund der FIFA-Bestimmungen wiederum eine wichtige Einnahmequelle versiegen. Miguel Angel Gil von Atlético Madrid stellte sogar fest, dass nur mit Hilfe dieses Finanzierungsmodells die sportliche Wettbewerbsfähigkeit aufrecht erhalten werden konnte.  

Aus EU-wettbewerbsrechtlicher Sicht ist das Generalverbot jedenfalls fragwürdig und auch die Kapitalsverkehrsfreiheit wird durch das FIFA-Statut klar eingeschränkt. Auf dieser Grundlage haben die Verbände Portugals und Spaniens bereits eine Beschwerde bei der EU-Kommission eingebracht, zu der jedoch noch keine Ergebnisse vorliegen.

Sturm Graz hat jedenfalls gut daran getan, die Sachlage in der Causa Dmitrovic näher zu prüfen und von dem Transfer schlussendlich doch abzusehen. Wie erwähnt greift die FIFA rigoros durch und hat mehrere Vereine, unter anderem Twente Enschede aus den Niederlanden, zu Geldstrafen zwischen CHF 60.000 bis 185.000 verurteilt. Geld, das man bei den Grazern sicher besser einzusetzen weiß…

 

Zum Autor:

Dr. Georg Petritsch ist Rechtsanwaltsanwärter in Bad Aussee und unter anderem auf Sportrecht spezialisiert. Seine Dissertation hat er zum Thema „Mitbestimmung im Mannschaftssport“ verfasst und dabei einen Rechtsvergleich mit England, Deutschland und den USA gezogen. Sie erreichen Dr. Petritsch unter g.petritsch@dr-wilfinger.at.

 

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Der „Brexit“ – (K)ein Eigentor für den englischen Fußball?

Gastbeitrag von Meinhardt Schweditsch

Die Bürger des Vereinigten Königreiches haben sich für einen Abschied aus der Europäischen Union entschieden. Nach dem Schlusspfiff durch das Volk wollen die Verantwortlichen der Europäischen Union keine Verlängerung. Nun stellt sich die Frage nach den Folgen eines möglichen Austrittes aus der EU (im Folgenden: „Brexit“) für die Legionäre, die in englischen Ligen ihr Geld als Fußballprofis verdienen oder verdienen wollen. Außerdem sind die Folgewirkungen für englische Profis, die in nicht britischen, europäischen Ligen spielen, näher zu beleuchten.

Das Thema kann in diesem Rahmen nicht abschließend diskutiert werden. Dennoch sollen drei Fragen in diesem Beitrag behandelt werden: Erstens die Frage, ob eine Grundaussage des Bosman Urteils – nämlich das Verbot von Ablösesummen (zum Beispiel das Verbot einer sog „Transferentschädigung“) nach Ablauf der vereinbarten Laufzeit des Vertrages – in England noch Gültigkeit haben wird. Zweitens, ob Profis aus den EU-Mitgliedstaaten weiterhin problemlos nach England wechseln können. Drittens die Frage, was ein „Brexit“ für vielversprechende ausländische Minderjährige bedeutet, die nach England transferiert werden sollen.

Das „Bosman-Urteil“

Das berühmte „Bosman-Urteil“, welches sich 2015 zum 20. Mal jährte, wurde vom EuGH gefällt. Fraglich ist deswegen, ob der Inhalt des Urteils bei einem „Brexit“ weiter anwendbar bleibt. Andernfalls können englische Klubs jedenfalls eine Ablösesumme für ausländische Spieler verlangen. Selbiges würde für Vereine der Union, die englische Spieler beschäftigen, gelten.

Englische Spieler werden künftig in der EU zur Gruppe der Drittstaatsangehörigen zu zählen sein. Die Folgen des „Bosman-Urteiles“ erstrecken sich laut dem Urteil auch auf Spieler aus Ländern, die mit der EU ein Assoziationsabkommen geschlossen haben, sofern sich dieses auf die Grundfreiheiten bezieht. (Streinz, Der Fall Bosman: Bilanz und neue Fragen, ZEuP 2005, 340 (347 f).)

Allerdings könnte es sein, dass England nach vollzogenem „Brexit“ vorerst gar kein vertragliches Verhältnis mit der EU hat. Dies würde bedeuten, dass die Ablösefreiheit nur aus dem FIFA-Reglement bezüglich Status und Transfer von Spielern (im Folgenden: FIFA-Transferregularien) abgeleitet werden könnte, da der englische Fußballverband (FA) der FIFA angehört. Dieses Reglement sieht den Vertrag zwischen Spieler und Verein als beendet an, sobald er ausgelaufen ist. Nachvertragsklauseln mit Sperren oder Ähnlichem sind nicht möglich. Bei triftigem Grund kann der Vertrag von Spielerseite vorzeitig aufgelöst werden ohne dass dieser Folgen befürchten muss. In beiden Fällen ist eine Ablösesumme nach diesen Regularien nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Zwei gegensätzliche Ansichten erscheinen vertretbar:

  1. Das umfassende Verbot von Ablösesummen bei Zeitablauf des Vertrages kann aus Art 14 FIFA-Transferregularien abgeleitet werden. Dieser besagt, dass die Partei, die den Vertrag aus triftigen Gründen vorzeitig löst, keine Sanktionen im Sinne von Entschädigungszahlungen und keine sportlichen Sanktionen erwarten soll. Ziel ist es, die Partei des Vertrages, die die Auflösung nicht verschuldet hat, zu schützen. Endet die vereinbarte Vertragslaufzeit, hat keine der beiden Parteien die Vertragsauflösung verschuldet. Demnach kann auch in einem solchen Fall argumentiert werden, dass keine der beiden Parteien Sanktionen befürchten soll. Insbesondere verbietet Art 14 FIFA-Transferregularien sog Entschädigungszahlungen. Der EuGH verbietet im Bosman-Urteil Transferentschädigungen. Eine Transferentschädigung ist eine Entschädigungszahlung und damit von Art 14 FIFA-Transferregularien erfasst. Dieses Verbot von Entschädigungszahlungen (zB Transferentschädigungen bzw Ablösen) kann also auf Verträge, die nach der vereinbarten Vertragsdauer enden, angewendet werden. In den Regelungen nationaler Verbände, wie dem ÖFB, kommt das des früheren Vereins bei einem Wechsel des Spielers nach Ablauf der vereinbarten Laufzeit des Vertrages klar zum Ausdruck (siehe § 22).
  2. Ist man gegenteiliger Ansicht, gilt das Ablöseverbot bei einem Vertrag dessen Laufzeit geendet hat, welches ursprünglich aus dem Bosman-Urteil abgeleitet wurde, nicht mehr. Englische Klubs können damit auch nach Zeitablauf des Vertrages Ablösesummen verlangen. Umgekehrt können auch europäische Klubs Ablösesummen für englische Spieler, die als Drittstaatsangehörige gelten, im Falle des Ablaufes der vereinbarten Vertragszeit verlangen. Dies liegt daran, dass bei einem „Brexit“ keine vertragliche Beziehung (z.B. Assoziationsabkommen) zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich besteht.

Transfers nur noch mit Arbeitserlaubnis möglich

Eine weitere problematische Tatsache ist, dass bei einem vollständigen „Brexit“ alle ausländischen Spieler, die nach England wechseln wollen, eine Arbeitserlaubnis benötigen würden. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit gilt dann nicht mehr. Das Erfordernis der Arbeitserlaubnis (sowie eines Visums) gilt bis dato nur für Drittstaatsangehörige. Transfers von Drittstaatsangehörigen sind derzeit nämlich nur dann möglich, wenn die Spieler eine gewisse Qualität vorweisen können. Die zu erfüllenden Qualitätskriterien sind dabei sehr hoch angesetzt, da sie an Länderspielteilnahmen in Verbindung mit der Weltrangliste der Nationen anknüpfen.

Je schlechter die Nation in der FIFA-Weltrangliste gereiht ist, desto mehr Länderspielteilnahmen muss der betroffene Spieler nachweisen, um den englischen Anforderungskriterien an eine Arbeitserlaubnis zu genügen. Der Beobachtungszeitraum beträgt dabei in der Regel zwei Jahre vor der Stellung des Antrages auf Arbeitserlaubnis. Diese strengen Regeln des englischen Innenministeriums, welche auf jene des nationalen englischen Fußballverbandes (FA) verweisen, würden bei einer vollständigen Loslösung von der EU nun auch für Spieler aus EU-Mitgliedstaaten zur Anwendung kommen. Das würde einen Wechsel nach England massiv erschweren. Davon ausgenommen sind allerdings jene Spieler aus EU-Ländern, die bereits in England tätig sind.  Für Minderjährige tritt eine besondere Erschwernis hinzu.

Transfers bei Minderjährigen

Grundsätzlich ist für Minderjährige Art 19 FIFA-Transferregularien anzuwenden. Sie dürfen international nur transferiert werden, wenn sie mindestens 18 Jahre alt sind. Bis dato konnte ein Transfer trotzdem stattfinden, sofern eine der folgenden Fälle vorliegt: Erstens, wenn die Eltern des betroffenen ausländischen Spielers den Wohnsitz im Land des neuen Vereins aus Gründen annahmen, die nichts mit dem Fußballsport zu tun haben. Zweitens, wenn der Wechsel innerhalb der EU oder innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) stattfindet. Bei einem Austritt Großbritanniens aus der EU trifft die zweite Alternative nicht mehr zu. Transfers würden dadurch massiv erschwert werden.

Fazit

Bei einem Austritt aus der Union und einem gleichzeitigen Beitritt in den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) wären die weiter oben beschriebenen Probleme mit einem Schlag entschärft. Der Grund liegt darin, dass Länder, die dem EWR beitreten, von der Arbeitnehmerfreizügigkeit profitieren. (Streinz, ZEuP 2005, 340 (347 f).)

Da das EWR-Abkommen jedenfalls mit einem Assoziationsabkommen gleichwertig ist, wäre auch die Rsp. des EuGH anwendbar und englische Spieler in der EU damit geschützt. Im Gegenzug würde die Grundfreiheit der Arbeitnehmerfreizügigkeit auch in England gelten. Zudem sind EWR-Staaten auch von der Ausnahmeregelung des Art 19 FIFA-Transferregularien erfasst.

Sollte Großbritannien jedoch den „Brexit“ vollziehen und nicht in den EWR aufgenommen werden, könnte das britische Innenministerium nur die Anforderungen an eine Arbeitserlaubnis verringern. Dies wäre politisch allerdings problematisch, weil andere Branchen dann ebenfalls eine solche Verringerung der Anforderungen an eine Arbeitserlaubnis einfordern würden. Eine Anpassung der FIFA-Transferregularien im Sinne einer „lex Britain“ als dritte Ausnahmeregelung des Art 19 ist eher denkbar. Das Problem der Ablösesummen müsste dann ebenfalls durch eine Anpassung der FIFA-Transferregularien gelöst werden.

 

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Mag. Meinhardt Schweditsch ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz.

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