Der Fall Heinz Müller – ein Elfer für den Goalie?

Das Arbeitsgericht Mainz entscheidet für Heinz Müller. Das Urteil könnte jedenfalls in Deutschland einiges verändern.

Kaum ein Gerichtsurteil der letzten Jahre erregte solche Aufmerksamkeit unter Spielern, Trainern, Funktionären und Fans wie jenes im Rechtsstreit zwischen dem ehemaligen deutschen Profitorhüter Heinz Müller und seinem Ex-Verein FSV Mainz 05. Das Urteil wird derzeit von verschiedenen Seiten kontrovers diskutiert und von einigen Beteiligten bereits mit dem bekannten, richtungsweisenden Bosman-Urteil des Jahres 1995 verglichen. Fakt ist, dass das Urteil, sofern es von den Berufungsinstanzen bestätigt wird, das Potenzial hat das Vertragssystem im deutschen Fußball von Grund auf zu verändern.

Heinz Müller stand von 2009 bis 2014 beim deutschen Bundesligisten FSV Mainz 05 unter Vertrag, wobei dieser zunächst von 2009 bis 2012 lief und danach bis 2014 verlängert wurde. Der Vertrag enthielt eine Klausel, nach welcher er automatisch um ein Jahr verlängert worden wäre, sofern Müller eine vorgegebene Anzahl an Partien gespielt hätte. Müller wurde jedoch aus zweifelhaften Gründen zur zweiten Mannschaft abgeschoben. Dadurch entging Müller einerseits sein Anteil an den ausgeschütteten Siegesprämien, die nur an Spieler im Profikader ausgezahlt wurde, andererseits hatte er keine Chance eine automatische Vertragsverlängerung zu erwirken. Daher klagte er seinen Ex-Verein auf Prämiennachzahlung. Zudem klagte er ein, dass ihm nach § 14 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) ein unbefristeter Vertrag zustehe.

Genau das hat das Arbeitsgericht Mainz in seiner Entscheidung vom März 2015 bestätigt. „Es gibt nach dem Gesetz nur zwei Möglichkeiten für eine Befristung: Entweder eine Gesamtdauer von maximal zwei Jahren oder weil ein Sachgrund dafür vorliegt“, sagte Gerichtssprecherin Ruth Lippa, die das Urteil fällte. Im ersten Fall ist es zudem möglich den Vertrag dreimal zu verlängern. Macht man hingegen einen Grund geltend, so kann der Vertrag solange befristet werden, wie der geltend gemachte Grund tatsächlich vorliegt.

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass Fußballspieler zweifellos Arbeitnehmer nach § 5 Arbeitsgerichtsgesetz sind. Im vorliegenden Fall war die Höchstbefristungsdauer von zwei Jahren für mehrere aufeinanderfolgende befristete Verträge nun bereits überschritten. Daher war Mainz 05 gezwungen einen Sachgrund für die Befristung vorzubringen und stützte sich dabei besonders darauf, dass die Leistungsfähigkeit eines 34-jährigen Spielers kaum abschätzbar sei, und dass befristete Verträge im Fußball Standard seien. Die Befristung des Vertrages sei daher aufgrund der Eigenart der Arbeitsleistung gerechtfertigt gewesen. Dem widersprach die Richterin im Müller Fall jedoch: „Die Eigenart der Arbeitsleistung als Profifußballspieler rechtfertigt demnach nicht eine Befristung des Vertrages“.

In ähnlich gelagerten Fällen wurde zwar bereits anders entschieden, der vorgebrachte Grund kann jedoch nicht pauschal in jedem Vertrag vorgebracht werden, sondern muss für jeden einzelnen Spieler konkret dargelegt werden. Das oftmals vorgebrachte Abwechslungsbedürfnis der Zuseher ist im Fußball ein untaugliches Argument. Sieht man sich Francesco Totti, Iker Casillas oder auch Philipp Lahm an, so sind sich Fußballfans mit Sicherheit einig, dass man ihnen durchaus noch über Jahre weiterhin gerne zusieht. Insbesondere bei Torhütern in Müllers Alter ist auch die oftmals vorgebrachte „Altersschwäche“ nicht pauschal zutreffend. So hatte zum Beispiel Edwin van der Saar seine wohl stärkste Zeit erst mit Ende 30.  Es muss also konkrete Argumente geben warum in Müllers Fall von einer Verschlechterung der Leistung auszugehen ist. Schließlich wurde § 14 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes zur Umsetzung der RICHTLINIE 1999/70/EGerlassen, welche befristete Verträge zur Ausnahme machen sollte. Im Fußball ist es jedoch bekanntermaßen Standard Verträge zu befristen.

Natürlich handelt es sich im vorliegenden Fall dennoch um eine noch nicht ausjudizierte Konstellation. Es ist daher möglich, dass das in letzter Instanz entscheidende BAG, entgegen den oben vorgebrachten Argumenten, der älteren Judikatur folgt und das Urteil des AG Mainz aufhebt.

Die Vereine fürchten durch das Urteil vor große Probleme gestellt zu werden, insbesondere was den Bereich Personalplanung angeht. So fürchtet unter anderem Harald Strutz, Rechtsanwalt und Präsident von Mainz 05, in Zukunft „50, 60 Profis im Kader“ zu haben, sollte man jedem Spieler, der die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt einen unbefristeten Vertrag geben müssen. Ebenso geben Vereine an, Spieler nun wohl in Zukunft bis ins Rentenalter auf der Gehaltsliste stehen zu haben.

Jedoch ist es unklar, ob tatsächlich so viele Spieler wie befürchtet auf ein unbefristetes Arbeitsverhältnis klagen werden, da für viele Profis auch ein befristeter Vertrag und damit zum Ende des Vertrages ein ablösefreier Wechsel bzw. eine Gehaltserhöhung, um einen solchen Wechsel zu verhindern, erstrebenswert ist. Dies ist auch weiterhin möglich sofern sich die Vereine mit den betroffenen Spielern explizit darauf einigen, wie auch Richterin Lippa angibt: Natürlich könnten sich ein Verein und ein Spieler jederzeit auf einen Drei- oder Vierjahresvertrag einigen, „wenn der Spieler ausdrücklich die Flexibilität eines solchen befristeten Vertrags haben will“.

Es bleibt nun jedoch zum Einen abzuwarten wie die übergeordneten Instanzen die nun eingereichte Revision von Mainz 05 beurteilen werden, und zum Anderen sind auch die Folgen derzeit noch kaum abschätzbar. Diese werden wohl erst in einigen Jahren ersichtlich sein.

Für Österreich hat das Urteil wenig relevanz, zumal es hierzulande Kollekitvverträge gibt, die solche Befristungen regeln.

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