„Das wird man doch wohl noch sagen dürfen – oder?“

Gastbeitrag von Ulrike Zeller

Enthüllungen und Abrechnungen mit Gegnern oder Prominenten erhöhen die Auflage. Die freie Meinungsäußerung stößt aber oft an – berechtigte – Grenzen.

Das Recht auf freie Meinungsäußerung (und Information) ist ein durch die Verfassung geschütztes Grundrecht, das jede/r für sich in Anspruch nehmen kann. Demgegenüber steht das Recht und Interesse jedes und jeder Einzelnen in der Öffentlichkeit nicht bloßgestellt oder diskreditiert zu werden. Wie, was und vor allem über wen eine Veröffentlichung in Medien zulässig ist, ist vor allem auch davon abhängig, wie die Abwägung der jeweiligen Interessen ausfällt.

Tatsachenvorwurf oder Werturteil?

Es gibt einen Unterschied, ob jemand den Eindruck erweckt, eine Tatsachenbehauptung, somit vermeintliche „Wahrheiten“ (die allenfalls bewiesen werden könnten) zu verbreiten, oder seine Meinung in Form einer Bewertung abzugeben (Werturteil).

Beispielsweise wird die Bezeichnung von Herrn Polzer als „Fußball-Sissi“ bzw. als „jammerndes runzliges Grinzinger Klageweib“ im Online-Artikel der Münchner Tageszeitung vom durchschnittlichen Leser wohl kaum als Behauptung aufgefasst, dass Herr Polzer wie die legendäre Kaiserin mit Strass-Sternen im geflochtenen Haar auftrat, sondern als Beurteilung der Art der Kommentierung, die der Autor offensichtlich nicht mochte.

Die Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen ist grundsätzlich unzulässig, weshalb auch Journalisten, Blogger, Poster etc. die Pflicht trifft, zu überprüfen, was sie in ihren Veröffentlichungen behaupten. Nur wenn sie ausreichende Gründe haben, ihre Behauptungen für wahr zu halten, ist die Veröffentlichung zulässig.  Auch dann ist aber immer noch ausschlaggebend, inwiefern dadurch der Betroffene beeinträchtigt wird.

Werturteile sieht die Rechtsprechung grundsätzlich als zulässig an. Trotzdem ist darauf Rücksicht zu nehmen, ob die Interessen des Betroffenen das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiegen. Es besteht also kein Freibrief für herabsetzende und beleidigende Bemerkungen. Was eine Beleidigung ist, haben die Gerichte leider nicht einheitlich beantwortet. So wurde das Wort „Trottel“ einerseits als Beleidigung angesehen, andererseits als adäquate Kommentierung einer Aussage eines Politikers.

Werden Interessen des Betroffenen beeinträchtigt?

Die genannte Interessensabwägung wird durch Bestimmungen des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (§ 1330 ABGB) sowie Vorschriften des Mediengesetzes teilweise spezifiziert, wobei immer auf die Schädigung des Rufes oder des weiteren Fortkommens der Person abgestellt wird. Das unterliegt natürlich auch dem gesellschaftlichen Wandel.

Eine Lobeshymne auf das Talent eines Fußballers aus der Regionalliga, die dieser nicht „abgesegnet“ hat, wird diesen wohl kaum im Hinblick auf seinen Ruf und seine Tätigkeit stören. Die Berichterstattung, welche Korruptionsvorwürfe gegen den ehemaligen Finanzminister Grasser in den Raum stellt, mag wiederum zwar für diesen nicht angenehm oder für seine Karriere förderlich sein, allerdings ist wohl das Interesse der Öffentlichkeit daran unbestritten sehr groß, weshalb sie zulässig ist.

Inwiefern sich jemand gefallen lassen muss, öffentlich kritisiert oder überhaupt erwähnt zu werden, ist auch zu einem wesentlichen Teil davon abhängig, wie sehr er der Öffentlichkeit bekannt ist, somit eine sogenannte „Person des öffentlichen Lebens“ ist. Beispielsweise muss sich Herr Polzer, der als Kommentator naturgemäß regelmäßig in der Öffentlichkeit auftritt, ebenso wie (ehemalige) Politiker gefallen lassen, dass ein erhöhtes Interesse an seiner Person besteht und daher auch vermehrte und kritischere Berichterstattung zulässig ist.

Absolute Grenzen

Ein gewisser Schutz vor der Öffentlichkeit wird aber jedem und jeder Einzelnen, unabhängig von Beruf, Bekanntheit etc. zuerkannt. So ist der höchstpersönliche Lebensbereich (Familie, Krankheit, Themen der Sexualität etc.) grundsätzlich tabu, sofern die Person die Informationen nicht selbst Preis gibt. Außerdem bestehen ein besonderer Schutz der Unschuldsvermutung sowie ein Recht auf Anonymität für Opfer von gerichtlich strafbaren Handlungen.

Fazit

Schlussendlich kommt es – wie bei juristischen Themen so oft – immer auf die genaue Formulierung und die Umstände an. „Das wird man wohl noch sagen dürfen“ ist in Bezug auf Wertungen (z.B.: der Art ein Spiel zu kommentieren) richtig, kann aber nicht automatisch mit „Alles wird wohl noch sagen dürfen“ gleichgesetzt werden.

 

Zum Autor:

Mag. Ulrike Zeller ist Rechtsanwältin in Wien bei Suppan & Spiegl Rechtsanwälte GmbH und seit mehreren Jahren u.a. im Bereich des Medienrechts und Persönlichkeitsschutzes tätig. Aus den weiteren Schwerpunkten der Kanzlei, wie beispielsweise Vereins- oder Unternehmensrecht ergeben sich in der Beratung immer wieder Synergieeffekte.

 

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